Duell
Nicht einmal zwei Tage später, rückt Miraz' Armee auf. Die Sonne hat gerade erst die ersten Strahlen über die Bergkuppen gestreckt, da stehen wir bereits kampfbereit vor Aslans Mal. Trommeln dröhnen durch den Wald und der Boden bebt. Schwere Schritte, Hufgetrappel und das Quietschen der Räder der Wurfgeräte füllen die Luft. Meine Hand liegt ruhig auf dem Knauf meines Schwertes, mein Atem geht regelmäßig. Doch in meinen Inneren tobt ein Wirbelsturm von Fragen und Plänen. Neben mir stehen Kaspian und die beiden Könige. Noch macht niemand Anstalten, den Kampf zu eröffnen. Stattdessen reiten Miraz und einige seiner Männer zu den steinernen Toren.
« Er fordert eine Verhandlung! », zischt König Peter. Er nickt seinem Bruder, Kaspian und mir zu und wir setzen uns in Bewegung.
« Ah, da ist ja mein lieber Neffe », meint Miraz höhnisch und rutscht aus dem Sattel. Bei jedem seiner Schritte scheppert seine Rüstung etwas.
« Was wollt Ihr? », fragt König Peter kühl. Er ist sichtlich unruhig, denn sein Blick huscht zwischen unseren Gegnern herum. Ich kann mir denken, worüber er nachsinnt. Sie sind viele und uns in Zahl und Ausrüstung weit überlegen.
« Nun, ich möchte Euch eine faire Chance geben », erklärt Miraz,
« Ein Duell zwischen mir und jemandem aus Euren Reihen. Auf Leben und Tod, versteht sich ».
« Ein Duell? », fragt König Edmund nach. Ich wundere mich über diesen Vorschlag. Dahinter steckt ganz bestimmt nicht, dass Miraz kein Blut vergießen will. Das ist ihm vermutlich ziemlich egal.
« Gut, wann wollt Ihr Euch duellieren? », fragt König Peter. Miraz macht ein überraschtes Gesicht
« Ich sagte nicht, dass ich mit Euch die Schwerter kreuzen will. Gesteht Ihr mir zu, meinen Gegner selbst zu wählen? ». Der Hochkönig neigt den Kopf, seine Augen sehen fragend in die Runde. Kaspian neben mir spannt sich zusehends an.
« Das Mädchen! », zischt Miraz plötzlich und starrt mich an. Ich zucke nicht einmal mit der Wimper, während die anderen sofort widersprechen. Miraz hört ihnen gar nicht zu, sondern richtet seine Aufmerksamkeit ganz auf mich.
« Ich nehme Eure Herausforderung an », diese Worte verlassen meine Lippen so schnell, dass niemand etwas dagegen tun kann. Kaspian sieht mich entsetzt an.
« Luna! », flüstert er, doch ich ignoriere ihn. Miraz hebt siegessicher das Kinn
« Bei Morgengrauen werden wir uns hier gegenüberstehen ». Ich nicke nur kurz und sehe zu, wie sich die Telmarer zurückziehen. Bevor mich jemand aufhalten kann, wende ich mich um und laufe fluchtartig in den Hügel.
Als der Abend hereinbricht und die Dunkelheit jegliche Silhouetten verschluckt, sitze ich noch immer unbewegt unter dem einzigen Baum, der weit oben an einer Flanke des Hügels wächst. Sein Stamm ist knorrig und seltsam gebogen, wodurch seine wenigen Blätter nicht weit über dem Boden hängen. Gedankenverloren streiche ich immer wieder mit den Fingerspitzen über die Klinge meines Schwertes. In meinem Kopf spielt sich ein Kampfszenario nach dem anderen ab, doch ich verspüre nur wenig Angst. Nicht vor dem Tod, nein, vor dem, was den Narnianen bevorsteht, sollte ich in diesem Duell versagen, sollte ich unterliegen. Ich kann Miraz nicht einschätzen. Er ist viel älter, schwerer und bestimmt auch kräftiger als ich. Die Wucht seiner Schläge werde ich auf keinen Fall toppen können. Ich muss auf meine Geschwindigkeit und Wendigkeit setzen. Er wird behäbiger sein und sich nicht so schnell drehen können. Doch es gibt noch eine Hoffnung, selbst, wenn ich nicht siegen sollte. Durch das Duell sind die Soldaten abgelenkt und werden die beiden Königinnen nicht bemerken. Sie werden sich aufmachen, um Aslan zu suchen.
« Hier bist du », sagt plötzlich jemand,
« Ich habe dich gesucht ». Die Stimme lässt mich hochschrecken. Kaspian tritt aus dem Schatten und lässt sich neben mir nieder. Eine Weile schweigen wir vor uns hin.
« Wirst du morgen wirklich gegen ihn antreten? », meint der Prinz irgendwann.
« Ich habe die Herausforderung angenommen », erwidere ich nur.
« Du musst das nicht machen, setze nicht dein Leben aufs Spiel! », begehrt er auf. Er denkt wohl auch, dass ich morgen meinen letzten Atemzug tun werde.
« Im Krieg lässt jeden Tag irgendjemand sein Leben. Heute, morgen, immer... », erwidere ich leise.
« Aber nicht bei einem Duell auf Leben und Tod! », meint Kaspian.
« Vielleicht... », flüstere ich,
« Aber ich werde Miraz nicht töten ».
« Warum? Wenn du ihn nicht tötest, wird er dich töten », will der Prinz wissen.
« Es steht mir nicht zu und das weiß er », ich halte Inne,
« Außerdem...ist es nicht meine Aufgabe ». Sein Blick sucht den meinen und einen Moment sehen wir uns an. Dann schlage ich die Augen nieder und erhebe mich. Meine steifen Arme und Beine danken es mir und ich strecke mich. Doch wohin jetzt? Ich steige kurzerhand zur höchsten Stelle des Hügels empor. Dort tunken die Strahlen des Mondes alles in silbernes Licht. Meine Gedanken wandern augenblicklich zu dem, was mich am nächsten Tag erwarten wird. Ich darf Miraz keines Falles töten, doch am Leben lassen darf ich ihn auch nicht. Eine Zwickmühle, die nicht schlimmer hätte sein können.
Am nächsten Morgen lege ich meine Rüstung an. Das meiste ist aus Leder, denn Metall ist zu schwer und würde mich langsamer machen. Über meine Kleidung trage ich meinen Harnisch und hohe Stiefel. So trete ich nach draußen und schreite den Pfad entlang zu dem Platz. An jedem Eck steht ein Posten. Zwei Narnianen, zwei Telmarer. Hinter mir reihen sich die Zentauren, Bären, Minotauren und alle anderen. Auf der anderen Seite stehen die Soldaten von Miraz' Heer. Dieser triff zeitgleich mit mir auf dem Platz ein. Sei Körper ist dick gepanzert und unter dem Arm trägt er einen Helm. Als er sieht, dass ich keinen trage, schleudert er den Schutz auf den Boden und zieht sein Schwert. Ich tue es ihm gleich. Mein Blick huscht über die Reihen der Narnianen und bleibt an den Königen hängen. König Peter kaut wütend auf seiner Unterlippe herum und Kaspian steht starr wie eine Salzsäule da. Seine warmen Augen ruhen auf mir. Leises Klappern bringt meine Gedanken zurück auf den Kampfplatz. Miraz ist herzugetreten, seine Augen zu Schlitzen verengt. Seine goldene Rüstung glänzt in den ersten Sonnenstrahlen. Mit Schild und Schwert bewaffnet, trete ich ihm gegenüber. Er verzieht den Mund zu einer Grimasse, die wohl ein Lächeln darstellen soll. Langsam umkreisen wir uns. Ich verbanne alle Gedanken aus meinem Kopf, um mich voll und ganz auf den Kampf konzentrieren zu können. Meine Augen verfolgen wachsam jede Bewegung meines Gegenübers. Eine Weile scheint Miraz zu zögern, dann brüllt er laut und stürzt sich mit gehobenem Schwert auf mich. Ich ducke mich unter seinen Armen hindurch. Als ich ebenfalls zum Schlag ansetze, wehrt er mit seinem Schild ab und schubst mich zurück. Beinahe wäre ich gestolpert, denn auf solche Kraft bin ich nicht vorbereitet. Jedoch finde ich schnell das Gleichgewicht wieder und weiche dem nächsten Angriff gerade noch aus. Meine Klinge streift Miraz' Arm. Er zischt wütend und begutachtet die kleine Wunde. Doch auch er hat mich erwischt. An der Stelle, an der der Harnisch endet klafft nun ein Schnitt. Es brennt, aber ich muss es ignorieren. Den nächsten Hieb fange ich mit meinem Schwert ab. Man hat vermutlich nicht erwartet, dass unsere Waffen mit so viel Kraft aufeinandertreffen. Sekunden verstreichen, Minuten ziehen sich hin wie Stunden. Mein Zeitgefühl verabschiedet sich komplett. Dann folgt ein rascher Schlagwechsel. Miraz trifft erneut jene – bereits verletzte – Stelle an meiner Seite. Doch diesmal bohrt sich meine Klinge unter seinem Arm in sein Fleisch. Miraz keucht laut auf, wankt ein bisschen und es scheint als würde er stürzen. Doch mit letzter Kraft wirft er sich auf mich. Ich halte mein Schild vor mich, sodass er mir nichts anhaben kann. Zwischen zusammengebissenen Zähnen flüstert er mir irgendetwas Unverständliches zu. Es klingt jedenfalls nicht gerade freundlich. Dann ertönt plötzlich ein Quietschen und Geschrei wird laut. Ich höre meinen Namen und blicke hoch. Die Telmarer haben ein Katapult schussbereit gespannt. Ein großer Steinbrocken ist bereit, um durch die Luft geschleudert zu werden. Panik breitet sich in mir aus. Mit Händen und Füßen versuche ich, von dem immer noch wütenden Miraz freizukommen. Meine Chance ist gering und doch gelingt es mir, die Arme freizubekommen. Ich bekomme eine Felskante zu fassen und kann mich daran hochziehen. Mit einem Ruck rollt das Gewicht von mir herunter. Miraz liegt auf dem Bauch und packt meinen Fuß. Ich trete nach seiner Hand, doch da hat er mich bereits aus dem Gleichgewicht gebracht. Ich finde es nicht rechtzeitig wieder und gehe zu Boden. Einen Moment wird mir schwarz vor Augen und fühle einen heftigen Schmerz an der Stirn. Ich rolle mir zur Seite weg und kauere mich zusammen. Es dauert einige Sekunden bis ich wieder klar sehen kann. Ich wende den Kopf. Da liegt jener große Stein – der gerade eben noch auf dem Katapult ruhte – an der Stelle, an der Miraz gelegen hat.
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