Kapitel Sechs
»Schon gut«, beruhigte ich sie und meinte es ernst. Ich wäre auch nicht so begeistert, wenn mein Sohn im Krieg wäre. Ich war gerade im Begriff die Tür zu öffnen, als ich ein leises »Bitte brich ihm nicht das Herz«, hörte. Verwirrt drehte ich mich um und sah Limbara an, doch diese hatte sich wieder zum Topf umgedreht und rührte seelenruhig weiter. Einen Moment blieb ich noch so stehen, bis ich mich zusammenriss, mich, nun zum dritten Mal, umdrehte und endlich die Tür öffnete. Sofort wehte mir eine leichte Brise durch die Haare und um die Knöchel. Dabei bemerkte ich, dass ich noch immer mein Nachtkleid trug. Dieses war eigentlich mal weiß, aber mittlerweile war es an vielen Stellen ergraut. An einigen Stellen waren auch Grasflecken. Fluchend wischte ich den groben Dreck weg. Wieso ist mir der Dreck nicht schon vorher aufgefallen? Kurz überlegte ich, ob ich Limbara nach Kleidung fragen sollte, doch dann entschied ich, dass ich dies auch nach dem Essen machen konnte. Kurz richtete ich mein Schwert an meiner Hüfte, welches ich nicht abgelegt hatte, auch wenn es mich manchmal beim Kochen behindert hatte. Es gab mir ein Gefühl der Sicherheit eine Waffe nah bei mir zu haben.
Etwas weiter entfernt hörte ich Kinder lachen. Es war so ein wundervolles und friedliches Geräusch, was ich so gerne den Rest meines Lebens hören würde, aber ich befürchtete, dass dies nicht ging. Selbst wenn ich hier blieb war nicht sicher, ob König Mading nicht den Krieg gewann und dann würde es nichts mehr zu Lachen geben. Kurz huschte ein trauriger Ausdruck über mein Gesicht, doch schnell riss ich mich wieder zusammen. Ich wollte nicht, dass Limbara dachte, dass ich trödelte.
Schnellen Schrittes ging ich in die Richtung, aus der das Lachen kam. Ich meinte Vraldes Stimme wiederzuerkennen, aber sicher war ich mir nicht. Unter meinen Füßen spürte ich den festgetretenen Sand und kleine Steine, die sich in meine Sohlen bohrten. Der Wind wehte mir durch meine langen, braunen Haare und sie streichelten sanft mein Gesicht. Er fuhr durch mein Kleid und kühlte mich nach der Hitze im Haus etwas ab. Während ich auf die Geräusche zu ging, dachte ich an meine Eltern und wie es ihnen wohl gerade ging. Ein kleiner Stich fuhr durch mein Herz und ich merkte, wie mir Tränen in die Augen traten. Ärgerlich wischte ich sie weg. Es konnte doch nicht sein, dass ich schon wieder weinen musste! Tief atmete ich durch und ging dann weiter. Auf keinen Fall wollte ich, dass Satumar, Amandiel und Vraldes bemerkten, dass ich weinte. Amandiel war Satumars Vater, dies hatte mir Limbara erklärt, als ich sie nur verständnislos angesehen hatte, nachdem dieser ins Haus kam.
Endlich konnte ich die Drei sehen. Satumar spielte mit Vraldes Fangen, während Amandiel ihnen belustigt zusah. Auch ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Es war einfach süß mit anzusehen, wie Vraldes versuchte ihren Bruder zu fangen, aber viel zu langsam dafür war. Einen Moment gestattete ich mir ihnen dabei zu zusehen, bis ich mich an Amandiel wandte. Dieser blickte mich fragend an, als ich mich neben ihn stellte. Amandiel war sehr nett und hatte nicht so heftig auf meine Ankunft reagiert, wie Limbara, trotzdem hatte ich bemerkt, dass es ihm missfiel. Doch dies versteckte er sehr gut.
»Ramura?«, fragte er dann auch schon. »Was kann ich für dich tun?«
»Ich wollte euch nur Bescheid geben, dass das Essen fertig ist«, murmelte ich, wobei ich den anderen Beiden weiter zusah. Satumar hatte sich derweil fangen lassen und versuchte jetzt Vraldes zu fangen. Dabei lief er extra langsam, damit sie nicht immer fangen musste.
»Sind sie nicht süß zusammen?«, flüsterte Amandiel. »Ich könnte mir keine besseren Kinder vorstellen. Die Beiden sind ein Herz und eine Seele, trotz des großen Altersunterschiedes.«
Langsam nickte ich. Da konnte ich ihm nur zustimmen. Ich hätte nie gedacht, dass man so gut mit älteren oder jüngeren Geschwistern auskommen konnte. Ich hatte mir immer vorgestellt, dass ihre Interessen zu verschieden sind, als dass sie sich verstehen, doch ich wurde eines Besseren belehrt. Auch Geschwister mit einem großen Altersunterschied konnten sich sehr gut verstehen.
»Satumar! Vraldes!«, rief Amandiel plötzlich.
Beide blieben auf der Stelle stehen und drehten sich zu uns um.
»Ja?«, fragte Satumar, bis er mich bemerkte. Da schien er zu verstehen, nahm Vraldes kurzerhand hoch und kam langsam zu uns geschlendert.
Zu viert gingen wir dann zurück zu Limbara und unterhielten uns dabei etwas. Beim Haus angekommen, hielt uns Satumar die Tür auf und ich schlüpfte unter seinem Arm hindurch, wie schon beim ersten Mal. Grinsend sah ich ihn an, als ich spürte, wie sich mir die Nackenhaare aufstellten. Dies passierte mir häufig, wenn mich jemand beobachtete. Als ich mich umdrehte, wurde meine Vermutung bestätigt. Limbara sah zu mir und ihr Blick war nicht gerade freundlich. Irritiert sah ich sie an, doch sie beobachtete mich noch einen Moment, bevor sie sich weg drehte und ihren Mann mit einem Kuss begrüßte. Langsam drehte ich mich wieder zu Satumar um und blickte ihn fragend an, doch der zuckte nur mit den Schultern. Anscheinend hatte er auch keine Ahnung, was diese Feindseligkeit sollte. Vraldes hingegen schien nichts von alldem mit zu bekommen, denn sie stand schon beim Kamin und löffelte sich Suppe aus dem Topf. Limbara folgte meinem Blick und als sie ihre Tochter beobachtete, wurde ihr Gesichtsausdruck wieder sanfter. Einer ihrer Mundwinkel fing an zu zucken, als Vraldes etwas daneben schüttete. Kurz hörte ich diese fluchen, bevor sie sich schuldbewusst zu ihrer Mutter umdrehte. Limbara fand dies amüsant, denn leise fing sie an zu lachen. Ich verstand zwar nicht so genau, wieso sie lachte, doch wurde ich sofort von ihrer Fröhlichkeit angesteckt. Neben mir hörte ich ein unterdrücktes Lachen von Satumar. Amandiel gab seiner Tochter einen Kuss auf die Wange und half ihr dann mit der Suppe.
Kurz huschte mein Blick zu Satumar und ich fragte mich, ob er auch wohl so ein guter Vater sein würde, wie der seine. Ich vermutete, dass schon, denn er war schon mal ein guter Bruder, der mit seiner Schwester spielte.
Satumar schien zu bemerken, dass ich ihn anstarrte und blickte mich fragend an. Ich schüttelte als Antwort nur den Kopf, denn ich wollte die Stille nicht unterbrechen. Kurz sah es so aus, als würde sich Satumar nicht mit dieser Antwort zufrieden geben, doch dann wandte er den Blick ab. Auch ich sah wieder zu den Anderen, aber aus dem Augenwinkel beobachtete ich ihn weiter. Jedes noch so kleine Detail nahm ich in mich auf. Seine blonden Locken, die mal wieder wirr abstanden, seine strahlend blauen Augen, die seine Familie dabei beobachteten, wie sie sich Suppe holten, seine Körperhaltung, die offen wirkte und ich achtete auf seinen Atem und passte mich diesem automatisch an.
»Komm«, flüsterte er plötzlich und schob mich leicht nach vorne. Dabei hatte er die Hand auf meinen Rücken gelegt und übte etwas Druck auf diesen aus.
Mit klopfendem Herzen ließ ich mich von ihm voran schieben und nahm mir dann eine Schüssel vom Tisch.
Beim Essen herrschte eine ausgelassene Stimmung und wir redeten viel. Dies war neu für mich, denn im Palast wurde eher selten beim Essen geredet. Doch schnell fand ich mich dabei, wie ich mitredete und nachher auch mit den anderen diskutierte, was die beste Waffe sei. Ich selbst fand das Schwert am besten, aber auch der Bogen war keine schlechte Option.
»Das Schwert ist einerseits besser, da es einfacher zu lernen ist, aber der Bogen ist praktischer, wenn man nicht mitten im Getümmel stecken will«, sagte gerade Satumar.
Zustimmend nickte ich. Auch wenn ich persönlich das Schwert wählen würde, wenn ich zwischen den Beiden wählen müsste.
»Eine Axt ist aber auch ganz praktisch«, meinte da Amandiel. »Wenn der Gegner eine wattierte Rüstung hat, kommst du sowohl mit Bogen, als auch mit dem Schwert nicht hindurch.«
»Das mag sein, trotzdem finde ich ein Schwert besser, da du damit leicht Stechen kannst, was mit einer Axt unmöglich ist. Jedenfalls klappt das bei mir nicht«, beharrte Satumar auf seiner Meinung.
»Persönlich finde ich das Schwert auch am besten. Es ist leicht zu lernen, du kannst je nach Schwertart mit einer oder zwei Händen kämpfen oder sogar einen Schild benutzen«, mischte ich mich ein.
Sobald ich dies gesagt hatte, wurde ich von vier Augenpaaren verwundert angesehen. Fragend sah ich in die Runde.
»Was ist los?«, fragte ich verwirrt.
»Ich wusste nicht, dass du so viel über Waffen weißt«, antwortete mir Amandiel und die anderen drei nickten zustimmend.
»Vielen Dank auch«, murmelte ich sarkastisch.
Kurz wurde ich sprachlos angesehen, bevor Satumar anfing zu lachen.
»Kannst du denn mit deinem Schwert umgehen?«, fragte er mich.
»Natürlich«, versicherte ich ihm und bereute es sofort, als ich das Glitzern ins seinen Augen bemerkte. Mir schwante Übles und meine Befürchtungen wurden direkt bestätigt, als er mich zu einem Duell nach dem Essen herausforderte. Grinsend nahm ich an und wusste da schon, dass ich verlieren würde. Ich trainierte zwar jede Nacht, aber immer nur alleine und wusste daher nicht, wie der echte Kampf aussah. Trotzdem nahm ich an, da ich endlich wissen wollte, wie ein echter Kampf aussah.
»Gut, dann sehen wir ja nachher, was du so alles drauf hast«, lächelte Satumar.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro