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42 - Albrecht Bader

Mo. 26.3. a.d. 1571

Trotz der trüben Stimmung am Abend zuvor habe ich gut geschlafen und wache erholt auf. Die Sonne scheint, und ich fühle mich wieder bereit für die Herausforderungen des heutigen Tages. Ein wenig stolz denke ich daran, was ich heute Abend Karl alles schon berichten kann.

Ich rufe Seidel, denn da er gestern fleißig die Garderobe des Brudenhusen durchforstet hat, kann ich mit dem Sichten auch gleich anfangen. All seine prächtigen Wämse sind mir zu kurz und breit, auch die Beinlinge passen nicht an meine Figur. Aber doch ist da manches Wäschestück und die Schauben*, die ich weiter verwenden kann. Und ein paar der Kleidungsstücke sind so, dass Seidel meint, man könne sie für mich umarbeiten.
„Wer hat eigentlich die Näharbeiten gemacht? Denn Anna Adam hat ja nur die Stickereien angebracht."
„Das, Herr, ist eine Näherin hier in der Stadt. Sie hat drei Mädchen bei sich arbeiten, und diese vier sind sehr geschickt mit Nadel und Faden."
„Dann wollen wir die Frau kommen lassen. Sie soll sagen, was sich für mich ändern lässt. Ich will all diese Pracht ja gar nicht tragen. Aber wenn das Geld nun mal zu Unrecht dafür ausgegeben wurde, dann will ich das alles auch nicht wegwerfen. Allerdings will ich für das tägliche Leben und Arbeiten hier deutlich einfachere Kleidung tragen. Dabei können die Näherinnen mir dann auch behilflich sein."

Ich gehe zum Frühstück nach unten und bitte den Bader, sich zu mir zu gesellen. Er hat bereits seit dem frühen Morgen im Arbeitszimmer des Hauser die Papiere gesichtet und viele Stapel gemacht. Nun fordere ich ihn auf, mit mir zu frühstücken. Wenn ich mir tatsächlich dauerhaft Gesellschaft an den Tisch locken will, ist er sicher nicht die schlechteste Wahl, um damit zu beginnen. Dieser Mann ist freimütig und unerschrocken.
Es stellt sich heraus, dass das eine gute Entscheidung war. Völlig ungerührt kommt er meiner Einladung nach und setzt sich zu mir an den viel zu großen Tisch. Ein Diener wartet uns auf.
„Habt Dank, Herr, für die Einladung. Vor lauter Staub zwischen den Papieren habe ich eine ganz trockene Kehle."
Er nimmt einen großen Schluck aus seinem Bierkrug und greift dann tüchtig zu bei den angereichten Speisen.
„Was verschafft mir die Ehre?"
Ich mag diesen Mann!

„Zweierlei. Erstens habe ich gestern Abend verstanden, dass ich mir hier ein ziemlich einsames Leben gewählt habe, da ich in der Regel ohne Familie und Freunde hier sein werde. Und das liegt mir nicht. Ich bin ein geselliger Mensch und habe gerne Menschen um mich. Zweitens seid Ihr, Bader, ein humorvoller Mensch, der frei heraus und mutig in die Welt schaut und seine Meinung sagt. Und das alles ist genau das richtige Mittel gegen meine Einsamkeit. Wenn es nach mir geht, dürft Ihr mir jeden Tag hier Gesellschaft leisten."
Nun sehe ich doch Staunen in seinem Gesicht.
„Ihr wollt mich als ständige Gesellschaft? Und Ihr würdet Euch von mir gefallen lassen, wenn ich Euch widerspräche?"
Ich lache.
„Ganz genau, Bader. Ihr seid der Erfahrene, ich bin der Jungspund. Wo kämen wir hin, wenn ich alles in meinem Kopf alleine auskaspern wollte? Ich habe schon viel Mist gebaut in meinem Leben und habe dabei gelernt, dass ich ab und zu jemand brauche, der mich zurückpfeift und auf den richtigen Pfad schickt. Ihr würdet mir eine große Freude machen, wenn Ihr mein ehrliches Gegenüber sein wolltet."

Er grinst.
„Darf ich gleich damit anfangen?"
Ich nicke ihm zu und bin gespannt, was jetzt kommt.
„Ihr seid ein seltsamer Herzog, der nicht Herzog sein mag, der spricht wie sein Volk und der einfache Leute an seinen Tisch holt. Ich fühle mich wohl damit, das ist gut so. Auch, dass Ihr vorgestern allen Bediensteten unbesehen Euer Vertrauen ausgesprochen habt, ihnen die Möglichkeit gegeben habt, sich zu bewähren, dass Ihr nicht nachforschen und aufrechnen wollt, ist wirklich ungewöhnlich und bewundernswert. Damit habt Ihr die Herzen dieser Menschen gewonnen. Aber viele werden es nicht verstehen. Wir werden wachsam sein müssen, dass das nicht ausgenutzt wird. Denn ernst nehmen sollten die Leute Euch schon."
Dankbar sehe ich ihn an.
„Genau das habe ich mir gewünscht. Dass mir jemand sagt, wie es wirkt, was ich tue, was die Leute darüber denken. Ich bin mir darüber im Klaren, dass mancher mein vorauseilendes Vertrauen missbrauchen wird. Aber die klare Haltung gegenüber Brudenhusen, Hauser und Stolzer wird auch ihre Wirkung zeigen. Sie werden wissen, dass man mit mir nicht spielen kann. Dass die Hannovers noch einmal zu Ehren kommen, wird wirken. Dass Barkhausen, Jansen und Seidel sich so loyal zeigen, wird wirken. Dass 'der alte Bader' freiwillig seinen Platz in der Sonne räumt, um mit mir zusammen noch einmal richtig die Ärmel hochzukrämpeln, wird wirken. Ich will wachsam sein, aber ich mache mir keine großen Sorgen, ob die Leute mir folgen werden."

Ich zwinkere ihm zu.
„Kommt, Bader. Ich erzähle Euch meine Geschichte. Dann werdet Ihr verstehen."
Wir wechseln auf zwei bequeme Plätze am Kamin. Und dann erzähle ich dem alten Mann, was ich in den letzten fünf Monaten erlebt habe. Wie ich in die Schuhe meiner Untergebenen geschlüpft bin, ihr Mahl, ihren Hunger und ihre Sorgen geteilt und verzweifelt nach mir selbst gesucht habe.
„Ich habe mich dort gefunden, in Lütgenhusen. Bei den einfachen Menschen, die ehrlich und treu und auf ihre eigene Art sehr weise sind. Es war gut, dass ich so lange suchen musste. Denn wäre ich einfach hier angekommen, ich hätte mich nicht im Spiegel angeschaut sondern würde weiter durchs Leben stolpern, ohne zu wissen, was ich eigentlich tue und will."

Bader schweigt eine Weile. Er hat immer mal gekichert oder den Kopf geschüttelt. Aber nun richtet er sich auf.
„Ich freue mich darauf, mit Euch zu arbeiten, Herr. Mit Euch zu speisen, zu schimpfen und zu lachen. Was dieser Klaas und diese Anna für Euch sind, kann ich nicht ersetzen. Aber ich kann der nächste sein, der Euch in die Seele schauen und Euch die nächsten Schritte lehren darf."
Und wieder hat einer genau hingehört und verstanden, wer Anna für mich ist, obwohl ich mir redlich Mühe gegeben habe, das zu verbergen.
„Dann kommt, wir machen uns an die Arbeit!"

Gemeinsam gehen wir erst in mein Arbeitszimmer, dann in seines, um zu sehen, was da alles an Papieren auf Bearbeitung wartet. Nachdenklich starrt er auf die Wand seines Zimmers. Ich folge seinem Blick. Und ich verstehe sofort, worüber er nachdenkt.
„Oh. Das ist gut! Da ist eine Tür zu meinem Arbeitszimmer. Die muss von meiner Seite her zugestellt sein."
Ich klingele nach ein paar Dienern, die mir unter Ächzen und Stöhnen einen großen, schweren Schrank beiseite schieben und an eine andere Wand stellen. Der Schlüssel zu der Tür findet sich schnell am Gürtel vom Barkhausen, und so können wir zügig anfangen, die beiden Dokumentenhaufen zu vereinen, nach Arbeitsgebieten zu sortieren und erste Entscheidungen zu fällen.
Ganz unten hinten in dem verschobenen Schrank findet Bader seine alten Bücher und Verzeichnisse wieder. Lange Zahlenreihen und genaue Verwendungszwecke in gestochen scharfer Schrift zeugen davon, dass der Mann einst den Überblick über das gesamte Lehen hatte und es mit Sachverstand und Weitblick verwaltet hat. Mit einer stillen Zufriedenheit stellt er „seine" Bücher wieder ordentlich ins Regal, wo er sie griffbereit hat, um kontrollieren zu können, was sich seitdem verändert hat.

„Wir müssten ein paar naheliegende Dinge erledigen, Herr."
Fragend schaue ich ihn an.
„Schießt los, Bader."
„Ihr müsst entscheiden, was mit Brudenhusen und Hauser geschieht. Was mit der Stolzer geschieht. Ihr müsst bald einen Nachfolger für mich einstellen, damit ich ihn einarbeiten kann. Wann werdet Ihr zur Krönung in die Hauptstadt reisen?"
„Heute Abend wird Herr von Pagenstecher zurückkommen. Wir wollten dann am Mittwoch oder Donnerstag zurückreisen. Und in spätestens vier Wochen bin ich wieder hier. Brudenhusen und Hauser werden wir mitnehmen. Der Mordversuch an mir war Hochverrat, darum wird sich der neu gekrönte Herzog kümmern. Ich denke, die beiden werden baumeln. Aber bei der Stolzer ... Ich bin unschlüssig. Ich schwanke hin und her zwischen Aufknüpfen, aus dem Lehen jagen oder ihr einen Platz verschaffen, wo sie irgend etwas Sinnvolles tun kann, ohne Schaden anzurichten."

Bader schüttelt den Kopf.
„Mit Verlaub, Herr. Diese Frau ist boshaft durch und durch. Niemand ist damit gedient, wenn Ihr sie behaltet und mit etwas anderem beschäftigt. Ihr müsst sie nicht gerade aufknüpfen, aber sie sollte schon sehr gründlich verschwinden, damit sie hier kein Unheil mehr anrichten kann. Wir sollten herausfinden, ob es Verwandte gibt, zu denen wir sie abschieben können."
„Die Frau wurde doch vom Brudenhusen angestellt, oder? Es heißt sogar, dass sie miteinander verwandt wären."
„Ja, das wurde damals gemunkelt in der Stadt. Wenn es so ist, werden wir sicher einen Hinweis darauf irgendwo beim Brudenhusen finden."

Zunächst bespreche ich mit Bader, Barkhausen und Jansen, was sich in Haus und Hof an Veränderungen tut, sie bringen fertige Listen, geben uns die Stimmung unter den Leuten und in der Stadt wieder. Ich frage, welche Menschen wir noch zu einer großen Beratungsrunde bitten sollten, und schicke ein paar Diener los.
Gemeinsam mit Jansen, Barkhausen, dem Stallmeister Link, dem Falkner und Jagdmeister Adler und dem Vogt dieser Stadt Walther bekommen wir von Bader anhand von Karten und Plänen gezeigt, wie groß mein Lehen ist, welche Dörfer, Höfe, Handwerker und Ländereien es umfasst. Was sonst noch zum Besitz gehört. Bader berichtet grob, wie früher alles reibungslos ineinander gegriffen hat, und wir tragen zusammen, welche dieser Strukturen noch vorhanden sind, was Brudenhusen vielleicht verkauft hat, wo Verbesserungen nötig sind. Ich stelle viele Fragen und erhalte noch mehr Antworten. Ich bekomme ein ungefähres Bild davon, was am Dringendsten ist, mit welchen Menschen ich mich bald treffen sollte, welcher Schaden an meinem Besitz in den sechs Jahren angerichtet wurde und was davon sich noch retten lässt.

Zwischendurch essen wir alle gemeinsam zu Mittag. Ich habe meine heimliche Freude daran, mit meinen Bediensteten gemeinsam am Tisch zu sitzen. Die Jansen und die Männer fühlen sich dabei sichtlich seltsam, wissen erst nicht, wie sie sich verhalten sollen. Aber Bader zwinkert mir zu und lockert dann die Stimmung so auf, dass sich am Ende doch alle wohlfühlen. Hernach gehen alle wieder an ihre Arbeit. Mit Vogt Walther verabrede ich noch, wann ich bei ihm meinen Antrittsbesuch machen werde. Auch das irritiert ihn sichtlich, denn normalerweise wäre es ja umgekehrt.

„Bader? Ihr wirkt müde. Ich glaube, es wird Zeit für ein Schläfchen. Oder wir finden hier ein Plätzchen in der Sonne. Was meint Ihr?"
Dankbar lächelt er mir zu.
„Ich werde mich ein wenig hinlegen. Aber ich darf sagen, dass ich viel Freude daran habe, dass ich noch einmal mittun und Gutes bewirken darf."

die geprellte Braut

Während Bader sich ausruht, mache auch ich eine kleine Pause und spaziere über mein Anwesen.
Ich könnte Hurtig mal wieder Auslauf gönnen, er hat jetzt mehrere Tage gestanden.
Ich hole also Hurtig aus dem Stall und genieße es, mich mal wieder zu bewegen, im Einklang mit diesem wundervollen Tier. Und auch Hurtig genießt die Freiheit und die Bewegung.
Ich reite einmal um meine kleine Stadt herum, um mich ein bisschen mit der Gegend vertraut zu machen, und statte dabei dem Falkner Adler einen Besuch ab, um mir seine Arbeit zu besehen. Es ist faszinierend, wie sensibel er mit den Vögeln umgeht, wie gut er jedes Tier kennt. Eine ganze Weile beobachte ich schweigend den besonnenen Mann und seine Vögel. Seine konzentrierte, stille Art fasziniert mich. Er beachtet mich scheinbar gar nicht.
Erst, als er mit dem letzten Vogel mit dem Training fertig ist, kommt er plötzlich auf mich zu, reicht mir einen Lederhandschuh und fordert mich auf, den Bussard selbst zu halten.
„Ihr könnt den Vogel auch streicheln, Herr. Hier mag er es besonders gern."
Der Mann strahlt eine Ruhe aus, die sich auf die Vögel und auf mich überträgt und mich glücklich macht. Es fällt mir richtig schwer, mich wieder zu verabschieden.

Als ich zurück ins Schloss komme, sitzt Bader bereits wieder über den Papieren.
„Ich glaube, dass ich langsam verstehe, wie die beiden hier alles gehandhabt haben. Wirklich durchrechnen kann ich das aber erst, wenn ich tatsächlich alles sortiert habe. Witzig finde ich allerdings, dass nicht nur der Brudenhusen Euch betrogen hat, Herr. Sondern auch der Hauser hat wiederum gegenüber dem Brudenhusen gemogelt. Wie jammerschade, dass es ihnen nun so gar nichts genutzt hat ..."
Es tut gut, gemeinsam mit ihm darüber zu lachen.
Ja, ich bin mit dem Leben davongekommen, ich habe viel dazugelernt und ich habe herausgefunden, wie ich leben will.

Konzentriert arbeiten wir uns weiter durch die Papierflut.
Gegen Abend entsteht Unruhe im Hof. Mit einem Blick aus dem Fenster stelle ich fest, dass Karl wieder da ist.
Jetzt bin ich gespannt, wie Vater und Tochter es aufgenommen haben. Eine schöne Botschaft war es ja nicht.
Ich gehe ihm in die Halle entgegen. Er sieht müde aus nach den zwei langen Tagesritten.
„Karl, wie schön, dass du wieder da bist. Ist alles glimpflich abgelaufen?"
Er nickt.
„Lass mich erstmal ankommen. Dann mache ich mich frisch und verschlinge ein ganzes Schwein. Und danach kann ich erzählen."
Nach einer herzlichen Umarmung zur Begrüßung springt er, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe nach oben und verschwindet in Richtung seines Zimmers. Ich lasse Seidel zu ihm bitten, um ihm aufzuwarten.

Ich hingegen gehe einfach selbst in die Küche und benachrichtige den Koch, dass wir nun gerne bald essen können.
„Ja, Herr. Einiges ist schon fertig, es wird nicht lange dauern."
Ich bin schon halb draußen, da wende ich mich noch einmal um.
„Ach, was ich noch sagen wollte ... Ich bin dankbar, dass Ihr meine Küche so gut versorgt. Ich habe leider vor der Krönung meines Bruders keine Zeit mehr, mich ausführlich mit Euch zu unterhalten. Seid gewiss, dass ich das zügig nachholen werde, wenn ich anschließend wieder herkomme."
Ich nicke dem Koch zu, der sich verbeugt.
„Herr, wenn nur wieder Ruhe und Frieden im Hause einkehren, könnt Ihr fast alles von mir verlangen."

Nicht lange danach sitzen Karl, der Bader und ich an dem immer noch viel zu großen Tisch in dem immer noch viel zu überladenen Zimmer und essen uns satt. Während Karl sich entspannen darf, berichten Bader und ich, was wir an den beiden Tagen so getrieben haben. Dann schließlich ist Karl satt und zufrieden und lehnt sich mit einem Aufseufzer zurück. Jetzt sind es schon drei Sessel am Kamin, und ich genieße das sehr.

„Und jetzt erzähl, wie es dir auf deiner ungemütlichen Mission ergangen ist."
Er lässt sich nicht zweimal bitten.
„Ich wusste gestern Abend nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Das Mädchen tut mir wirklich aufrichtig leid. Der Vater ist ein herrischer, jähzorniger Mann, und der verflossene Bräutigam ein alter, hässlicher Betrüger. An ihrer Stelle hätte ich nicht gewusst, was schlimmer ist. Jedenfalls war der Vater dumm genug, den Brudenhusen als eine gute Partie für seine Tochter anzusehen und entsprechend damit anzugeben in der Umgebung. Das Gelächter wird nun groß sein. Ich habe jedenfalls Erleichterung in ihren Augen gesehen, als ich ihm die kurze Botschaft mitgeteilt und deinen Brief übergeben habe."
„Bist du ordentlich behandelt worden?"
Karl lacht gequält.
„Ich war ein Abgesandter seines Herzogs, es blieb ihm nichts anderes übrig. Aber ich denke wohl, er wäre mit diesem Schwiegersohn wirklich gut ausgekommen. Die Zwei sind eines Schlags. Er hatte beim Nachtmahl Mühe, auch nur ein Minimum an Höflichkeit zu wahren, während seine Tochter so freundlich war, als hätte sie am liebsten gleich mich geheiratet."

Ich zwinkere ihm zu.
„Und? Ist sie nach deinem Geschmack?"
Bader schmunzelt vor sich hin bei unserem Geplänkel.
„Das Mädchen wäre schon hauptstadttauglich zu machen. Aber dieser Schwiegervater ist ein echtes Totschlagargument. Dagegen."
Allmählich zeigt der gute Wein, den wir seit einer Weile schon genießen, seine Wirkung, wir werden albern.
„Wir können ja bei Ludos Krönung nach einem geeigneten Schwiegersohn Ausschau halten, der ein freundlicher Mensch ist, aber bärbeißig genug, um sich den Schwiegervater wirksam vom Leibe zu halten."
Der alte Bader verschluckt sich fast vor Lachen.
„Euch ist schon bewusst, meine Herren, dass das Mädchen dazu durchaus eine eigene Meinung haben dürfte, auch wenn sie nicht gefragt wird? Gebt ihr doch einfach die Chance, selbst einen Mann von sich zu überzeugen, indem Ihr ihr eine Einladung zur Krönung verschafft."
Nun sind Karl und ich kurz davor, uns zu verschlucken.

Bader erhebt sich.
„Ich danke für den vergnüglichen Abend, meine Herren. Ich werde mich nun zur Ruhe begeben. Und wenn Ihr dann morgen früh wieder nüchtern seid, können wir an die Arbeit gehen und ein paar Entscheidungen fällen. Einen Teil der Truppe schonmal loszuschicken und dabei Brudenhusen und Hauser mitzuschicken, hielte ich zum Beispiel für eine gute Idee."
Wir verabschieden den treuen Mann in seine verdiente Nachtruhe. Dann genießen wir eine Weile einvernehmliches Schweigen.

Karl mustert mich stumm.
„Was ist?"
„Der Alte tut dir gut. Das Ganze hier tut dir gut. Ich freue mich sehr für dich, Hannes. Ich habe dich in deinem ganzen Leben noch nicht so ruhig, zielstrebig und zufrieden erlebt wie in den letzten Tagen."
Dankbar sehe ich ihn an.

„Hast du vor, Bader immer mit an deinen Tisch zu holen?"
„Ja, genau. Mir ist gestern Abend bewusst geworden, dass ich hier eingehe, wenn ich immerzu alleine sein muss. Dieser Mann ist genau die richtige Gesellschaft. Er wird sich nicht verbiegen vor mir, und genau das brauche ich."
„Oh ja, das brauchst du. Aber etwas ganz anderes. Was du vom Waisenhaus berichtest, klingt sehr interessant. Wir sollten morgen den Hannovers und den Kindern noch einen Besuch abstatten, damit sie Fragen und Anregungen loswerden können, bevor Du für drei bis vier Wochen verschwindest. Und dann kannst du auch fragen, ob er schon Zeit gehabt hat für das kleine Zimmer, das du vorhin erwähnt hast."

„Ich überlege noch etwas ganz anderes, Karl. All die überflüssige Pracht erschlägt mich. Ich muss dringend hier ausmisten und entscheiden, wie die Räume aussehen sollen, dass ich mich darin wohlfühle. Einerseits ist das sehr zeitaufwändig und will zum Teil sicher gut überlegt sein. Andererseits wäre meine letzte längere Abwesenheit die beste Gelegenheit, das Haus umzugestalten, ohne dass ich ununterbrochen über Leitern stolpere."

„Das wirst du wohl vorher nicht mehr sch..."
Ein herzhaftes Gähnen reißt ihn mitten aus seinem eigenen Satz.
„... schaffen. Alles klar. Zwei Tage reiten plus guter Wein an einem warmen Kamin – ich bin reif fürs Bett. Verzeih, Hannes, wenn ich dich jetzt so plötzlich und so früh verlasse, aber ich kann nicht mehr denken. Mach doch einen Spaziergang durch die repräsentativen Räume hier unten und hake schonmal im Geiste ab, was hier alles rausfliegen soll. Und morgen werden wir sehen, wofür wir noch Zeit haben, bevor wir abreisen müssen. Ich verabschiede mich für heute."
Er trinkt den letzten Schluck Wein aus seinem Glas, winkt mir noch einmal grinsend zu und verschwindet.

Ich bleibe noch einen Moment alleine sitzen und starre ins Feuer.
Am liebsten würde ich die Räume von Anna gestalten lassen. Sie hätte das richtige Händchen dafür, alles in schlichter Eleganz auszustatten. Aber sie wird es nicht tun.
Ich beschließe, tatsächlich einmal selbst durch das Erdgeschoss zu streifen. Gleich hier im Speisezimmer steht ein langer, breiter Tisch für viele Gäste. Aber mitten auf dem Tisch thront ein monströser silberner Tafelaufsatz, der einen halben Urwald nebst brüllendem Löwen darstellt. Es ist unmöglich, daran vorbeizuschauen und die Menschen am anderen Ende des Tisches zu erkennen. Und auf den Raum verteilt finden sich noch weitere derart ungetüme Gebilde. Ich schüttele mich.

Mit einem Kerzenleuchter in der Hand beginne ich meine Wanderung. Auf der rechten Seite der Halle befinden sich ein Raum für die Damen, den Brudenhusen nicht angerührt zu haben scheint, der Speisesaal und das Herrenzimmer, das um so mehr unter ebenso verschwenderischer wie geschmackloser Pracht zu leiden hat. Auf der linken Seite der Halle ist ein fast saalähnlicher Raum, mein Bibliotheks- und Arbeitszimmer, das Arbeitszimmer von Albrecht Bader und ein weiterer kleinerer Raum, in den wahllos weitere Kisten mit Büchern gestellt wurden. Alle Räume jeweils einer Hallenseite sind durch Türen miteinander verbunden. Mitten in der Halle beginnt die große Freitreppe nach oben, und hinter dieser Treppe sind die privaten Räume von Bader.
Hm. Die drei Räume vom Bader sind wie eine eigene kleine Wohnung. Das sollte für den Nachfolger so bleiben. Aber das Eckzimmer mit den Bücherkisten ... Wenn wir da das Arbeitszimmer von Bader hin verlegen, dann kann ich im jetzigen Arbeitszimmer die Bibliothek richtig einrichten und mein Arbeitszimmer auch ein Zimmer nach hinten verschieben, dahin wo jetzt Bader sitzt.

Ich betrete den Saal zur Linken. Die Ausstattung ist einfach unbeschreiblich. Außer dem wuchtigen alten Kamin möchte ich am liebsten an alles die Axt anlegen. Und ich wüsste auch so schnell nicht, wofür ich diesen Raum brauchen sollte. Er ist viel zu groß. Also könnte ich ... genau! Einfach alles, was mich in den anderen Räumen stört, erstmal hier hineinstellen lassen. Das schafft Platz, um die anderen Räume zu gestalten.

Weiter geht es mit meiner kleinen Umschau. Beim Herrenzimmer, verborgen durch die Freitreppe, beginnt hinter einer Tür ein Gang in den hinteren Teil des Hauses. Dort geht die Tür in den Wirtschaftshof ab, wo wir uns von der Treppe her in Annas Zimmer geschwungen haben. Dort ist die Treppe in den Keller zur Küche und den Dienstbotenräumen. An der Wand zum Herrenzimmer ist das Anrichtezimmer. Von diesem Gang aus geht es aber auch zu einem Anbau, der ebenfalls zweistöckig ist und sogar eine eigene Treppe nach oben hat. Der Raum hier im Erdgeschoss sieht aus wie ein Privatsalon. Aber was darüber liegt, erinnere ich von der Führung am ersten Tag nicht mehr.

In dem Augenblick kommt Barkhausen die Kellertreppe herauf.
„Guten Abend, Herr. Sucht Ihr etwas? Kann ich Euch behilflich sein?"
Das passt.
„Danke, Barkhausen. Ich versuche grade, mir vorzustellen, wie ich dieses Haus einrichten will, wo ich mich gerne aufhalte, was ich verändern muss, damit ich mich wohlfühle. Und ich weiß nicht mehr, welchen Zweck die Räume in diesem Anbau haben."
Barkhausen nickt.
„Ich wollte grade alle Türen verschließen. Wenn Ihr erlaubt. Ich bin gleich wieder bei Euch, Herr."
Sorgfältig verschließt Barkhausen die Hintertür zum Hof und das große Portal in der Eingangshalle. Auch die Seitenausgänge im Damen- und Herrenzimmer werden mit festen Läden gesichert. Dann kommt er zurück zu mir.

„Dieser Raum und die beiden darüber liegenden waren ursprünglich gedacht für Kinder. Die Minnigerodes haben sich sehr Kinder gewünscht und darum diesen Anbau errichten lassen. Der Wunsch blieb leider unerfüllt, aber das hier unten sollte ein großes Schulzimmer sein, und oben darüber ein Zimmer für eine Amme oder Kinderfrau und zwei Kammern für die Kinder. Am Flur des ursprünglichen Gebäudes befindet sich noch ein großes Spielzimmer. Zuletzt hat der Hauser den kompletten Anbau für sich genutzt, während der Brudenhusen sich oben in den Schlosszimmern ausgebreitet hat."
Kinder! Ein extra Trakt für die Kinder, in dem sie sich frei und ungezwungen bewegen können, ohne sich wegen der Erwachsenen und eventueller Gäste benehmen zu müssen. Ach Anna, wenn du wüsstest!

Allmählich macht sich auch bei mir die Müdigkeit bemerkbar, aber nachdem ich Barkhausen zur guten Nacht verabschiedet habe, gehe ich doch noch in mein Arbeitszimmer. Ich halte fest, welche Räume ich wie nutzen will und welche mit der Gestaltung noch eine Weile warten können.
Morgen werde ich mit Barkhausen und Jansen die große Ausräumaktion durchplanen. Denn nun scheint es doch möglich zu sein - während ich weg bin, kann hier ganz viel passieren!
Zufrieden gehe auch ich ins Bett.

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21.1.2022

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