Ohne Ihn
,,Seelen ... was?", fragte Bilbo völlig perplex, ,,was wollen Sie von mir?" Das Lächeln verschwand von ihrem Gesicht und plötzlich sah die Hobbitfrau furchtbar verwirrt aus. Sie tat Bilbo leid. Wahrscheinlich waren sie beide mitten in ein riesiges Missverständnis reingeraten. Der Hobbit musterte die Frau vor sich.
Sie war jünger, viel jünger als er selbst. Bilbo schätze sie auf Anfang 30. War diese Hobbitfrau überhaupt schon mündig? Sie war ein wenig kleiner als er. Ihr lockiges Haar war rot, ihre Augen waren braun. Sie hatte ein hübsches Gesicht und leicht spitze Ohren. Die Hobbitfrau trug ein dunkles Kleid. Der Rock reichte nicht bis auf den Boden, sondern nur bis zu den Waden. ,,Aber...ich...also...Sie haben doch die Anzeige schreiben lassen, oder?"
,,Welche Anzeige?", fragte Bilbo verwirrt. ,,Ich habe gar nichts schreiben lassen und es tut mir leid, falls ich Sie jetzt enttäuschen sollte ... aber wir sind ganz bestimmt keine Seelenverwandten!"
,,Was ist denn hier los?", fragte Hamfast verwundert. Er hatte drei große Bierkrüge in den Händen und die Stirn gerunzelt. ,,Wer sind Sie?" Die Hobbitfrau antwortete ihm nicht. Sie war dabei, fieberhaft nach irgendetwas in ihrem Rucksack zu suchen. ,,Das ist Bilbos Seelenverwandte!", sagte Bell mit einem verträumten Lächeln auf den Lippen. Die 13-Jährige fand das hier alles super romantisch.
,,Nein!", entfuhr es Bilbo. ,,das ist sie nicht. Nicht im Geringsten!"
Alle starrten ihn plötzlich an. Hamfast und Bell sahen verwundert aus. Die Hobbitfrau wirkte sehr verletzt. Bilbo wurde sehr nervös, als sie ihre Blicke kreuzten. ,,Verzeihung", murmelte er schuldbewusst. ,,Ich wollte nicht ... ähm, es tut mir leid." ,,Ich habe ihn", meinte die Hobbitfrau schließlich und legte einen Zeitungsausschnitt vor Bilbo.
Das Papier war schon vergilbt und überall waren kleine Schmutzflecken, von Fett, Soße oder ähnlichem und Erde. Dieser Zeitungsartikel stammte aus dem Auenland-Kurier. Auch Bilbo kannte und las diese Zeitung, denn es war tatsächlich die einzige Hobbitzeitung. Tatsächlich war der Auenland-Kurier auch gar nicht so interessant, denn es passierten nicht besonders interessante Dinge im Auenland. Die Kategorien Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur konnte man auf eine Seite quetschen. Die Kategorie Lokales war etwas länger. Dort wurde meistens über den schönsten Garten berichtet oder welches Gasthaus das beste Bier anbot. Die Todesanzeigen waren kurz, während die Geburtsanzeigen sehr lang waren.
Manchmal wunderte sich der Hobbit auch, dass es hier überhaupt eine Zeitung gab, denn die meisten Hobbits brachten es im Schreiben und Lesen nicht weit. Sie zogen das Geschäft des Essens vor. Aber der Ausschnitt selbst kam Bilbo nicht besonders bekannt vor.
Ganz oben stand: Liebe im Auenland-
Finden Sie den Hobbit, mit dem Sie seelenverwandt sind!
Bilbo runzelte verwirrt die Stirn. War das hier eine neue Kategorie oder gab es die schon länger und er hatte nur darauf verzichtet, sie sich anzusehen? Unter der Überschrift gab es einige Anzeigen von Hobbits, die auf der verzweifelten Suche ihrer wahren Liebe waren. Eine Anzeige war mit roter Tinte eingekreist wurden. Dort stand:
Alleinstehender Hobbit sucht nette Hobbitfrau
Name: Bilbo Beutlin
Alter: 52 Jahre alt
Adresse: Beutelsend, Unter'm Bühl, Hobbingen, Nordviertel Auenland
Hobbys: wandern, kochen, lesen, schreiben
Sie sollten:
-zwischen 33 und 53 Jahre alt sein
-Spaß am Kochen und Wandern haben
-offen für Neues sein
Ich freue mich über Rückmeldungen. Bis bald!
B.B
,,Das habe ich nicht geschrieben", sagte Bilbo leise, nachdem er die Anzeige durchgelesen hatte. ,,und auch nicht schreiben lassen."
,,Oh", entfuhr es der Hobbitfrau. ,,Aber wer dann?" ,,Das kann ich Ihnen sagen", murmelte Bilbo und sprang auf. ,,Ich muss weg ... Schuldigung."
,,Aber wo wollen Sie denn hin?", fragte die Hobbitfrau verwundert. ,,Weg", erwiderte Bilbo bloß, legte ihr beide Hände auf die schmalen Schultern und dirigierte sie auf seinen Platz. ,,Wie heißen Sie?", fragte Bilbo eilig, während er sich seinen Mantel überwarf.
,,Petunia", antwortete sie. ,,Petunia Unterberg, aber Sie können mich gerne Tuni nennen.",,Gut, Petunia", erwiderte Bilbo. ,,Trinken Sie mein Bier. Essen Sie meine Pilzsuppe, wenn sie kommt. Sie mögen doch Pilze, oder? Hamfast und Bell werden sich um Sie kümmern. Ich bin bald wieder da!"
Mit diesen Worten lief Bilbo aus dem Gasthaus. Hamfast eilte ihm hinterher. ,,Herr Bilbo!", rief er. ,,Was hat das zu bedeuten?"
,,Ich weiß es nicht", murmelte Bilbo und blieb schwer atmend stehen, ,,ich weiß es nicht, okay?!" Langsam wurde ihm alles zu viel. Hamfast musterte den Hobbit vor sich kurz. Herr Bilbo sah erschöpft aus. ,,Tut mir leid", fügte Bilbo ruhiger hinzu. ,,Ich wollte nicht laut werden. Entschuldige mich bitte, ich muss kurz weg."
,,Wohin?", fragte Hamfast neugierig. ,,Zu meiner Cousine", entgegnete Bilbo grimmig. Es kam niemand anderer als Dora in Frage. ,,Aber Sie können doch jetzt nicht einfach gehen", meinte der junge Gärtner. ,,Die Hobbitdame wartet doch auf Sie!"
,,Ich weiß", seufzte Bilbo. ,,aber ich muss nun wirklich los. Erzähl Frau Unterberg, dass ich ein ganz schlechter Seelenverwandter wäre. Denk' dir was aus, ja? Würdest du das für mich tun, Meister Hamfast?" ,,Aber Herr Bilbo", sagte Hamfast erstaunt. ,,Ich kann nichts Schlechtes über Sie sagen. Sie sind der beste Hobbit, den ich kenne!"
Bilbo huschte bloß ein kleines Lächeln über die Lippen. Hamfast war so treu. Dann wandte er sich um und rannte in Richtung Beutelsend.
,,Was hast du dir dabei gedacht?", fragte Bilbo entgeistert und schlug die grüne Tür hinter sich zu. Er stürmte ins Wohnzimmer. Dort saß Dora in einem gemütlichen Sessel, wo sie seelenruhig vor sich hinstrickte. ,,Was meinst du?", fragte die Beutlin und sah verwundert von ihrer Arbeit auf. ,,Was ich meine?", fragte Bilbo und hielt ihr den Zeitungsausschnitt vor die Nase. ,,Das hier meine ich!"
,,Ach, so", erwiderte Dora schmunzelnd. ,,Was ist damit?" ,,Hast du das schreiben lassen?", fragte Bilbo ungeduldig. ,,Ja", sagte Dora. ,,du wolltest dir ja keine Frau suchen, also habe ich das selbst in die Hand genommen."
Bilbo starrte sie entsetzt an. ,,Du hast es selbst in die Hand genommen? Dora, hier geht es um mich, um mein Leben! Ich habe dir gesagt, dass ich keine Frau will und was machst du? Du rennst sofort zum Auenland-Kurier und lässt diese dämliche Anzeige schreiben! Was soll das überhaupt heißen? Offen für Neues sein?"
,,Naja", entgegnete Dora kleinlaut. ,,Du bist ja nicht gerade der gewöhnliche Typ eines Hobbits und da dachte ich, dass man die Frauen vorwarnen könnte. Woher weißt du überhaupt davon? Haben sich welche bei dir gemeldet?" ,,Eine", sagte Bilbo und setzte sich erschöpft in einen weiteren Sessel. ,,Nur eine einzige?", fragte Dora leicht enttäuscht. ,,Ich hätte gedacht, dass es mehr sein würden."
Bilbo konnte es nicht fassen. Er starrte seine Cousine mit offenem Mund ein. ,,Merkst du überhaupt, was du da redest, Dora? Im ,Efeubusch' wartet jetzt irgendeine Frau Unterberg auf mich und denkt, dass ich ihr Seelenverwandter bin!"
,,Ist sie hübsch?", fragte Dora neugierig.
Bilbo seufzte entnervt und vergrub das Gesicht in den Händen. ,,Warum gibst ihr keine Chance?", fragte Dora leise. ,,Warum lehnst du sie jetzt schon ab? Du weißt doch gar nicht, dass sie nicht deine Seelenverwandte ist!"
Retrospektive Bilbo
,,Mutter?", fragte der kleine Bilbo neugierig und starrte in die Flammen des Kamins von Beutelsend, ,,wie hast du Vater kennengelernt?" Belladonna Beutlin, seine Mutter, saß neben dem Hobbitjungen auf dem Boden und musste über ihren Sohn schmunzeln. ,,Ich habe ihn auf einem Fest deines Großvaters kennengelernt", antwortete die Hobbitfrau leicht lächelnd. ,,Dein Vater hat mir ausversehen Bier über mein schönes neues Kleid gekippt. Am nächsten Morgen bekam ich ein Päckchen mit einem neuen Kleid drin, welches sicher sehr teuer gewesen war. Außerdem lag unter dem Kleid ein kleiner Zettel, auf dem stand, ob wir uns vielleicht mal treffen möchten. Da wusste ich irgendwie sofort, dass dieser Hobbit mein Seelenverwandter ist!" ,,Was ist ein Seelenverwandter?", hakte der kleine Bilbo wissbegierig nach.
,,Naja", sagte Belladonna nachdenklich. ,,Er ist wie ein bester Freund ... aber mehr. Es ist diese eine Person, die dich besser als irgendjemand anderer kennt. Jemand, der dich zu einer besseren Person macht. Aber eigentlich macht er dich nicht zu einer besseren Person, das machst du selbst. Weil dich diese Person inspiriert. Ein Seelenverwandter wird dich immer tragen. Es ist diese eine Person, die dich kennt und dich akzeptiert und an dich glaubt, bevor es irgendjemand anderes getan hat oder wen es niemand anderes tut. Und egal was passiert, du wirst diese Person für immer lieben. Nichts kann das ändern."
Und Bilbo Beutlin sollte diese Worte nie vergessen und sie sich wieder in Erinnerung rufen, als er auf Thorin Eichenschild traf.
,,Doch", flüsterte Bilbo. Und dann passierte es. Er hatte die Tränen die ganze Zeit zurückgehalten, aber nun brachen sie aus ihm heraus. Ihm wurde alles zu viel. Bilbo heulte plötzlich Rotz und Wasser. Dora musterte ihn erschrocken, sprang auf und nahm Bilbo in den Arm.
,,Ich ... ich habe ihn geliebt, aber niemand will das verstehen. Er war mein Seelenverwandter!", schluchzte Bilbo. ,,Und es fühlt sich so falsch an, hier ohne ihn zu sein. Ohne ihn glücklich zu sein!"
,,Es tut mir leid", wisperte Dora und strich ihm beruhigend über den Rücken. ,,Aber hätte er nicht gewollt, dass du glücklich bist?" ,,Er wollte nie etwas anderes", flüsterte Bilbo leise, während ihm die Tränen übers Gesicht rannten. ,,Dann gib ihr wenigstens eine Chance, ja?", fragte Dora.
Bilbo löste sich aus der Umarmung und entgegnete weinend:,, Das kann ich dir nicht versprechen, Dora."
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro