Kapitel 65 - Schweiß, Blut und Galle
TW: Schweiß, Blut, Galle, Erbrechen, Mord
Nichts dergleichen geschah.
Stattdessen ertönte ein langgezogener Pfiff.
Die beiden Gestalten ihrer Sekundanten näherten sich zögerlich.
Jared hörte Daemons wütende Stimme in seinen Ohren.
"Hey! Keine anderen Waffen erlaubt!", brüllte sein Freund über die Wiese. Jared erlaubte sich nicht erleichtert auszuatmen.
Maurice Augen waren dunkel, als er den Blick abwandte und sich umdrehte, während er auf die Stelle im Gras wies, an der Jareds Schwert lag.
„Ich will nicht gegen dich gewinnen und behaupten müssen, du seist unbewaffnet gewesen..."
Jared entfuhr ein wütendes: Zur Hölle mit unbewaffnet! Die Worte drückten sich knurrend zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hindurch. Er erhob sich, ballte die Hände zu Fäusten und presste die Kiefer zusammen, um ein Zittern zu verbergen. Angespannt hob er sein Schwert auf und wischte sich das Blut von der Augenbraue.
Er ließ seine Waffe ein paar Mal in seinen Händen kreisen doch er war erst wieder Herr seines Körpers, als Maurice ihn erneut angriff und seine ganze Konzentration brauchte.
Sein Atem begann gleichmäßig im Rhythmus seiner Bewegungen zu fließen. Er gewann an Schnelligkeit und Gleichgewicht. Sein Schwert wurde zu einem Teil seines Körpers und irgendwann gelang es seinem Bewusstsein, seine Verletzungen auszublenden.
Jared erlangte seine Balance und begann mit seinem Tanz.
Er fand ein wenig Zeit, das Gesicht seines Gegners zu betrachten und ihm fiel auf, wie verbissen Maurice kämpfte. Er bekam Lust, ihm die Zuversicht auszutreiben und die Demütigung heimzuzahlen.
Er wich zur Seite aus und schlug zurück, während er auf einen Stein sprang. Er parierte zwei harte Schläge nacheinander und drehte sich wiederum weg, als Maurice ihn erstechen wollte. Dabei verschränkte er sein Schwert flink mit dem seines Gegners und beschrieb einen Kreis, wodurch Maurice der Degen regelrecht aus der Hand gehoben und in die Luft gewirbelt wurde. Es drehte sich zweimal um sich selbst, ehe Jared es gekonnt auffing. Herablassend lächelnd kreuzte er beide Klingen vor dem Hals seines Gegners, sodass diesem keinerlei Möglichkeit mehr blieb sich zu bewegen.
In Maurice Augen stand der blanke Hass geschrieben.
Daemon jubelte einmal kurz auf und löste damit die beiden Kontrahenten aus ihrer Erstarrung.
„Wenn dir dein Kopf noch etwas wert sein sollte, wäre jetzt der richtige Moment, um aufzugeben", begann Jared. Maurice' Kiefer malten.
„Auch ich habe dir eine zweite Chance geboten", zischte er durch zusammengebissene Zähne. „Es wäre nur Rechtens, du würdest mir meine Waffe wiedergeben."
Jared stutzte.
„Wie dreist du bist", gab er ihm als Antwort zurück und schloss die Schwertspitzen enger um Maurice' Hals. Dieser wagte kaum zu schlucken. Seine Kehle zitterte bedenklich oberhalb der Klingen.
Jared stand vollkommen still. Er hatte nicht übel Lust den Widerling einfach zu enthaupten. In seiner Vorstellung holte er aus und trennte den Kopf mit einer blutigen Fontäne vom Rest des Körpers. Doch dann schob sich ein anderes Bild vor seine Augen.
Dannielle, wie sie im blutigen Schnee an der Seite ihres Bruders verharrte und die Trauer und den Verlust in den eisigen Schnee hinaus weinte.
„Wirf dein blödes Messer weg!", befahl er ihm schließlich und senkte die Schwerter. Das verborgene Metall seines eigenen Messers schmiegte sich zuversichtlich an seinen Unterarm.
Maurice tat wie geheißen. Ungeschickt fing er sein Schwert auf, das Jared ihm zuwarf. Dann lachte er gehässig.
„Oh Jared, du bist so ein Dummkopf. Du hättest mich töten sollen, als du die Gelegenheit dazu hattest."
Jared lächelte finster. Es lief ihm eiskalt den Rücken hinunter. Was war nur in ihn gefahren? Er biss sich auf die Innenseite seiner Wange.
Das machte keinen Sinn! Wenn er das Leben dieses Bruders verschonte, würde es nicht nur Dannielles Bruder nicht wieder zurückbringen, es würde das Ende des nächsten Vertrauten bedeuten, den sie hatte.
Es würde sein Ende bedeuten.
„Spar dir deinen Atem", flüsterte er.
Die Klingen tanzten umeinander herum wie zwei silberne Flammen, klirrten und vibrierten, wenn sie ihr Ziel trafen, erzeugten Funken, wenn sie aneinander abrutschten.
Einige Male kam es Jared so vor, als würde Maurice sein Ziel finden. Da war etwas, das seinen Oberarm streifte, hier traf etwas seine Hüfte. Doch er hatte keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Auch sein Schwert stieß ab und zu auf menschlichen Widerstand, ohne jedoch eine schwerwiegende Verletzung herbeizuführen, die das Ende des Duells bedeutet hätte.
Ihm fehlte der Raum, um größere Bewegungen durchzuführen. Ihm fehlte der Platz und die Kraft in seinen Lungen, um sich tiefe gleichmäßige Atemzüge zu erlauben. Ihm fehlte eine Idee, wie er es zu Ende bringen konnte, ohne es zu Ende zu bringen.
Schweiß rann ihm den Rücken hinab.
Er führte eine gekonnte Parade durch, stemmte einen Fuß gegen einen alten Baumstumpf und ließ Maurice durch eine plötzliche Verlagerung seines Gewichts ins Leere taumeln. Doch zu seiner Enttäuschung fiel der Franzose nicht zu Boden, sondern stolperte ungeschickt eine kleine Böschung zu einer mannshohen, halb verfallenen Mauer hinauf. Jared setzte ihm nach.
Der Grat war schmal und der Platz zum Bewegen auf einer Seite durch die Mauer begrenzt.
Jared holte aus.
Das vor Anstrengung gerötete Gesicht des Franzosen verzog sich vor Wut, als er seinen Fehler realisierte. Seine Rechte hob sich schräg vor seinen Körper, um Jareds Schlag abzufangen, welcher ihn sonst in zwei Teile gespalten hätte.
Ihre Waffen verhakten sich an den Parierstangen ineinander.
„Gibst du auf?", kam es atemlos von seinem Gegenüber.
Jared entfuhr ein abfälliges Lachen.
"Warum zur Hölle sollte ich das tun?"
Maurice Blick verfinsterte sich.
„Du wirst aufgeben, du hast schon verloren..."
Mit einer kraftvollen Bewegung stieß er Jared von sich weg und hob seine Waffe über seinen Kopf, um zuzuschlagen.
Jared blieb keine andere Möglichkeit. Zu seiner Linken befand sich eine Mauer. Zu seiner Rechten ein steiler Abhang.
Er riss sein Schwert in die Höhe und drehte sich weg, um sich gegen die alte Mauer zu pressen. In der gleichen Bewegung zog er das kleine Messer mit der gebogenen Klinge aus seinem Ärmel.
Die Mauer wankte unter seinem Gewicht.
Antiker Mörtel rieselte zwischen den Steinen hervor. Etwas Spitzes und Scharfes traf ihn am Hinterkopf.
Maurice stürzte sich auf ihn.
Gemeinsam fielen sie zu Boden. Eine kleine Lawine gelber, sonnendurchwärmter Steine fiel auf sie herab, schlitterte mit ihnen die kleine Böschung hinunter, ehe sie am Rande der Wiese zum Liegen kamen.
***
Daemon schrie verzweifelt auf, als er die beiden zu Boden gehen sah.
Seine Hände waren schweißnass vor Anspannung. Seine Fingernägel hatten kleine halbmondförmige Abdrücke auf den Innenseiten seiner Handflächen hinterlassen. Ohne weiter zu zögern lief er los, schleuderte ein paar der gelben Ziegeln von den ineinander verknoteten Leibern weg und packte Maurice am Kragen, der sich von ihm auf die Beine ziehen ließ. Daemon nahm sein entsetztes Gesicht war, sein Blick zeugte von einem Zwiespalt zwischen Siegesfreude und Panik.
Wie in Trance glitt Daemons Blick von dem immer blasser werdenden Gesicht hinunter zur Körpermitte. Dunkles Blut färbte die teure Kleidung des Franzosen in einem edlen, feuchten Rot. Es tropfte von seinen Händen auf den Boden, auf das einfache Leinenhemd seines Freundes, das schon bessere Tage gesehen hatte. Jareds rechte Hand war ebenso rot. Sie hielt das kleine Messer mit der gebogenen Klinge fest umklammert.
Ein Stöhnen des Franzosen löste Daemon aus seiner Erstarrung.
Ein purpurner Speichelfaden wand sich über dessen Lippen, sammelte sich in einem glänzenden Tropfen.
Maurice hustete.
Daemon wich die Kraft aus seinen Händen, sodass seine Finger sich vom Stoff lösten. Maurice glitt mit einem verständnislosen Blick auf die Knie und kippte zur Seite.
Langsam und kraftlos setzte Jared sich auf, betrachtete das blutige Messer in seiner Hand und warf es atemlos zur Seite.
„Dieser verdammte Bastard!", stieß Daemon hervor.
Jared lachte ein ersticktes Lachen und hustete. Tränen traten in seine Augen, als er sich den Staub der eingestürzten Mauer aus dem Gesicht wischen wollte. Dann fuhr er sich in einer irritierten Geste durch das Haar. Daemon erbleichte. Als Jared seine linke Hand zurück zog, war auch diese rot von Blut.
Verwirrung breitete sich auf den Zügen seines Freundes aus, als er auf seine beiden besudelten Hände blickte.
Dann zuckte sein Blick hoch zu Daemon. Unmittelbar rappelte er sich auf und übergab sich angestrengt ins grüne Gras.
Daemon tätschelte ihm etwas hilflos den Rücken, als sich eine Hand auf seine Schulter legte. Erschrocken zuckte er zusammen.
„Ihr werdet mir folgen und keine Probleme machen, habt Ihr verstanden?" Eindringlich sah Maurice' Cousin Daemon an.
Eine neue Welle des Zorns kochte in ihm hoch. Daemon sprang auf und schlug dem Mann, der größer war als er selbst, kurzerhand seine Faust mitten ins Gesicht.
Ein ekelerregendes Knacken erklang, das ihm bis ins eigene Hirn fuhr. Blut rann aus der Nase des Franzosen. Völlig entsetzt fühlte dieser, ob das klebrige Warm real war und nicht nur eine Illusion.
„An Eurer Stelle würde ich mich nun verdammt schnell aus dem Staub machen, oder Ihr werdet euren Cousin schneller wiedersehen als Euch lieb ist!", zischte Daemon seine Drohung.
Der Franzose kniff die Augen zusammen und bedachte Daemon mit einem Blick voller Hass.
„Das werdet Ihr büßen!" Er hielt sich ein weiß berüschtes Taschentuch unter die Nase, hob die sterbenden Überreste seines Verwandten auf und entfernte sich eilends.
Daemon kniete wieder neben seinem Freund nieder, der sich wiederum erbrach.
Ihm fiel auf, dass sein Nacken blutüberströmt war, sowie eigentlich der ganze Rest seines Körpers. Er wusste zwar, dass Kopfwunden mehr bluteten, als alle anderen, aber so...
Es machte ihm Angst. Daemon beschlich die Frage, wie er Jared ohne Aufmerksamkeit zu erregen in das Wirtshaus zurück schleppen sollte.
„Du... Verdammt, mir ist schwindelig", entfuhr es Jared, ehe er damit fortfuhr, sich die Seele aus dem Leib zu kotzen. Doch es kam nichts mehr, außer bitterer Galle.
„Nein, das äh...", Daemon hatte mittlerweile große Bedenken, dass sein Freund überhaupt in der Lage war zu laufen. „Schließlich.... Ach vergiss es, lass uns erst einmal sehen, wie wir wieder zurückkommen." Er unterbrach sich selbst. Wie würde Dannielle reagieren, wenn er Jared in diesem Zustand zurückbringen würde? Dabei hatte er ihr doch versprochen, ihren Dieb zu verteidigen.
Allmählich begriff er, dass Jared sich wohl ziemlich heftig den Kopf gestoßen haben musste. Daemon sah sich um, es war keine Menschenseele zu sehen, die ihm zur Hand hätte gehen können. Hilflos sank er wieder zu Jared nieder und überlegte angestrengt, was er tun sollte, was er tun konnte.
„Nicht so schlimm...", stöhnte Jared, „Bloß ein Kratzer, nur ein kleiner Kratzer..."
Ernst nickte Daemon, doch ob das eine Antwort auf Jareds fälschliche Feststellung war, wusste er nicht. Er wusste gar nichts mehr, außer, dass er Jared nicht sagen würde, wie schwer seine Verletzung tatsächlich war.
Eine Weile saßen sie so da, um Jared Zeit zu geben, wieder zu Atem zu kommen. Seine Gesichtsfarbe ähnelte mittlerweile der einer Leiche und in Daemon stieg allmählich Panik auf, dass Maurices Cousin zurückkehren würde, um sie anzuklagen. Jetzt waren sie nicht nur Betrüger, die irgendwelchen Reichtum gestohlen und die Ehre einer Frau auf dem Gewissen hatten. Jetzt sah die Rechtslage noch bei weitem schlimmer aus.
Als sich eine Hand erneut auf seine Schulter legte, blieb Daemon beinahe das Herz stehen.
„Ihr braucht Hilfe?"
Daemon blinzelte. Die Sonne stand den beiden Gestalten im Rücken, sodass er nur ihre Umrisse erkannte.
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