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09 - neue Verbündete

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Als es dunkel ist und Peter bereits schläft, kommt der Klaas und kratzt an der Türe. Gemeinsam mit Jorge und Jasper laufen wir den Weg außenrum zurück, den Hannes heute Nacht nach dem Ausflug mit Hurtig gekommen ist. So nähern wir uns von hinten dem Haus des Dorfvogtes. Als wir zur Hintertür kommen, sehen wir den Siegfried, wie er den Hund still hält, damit der nicht anschlägt. Von der anderen Seite nähert sich – ich schlucke etwas – der Pastor mit der Lene. Da ist also noch einer eingeweiht worden!
Als wir die warme Stube betreten, nimmt mir die Drebberin gleich den Tragekasten mit dem Peterchen ab und verschwindet in ihrer warmen Küche. Etwas erschrocken bleibe ich auf der Schwelle stehen, denn hier wartet außer dem Drebber auch noch der Oswald Ferz. Und nun bekomme ich allmählich Sorge, ob das gut geht. Doch der Vogt nickt mir zu mit beruhigender Miene. Ich soll wohl stille halten.

Als wir alle beisammen sitzen mit einem Krug Bier, bittet mich der Vogt, von vorne her zu berichten. Also stelle ich Hannes vor, soweit wir etwas über ihn wissen, und berichte von der Sturmnacht. Als ich dann seinen Mantel zeige mit dem vornehmen, weißen Wollstoff als Futter, da glauben uns der Pastor und der Ferz sofort, dass Hannes von hoher Geburt ist und nur leider sein Gedächtnis verloren hat. Bald verstehen sie die Lage vollkommen.
Dann ergreift Hannes selbst das Wort.
„Ich weiß noch immer nicht, wer ich bin. Aber ich weiß, dass dieses Dorf hier mein Leben gerettet hat und nun beschützt. Ich bin unendlich dankbar und möchte mich erkenntlich zeigen, denn ich bin weiter auf Hilfe angewiesen wenn nicht sogar noch in Gefahr. Ich hab mein Leben noch, und will darum hier geben, was zum Leben notwendig ist."
Als er seine Geldkatze vom Hosenbund nimmt, packt mich die Angst. Auch der Drebber versucht, warnende Blicke zu werfen. Aber als der Beutel offen ist, ist nicht mal der zehnte Teil seines Geldes darinnen, die ganz großen Münzen gar nicht.
Schlau! So kann er Hilfe anbieten, ohne sich völlig zu offenbaren.

„Ich kann zwar meine Schulter noch nicht wieder richtig brauchen, aber ich kann es langsam auf dem Dachboden nicht mehr aushalten. Und ich sehe jeden Tag, wie Frau Adam ihre Kinder vermisst und die Kinder die Mutter. Wir werden gut überlegen müssen. Aber wenn es irgend möglich ist, möchte ich, dass ich bis zur Weihnacht vom Boden herunter bin und die Kinder wieder zu Hause. Und ein neues Zuchtschwein in Bauer Ferzens Stall!"
Oswald Ferz fallen bald die Augen aus dem Kopf. Man sieht ihm an, dass er in den letzten Tagen vor lauter Sorge kaum geschlafen hat.
Hannes spricht weiter.
„Ich glaube inzwischen selbst, dass ich zumindest nicht aus dem bäuerlichen Umfeld stamme, denn was auch immer ich beobachte oder nachfrage – ich habe einfach keine Ahnung von all dem, was dieses Leben ausmacht. Was die Möglichkeiten und Grenzen meines Auftauchens hier, die Folgen eines neuen Schweins und sonstige Hilfe fürs Dorf angeht, bin ich also auf Euer aller Rat und Hilfe angewiesen. Aber ich möchte es wirklich möglich machen, dass dieses Dorf gut über den Winter kommt. Dieser Halunke von Steuereintreiber soll mit seiner Willkür nicht das letzte Wort haben."

Der Pastor ist die ganze Zeit still, sitzt zurückgelehnt und beobachtet alles. Ich kann nicht erkennen, was hinter seiner Stirne vorgeht. Oder warum der Vogt ihn überhaupt dazu geladen hat. Aber nun ergreift er das Wort.
„Ich glaube, ich weiß noch nicht genug, um raten zu können. Aber ich für mein Teil helfe gern, dass Ihr zurück ins Leben findet, werter Herr. Lasst uns eine Posse ersinnen, mit der wir alle anderen täuschen können. Allen voran unseren 'geliebten' Verwalter und seine Handlanger."
Ich muss schmunzeln.
Wer hätte gedacht, dass in unserem rundlich gemütlichen Pastor Crüger ein kleiner Abenteurer steckt!
Der Vogt versucht, den Rahmen für unsere „Posse" zu stecken.
„Gut. Wir hab'n nach der Geburt vom Pederchen im Sommer schon drüber geschnackt, dass Frau Adam im zeitig'n Frühjahr een Knecht auf dem Hofe brauch'n wird. Wenn nu zufällig een Tagelöhner daherkommt, sollte es geling'n, ihn dafür zu verding'n. Da kommt das erste Hindernis: ik muss dat spätestens dem Steuereintreiber beim nächst'n Besuch meld'n, der wird ihn seh'n woll'n un darf ihn doch nich erkenn'n. Auch muss die Verwundung soweit geheilt sien, dat man ihm dat nich mehr anmerkt. Zum zweit'n kann natürlich dieser Tagelöhner mit einem Swien entlohnt word'n sein un nu damit hier hergewandert komm'n. Aber ook dat muss ik dann anmeld'n. Oder er kommt mit zwei'n. Dann werden sie uns eines lassen vermutlich. Und das kommt dann zum Oswald Ferz in den Stall. Aber welcher Tagelöhner bekommt zwee Swiene als Lohn???"
„Keiner."

Der Pastor mischt sich wieder ein.
„Aber ich hab vor kurzem geerbt. Der Verwalter Brudenhusen weiß, dass ich aus dem Hause eines Gildenmeisters stamme und entgegen dem Willen meines Vaters zum Geistlichen geworden bin. Auch meine Frau ist guter Herkunft. Wir stammen nicht aus der Gegend, kommen aus dem Thüringischen, vom Eichsfeld her, das kann er nicht kontrollieren. Mein Onkel war Vollbauer bei Duderstadt, hat keine eigene Familie hinterlassen und darum alles mir vermacht. Bisher haben wir den Hof verpachtet und alles laufen lassen. Mein Bruder schaut ab und zu nach dem Rechten. Aber dass wir nun beschließen, von unserem Erbe ein Zuchtschwein und anderes mehr fürs Dorf zu kaufen, kann uns keiner verwehren. Ich unterstehe auch steuerlich nicht dem Verwalter als evangelischer Pastor. Ich bin der einzige hier im Dorf, der wirklich freie Hand hat."
Verblüfft starren wir ihn alle an. Nur der Vogt sieht sehr zufrieden aus.
Deshalb hat der Drebber ihn dazu gebeten! Das Schwein ist nur jenseits der Grenze gefahrlos zu beschaffen. Und dabei ist ihm der Pastor aus Duderstadt eingefallen.

Auch beim Jungbauern Klaas fällt nun der Groschen.
„Ihr stammt vom Eichsfeld, Herr Pastor? Dann wär es nur logisch, wenn ihr dort in Duderstadt dat Swien kauft. Vielleicht könnt ihr sogar een Knecht ook noch von dort mitbring'n."
Hannes beginnt zu strahlen, weil er merkt, dass ein Ausweg in Sicht ist. Aber er bleibt ganz sachlich.
„Besteht noch das Problem, dass ich von der Arbeit eines Knechtes, von der Feldarbeit keine Ahnung habe."
Aber Klaas winkt sofort ab.
„Seit dem Tod meiner Eltern im letzt'n Winter bin ik allein auf'm Hof. Drum ess ik immer entweder bei der Lene oder bei Frau Adam. Ik helf den Weibern bei aller Schwerarbeit, dafür führ'n sie mir den Haushalt, weil ik dat nich könnte. Selbst, wenn Ihr als zukünft'ger Knecht von Frau Adam bei Ihr wohnt, werdet Ihr doch die ganze Tied bei mir mitlauf'n, alles mit mir gemeinsam tun un dabei von mir lern'n. Und wenn ener der nich Eingeweiht'n fragt, fällt ein'm von uns schon die richtige Antwort ein. Wenn der Pastor Euch aussem Thüringisch'n mitbringt, könntet ihr zum Beispiel als Waldarbeiter gehandelt werd'n, dann wär es logisch, dass Ihr von der Feldarbeit nischt versteht."
Der Drebber wiegt bedächtig den Kopf.
„Dat is alles noch ziemlich vage, aber allmählich denk ik doch, dat wir een Weg find'n werd'n. Bleibt dat Problem, dat hier Mensch'n ins Dorf komm'n, die euch erkenn'n könnt'n. Jasper?"
Der blinde Mann berichtet nun, dass er am letzten Zahltag die Stimme eines der Knechte als einen der Verfolger aus der Sturmnacht erkannt hat."

Oswald Ferz hat bisher nur zugehört und kann nicht fassen, was hier passiert.
„Un dann wollt Ihr Euer Swien in mein'n Stall stell'n, Herr Pastor, als Zuchtswien fürs ganze Dorp?"
Der Pastor lächelt ihn an.
„Nein, Ferz. Das Angebot dieses Herrn ist eindeutig. Ich werde DEIN Schwein in deinen Stall stellen. Meines ist es nur für den Steuerteufel. Ihr seid betrogen worden und bekommt Ersatz. So einfach ist das."
Bauer Ferz fängt an zu weinen und wischt sich peinlich berührt über die Augen. Hannes legt ihm die Hand auf die Schulter.
„Bitte nehmt mein Angebot an. Ich weiß zwar nicht, wer ich bin, noch, was für ein Leben ich geführt habe. Aber ich weiß, wie dankbar ich bin um mein Leben. Und wie wütend ich bin um dieser Ungerechtigkeit willen."

Jorge ist die Freude darüber, dass sich alles so gut zu lösen scheint, wirklich anzumerken. Ich habe schon gespürt, dass er Hannes von Herzen gern hat.
„Herr Pastor. Wann is denn der Wintermarkt in Duderstadt? War der schon, oder kommt der noch? Wir sollten daran weiter plan'n. Denn Hannes sollt hinzu heimlich ins Eichsfeld gelang'n, damit er herzu zum erst'n Mal die Grenz passiert. Wir müss'n überleg'n, wie die Reise von statt'n geh'n soll. Falls der Markt nur am Woch'nend ist, müss'n wir reg'ln, wie wir eure Abwes'nheit im Gottesdienst erklär'n. Die Kost'n für die Reise lass'n sich aus der Erbschaft erklär'n. Aber werdet Ihr zu Fuß oder zu Pferde reis'n?"
Klaas schaltet sich ein.
„Un was wird mit Hurtig? Der kann noch eine Weile in mein'm Stall steh'n, aber dem Tier bekäm es allmählich ook, wenn er Bewegung un eine Weide hätte. Dann ist die Frage, ob Ferz sich sien Swien nicht gerne selbst aussuch'n würde. Statt es von eem Pastor und eem Wasauchimmer wähl'n zu lass'n. Nichts für Ungut, aber beide hab'n in Wahrheit keine Ahnung, worauf sie achten müssten."

Der Pastor muss eine Weile nachdenken.
„Wir steuern grade auf den zweiten Advent zu. Und der Markt ist ... Ich meine, er ist immer in der ersten vollen Woche nach dem Nikolaustag. Und das hieße auch, dass ich zwischen den beiden Sonntagen mich problemlos um mein Erbe kümmern kann. Und dass Hannes am dritten Advent bereits offen zu unserem Dorf gehören kann."
„Frau Lene? Was meint ihr, bin ich mit der Wunde in der Lage, eine weitere Strecke zu reiten?"
Lene hat die ganze Zeit geschwiegen.
„Wenn Ihr am nächst'n Montag aufbrecht, habt Ihr vier weitere Tage Ruh gehabt. Dat müsst reich'n."
Jorge schaltet sich wieder ein.
„Klaas, könnte der Pastor dein'n Esel hab'n?"
Klaas grinst.
„Natürlich. Wenn er ihn vom Fleck bringt."
Jorge nickt zufrieden.
„Dann müssten wir den Hannes auf Hurtig über die Grenze schmugg'ln, während der Pastor ganz offiziell mit dem Esel rüber reitet. Drüb'n treff'n sich die zwee beede un reis'n gemeinsam nach Duderstadt zum Markt. Hannes stattet sich mit allem aus, was er auf der Reise un hier bei uns braucht, die beeden find'n eine Möglichkeit, zuverlässig een gutes Swien zu ersteh'n. Un dann tausch'n sie die Roll'n. Der Pastor hat sich nämlich nachem Höll'nritt auf Klaas'ns störrisch'm Es'l den Luxus eines eigen'n Pferdes gegönnt. Un dann den neu'n Knecht auf'n Es'l gesetzt."

Hannes schüttelt den Kopf.
„Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Pastor eher auf Hurtig den Höllenritt hat, denn der lässt in der Tat außer mir niemand in den Sattel. Aber wir müssten ja auch erst kurz vor der Grenze tauschen. Mit einem Karren mit einem Schwein und noch anderen Einkäufen können wir sowieso nicht schnell reisen. Der Karren kommt hinter den Esel. Und kurz vor der Grenze kommt Herr Pastor auf Hurtig, und ich führe beide Tiere. Wenn ich ihn führe, lässt Hurtig das zu, und den Esel... ja. Der MUSS einfach."
Klaas und Jorge sehen sich in die Augen und beginnen, schallend zu lachen.
„Dann bleibt mien Es'l lieber hier. Ik hab noch eene andre Idee. Der Ferz sollt hier bleib'n, er hat Famillie un Hof. Wie wär es, wenn ik Pferd un Kutsche vom Vogt nehm un den Pastor rüber nach Duderstadt fahr? Dann such ik dat Swien aus. Der Pastor muss gar nich reit'n. Un der neue Knecht reitet dem Pastor dat Pferd nach Huus. Auf der Kutsche sind dat Swien, die annern Einkäufe. Hurtig steht dann wie gehabt in mein'm Stall, weil der Pastor ja kein'n hat. Der neue Knecht kommt zu Frau Adam, weil wir der ja sowieso een such'n wollt'n. Un alles annere, was unser Hannes als Mitbringsel im Gepäck hab'n will, verschwindet innen jeweilig'n Kast'n un Stub'n."
Stumm und zufrieden schauen wir uns eine Weile lang an, dann beginnt Hannes zu strahlen.

Zunächst ist nichts weiter zu planen. Weil alle neugierig sind auf Hurtig, bringt Klaas die Lene nach Hause, derweil Hannes schon sein Pferd holt. Dem Pastor ist auf einen Blick klar, dass er viiieeeeel lieber in des Drebbers Kutsche reist, und verabschiedet sich. Der Bauer Ferz schleicht sich über die Gasse nach Hause, ich hole mir bei der Drebberin mein Peterchen, Hannes schwingt sich übermütig auf Hurtigs Rücken und prescht in die Dunkelheit. Jorge, Jasper, Klaas und ich folgen ihm leise zu Fuß. Es riecht nach Schnee. Am Waldrand bekommt Klaas das Pferd. Jorge bringt den Jasper nach Hause, und Hannes und ich verschwinden ganz schnell und leise wieder in meiner kleinen Kate.

„Bald wird mir das Schleichen und Mogeln zur zweiten Natur, aber ich kann Euch gar nicht sagen, Frau Adam, wie sehr ich mich darauf freue, einfach so an diesem Tisch sitzen, durchs Dorf gehen oder mit Euren Kindern spielen zu können, ohne mich verstecken zu müssen."
Ich fühle sehr mit Hannes mit, und ich freue mich so sehr darauf, bald meine Kinder wieder bei mir zu haben. Ich scheuche Hannes mit einem Gruß zur guten Nacht die Leiter hinauf, nähre noch einmal das Peterchen und krieche endlich im Dunklen auf meine Strohpritsche. Bis Montag ist noch einiges zu planen, und es sind auch nicht alle Fragen gelöst. Aber mit des Pastors Hilfe wird es nun vorwärts gehen. Erschöpft vom vielen Denken schlafe ich ein.

Plötzlich schrecke ich hoch, von einem ängstlichen Ruf, der vom Dachboden schallt. Hastig steige ich die Leiter hoch. Hannes hockt auf seinem Strohlager und rauft sich die Haare. Sein Gesicht ist von Angst gezeichnet, seine Augen blicken ins Leere.
„Hannes, was ist?"
Er stöhnt, reibt sich die Augen, rubbelt sich die Haare, atmet tief durch.
„Habt ihr wieder geträumt, Hannes?"
Ganz allmählich kommt Hannes wieder auf dem Dachboden an, sein Blick wandert zu mir. Er nickt.
„Erzählt es mir!"
„Es... es war nicht viel. Es war wie beim allerersten mal. Es war alles dunkel, ich war wie gefesselt und habe nur eine Stimme gehört. 'Hannes, komm heim, ich brauche dich! Ich weiß nicht, wo noch wie ich suchen soll, Hannes. Komm heim!' Es war Ludos Stimme. Aber ... ich weiß doch nicht, wo zu Hause ist!"
Hannes klingt so verloren und verzweifelt. Er steckt den Kopf zwischen die Knie und verharrt so in seiner Angst.

Ich bin nun etwas ratlos. Sollen wir weiter darüber reden? Oder es ruhen lassen? Hannes nimmt mir die Entscheidung ab.
„Könntet ... Frau Adam, könntet Ihr mich ablenken?"

Einen Moment denke ich nach.
„Gut, gerne! Lasst uns über die Verwandlung vom Dachboden-Hannes in den Knecht Hannes reden. Ihr habt die Tage angedeutet, dass Ihr Euch einen anderen Gang zulegen wollt. Ihr habt acht Tage Zeit, bis Ihr mit Pastor Crüger von der Reise zurückkehrt. Lasst uns überlegen, was zu Eurer Verwandlung beitragen kann."
Hannes nickt und lenkt seinen Geist in diese neue Richtung.
„Veränderbar sind Gang, Haltung, Sprache, Stimme, Haare, Bart und Kleidung. Ich muss aus Eures Gatten Kleidern raus, die kennt hier jeder im Dorf. Das krumme Laufen habe ich schon angefangen zu üben, und ich könnte schlurfen. Die Sprache ist schon schwieriger, denn ohne Wissen über meine Vorgeschichte kann ich nur reden, wie mir der Schnabel gewachsen ist."
Ich muss lächeln. Die Ablenkung hat funktioniert.
„Aber Ihr werdet ein paar Tage im Eichsfeld zubringen. Versucht nicht, vollständig diesen Dialekt nachzusprechen. Ihr solltet euch ein paar sehr typische Worte oder Wendungen aneignen. Ihr werdet euch auf dem Markt und bei Händlern aufhalten, in einer Herberge wohnen, einkehren. Schaut den Leuten aufs Maul! Achtet aber darauf, dass Ihr euch nichts von Ortsfremden aneignet. Pastor Crüger wird als gebürtiger Duderstädter wissen, was passend ist. Redet gleich ab Beginn der Reise so, dann habt Ihr miteinander Zeit, um zu üben."

Hannes steht auf und konzentriert sich auf etwas. Ich warte einfach ab. Dann begreife ich. Er achtet auf seine Haltung und verstärkt einfach das, was schon da ist, ein wenig. Er muss schon krumm stehen, und er hält wegen des Verbandes seine Schulter etwas schief. Nun übertreibt er beides ein wenig und schlurft hin und her. Es sieht so natürlich aus, dass ich lachen muss.
Er wendet sich zu mir.
„Was lacht Ihr, Frau Adam?"
Ich lache ihn an.
„Niemand, wirklich niemand könnte hinter diesem gelangweilt schlurfenden, krummen Wesen den vor lauter Nichtstun ganz kribbeligen, klugen jungen Mann erkennen, den ich hier zu Gast habe. Dieser Schleicher ist so harmlos wie nur irgendeiner. Wenn Ihr dann auch noch so schleppend sprecht, wird der Steuereintreiber vor Langeweile bei Eurem Anblick einschlafen!"
Hannes grinst und beginnt, seine Worte wie zähen Matsch aus seinem Mund zu drücken. Er wirkt dabei so dumm, dass man weglaufen möchte.
Gott seis gedankt! Er hat seinen Humor wieder gefunden!

„Aber nicht übertreiben! Ihr müsst das Langsame in Sprache und Bewegung auch müde, in der Überraschung und gegenüber jedem durchhalten können."
Nun ist Hannes nicht mehr zu bremsen. Er tut so, als sei er grade erst aufgewacht und knödelt die Worte gähnend aus seinem Mund. Dann wischt er sich mit der Hand übers Gesicht. Zum Vorschein kommt ein schiefes Maul, und mit deutlichem Schwips in der Stimme lallt er dummes Wirtshausgewäsch. Inzwischen lache ich lauthals über seine Possen.
Noch einmal verändert er sein Gesicht, legt fragend den Kopf schief, schaut mich mit riesigen Augen an und fragt:"Ach. Ich sollte nicht die Brücke mit Wasser abschrubben, damit der Steuereintreiber bei Frost heile und sauberen Fußes rüberkommt? DAS tut mir aber leid!"
Inzwischen lachen wir so laut, dass ich mir erschrocken die Hand vor den Mund halte. Sooo dicht ist mein Dach nicht, dass man das nicht auch draußen hören kann. Andererseits - Hannes so vergnügt zu sehen, ist das Risiko wert.
„Es tut mir leid!"
Hannes flüstert nur. Aber seine frech blitzenden Augen erzählen etwas anderes.
„Einen noch?"
Fragend sieht er mich an, mit Augen so weich und glücklich, dass ich nicht nein sagen kann. Wieder setzt er das Dummbatzengesicht auf.
„Herr Förster, soll ich den Baum linksrum oder rechtsrum umhauen. Wie geht's schneller?"
Wieder halten wir uns beide den Mund zu.
„Hannes, an Euch ist ein wahrer Possenreißer verloren gegangen!"
Plötzlich wird er ernst.
„Naja, wenns mit dem Waldarbeiter auch nicht klappt, werd ich halt Hofnarr beim Herzog."
Fragend schaue ich ihn an.
„Ich weiß wohl, dass ein Baumstamm von rechts genauso dick ist wie von links und es also egal ist, von wo ich ihn fälle. Aber ansonsten verstehe ich vom Wald grade so viel wie vom Acker. Nämlich nichts."
Verlegen kratzt er sich am Kopf. Dann grinst er wieder.
„Vielleicht braucht Pastor Crüger ja für seinen plötzlichen gesellschaftlichen Aufstieg einen Hofnarr. Oder einen Stallburschen. Immerhin wird er sich in ein paar Tagen ein edles Pferd kaufen, auf dem er nie auch nur einen Hufen reiten wird."
Aus seinen leuchtenden Augen springt der Schalk.

Verblüfft starre ich Hannes an.
„Das ist es!"
Nun ist es Hannes, der fragend schaut.
„Hannes, Ihr habt gesagt, dass Hurtig niemand außer Euch auf seinen Rücken lässt. Habt Ihr Hurtig auch selbst zugeritten?"
Er nickt, ohne darüber nachzudenken, versteht aber noch nicht, worauf ich hinaus will.
„Dann habt Ihr als Kind und junger Bursche bestimmt viele Stunden im Stall verbracht, wart vielleicht mit einem Stallburschen gut und habt eine Menge darüber gelernt. Nach dem, was ich am Abend erlebt habe, glaube ich, dass Pastor Crüger gerne die Posse mitspielt. Er soll einfach so tun, als habe ihn die Erbschaft überheblich gemacht. Immerhin stammen er und seine Frau aus Verhältnissen weit über ihrem Leben jetzt. Danach kann man sich schon sehnen, wenn man dann so ärmlich auf einer Dorfpfarrei sitzt."
Hannes beginnt zu begreifen.
„Er kommt nach Duderstadt, sehnt sich nach dem alten Leben und kauft sich darum ein teures Pferd. Dann stellt er fest, dass er es nicht reiten kann, und bringt den Stallburschen gleich mit, damit der ihm das Tier pflegt und zureitet. In der freien Zeit stellt er euch den Mann für die grobe Arbeit zur Verfügung. ... Aber ... beim Klaas wär genug Platz zum Schlafen. Wenn schon der Gaul dort ist ..."

Bedauern schwingt in seiner Stimme mit. Und leise spüre ich, dass er aus diesem Haus nicht fort will. Aber er schaut mich nicht mehr an. Er klappt zu wie mein Kasten, wenn ich den Deckel fallen lasse. Urplötzlich wünscht er mir eine gute Nacht und wendet sich seinem Strohlager zu.
Einen Moment noch starre ich verwirrt seinen Rücken an, dann steige ich die Leiter wieder hinunter und gehe auch ins Bett.
Wie seltsam. Und wie wunderbar. Es ist die helle Freude, so mit ihm zu scherzen und zu lachen. Aber seine Stimmungswechsel kann ich manchmal überhaupt nicht verstehen.
Allerdings bin ich inzwischen so müde, dass ich nicht mehr zum Grübeln komme sondern ganz schnell einschlafe.

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5.12.2021

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