Türchen 2 - Eine Weihnachtsgeschichte
Rammstein Adventskalender – Türchen 2
Eine Weihnachtsgeschichte
Die Stille schwebt durch die Stadt wie ein kalter Hauch. Nirgends in den Straßen auch nur eine Menschenseele. Alle Menschen feiern besinnlich das Fest der Familie und der Liebe. Alle? Nein. Ein Mann streift durch die verschneiten Gassen. Den Kopf gesenkt, das Gesicht versteckt im warmen Schal. Er trägt eine Mütze, hat die Hände in den Jackentaschen vergraben. Er hat Reichtum und doch ist er ein armer Mann, denn niemand hat er, um die Festtage zu feiern. Seine Kinder feiern lieber mit anderen Teilen ihrer Familien, auch Freunde haben schon zu tun. Er kommt, trotz seiner Wege, einfach nicht zur Ruh. So schön ausgemalt hat er sich das Weihnachtsfest, nun geht er hier auf einsamen Spuren, lässt den Schnee unter seinen Schuhsolen knirschen und lauscht den Geräuschen der Weihnachtsnacht. Vielleicht ist irgendwo in dieser Sternenklaren kalten Nacht doch ein Schutzengel, der ihn auf den heutigen Schritten begleitet und nicht allein erfrieren lässt.
Er setzt sich nieder auf eine weiße Bank und blickt auf einen verfrorenen See. Welche Menschen er doch alle gern um sich hätte, doch keiner ist mehr da. Seine Liebsten, alle weit weg. Keiner hat ihn auch nur gefragt, ob er nicht doch Teil sein will. Gehört er denn nicht mehr dazu? Ist er für sie das Gleiche, wie sie für ihn? Er kennt keine Antworten auf seine nie gestellten Fragen.
So hat er doch für jeden seiner Liebsten Geschenke des Herzens mühevoll vorbereitet und verpackt, wollte dieses Jahr doch ein besserer Mensch, dessen Geschenke nicht nur vom materiellen Wert sind. Sie alle liegen in seinem Eigenheim, unter dem bunt geschmückten Baum und keiner wird sie wohl empfangen. Auch dies lässt ihn fragen, ob er nicht vielleicht doch einfach nicht dazu gehört und ihre Gesellschaft nicht verdiene.
Der einsame Mann beginnt zu frieren. Sind doch die Temperaturen in das Minus gerutscht. Er würde sich an einem Heißgetränk erfreuen, aber ihm fehlt doch die Motivation. Lieber sitzt er auf dieser Bank, den Gedanken freien Lauf. Sie treiben ihn in das dunkle seiner Welt, vor der er niemals flüchten wird. Auch wenn sie ihm Schmerzen bereitet, so ist sie doch oft sein wahrer Freund. Sein Spiegel, der die gebrochene Seele zeigt. Voller Scherben seiner selbst, die ihn doch so oft begleiten und niemals allein lassen. Wieder stellt er sich die Frage, ob nicht das seine Bestimmung sei.
Er bemerkt so gar nicht, wie die Minuten nach und nach verstreichen, für ihn sind es gefühlte Stunden. Er erhebt sich wieder von der Bank, schwindet in die kalte Stadt hinaus. Wieder ist er allein, nur ab und an fährt ein Auto an ihm vorbei, doch er schenkt ihnen keinerlei Aufmerksamkeit. Es interessiert ihn ja doch nicht und so ist es umgekehrt. Niemand scheint sich für den armen Reichen zu interessieren. Warum auch? In diesen Tagen ist er nur der Schatten einer armen Seele, die um die Häuser streift.
Er weiß nicht, was er tun soll. Zurück in seine leere Wohnung, wo ihm die Decke auf dem Kopf fällt und er noch mehr in das Loch der Einsamkeit fällt, mit dem Gefühl, niemals wieder den Funken der Liebe verspüren zu können. Er würde auf seiner weichen Couch sitzen, der Fernseher würde einen weihnachtlichen Spielfilm senden und doch wäre er ein trauriger Mensch der Einsamkeit.
Diese Gefühle drehen ihm den Magen um, während andere ihre Weihnachtsgans genießen, hungert er lieber, denn so bekommt er doch nichts herunter. Wer möchte schon allein sein Abendmahl am heiligen Abend verrichten? Niemand. Da wäre er ja gar in einem Heim besser aufgehoben. Aber so alt war er noch lange nicht. Vielleicht auch in einer anderen Art der Gesellschaft. In einer Gesellschaft, in der er Willkommen war.
Seine Beine führen ihn wie automatisch nun doch zu seiner Heimat. Er bemerkte gar nicht, wie er seine Straße betrat und nun steht er vor der Haustür seines Blockes. Seine Hand gleitet von der rechten Jacken- in die ebenso rechte Hosentasche und zieht den Schlüsselbund heraus. Eine Weile braucht er, um den richtigen Schlüssel zu finden. Er steckt ihn in das Schloss und dreht, bis es klickt. Nach der Öffnung der Tür, geht er langsam die Treppen nach oben. Der Duft von Gänsebraten steigt in seine Nase, ein warmes Gefühl umgibt ihn. Er versucht es zu ignorieren, doch so wirklich mag es ihm nicht zu gelingen.
Nun steht er vor seiner verschlossenen Tür und sieht sich schon auf seiner Couch mit bestelltem Essen und traurigen Liedern. Auch hier schließt er die Tür auf, öffnet die Tür langsam und betritt den Flur seiner Wohnung. Er schaltet das Licht ein und..
„Fröhliche Weihnachten Richard!", ertönt es wie aus einer Kehle von seinen Freunden und seiner Familie.
Wie eingefroren steht er da, völlig perplex. Damit hat er nun wirklich nicht gerechnet. Seine besten Freunde stehen dort, bei ihnen seine Kinder mit ihren Müttern. Sein Bruder und seine Schwester sind mit ihren Familien gekommen. Sie alle stehen dort und warten nur auf ihn. Sie alle strahlen Freude, Wärme und Liebe aus. Sie nehmen ihn in den Arm und wollen gemeinsam mit ihm das Fest feiern und schenken Geschenke. Sie bereiteten für ihn Essen vor und nahmen seine liebsten Weihnachtsfilme auf, um sie gemeinsam mit ihm zu sehen. Sie wollten alle mit ihm das Weihnachtsfest verbringen.
Und plötzlich ist der arme reiche Mann nur noch ein reicher glücklicher Mann.
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