08. Störenfried
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Mit einem unterdrückten Grinsen im Gesicht ging Sora auf ihren Platz zurück. Sie wurde vor wenigen Minuten von dem Sensei an die Tafel gerufen, um eine komplizierte Mathe-Aufgabe zu lösen und sie hatte es tatsächlich geschafft! Der Nachhilfeunterricht bei Aido hatte tatsächlich Früchte getragen. Sie selbst und auch der Sensei war erstaunt gewesen, wie einfach Sora die Aufgabe an der Tafel lösen konnte. Sie war sich sicher, dass sie die Prüfung, die morgen stattfand, bestehen würde.
Kurz nachdem sie sich neben Yuki gesetzt hatte, sprach diese die Suzuki im Flüsterton an. „Scheint als hättest du doch keine Nachhilfe nötig."
Sora biss sich auf die Zunge und nickte leicht. Sie hatte es immer noch mit keinem Wort erwähnt, dass sie ausgerechnet von einem Nightclassschüler Nachhilfeunterricht bekam. Sie hatte das Gefühl, dass Yuki, wenn sie davon erfuhr, alles dagegen tun würde, damit sie ihn nicht weiter traf. Und Sora wollte Aido weiterhin treffen, auch wenn es nur zum Lernen war.
Sie mochte ihn – als Freund. Seine verwöhnte Art fand sie witzig. Seine eisblauen Augen zum versinken schön. Und seine Stimme war Musik in ihren Ohren.
Der Sensei war gerade dabei gewesen einem Schüler eine Predigt zu halten, weil er zum wiederholten Male einfach eingeschlafen war, als er von einem dumpfen Geräusch mitten im Satz gestoppt wurde. Verwundert blickten er und die Schüler in die oberen Reihen der Sitzbänke, doch war außer eine rot angelaufene Sora und verwirrte Gesichter nichts zu sehen. Seufzend wandte sich der Sensei wieder ab und setzte bei seiner Predigt fort.
Das Blut stieg Sora in die Wangen, als sie realisierte, dass sie ihren Kopf tatsächlich einfach hatte auf den Tisch hatte knallen lassen. Die verwirrten Blicke der anderen durchaus bewusst, biss sie sich auf ihre Unterlippe und rutsche auf ihren Platz nach unten, gerade so, dass ihre Augen über den Tisch sehen konnten. Die Blicke einfach ignorierend.
Sora war entsetzt. Nicht über dass was sie gerade getan hatte, sondern über das was sie da gerade im Bezug auf Aido gedacht hatte. An so was durfte sie gar nicht erst denken! Wie kam sie denn auf so was?! Sie verbannte diese Gedanken in eine hintere Ecke ihres Kopfes. So was durfte sie doch nicht denken! Das würde nur zu Problemen führen! Es war gut, dass sie sich heute zum letzten Mal mit Aido treffen würde und ihn hoffentlich nie wieder sehen würde. Ja, dass war mehr als gut!
„... und dann muss man die Wurzel ziehen, das Ergebnis wäre dann...", überlegte Sora laut und tippte langsam auf ihren Taschenrechner herum.
Sie wusste, dass wenn sie jetzt sie letzten Zahlen schreiben würde, die letzte Nachhilfestunde vorbei war. Sie saßen – wobei Sora mittlerweile auf dem Bauch lag – nun schon seit einigen Stunden auf der Wiese. Mittlerweile verabschiedete sich auch die Sonne- Vom Wetter her war der Tag ein absoluter Glückstreffer. Es hatte nicht geregnet, es war nicht einmal eine einzige Wolke am Himmel zu sehen gewesen. Eine absolute Seltenheit im Herbst.
Die Stimmung dagegen war leicht angeschlagen gewesen. Es war wohl beiden klar, dass es dass letzte Mal war, dass sie so nah bei einander sitzen und sich unterhalten können.
Kaum hatte die Suzuki die letzte Zahl der Aufgabe geschrieben, blickte sie nach oben in Aidos Gesicht. Dieser grinste sie leicht an. „Richtig!"
Erleichtert und doch leicht traurig seufzte sie und setzte sich auf. Jetzt wo sie ihr Heft zuschlug, fand sie es schade, dass die Zeit nun schon wieder vorbei war. Sie hatte in Aido einen guten Freund gefunden, den sie wohl nie wieder in jemanden finden würde, weder in Yuki noch in Sayori. Aber morgen stand schon der Test an und Sora hatte alle Themen soweit verstanden, dass sie keine Nachhilfe mehr brauchte. Also hatte sie keinen Grund mehr sich mit Hanabusa zu treffen.
Sora war in ihren trüben Gedanken so sehr versunken, dass sie gar nicht mitbekam wie Aido mittlerweile aufgestanden war. Umso überraschter war sie, als sie selbst aufstand und ihn schon vor ihr stehen sah. Aido war nicht besonders groß für einen Jungen, ihr war schon aufgefallen dass viele Jungs – insbesondere Zero und Kaname – größer waren als er, dennoch musste sie ihren Kopf beinahe in den Nacken legen, um in seine eisblauen Augen zu blicken. Im Licht der untergehenden Sonne schienen sie noch mehr zu strahlen als sonst.
Sora biss sich auf die Unterlippe. Die Zeit zum Abschied nehmen war gekommen.
Aido schüttelte lächelnd seinen Kopf.
„Du musst damit aufhören, Sora-chan."
„Womit?", verwirrt blickte sie ihn an.
Er hob seine Hand und streckte seinen Zeigefinger aus. Die Hitze stieg in Soras Kopf. Seine Fingerspitze berührte ganz leicht ihre Unterlippe. Sein Kopf schien ihrem näher zu kommen. Es war, als ob ein Schmetterling auf ihrer Lippe sitzen würde. Ein kalter Schmetterling. Ihre Zähne ließen ihre Lippe los. Ihr Herz klopfte laut in ihrer Brust und die Wärme glühte in ihrem Gesicht.
Mit roten Wangen, großen Augen und abgehakten Atem sah sie immer noch zu ihm auf. So nah war ihr noch nie jemand gekommen!
Ein Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. „Damit. So machst du dir nur deine hübschen Lippen kaputt."
„Aido-sen...pai", stotterte Sora. Sie wusste einfach nicht was sie sagen sollte, erst recht nicht als Aido ihr tatsächlich näher kam!
„Nyan!"
Pang! Damit war die Seifenblase geplatzt.
Verwundert blickten Aido und Sora nach unten und sahen dort eine Katze. Die Suzuki erkannte sie. Es war die Katze, die sie immer wieder beim Lernen besucht hatte, sich die letzten Wochen aber nicht mehr hat blicken lassen. Umso erfreuter war Sora jetzt sie zu sehen.
Irgendwie war sie froh, dass das schwarz-blaue Tier Aido und sie unterbrochen hatte – bei was auch immer. Jetzt im Nachhinein erschien ihr das, was gerade geschehen war, suspekt.
Lächelnd hockte sich die Brünette wieder hin und begrüßte das Tier streichelnd. „Na hallo! Wo warst du denn die letzten Wochen?"
Als Antwort bekam sie ein weiteres „Nyan." und ein gefolgtes Schnurren.
Hanabusa erdolchte hinter Soras Rücken das Tier mit seinen Blicken. Dieser Kater hatte seine ganze Tour versaut! Er hätte das Mädchen beinahe rumgekriegt, aber nein! Es musste was dazwischen kommen! Aber dass es ausgerechnet dieser Kater sein musste, der seit etwa zwei Monaten ständig im Haus Mond herumstrolchte!
Als der Kater anfing Soras Wangen ab zu lecken und sie anfing zu kichern reichte es ihm.
Ein Räuspern hinter Sora brachte sie wieder dahin zurück wo sie war. Sie war völlig von der Katze verzaubert gewesen, dass sie völlig vergessen hatte, dass Aido immer noch hinter ihr stand! Wieder kroch ihr die Röte ins Gesicht, dennoch ignorierte sie diese und ließ von dem Tier vor ihr ab, stand auf und drehte sich zu dem Jungen mit dem blondem Haar um.
Verlegen lächelte sie ihn an. „Tut mir Leid, ich war nur so froh sie wieder zu sehen."
„Ist das dein Kater?"
Verwundert sah sie ihn an. „Nein, aber woher willst du wissen, dass er ein Kater ist?"
„Er war nun schon so oft bei uns, dass ein Freund von mir unbedingt herausfinden musste, was er denn für ein Geschlecht ist.", antwortete Aido ihr und verzog leicht das Gesicht, als er daran zurück dachte.
Bei der Vorstellung wie sein Freund das herausgefunden haben konnte, musste Sora unwillkürlich kichern. Die Vorstellung war wirklich... witzig!
Nun grinste auch Aido. „Für mich war das nicht wirklich witzig, denn an mir hat dieser blöde Kater seine Wut ausgelassen."
„Hey!", rief Sora energisch und stemmte die Hände in die Hüfte. „Er ist nicht blöd!"
„Wäre er nicht blöd, hätte er seine Wut an Ichijo ausgelassen und nicht an mir!", argumentierte er, dennoch verschwand das Grinsen aus seinem Gesicht nicht. Er mochte es mit ihr zu streiten. Außerdem faszinierte es ihn jedes Mal wenn ihr eines Auge röter und röter wurde.
„Vielleicht hattest du es ja verdient!"
„Stimmt gar nicht! Woher willst du das denn bitteschön wissen?!"
„Weiß ich doch gar nicht! Deswegen doch das vielleicht oder hörst du schlecht?!", fragte Sora mit hoher Stimme, dass passierte immer wenn sie sich aufregte, und konnte sich ein Grinsen nur noch schwer verkneifen.
„Ich höre gut genug!"
„Siehst du!"
Beide blickten sich einige Sekunden schweigend an und fingen dann urplötzlich an zu lachen. Der Kater unter ihnen schmuste während der Zeit ununterbrochen mit Soras Schuhen. Nur hin und wieder blickte er auf.
Als sich beide wieder beruhigten bemerkte Hanabusa mit einem Blick nach oben, dass es bereits ganz schön spät war. Mittlerweile war die Sonne verschwunden und einige Sterne blinzelten vom Himmel runter auf die Erde. „Es ist spät. Deine Freundinnen machen sich bestimmt schon Sorgen."
Auch Sora blickte nach oben und war erschrocken. Sie hatte gar nicht bemerkt wie schnell die Zeit vergangen war. „Du hast Recht.", seufzte sie.
Als keine Antwort seinerseits kam, senkte sie den Kopf so weit, dass sie ihm wieder ins Gesicht sah. Seine Augen hatten einen nachdenklichen Glanz in sich. „Was ist los?", fragte sie leise. Die Atmosphäre hatte sich wieder geändert. Es war nicht die selbe wie vorhin, dennoch konnte Sora nicht definieren was in der Luft war.
„Hast du am Samstag schon was vor?", fragte er sie direkt.
Überrascht weiteten sich die blauen Augen von Sora. Wollte er sie etwa weiterhin treffen?! Ohne irgendwelche Nachhilfestunde oder was es sonst noch gab?! Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet!
Scheinbar überlegte sie ihm zu lange, denn kaum, dass sie den Mund für eine Antwort öffnen wollte, sagte er: „Ich habe dir Nachhilfe gegeben, du bist es mir schuldig wenigstens einmal mit mir was zu unternehmen."
Eine von Soras Augenbrauen wandte sich gen Himmel. „Ach. Jetzt plötzlich schulde ich dir was. War ja nicht so, dass du drum gebettelt hast, dass du mir Nachhilfe gibst."
„Ich hab nicht gebettelt!", unterbrach er sie, woraufhin Sora wieder grinsen musste. Sein Ego war verdammt groß.
Sie seufzte. „Ist ja schon gut. Ich hab am Samstag nichts vor."
„Super! Ich kenne ein verdammt gutes Café in der Stadt. Wir treffen uns dann um 14:00 Uhr am Bahnhof."
Und natürlich fragte er nicht einmal ob dass okay war, aber was sollte Sora schon von diesem Nightclassschüler erwarten?
„Gute Nacht, Sora-chan." Bevor Sora ebenfalls „Gute Nacht" sagen konnte, hatte er sich schon zu ihr runter gebeugt. Etwas warmes berührte ihre Wange. Sie wagte es kaum zu atmen. Wärme breitete sich in ihrem Gesicht aus. Als er seine Lippen wieder von ihr entfernte blieb ein Prickeln an jener Stelle zurück. Sie musste mehrere Male blinzeln, bevor sie sich wieder in der Realität befand.
Aido war nicht mehr zu sehen.
Seufzend duckte sie sich und hob ihre Tasche auf, dabei erblickte sie den Kater der immer noch vor ihr saß und die letzten Sekunden merkwürdig ruhig gewesen war.
„Na, kleiner? Da verschwindet der einfach ohne mich noch einmal zu Wort kommen zu lassen." Noch einmal streichelte sie über sein Köpfchen, das sich perfekt in ihre Handfläche schmiegte. „Da fällt mir ein, ich brauche noch einen Namen für dich. Hmh...", nachdenklich musterte sie den Kater.
„Ich glaube, ich nenne dich Kuro. Ja, ich glaube Kuro würde zu dir passen. So dunkel wie dein Fell ist könnte man schließlich meinen, dass du schwarzes hast.", lächelte Sora ihn an.
„Wo warst du?", begrüßte Akatsuki seinen Cousin, als dieser in sein Zimmer trat. Akatsuki selbst saß auf seinem Bett und legte das Buch, welches er bis gerade eben noch gelesen hatte, beiseite „Spazieren. Was machst du hier?", fragte Hanabusa ihn. Es stand schon längst Unterricht für die Nightclass an und ausgefallen war es mit Sicherheit nicht, dafür war es in den Nachbarräumen, wie Hanabusa mit seinem Vampirgehör hören konnte, zu still. Und dass Akatsuki den Unterricht schwänzte geschah recht selten. „Auf dich warten." Aido holte seine Uniform aus seinem Schrank hervor. „Wieso?" „Kaname-sama merkt, dass du gegen die Regeln verstößt." Akatsuki antwortete nicht direkt auf seine Frage, aber diese Antwort reichte Hanabusa um zu wissen, dass es ein Befehl Kanames war.
Kälte schwang in seiner Stimme mit als er antwortete: „War doch klar. Vor Kaname-sama kann man eben nichts geheim halten."
„Treib es nicht zu weit. Ich weiß, dass du dieses Menschenmädchen nur als Herausforderung für dein Ego siehst, aber Kaname kennt sie und wie schon mal gesagt, dass bedeutet nie was gutes!", ermahnte ihn Kain.
Es war spät als Sora die Tür von ihrem Zimmer leise öffnete. Sie erwartete, dass Sayori längst schlief und Yuki bereits im Dienst war. Umso überraschender war sie als sie die Stimmen von den beiden hörte.
„Ich weiß nicht wo sie sein könnte. Sie war nicht beim Wechsel und auch sonst konnte ich sie nicht finden." Das war Yuki.
„Meinst du, wir sollen dem Rektor Bescheid geben? Ich meine eigentlich kann ihr hier im Schulgelände nichts passieren, aber wer weiß..." Und das war Sayori.
Sora war klar, dass die beiden über sie sprachen, denn über wen sollen sie denn sonst sprechen. Langsam, mit weitem schlechtem Gewissen öffnete sie die Tür ganz und sah zwei verzweifelt aussehende Mädchen. Sayori saß bereits in ihrem Pyjama auf Soras Bett und blickte erstaunt zur Tür. Yuki dagegen war in ihrer Uniform und als sie Sora sah, entwich ihr ein gekeuchtes: „Sora!"
Sayori sprang vom Bett auf und rannte mit Yuki auf Sora zu, um sie dann drücken. Ja, sie hatten sich beide schreckliche Sorgen gemacht!
Yuki war die erste von beiden die sich von Sora löste und sie vorwurfsvoll ansah. „Wo warst du?! Wir haben dich überall gesucht! Wir dachten dir sei Gott weiß was passiert!" Erst jetzt sah Sora, dass Yukis Augen feucht waren. Verwundert blickte sie nun auch in Sayoris Augen und sah das selbe. Sie biss sich auf ihre Unterlippe. „T-Tut mir leid.", sagte sie mit brüchiger Stimme.
Yuki seufzte und schloss die Tür. „Jetzt fange nicht auch an zu weinen! Ich will wissen, wo du warst!"
Sora nickte leicht und setzte sich mit Sayori auf ihrer linken und Yuki auf ihrer rechten Seite auf ihr Bett. Nervös fummelte sie an ihrer roten Schleife der Schuluniform. Sie hatte vor den beiden die ganze Wahrheit zu sagen. Jetzt! Sie war es den beiden schuldig, erst Recht nachdem sie sich solche Sorgen gemacht hatten. „Also... um ehrlich zu sein, bekomme ich die letzten Wochen von einem Schüler Nachhilfeunterricht und heute war die letzte Stunde und die Zeit verging wie im Fluge und bevor wir uns versahen war es schon so spät. Es tut mir verdammt leid, dass ihr euch solche Sorgen um mich gemacht habt!"
Schweigen.
„U-und der Junge, a-also, er ist...", Sora musste schlucken bevor sie weiter sprach. „Er... er ist..."
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