Kapitel 61 - Lavendelblüten
Jared spürte die zarte Sonne auf seiner Haut, roch den Duft von frisch gebackenen Speisen und genoss den Trubel um sich herum. Auch wenn seine Rippen bei jedem Schritt schmerzten und der kleine Disput mit Dannielle seine Stimmung dämpfte, zauberte ihm das Treiben des Jahrmarkts ein Lächeln auf die Lippen. Zufrieden spürte er das Geld in seiner Tasche klimpern. Allein die Hälfte von dem, was er bei sich trug, würde genügen, um ihr Kleid zu bezahlen und so blieb er erst unentschlossen vor einigen Schmuckständen stehen, bis er schließlich zielsicher bei einem Händler haltmachte, der Allerley Zierde verkaufte.
Sehnsüchtig blickte er auf die silbernen Ringe, Halsketten und Armbänder hinunter, die die Auslagen aus schwarzem Samt zierten. Sein Blick wanderte zu dem Mann, der hinter dem Stand auf einem Hocker saß und eine große Brosche bearbeitete. Soeben fügte er dem Stück einen glänzenden roten Stein hinzu und Jared zwang sich, den Blick abzuwenden. Er ballte seine Finger zu Fäusten und schlang die Arme um seinen Oberkörper, um nicht noch weiter in Versuchung geführt zu werden.
Ein paar Schritte weiter verkaufte eine Frau Kämme aus Horn, Haarnadeln und jegliches Klimbim für die Haare.
Jared betrachtete einige Bänder und Hauben herablassend und handelte schließlich einen guten Preis für ein paar grüne Seidenbänder aus. Er fand, dass sie in Dannielles rotem Haar wunderbar zu ihrem neuen Kleid passen würden. Verwundert musste er feststellen, dass er soeben mit Freude etwas gekauft hatte, das er sonst gestohlen hätte. Es kam ihm seltsam vor. Kopfschüttelnd ließ er die Bänder durch seine Finger gleiten, als er seinen Weg fortsetzte. Es war ein schönes Abschiedsgeschenk.
***
Es war kühl im Zimmer. Draußen wärmte die Sonne Menschen und Erde, doch hier drinnen schien die Luft nicht nur von den warmen Strahlen, sondern ebenso von den Geräuschen unberührt geblieben zu sein. Als wären sie Bagatellen, die es nicht wert waren, ihnen Beachtung zu schenken.
Dannielle ließ ihre Finger über den weichen grünen Wollstoff gleiten, den sie trug. Das neue Kleid schmiegte sich an ihren Körper wie eine zweite Haut. Der weite Saum schwang bei jedem ihrer Schritte um ihre Beine und das saubere Leinen ihres Unterkleides legte sich angenehm kühl auf ihre gewaschene Haut. Ihr Haar war inzwischen beinahe wieder getrocknet und verströmte den angenehm sommerlichen Duft von Lavendelblüten.
Gedankenverloren durchkämmte sie es mit den Fingern, als sich die Tür zu ihrem Zimmer öffnete. Ihr Dieb trat herein.
Sie fühlte seine Blicke auf sich ruhen und ein von mildem Stolz erfülltes Lächeln zupfte an seinen Mundwinkeln, als er ihres neuen Kleides gewahr wurde.
Mit gesenktem Blick trat er an sie heran.
Seine Stimme war rau und brach fast, als er zu sprechen begann.
„Mylady, ich muss Euch um Verzeihung bitten." Er schüttelte den Kopf, als wären seine Worte nicht genug. Als müsste er für jedes weitere Wort mit sich selbst ringen. Er biss sich auf die Lippe, als er ihre Hände in die seinen nahm. Ihre Finger berührten zart den harten Schorf auf seinen Knöcheln. Er hob ihre Hand an seine Lippen und hauchte einen Kuss darauf. Langsam. Zärtlich.
Als ihre Blicke sich trafen, vermochte sie seinen Ausdruck nicht zu deuten.
„Wofür entschuldigst du dich?", flüsterte sie mit zitternder Stimme, „Es besteht nicht der geringste Anlass..." Erschrocken stellte sie fest, dass nicht nur ihre Stimme, sondern ebenso ihre Hände zitterten. Ihr Atem ging schnell.
Ihr Dieb schwieg. Er ließ etwas Glattes in ihre geöffneten Hände gleiten und als Dannielle den Blick senkte, entdeckte sie zwei seidene Bänder, die die Farbe von dunkelgrünen Baumkronen hatten. Das goldene Licht des Tages brach sich auf der glänzenden Oberfläche des Geschmeides.
"Wahrscheinlich für alles, was ich dir angetan habe und jemals noch antun werde", gab er ihr schließlich als Antwort.
Dannielle fehlten die Worte. Sie hatte keine Ahnung, was gerade mit ihr geschah. Nicht nur ihr Körper, sondern auch ihr Verstand schien wie gelähmt. Ohne sich zu bewegen, ließ sie zu, dass ihr Dieb sich ihrer Locken annahm. Lediglich ihre Brust hob und senkte sich in einem schnellen Rhythmus. Ein tiefes Gefühl breitete sich in ihrer Mitte aus. Vorsichtig flocht er die Seide in ihr Haar. Dann wandte sie sich erneut zu ihm um.
„Du siehst schön aus!"
Dannielle lächelte kurz. Eigentlich hatte sie nie viel darum gegeben, anderen Leuten zu gefallen, aber es freute sie dennoch, Jared lächeln zu sehen. Trotzdem stand sie noch immer da und wusste nicht, was sie tun sollte.
„Hast du die Ärmel bemerkt? Gefallen sie dir? Ich... Ich habe sie doch einfacher machen lassen... Also wegen d... Ich meine, weil es einfach praktischer ist!"
Der Ausdruck in seinen Augen brachte sie zum Schweigen. In seinem Blick stand eine ungezähmte und kaum beherrschte Gier.
Seine Hand berührte die ihre und schloss sich fest darum. Ihr Zittern verschwand.
Dannielle senkte ihren Blick. Zwischen ihnen war etwas entstanden, alles hatte seinen Anfang damals im Gasthaus ihrer Grafschaft gemacht. Sie wusste nicht warum, aber sie musste sich daran erinnern, wie er damals aufgewacht und sie mit seinem Dolch bedroht hatte, den er überhaupt nicht in den Händen gehalten hatte. Dann, wie nahe sie ihm gewesen war, als er sie sein Pferd hatte füttern lassen. Und zu guter Letzt dachte sie an den Moment, als er sie irgendwie aus den Händen der Wegelagerer heraus gehandelt hatte. Damals kannten sie sich erst wenige Tage und jetzt war er ihr so vertraut, wie ihr erst sehr wenige Menschen gewesen waren und doch wusste sie so wenig von ihm.
Dannielle wusste nichts von Jareds Vergangenheit, sie wusste noch immer nicht richtig, wer er war oder woher er kam und doch fühlte sie sich auf eine sonderbare Art mit ihm verbunden. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und sie meinte noch einmal den stechenden Schmerz zu spüren, wie vor ein paar Wochen, als er ihr den Schnitt an ihrer Kehle versetzt hatte. Schon oft hatte er sie eingeschüchtert, schon oft hatte sie nach seinen Motiven geforscht und nie war sie zu einem vollendeten Ergebnis gekommen. Doch in diesem Moment war ihr hochmütiger Dieb kein rücksichtsloser Schatzsucher.
„Ich...", doch weiter kam er nicht.
„Du?", flüsterte Dannielle. Sie konnte nicht lauter sprechen, selbst wenn sie es gewollt hätte. Ihre Stimme versagte.
Eine Locke fiel in sein Gesicht. Dannielle hob die Hand, um sie zur Seite zu streichen. Doch ihre Finger verharrten auf der glatten Haut seiner Stirn, legten sich an seine Wange. Er schloss die Augen. Sein Gesicht schmiegte sich in ihre offene Handfläche.
Ihre Lippen öffneten sich wie von selbst.
Die Bretter unter ihren Füßen knarrten leise.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro