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37 - der neue Lehnsherr

SA. 24.3.1571

Heute ist der achte Tag, seit Karl von Pagenstecher aufgebrochen ist, um mit Hannes nach Salzderhelden zu reiten. Kein Tag, keine Stunde ist vergangen, in der ich nicht gebetet habe, dass sie gut dort ankommen, Hannes Bruder Ludo gut vorfinden, dass die Brüder sich versöhnen und sich einigen können, wie es nun weitergehen soll - mit diesem Herzogtum, mit diesem Lehen, mit ihren Leben. Und ich sehne mich danach, dass Hannes kommt, dass ich ihn noch einmal sehen darf, dass die beiden Tunichtgute endlich verhaftet und fortgebracht werden.
Die Stimmung im Schloss, in der Stadt und im ganzen Land ist unbeschreiblich. Der Brudenhusen bereitet mit Hochdruck die pompöseste Hochzeit aller Zeiten vor. Der Hauser tyrannisiert das ganze Land, kehrt das Unterste zu oberst und will einfach nicht wahrhaben, dass Hannes verschwunden ist. Die Menschen ziehen die Köpfe ein und hoffen, dass das alles schnell vorübergeht. Und die Hausdame Almuth Jansen versichert mir, dass ich weit und breit der einzige Mensch unter Gottes Sonne bin, der noch singt.

Ich bin gut vorangekommen mit der Stickerei. Das Wams und die Schaube sind fertig. Heute Morgen habe ich mich nun an das Barett gemacht, ein Ornament entworfen und mit dem Einverständnis der Hausdame begonnen, die Granaten und Perlen aufzusticken. Wie so oft vergesse ich auch heute wieder die Zeit, während das Haus längst in tiefer Ruhe daliegt. Da klopft es plötzlich leise an meine Scheibe. Mir bleibt fast das Herz stehen. Dann macht es einen hoffnungsvollen Freudenhüpfer, und ich eile zum Fenster.

Kaum habe ich es geöffnet, schwingt sich Karl von Pagenstecher herein.
„Anna Adam, ich bin gekommen, um dich zu erlösen. Pack alles sorgfältig zusammen, was dein ist, und dann komm. Morgen werden wir mit Landsknechten das Schloss stürmen, da solltest du nicht mehr hier sein."
Ich halte mich nicht lange auf. Nachdem ich ihn mit einem Strahlen begrüßt habe, sammele ich meine wenigen Habseligkeiten im Raum zusammen und schnüre mein Bündel.
„Was ist mit der angefangenen Arbeit, Herr?"
„Scher dich nicht drum, wer das mal tragen wird. Der Brudenhusen jedenfalls nicht. Pack einfach ein, was dir gehört."
Also ziehe ich nun auch meine Nadeln aus der Arbeit, schnüre mein Stickbündel und sehe ihn an.
Er lächelt, löscht das Lampenlicht.
„Einen kurzen Moment!"

Damit schwingt er sich aus dem Fenster. Im nächsten Moment schwingt er sich wieder herein. Er kommt auf mich zu und zieht mich in seine Arme. Ich will schon protestieren, da spüre ich es. Es ist nicht Karl von Pagenstecher. Vor mir steht Hannes. Er ist da!
„Anna. Endlich!"
Gleichzeitig überglücklich und peinlich berührt flüstere ich ins Dunkle.
"Hannes, nicht! Dein Freund sieht uns doch. Wir dürfen nicht ..."
Hannes lacht ganz leise.
„Ja, Und er ist weder blind noch blöde. Und ich will dich ja auch nur einmal in meine Arme nehmen. Nun komm!"
Er drückt mich einmal fest.

Dann hilft er mir aus dem Fenster. Der Pagenstecher steht draußen und hebt mich herunter. Gleich übernimmt er mein Bündel, Hannes fasst meine Hand, und wir laufen los. Über den Wirtschaftshof, hinter den Stall, durch das kleine Tor, in die Stadt. Hannes hält mich, und ich bin für diesen Moment einfach nur glücklich. Als wir bei einer kleinen Schenke ankommen, steht der missmutige Wirt davor. Er will sich schon beschweren, dass sein Stallbursche ihn geweckt hat. Aber die Münze, die Hannes ihm in die Hand drückt, sorgt dafür, dass ich sehr schnell und unbemerkt ins Haus gelange und ein schönes, geheiztes Zimmer bekomme.

„Bleib hier, Anna. Ich denke, ich werde morgen Karl schicken, um dich zu holen, sobald es sicher ist. Ich werde dann im Schloss gebraucht, um Ruhe und Ordnung herzustellen. Und du kannst so schnell wie möglich zu den Kindern."
Er stiehlt sich einen Kuss zur guten Nacht und ist verschwunden. Erschrocken und glücklich fasse ich mir an die Lippen und verberge mein Lächeln. Leise gedämpft höre ich Hufschlag jenseits der Stadtmauer, der recht bald in der Ferne verhallt. Ich gehe zur Ruhe und kann kaum schlafen, so aufgeregt bin ich, weil ich endlich wieder zu meinen Kindern darf.

Am nächsten Morgen bekomme ich ein Frühstück aufs Zimmer gebracht und warte dann einfach ab. Kurz danach höre ich laute Rufe und vielfaches Hufeklappern auf der Straße. Ich laufe schnell zum Fenster und sehe, wie Hannes und Karl mit einem Trupp von sicherlich dreißig Mann schnell durch die Straße reiten. Wer auch immer grade draußen ist, springt erschrocken zur Seite und macht Platz. Und dann ist es wieder still. Der ganze Trupp ist in Richtung Schloss verschwunden.
Ich weiß, dass ich mich gedulden muss, weil die beiden sicher eine Weile im Schloss beschäftigt sein werden, bis dort alles geklärt, gesichert und zur Ruhe gebracht ist. Stattdessen habe ich mein Vergnügen daran, wie die Menschen in der kleinen Stadt zusammenlaufen und mutmaßen, wer die Fremden und ihre Soldaten wohl sein könnten und was sie wollen könnten. Sehr bald nimmt das Wunschdenken überhand, und die aufgeregten Leute hoffen laut, dass es nun dem Brudenhusen an den Kragen geht.

Nur eine gute Stunde später kommen zwei Burschen etwa im Alter von Siegfried und Jasper angeflitzt.
„Se komm'n zurück, se komm'n zurück!"
Dann hört man wieder Hufschlag. Ich muss schmunzeln, denn während Karl und fünf seiner Soldaten gemächlich durch die Straße reiten, drücken sich die Menschen an die Hauswände und starren die Männer an wie eine Kuh mit drei Hörnern. Dann sehe ich, dass den Soldaten eine Kutsche folgt.
Aha. Das gilt dann wohl mir.
Ich greife meine wenigen Habseligkeiten und gehe nach unten. Da kommt mir Karl in der Haustür entgegen, macht mit einem breiten Grinsen eine tiefe Verbeugung vor mir, legt mir einen eleganten Mantel um die Schultern und führt mich galant nach draußen zur Kutsche.

Auf dem kurzen Weg kann ich ihm grade noch eine Frage zuflüstern.
„Ist alles glatt gegangen?"
Karl lacht.
„Es war herrlich. Beim Anblick von Hannes und mir ist dem Brudenhusen das Frühstück wieder aus dem Mund gefallen. Der Hauser stand grade da und kriegte eine Strafpredigt. Als die Soldaten hinter uns reinkamen, hat er es fertig gebracht, den Brudenhusen auszulachen. Bis auch er verhaftet wurde. - Bis gleich, Anna."

Karl hilft mir persönlich in die Kutsche, schließt den Schlag und befiehlt den Aufbruch. Die staunende Bevölkerung starrt der eleganten Kutsche hinterher, in der eine ärmlich gekleidete Bäuerin mit einem vornehmen Umhang sitzt.
Karl ist eilig vorweg geritten. Ich werde zurück zum Schloss gefahren, wo mir Jochen Hannover persönlich aus der Kutsche hilft und mich hineinführt. Schnell geht er dann in die Mitte, wo seine Maria schon mit der Hausdame steht. Vom Brudenhusen und dem Hauser ist keine Spur. Dafür ist die gesamte Dienerschaft bis zur kleinsten Spülmagd und den Stallburschen in der Halle versammelt. Hannes steht auf dem ersten Treppenabsatz. Karl geht eben zu ihm. Und ihnen gegenüber stehen viele, viele Menschen mit Unsicherheit und Angst in den Gesichtern. Es ist bestimmt kaum einer bös, dass die beiden Übeltäter endlich fort sind. Aber manche werden sich bange fragen, was nun mit ihnen geschieht.

Ich bin etwas unsicher, warum Hannes mich auf so auffällige Weise hat abholen und hier hereinführen lassen. Ich selbst möchte nicht auffallen. Darum lege ich nun schnell den eleganten Mantel ab und stelle mich zwischen die Hannovers und die Hausdame. Sie zittert vor Angst, denn sie hat jahrelang im Namen vom Brudenhusen die Leute hier schikaniert. Aber ich kann nicht vergessen, wie freundlich sie in den letzten Wochen zu mir war. Ich drücke kurz ihre Hand und lächele ihr zu.

Dann werde ich Zeugin, wie Hannes seine Bediensteten begrüßt und ihnen eröffnet, dass er als ihr Lehnsherr in Zukunft selbst hier leben und die Geschicke des Lehens leiten wird. Allmählich entspannen sich die Gesichter.
„Ich wollte eigentlich schon im vergangenen November hier herkommen. Doch Brudenhusen und Hauser haben daraufhin beschlossen, mich zu ermorden, damit sie hier weiter ungestört schalten und walten können. Sie werden ihrer gerechten Strafe zugeführt werden.

Ich möchte euch versichern, dass ihr zunächst alle eure Stellung hier behalten werdet. Ich bin mir sicher, dass manche dabei sein können, die unter den Launen des selbstherrlichen Herrn Brudenhusen gelitten haben, und andere, die eher mit ihm zusammengearbeitet haben. Ich möchte aber jetzt nicht anfangen, nachzuforschen und rumzuschnüffeln und Leute zu befragen. Ich möchte nicht, dass hier im Haus eine misstrauische Stimmung herrscht, dass einer den anderen verraten wird. Ich möchte hier leben, möchte euch allen vertrauen. Und ich traue mir durchaus soviel Menschenkenntnis zu, dass ich von alleine merken werde, auf wen ich mich verlassen kann. Und auf wen nicht. Ihr bekommt alle die Möglichkeit, mit mir von vorne anzufangen. Ich freue mich darauf und erwarte, dass auch ihr einander die Hände reicht."

Ich spüre ganz viel Erleichterung in der großen Halle. Doch Hannes spricht noch weiter. In groben Zügen erklärt er den Menschen, wie es in den nächsten Wochen weitergehen wird. Er macht ihnen Mut und gewinnt sie mit seiner Zugewandtheit ganz für sich. Mit einem freundlichen Blick und einem Nicken werden die Leute entlassen und gehen mit einem tiefen Knicks oder einer Verbeugung in alle Richtungen auseinander. Ganz allmählich verliert sich das Flüstern und Tuscheln hinter den Türen. Ich bin bewegt und stolz auf Hannes, dass er mit dieser großzügigen Geste diesen Menschen ihre Sorge genommen hat.

Übrig bleiben nur Hannes, Karl von Pagenstecher, die Hausdame und ich. Mit zitternder Stimme beginnt sie zu reden.
„Hoher Herr, ich bin die Hausdame hier. Und ich möchte mich selbst anzeigen. Ich bin hart geworden in diesen Jahren. Ich war unfreundlich, manchmal gemein und ungerecht. Sicher haben viele unter mir gelitten, Angst davor gehabt, dass ich dem Brudenhusen etwas zutragen könnte, was anderen schadet. Ich verdiene es nicht, weiter Eure Hausdame zu sein."
Sie fällt in einen tiefen Knicks, und ich bewundere ihre Stärke und Ehrlichkeit.

Hannes geht zu ihr, zieht sie hoch und spricht sie freundlich an.
„Ich habe gesagt, ich werde nicht suchen, und ich werde nicht richten. Ihr seid meine Hausdame und werdet es auch bleiben. Ich bin überzeugt, dass Ihr bereit und in der Lage seid, Euch zu ändern und in gutem Sinne für alle und mit allen zu arbeiten. Vielleicht könnt Ihr mir auch sofort helfen. Könnt Ihr Euch an den vormaligen Verwalter erinnern? Wie er hieß? Und wo er hingegangen ist? Ich möchte ihn für die Zeit des Übergangs zurückholen, weil er hier alles kennt."
Almuth Jansen bricht vor Erleichterung in Tränen aus.

Um ihr die Sorge endgültig zu nehmen, bespricht Hannes mit ihr sofort, was sie als nächstes tun kann, wie sie ihm helfen kann, nun hier wieder Frieden ins Haus zu bekommen. Ich freue mich für sie. Ihre Selbstanklage war eine großartige Geste, und ich selbst habe ja in den letzten Wochen die andere Seite von ihr kennengelernt. Ich weiß, dass sie alles daran setzen wird, sich Hannes Vertrauen zu verdienen.

der neue Lehnsherr

SA. 24.3.1571

Lange habe ich darüber nachgedacht, wie ich das eigentlich anstellen will, als der neue Lehnsherr aufzutreten. Ich habe mich gefragt, wie ich rausfinden kann, wer die vier Männer waren, die tatsächlich den Anschlag verübt haben. Wie kann ich mir sicher sein, dass die Menschen im Schloss wirklich loyal sind – und nicht lauter kleine Brudenhusens, die mir weiterhin schaden könnten, und sei es nur durch anhaltend schlechte Stimmung und Misstrauen. Ich habe mir vorgestellt, wie ich die Bediensteten einzeln befrage und mir Namen nennen lasse. Aber dann ist mir bewusst geworden, dass ich dadurch gar nichts erfahren kann. Denn wenn die Magd Ida die Magd Ursel nicht mag, dann kann sie sie nun ganz einfach loswerden, indem sie sie bei mir anschwärzt. Wenn Diener Hans den Diener Heinz nicht leiden kann, wird er behaupten, der sei hintertrieben und faul, und schon erwischt es vielleicht genau den Falschen. Nein, das kann der Weg nicht sein! Das käme einer Hexenjagd gleich, und zumindest hier im Herzogtum Grubenhagen sind diese Zeiten zum Glück vorbei, niemand landet mehr wegen einer Warze am Kinn oder vom Alter gebeugtem Rücken auf dem Scheiterhaufen.
Also beschließe ich, dass ich das den Bediensteten genau so sagen werde. Dann ist allen klar, dass mir durchaus bewusst ist, dass Verräter, Faulpelze und Dummköpfe unter ihnen sind. Aber ich gebe jedem und jeder die Möglichkeit, es von nun an besser zu machen, sich zu ändern. Auch ich habe schließlich diese Lektion gebraucht, um zu verstehen, wo ich an mir arbeiten muss, und will es nun besser machen. Ich will nicht mehr davonlaufen sondern die Herausforderungen meines Lebens annehmen.

Früh im Morgengrauen brechen wir mit unseren Mannen auf und sind binnen einer Stunde in Gieboldehusen. Gleich am Stadttor weise ich mich mit meinem Siegelring als der Herzog aus und verschaffe uns so mühelos Einlass. Wir reiten direkt zum Schloss und einfach in den Hof. Joseph, Benjamin und Ruven haben die Landsknechte in Gruppen aufgeteilt und eingewiesen. Nun verteilen sie die Gruppen zügig und geschickt an allen Toren der Schlossmauer und den Türen ins Schloss hinein, so dass wirklich niemand mehr einfach entkommen kann. Ich gebe Konrad das verabredete Zeichen, und er eilt davon. Dann sitzen Karl und ich ab, wir gehen auf das Eingangstor zu, klopfen und marschieren mit ein paar Landsknechten einfach wortlos an einem alten, ziemlich erstaunten Diener vorbei. Nur Karl hält dem Mann ganz kurz die Hand hin und flüstert ihm etwas zu.

„Hannover, jetzt wird alles gut. Ist er beim Frühstück?"
„Ja, Herr. Zusammen mit dem Hauser."
Na, da haben wir sie ja gleich beieinander.

Karl führt mich zu einer großen Tür, öffnet sie und wir treten unangekündigt einfach ein. Das Bild, das sich uns bietet, ist saukomisch. Am reich gedeckten Tisch sitzt ein übertrieben prächtig gekleideter älterer Mann und starrt uns mit herausquellenden Augen an. Am Fenster steht ein anderer, groß, hager, und es ist offensichtlich, dass er grade in Ungnade gefallen ist, denn als er anfängt zu grinsen, wirft ihm der Sitzende einen mörderischen Blick zu.

Ich halte mich an den Sitzenden.
„Brudenhusen?"
Der Angesprochene nickt bloß, völlig überfordert von der Situation.
„Ihr seid verhaftet wegen versuchten Mordes an Herzog Johann III. in der Nacht vom 18. auf den 19. November 1570."
Dem Brudenhusen fällt die Kinnlade herunter, das eben in den Mund gesteckte Fleisch erblickt wieder das Tageslicht und landet auf seiner edlen Hose. Vom Fenster her höre ich ein hämisches Kichern.
„Und ihr, Hauser seid verhaftet wegen desselben Verbrechens als sein Handlanger."
Das Kichern verstummt abrupt und macht einem ängstlichen Zittern Platz.
Mit einer Handbewegung fordere ich meine Landsknechte auf, die beiden zu verhaften. Sie sind nicht zimperlich mit diesen Verbrechern. Sie werden abgeführt und hinaus gebracht.

„Karl, war das eben der Diener, der Anna so geholfen hat?"
Karl nickt bestätigend.
„Dann hol ihn mir doch bitte herein."
Karl geht zurück in die Halle und kommt gleich darauf mit dem unsicher dreinschauenden Mann wieder.
„Jochen Hannover?"
Er nickt vorsichtig. Ich lächele ihn warm an.
„Zunächst möchte ich Euch für Eure Treue und für Eure Fürsorge für Anna Adam danken. Und dann möchte ich Euch bitten, dass alle Bediensteten dieses Schlosses, vom ersten Diener und der Hausdame bis zur letzten Spülmagd und dem Stiefelknecht sofort hier in der Halle erscheinen. Könntet Ihr bitte dafür sorgen?"
Der alte Mann blüht auf bei so respektvoller Behandlung, richtet sich gerade auf. Das ist er schon seit Jahren nicht mehr gewohnt, das spürt man. Ich dagegen bin froh, dass ich auf solche Getreuen bauen kann.

„Karl? Kannst du losreiten und Anna Adam holen? Konrad hat die Kutsche bereits anspannen lassen."
Er lächelt, verbeugt sich und geht hinaus. Ich drehe mich langsam um in diesem Speisezimmer und lasse die Einrichtung auf mich wirken. Die protzige Pracht erschlägt mich beinahe. Durch eine Zwischentür gehe ich in den nächsten Raum, offensichtlich ein Empfangszimmer. Auch hier ist alles teuer und überladen. Ich trete einfach in die große Halle und steuere die gegenüberliegenden Türen an. Im dritten Raum finde ich ein Arbeitszimmer mit Bibliothek. Ich muss nicht lange hinschauen, um zu sehen, dass sich an der Bibliothek in den letzten Jahren nichts geändert hat. Bildung und wahre Kultur sind wohl nicht so das, was den Brudenhusen interessiert hat ... Als das aufgeregte Gemurmel in der großen Eingangshalle immer mehr anschwillt, wende ich mich zurück dorthin und öffne die Tür.

Ich werde nicht gleich bemerkt und habe so die Gelegenheit, meine Augen über die wachsende Ansammlung von Knechten, Mägden, Dienern und Uniformierten wandern zu lassen. Die Menschen sehen abgehärmt aus und müde.
Der Brudenhusen wird sie recht schikaniert haben in der letzten Zeit ...
Irgendwann bemerkt mich eine junge Magd und quietscht kurz auf. Alle Augen folgen ihrem Blick, und schlagartig wird es totenstille in der Halle. Ich schreite langsam zur großen Freitreppe und gehe ein paar Stufen hinauf. Dort drehe ich mich um.

Ich will schon beginnen und mich den Bediensteten vorstellen, als ich von draußen das Geräusch von Kutschenrädern auf der gepflasterten Zufahrt höre. Also warte ich noch einen Moment ab. Dann können Anna und Karl dabei sein.
Karl kommt nun wieder herein und steigt zu mir auf den Treppenabsatz. Hannover hingegen geht hinaus, um nachzusehen. Als Anna mit ihm zur großen Eingangstür hereinkommt, sehe ich kurz Unsicherheit in ihren Augen aufflackern. Dann legt sie den Mantel ab, den Karl ihr mitgebracht hat, und stellt sich direkt zu Jochen Hannover und einer offensichtlichen Respektsperson in der Mitte all der Leute. Die anderen Bediensteten halten alle etwas Abstand zu ihr.
Vielleicht ist das die Hausdame.

Es wird ganz still in der Halle. Alle Augen sind auf mich gerichtet, und ich sehe sehr viel Angst, Verzagtheit und Erschöpfung in den Gesichtern.
„Ich danke euch, dass ihr alle sofort gekommen seid, als ich gerufen habe. Ich bin Johann von Grubenhagen, der derzeitige Herzog unseres Landes. Und gleichzeitig bin ich der Erbe der seligen Frau Agnes von Minnigerode und damit euer Lehnsherr."
Ein Raunen geht durch die Menge. Manche Gesichter werden noch ängstlicher, andere entspannen nun.

Ich spreche frei heraus und erneuere mit meinem Wort ihrer aller Dienstverhältnis hier im Schloss. Ich biete ihnen allen an, sich durch Treue und Rechtschaffenheit ihren Platz hier selbst zu verdienen, und baue darauf, dass Vertrauen aus Vertrauen erwächst. Die Verwirrung, aber vor allem die Erleichterung in der Halle sind fast mit Händen zu greifen, und ich spüre, dass ich genau das Richtige getan habe. Ich lasse das Gemurmel abebben und spreche weiter.
„Ich werde demnächst noch in der Hauptstadt gebraucht, um mit meinem Bruder seine Krönung zum Herzog vorzubereiten und zu erleben. Ich selbst werde abdanken. Ludwig von Grubenhagen ist der Jüngere von uns beiden, aber er ist der Geeignetere für diese verantwortungsvolle Aufgabe. Darum überlasse ich ihm den Thron."

Wieder gibt es viel Gemurmel.
„Spätestens Anfang Mai werde ich ganz hierher übersiedeln und die Führung des Lehens übernehmen. Bis dahin wünsche ich mir von euch, dass ihr treu eure Aufgaben verseht und möglichst alles seinen normalen Gang gehen lasst. Dennoch werde ich eine erfahrene und hier ortskundige Hand dabei brauchen. Ich werde mich also nach einem neuen Verwalter umsehen müssen. Bis dafür eine Lösung gefunden ist, werden wir das aber auch so gemeinsam schaffen. Ich danke euch für eure Treue."
Einen Augenblick lang schaue ich noch über die Menge an Köpfen und sehe viel Dankbarkeit und Aufatmen in den Gesichtern. Ich nicke ihnen zu zum Zeichen, dass sie gehen können.

Nur die imposante Frau neben Anna bleibt stehen. Als alle anderen fort sind, macht sie ein paar Schritte auf mich zu und versinkt in einem tiefen Knicks. Mit zitternder Stimme beginnt sie zu reden.
„Hoher Herr, ich bin die Hausdame hier, Almuth Jansen. Und ich möchte mich selbst anzeigen. Ich bin hart geworden in diesen Jahren. Ich war unfreundlich, manchmal gemein und ungerecht. Sicher haben viele unter mir gelitten, Angst davor gehabt, dass ich dem Brudenhusen etwas zutragen könnte, was ihnen schadet. Ich verdiene es nicht, weiter Eure Hausdame zu sein."
Schnell gehe ich zu ihr, ziehe sie hoch und spreche sie an. Mir ist an einer guten Zusammenarbeit gelegen, und dafür brauche ich genau diese Frau. Dass sie sich sofort und so schonungslos selbst anzeigt, lässt mich hoffen, dass ich ihr voll vertrauen kann.
„Ich habe gesagt, ich werde nicht suchen, und ich werde nicht richten. Ihr seid meine Hausdame und werdet es auch bleiben. Ich bin überzeugt, dass Ihr bereit und in der Lage seid, Euch zu ändern und in gutem Sinne für und mit allen und mit mir zu arbeiten."
Ungläubig staunend starrt sie mich an.

Dann fällt mir etwas ein. Sie ist sicher die richtige Adresse, um den alten Verwalter aufzustöbern.
„Vielleicht könnt Ihr mir auch sofort helfen. Könnt Ihr Euch an den vormaligen Verwalter erinnern? Wie er hieß? Und wo er hingegangen ist? Ich möchte ihn für die Zeit des Übergangs zurückholen, weil er hier alles kennt."
Almuth Jansen bricht vor meinen Augen in Tränen aus. Als sie sich wieder gefasst hat, gibt sie mir sofort die ersehnte Antwort.
„Ja, Euer Hoheit, ich weiß, wo er ist. Er lebt bei seiner Tochter im Haushalt, und soweit ich weiß, ist er auch noch bei guter Gesundheit. Möchtet Ihr, dass ich einen Boten zu ihm schicke?"
Kurz zögere ich. Aber ich denke, dafür kann ich mir auch in den nächsten Tagen Zeit nehmen. Jetzt ist es erst mal wichtiger, dass Almuth Jansen im Dienstbotentrakt Ruhe hineinbringt.

„Das sollten wir später in Angriff nehmen. Jetzt im Moment ist es mir wichtiger, dass Ihr zu den anderen Dienstboten geht und für sie da seid. Sie sind sicher alle sehr aufgeregt. Beschäftigt sie freundlich und habt ein offenes Ohr. Das Wichtigste für mich ist jetzt, dass hier direkt im Schloss Zuversicht einkehrt und ich mich um nichts sorgen muss."
Sie nickt ergeben.
„Seht Ihr eine Möglichkeit, die dreißig Landsknechte unterzubringen, oder sollen sie draußen auf der Wiese ihre Zelte aufschlagen? So viele Menschen mehr zu versorgen, wird eine Herausforderung sein, aber wenn ich merke, dass hier alles in gewohnten Bahnen läuft, werde ich sie nach und nach zurückschicken."
Almuth Jansen macht noch einen tiefen Knicks.
„Ich will mich sofort um alles kümmern, Hoheit. Ihr könnt Euch auf mich verlassen."
Damit geht sie davon, und ich atme tief durch. Der erste Schritt ist getan.

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16.1.2022

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