13. Erwischt
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„Wie viel Uhr ist es eigentlich?", fragte Sora, als Kiryu wieder ins Zimmer kam. Er deutete ihr, dass sie sich wieder hinlegen sollte und legte ihr den nassen Lappen über die Stirn. „16 Uhr.", antwortete er knapp.
Oh... hoffentlich würde Hanabusa sie nicht gleich erwarten, sonst würde er dort ewig warten müssen... Obwohl, der Nachhilfeunterricht war vorbei. Würde sie ihn denn überhaupt bald wieder sehen? Aber, dachte sie, als sich Hoffnung in ihr ausbreitete, vielleicht wollte er sie doch noch treffen und würde am See auf sie warten! Doch die Hoffnung wurde sogleich wieder zunichte gemacht, als sie ihr in den Sinn kam, dass er umsonst dort aus sie warten würde. In ihrem jetzigen Zustand konnte sie kaum auf Toilette gehen. Wie sollte sie da durch den Wald. Unbewusst entwich ihr ein Seufzen.
„Hast du was besonderes geplant oder warum ist dir die Uhrzeit wichtig?", erklang plötzlich die Stimme des Vertrauensschülers neben ihr. Sie war so in ihren Gedanken vertieft gewesen, dass sie Kiryu ausgeblendet hatte!
„Äh... wie? N-Nein.", stotterte Sora. Sie sah, wie Kiryu sich durch seine eigenen Haare wühlte und zur Seite schaute.
„Keine Sorge, bald kommt Yuki, dann bist du mich los.", murmelte er mürrisch. Erschrocken über die Tatsache, dass Kiryu annahm, dass er ihr auf die Nerven ging, setzte Sora sich mit einem Ruck auf und sagte mit der lautesten Stimme, die ihr momentan zur Verfügung stand: „So meinte ich das nicht! Ich kann verstehen, dass du nicht hier sein willst, doch denk nicht, dass ich deswegen dir gegenüber genervt bin. Ganz im Gegenteil, ich mag deine Anwesenheit, sie ist sehr beruhigend. Du glaubst kaum wie dankbar ich dir dafür bin, dass du überhaupt hier bist und auf mich aufpasst!", mit vor Schreck geweiteten Augen starrte sie ihn an und keuchte.
Als plötzlich die Schultern von Kiryu anfingen zu beben, wollte sie bereits ihre Bettdecke zurück schlagen und zu ihm gehen. Doch da drehte er sich bereits zu ihr um und betrachtete sie mit einem Lächeln – tatsächlich er lächelte!
„Du musst nicht gleich schreien, ich kann dich auch so genug verstehen. Und jetzt leg dich wieder hin, sonst wirst du nie gesund." Damit drückte er sie wieder ins Bett und legte ihr ein weiteres Mal den nassen Lappen auf die heiße Stirn.
Ein Lächeln bildete sich auf Soras Lippen, als sie ihre Augen schloss. Sie hatte die Vermutung, dass sie Zero nun ein klitzekleines bisschen näher gekommen war, als es der überwiegende Teil der Schülerschaft je gewesen war.
Stirnrunzelnd stand Hanabusa in der Nähe des Sees und starrte auf seine Armbanduhr. Er wartete dort in Mitten von Blättern auf die Dayclassschülerin mit der er sich so gut wie jeden Tag traf. Es war nicht ungewöhnlich, dass er auf sie wartete. Er war oft vor ihr anwesend, doch wartete er meistens im Schutz der Bäume. Warum sei mal so hingestellt. Doch normalerweise brauchte Sora nicht so lange bis sie kam. Wenn er sie heute noch zu sehen bekommen wollte, sollte sie sich beeilen, denn bald stand der Wechsel an!
Ein unangenehmer Gedanke durchzuckte ihn wie ein Blitz, als ihm die Erinnerung vom vorigen Tag in den Sinn kam. Er stand kurz davor sie zu küssen - ! - und dann war er von jetzt auf gleich verschwunden! Gut, es hatte einen Grund gehabt, dass er gegangen war, schließlich hätte Zero sie sonst erwischt. Doch aus der Sicht von Sora muss es den Eindruck gehabt haben, dass er sie verarschen wollte!
Wütend über sich selbst und besonders auf Zero knirschte er mit seinen ausgefahrenen Vampirfängen und schlug auf einen Baum ein, der durch den Schlag seine restlichen Blätter verlor. Sanft schwebten die bunten Blätter zu Boden. Hanabusa durfte nicht zu lassen, dass Sora so schlecht von ihm dachte! Doch wie sollte er das Missverständnis beheben, wenn sie nicht herkam?! Es blieb ihm wohl nur noch eine einzige Sache zu tun.
Er musste zu ihr.
Wie bescheuert sich diese Idee anhörte, bemerkte Hanabusa erst, als er hinter Gebüschen versteckt vor dem Mädchenwohnheim hockte. Einige Dayclassschülerinnen standen draußen in Gruppen und unterhielten sich ununterbrochen. Noch vor wenigen Minuten hatte er sich seinen Plan zu Sora zu kommen einfacher vorgestellt. Doch da hatte er noch nicht daran gedacht, dass es noch weitere Menschen gab, die ihn unter keinen Umständen entdecken durften!
Knurrend zählte er wie viele Menschen es waren, die ihm den Weg versperrten. Zwei Gruppen. Eine bestand aus vier und die andere aus sechs Mädchen. Das sah schlecht für ihn aus.
Sein Blick wanderte nach unten auf dem Boden, als er spürte wie der schwarze Kater seine Beine umschmeichelte. Pha, jetzt auf einmal tat er so, als ob er ihn leiden konnte! Wo kam der überhaupt schon wieder her?!
Hoffentlich würde er keine Aufmerksamkeit hierher erregen. „Kusch.", zischte er Kuro zu und wedelte mit der Hand. Das Risiko war einfach viel zu groß, er kannte die Menschen und besonders die Mädchen taten jedesmal so, als ob sie zum ersten Mal in ihrem Leben eine Katze sahen. Sobald sie eine erblickten war das oh, ist das süß und das ich will es streicheln groß.
Doch anstatt, dass Kuro wieder im Wald verschwand, ging er geradewegs durch das Gebüsch auf die Mädchen zu! Um zu verhindern, dass der Kater weiterging, streckte Hanabusa schnell seine Hand vor, um den Kater zu packen, doch da war dieser bereits zur Seite gesprungen!
„Verdammt...", fluchte Aido. Jetzt war es sowieso schon zu spät. Die Mädchen hatten Kuro entdeckt und umschwärmten ihn, wie die Bienen die Blumen.
Erstarrt hockte Aido weiterhin hinter dem Gebüsch und hoffte, dass keine der Dayclassschülerinnen ihn gesehen hatte. Die Sekunden vergingen und nichts geschah. Erleichtert seufzte Hanabusa auf. Dass war vielleicht knapp gewesen! Leicht schob er das Gestrüpp wieder beiseite um einen weiteren Blick zu erhaschen.
Alle zehn Mädchen hatten es sich auf dem Boden mehr oder weniger bequem gemacht und versuchten Kuro zu streicheln ohne, dass er ihnen abhaute.
Natürlich, dachte sich der Vampir. Warum war er nicht gleich auf die Idee gekommen?! Ihre gesamte Aufmerksamkeit war jetzt auf Kuro gerichtet. Er konnte also ohne Bedenken ins Wohnheim spazieren! Vorsichtig stand er auf und ging leisen Schrittes auf den Eingang zu. Dank seinem vampirischem Gehör hatte er bereits vorher gewusst, dass im Flur des Wohnheims momentan keine Menschenseele war, weswegen er kaum durch die Eingangstür getreten war, um die nächste Ecke geflüchtet war. Unnötige Glastür.
Aido schnüffelte kurz in der Luft und ging den Flur weiter entlang, als er Soras Fährte wahrgenommen hatte. Mittlerweile ging er wieder normalen Schrittes, er würde schon hören, wenn die Gefahr bestand, dass ihn jemand sehen könnte.
Während er auf dem Weg zu Soras Zimmer war, gingen seine Gedanken wieder zurück zu dem Kater. War es Zufall gewesen, dass er ihm geholfen hatte? Und das war sogar das zweite Mal gewesen! Beim ersten mal hatte er es dem Zufall zugeschrieben, doch nun war er misstrauisch. War Kuro wirklich nur ein ganz normaler Kater? Oder steckte in Wahrheit mehr dahinter? An unnatürlichen Wesen gab es auf dieser Welt mehr als nur die Vampire. Keiner, nicht einmal die ältesten Vampire, konnten mit Sicherheit sagen, welche tatsächlich existierten und welche nur Fiktion waren. Gehörte Kuro zu so einem Wesen? Ein vertrauter Geist oder ein Gestaltenwandler vielleicht? Doch was suchte er dann hier? Hatte man die Sorge, dass die Vampire den Menschen nicht gut waren und spionierte man ihnen deswegen nach?
Vielleicht übertrieb es Hanabusa mit seinen Spekulationen, denn Beweise hatte er keine. Vielleicht waren es tatsächlich nur Zufälle gewesen...
Ja, das musste es sein. Es war reiner Zufall gewesen, redete Hanabusa sich ein, als er vor der Tür stand, an der deutlich Soras Geruch haftete. Jetzt hatte Sora Vorrecht und nicht dieser nervige Kater!
Er holte tief Luft – weshalb er so nervös war, wollte er gar nicht wissen – bevor er seine Hand auf die Türklinke legte. Doch bevor er diese runter drücken konnte, wurde die Tür bereits von der anderen Seite geöffnet.
Scheiße.
Er war viel zu sehr in Gedanken vertieft gewesen und hatte deswegen gar nicht mehr daran gedacht, dass Sora das Zimmer mit jemanden teilte!
Nervös schluckte er, als die Person vor ihm ihn mit geweiteten Augen ansah.
"Was... was machst du hier, Aido-senpai?", fragte Yuki Kurosu erschrocken. Sie blinzelte einige Male um sich wieder zufassen. "Du hast hier nichts zu suchen, geh sofort in dein Wohnheim zurück!"
Noch immer wusste Hanabusa nicht, was er sagen oder tun sollte. Er war völlig überfordert mit der Situation! Es war eine unbekannte Stimme die einen Gang entfernt erklang und Yukis Rede unterbrach. Sowohl Hanabusa, als auch Yuki wussten was geschehen würde, würde man Hanabusa hier im Dayclass Gebäude entdecken. Doch bevor Hanabusa reagieren konnte, hatte Yuki ihm bereits am Pullover gepackt und ins Zimmer gezogen.
Schnell schloss Yuki die Zimmertür hinter ihm und wandte sich dem Vampir zu. Ihre Hände hatte sie vorwurfsvoll in die Hüften gestemmt. Sie setzte bereits mit dem Sprechen an, ließ es jedoch bleiben, als sie merkte, dass Aidos volle Aufmerksamkeit auf dem Mädchen im Bett ruhte. Und auch das Mädchen mit roter Nase sah zu Aido.
Misstrauisch beäugte Yuki Aidos Mimik, denn die Anspannung war aus seinem Gesicht gewichen und hatte Erleichterung Platz gemacht.
„Hallo Sora-chan."; erklang es mit ungewohnter ruhiger Stimme von Aido. Yuki runzelte beidem vertrauten Ton die Stirn.
„Hanabusa-kun. Was...", erschöpft holte Sora tief Luft und wiederholte sich. „Was machst du denn hier?"
Die Erleichterung wich langsam von Hanabusa und die Besorgnis vermischt mit einem Vorwurf, der sich gegen ihn selbst richtete, machte sich in ihm breit. Sora sah nicht besonders gesund aus und er war sich sicher, dass es daran lag, dass er mit ihr gestern so lange im Regen verweilt hatte! Verdammt, es war seine Schuld, dass ihre Augen einem Fieberschleier unterlagen. Deutlich konnte er zudem sehen, wie unterschiedlich die Augen Sora aussehen konnten. So stark ausgeprägt hatte er das Rot noch nicht gesehen. Ein nasser Lappen lag auf ihrer Stirn und neben ihrem Bett lag ein Papierkorb der voll mit verbrauchten Taschentüchern war.
„Ich hatte mir Sorgen gemacht. Du bist nicht an unserem Treffpunkt erschienen. Ich dachte, du seist sauer auf mich und... naja, dann hab ich mir gedacht, dass ich dich ja besuchen kann. Ich hatte nicht daran gedacht, dass du krank sein könntest. Das ist meine Schuld, es tut mir Leid.", erklärte Hanabusa sich und sah, wie sich auf Soras Lippen ein leichtes Lächeln bildete und wären ihre Wangen nicht schon vom Fieber gerötet, so hätte er gedacht, dass sie verlegen war.
„Mach dir bitte keine Vorwürfe. Ich trage genauso viel Schuld daran, aber... danke. Danke, dass du dir solche Sorgen um mich machst."
So langsam aber sicher bröckelte Yukis Entrüstung über Hanabusas Erscheinen in sich zusammen. Verwirrt löste sie ihre abwehrende Haltung auf und sah zwischen den beiden anderen hin und her. Sie war nicht dumm. Sie konnte eins und eins zusammen zählen.
Beide sprachen sich sehr vertraut an. Hanabusa hatte Sora an einem Ort erwartet. Er gab sich die Schuld, dass sie erkältet war, weil sie beide am vorigen Tag zu lange im Regen standen. Und Sora hatte sie gestern ein Date gehabt.
Dennoch konnte sie sich das alles nur schwer vorstellen. Soras heimlicher Verehrer sollte Hanabusa Aido sein?! Ein Vampir? In einen verwöhnten B-Vampir sollte sich Sora verliebt haben?! Das musste ein Traum sein, eine andere Lösung konnte es dafür nicht geben. Perplex kniff sie sich in ihren Arm und zuckte vor Schmerz zusammen. Oh nein. Das hier war kein Traum. Was sollte sie jetzt tun?! Ihre Pflicht als Vertrauensschüler trieb sie eigentlich dazu es Kaname-senpai und dem Rektor zu sagen, doch... Sora sah in letzter Zeit so glücklich aus und auch Hanabusa hatte solch ein seltsames Glitzern in den Augen, wenn er Sora ansah. Waren das romantische Gefühle die er für den Menschen empfand? Dass Sora sich in Hanabusa verliebt hatte, war für Yuki keine Frage. Doch war der Vampir tatsächlich in der Lage etwas für einen Menschen zu empfinden, was über Abscheu und dem Genuss des Blutes hinaus ging?
Yuki holte tief Luft. Sie musste sich entscheiden. Wollte sie ihrer Pflicht als Vertrauensschülerin nachgehen oder stand sie hinter ihrer Freundin?
Die anderen beiden Anwesenden wurden sich erst nachdem Yuki tief Luft holte wieder bewusst, dass sie nicht alleine waren.
„Yuki-chan", wisperte Sora. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Würde Yuki die beiden an den Rektor verraten? Es wäre ihr Recht das zu tun, doch... dann würde sie Hanabusa nie wiedersehen können. Wenn man sie suspendieren würde, würde sie ihn nicht einmal mehr beim Wechsel sehen können! Sora versuchte den Klos in ihrem Hals runter zu schlucken. Mit wenig Erfolg.
Wie musste sich Yuki jetzt wohl fühlen? Sie wurde von ihrer Freundin angelogen und verraten, wie könnte sie da nicht ihr die Freundschaft kündigen. Sora erwartete das Schlimmste und sah erwartungsvoll zu ihrer Noch-besten-Freundin, währenddessen bissen sich ihre Zähne an ihren Lippen fest.
Yuki bemerkte die Blicke von den beiden anderen, doch bevor sie diese erwiderte ging sie langsam an Hanabusa vorbei und setzte sich auf ihr Bett. Ihre Beine hatten sich durch die Erkenntnis viel zu wackelig angefühlt, als dass sie noch weiter stehen konnte. „Das..." setzte Yuki an, „ist ganz schön unerwartet gekommen." Seufzend legte sie ihren Kopf in die Hände und dachte wieder nach.
Still vergingen die Sekunden. Sekunden die zu Minuten wurden. Sora saß aufrecht in ihrem Bett und ließ Yuki nicht aus den Augen, während Hanabusa deutlich unbehaglich zwischen den beiden stand und seine Blicke zwischen den beiden Mädchen hin und her wechselte. Ein letztes Mal holte die Kurosu tief Luft und stieß diese wieder aus, als sie ihren Kopf aufrichtete und erst Hanabusas und dann Soras Blick fest erwiderte. Sie hatte eine Entscheidung getroffen.
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