Wieder in Imladris
2980 D.Z.
Lyrann wandte sich im Sattel um und blickte zu der Bergkette zurück, die hinter ihr immer kleiner wurde. Sie hatten das Nebelgebirge schon vor einigen Tagen hinter sich gelassen und näherten sich dem verborgenen Tal von Imladris.
Ihre Reise war bemerkenswert ereignislos gelaufen, ganz anders als das letzte Mal vor mehr als vier Jahrzehnten. Bis zu Thranduils Palast waren sie von einer Garde Zwerge begleitet worden, Thranduils Elben hatten ihnen durch den Düsterwald Geleit gegeben, wo sie von Beorn empfangen worden waren, der sie über das Nebelgebirge geführt hatte.
Ihr Blick fiel auf Kili und Tauriel, die hinter ihnen ritten. Neben den beiden ritt Frerin, der Ältere der beiden Zwillinge. Tauriel war als Abgesandte ihres Königs Thranduil mitgekommen, doch hauptsächlich wollte sie Kili auf der langen Reise begleiten.
Lyrann wandte sich wieder um und sah zu dem Reiter an ihrer Seite. Thorin lächelte ihr liebevoll zu. Es hatte den Zwerg einige Überwindung gekostet, sein Reich allein zurück zu lassen, doch er wusste, wie viel Lyrann dieser Besuch bedeutete. Und so waren sie schließlich aufgebrochen.
Bei ihnen ritten noch Dwalin, Minna, Fenja und Rhon. Thorin hatte tatsächlich nur Dwalin und Kili als Krieger, die seine Familie schützen sollten, mitgenommen. Und Minna hatte darauf bestanden, mitkommen zu dürfen. Lyranns Magd und Amme ihrer Kinder hatte die Prinzen und die Prinzessin auf keinen Fall von sich getrennt wissen wollen.
Lyrann sah wieder nach vorn. Dort näherten sie sich einem lichten Wald aus Tannen. Sie lächelte kurz versonnen, als ihr einfiel, dass sie in ebendiesem Wald vor vielen, vielen Jahren Thorin und seine Gefährten aufgehalten und sich ihnen angeschlossen hatte. Und dort, bereits nahe an den Bäumen, ritt ihr ältester Sohn Thrain. Der jugendliche Zwerg hatte sich ein wenig von der restlichen Gruppe abgesetzt.
Ungeduldig rutschte Lyrann im Sattel umher. So lang war es her, dass sie zuletzt in Elronds Haus gewesen war. Sie konnte es kaum noch erwarten, endlich wieder dort zu sein.
Ihr Blick traf Thorins. „Wir werden bald da sein.", sagte sie. Ihr Mann nickte. Dann wies er auf den Wald vor ihnen. „Wir machen dort eine kleine Pause und erfrischen uns.", meinte er. Dann richtete er sich im Sattel auf. „Thrain!", rief er, „Komm her!" Mürrisch wendete der junge Zwerg sein Pony und wartete auf seine Familie.
Wenig später hielten sie an einem kleinen, schnell fließenden Bach, der sich ein flaches Bett zwischen den Bäumen gegraben hatte. Lyrann stieg von ihrer Stute Varda. Der Boden unter ihren Füßen war bedeckt mit Tannennadeln und wunderbar weich. Der würzige Sommergeruch eines Nadelwaldes lag in der Luft. Munter plätscherte das Bächlein neben ihnen entlang und suchte sich seinen Weg ins Tal von Imladris.
Glücklich lächelnd blickte Lyrann sich um. Ihre Haut kribbelte ganz leicht. Etwas lag in der Luft. Sie spürte es ganz deutlich. Ihre Augen begegneten Tauriels. Die Elbin nickte schwach. Auch sie konnte es spüren. Magie... Bruchtal war ganz in der Nähe.
„Oh, Fenja!", schimpfte Minna im Hintergrund, „Wie schaffst du es nur, so viele Zweige in deine Haare zu bekommen? Kannst du dich denn überhaupt nicht wie eine junge Dame von hoher Geburt benehmen?" „Nein!", hörte Lyrann die entsetzte Stimme ihrer Tochter. Sie drehte sich um. Frerin stand brav wartend neben Minna, die sich mit einem Kamm über Fenjas dichte, braune Locken hergemacht hatte. Rhon spielte gedankenverloren am Bach mit einem Stein. Offenbar hatte er die Prozedur bereits hinter sich.
Lyrann trat an den Bach heran und schöpfte etwas Wasser. Mit beiden Händen spritzte sie es sich ins Gesicht. Prustend wusch sie sich und genoss das kühle Nass auf ihrer Haut. „Wie geht es dir?", hörte sie Thorins Stimme neben sich. Sie hob den Blick. Der Zwerg setzte sich zu ihr, zog die Stiefel aus und stellte die Füße in das kalte Wasser. Sie sah ihn an. Thorin lächelte und strich ihr mit der Hand über das Gesicht. „Du bist aufgeregt, nicht wahr?", fragte er. Sie nickte. „Es ist so lange her.", sagte Lyrann leise, „Ich habe es mir so oft ausgemalt, zurück zu kehren. Nun ist es soweit und ich bin... ich bin nervös."
„Wo steckt Thrain?", fragte Minna plötzlich in die Runde. Lyrann richtete sich auf und sah sich um. Tatsächlich konnte sie ihren Ältesten nirgendwo entdecken. Thorin stand mit einem Seufzen auf. „Thrain!", brüllte er. „Ich geh ihn suchen.", sagte Dwalin und verschwand zwischen den Bäumen. Wenig später kam er mit dem jungen Zwerg zurück, den er fest am Oberarm gepackt hielt. Thrain wand sich und versuchte, dem Schraubstockgriff zu entkommen. Doch Dwalin war bei weitem stärker. „Wo hast du gesteckt?", knöpfte Thorin sich voller Wut seinen Sohn vor. Thrain verschränkte seine Arme vor der Brust und sah trotzig zu seinem Vater hoch. „Ich habe mich nur umgesehen!", erwiderte er. „Du kannst nicht einfach so verschwinden, ohne uns Bescheid zu geben!", polterte Thorin. „Wir wissen nicht, wie sicher es hier ist! Keine Widerrede!", fügte er noch an, als Thrain protestieren wollte, „Und jetzt ab zu Minna, lass dich fertig machen."
Wenig später beendete die Reisegruppe ihre Pause und man saß wieder auf. Sie folgten nun dem Bach, der sich zwischen den Bäumen des Waldes hindurchwand, auf einem kleinen Pfad. Das Gelände wurde steiler und ging stetig abwärts. Die Ponys liefen nun ein kleines Tal entlang und näherten sich schließlich zwei hohen Steinfindlingen, die den Weg flankierten. Lyrann blickte nach oben, als sie die Steine passierten. Ihre Nackenhaare richteten sich auf. Nun war die Magie fast greifbar, die in der Luft lag. Sie hatten die Grenze zu Imladris überschritten. Mit einem Mal wurde der Weg breiter und war nun gepflastert.
Jetzt konnte sie sich nicht mehr zurückhalten. Sie trieb Varda an und schloss zu Thrain auf, der nach wie vor an der Spitze ritt. Neben ihrem Sohn angekommen, zügelte sie die Stute wieder. Thrain wandte ihr den Kopf zu. „Irgendetwas ist merkwürdig hier.", sagte er leise. Lyrann lächelte. Er konnte die Magie also auch spüren. Auch wenn es ihm durch sein Zwergenblut vermutlich deutlich schwerer fiel. „Wir nähern uns.", sagte sie nur.
Da wichen plötzlich die Bäume vor ihnen zurück. Der Weg knickte scharf nach rechts ab und links von ihnen stürzte der Bach als Wasserfall in das Tal, das sich nun vor ihnen öffnete.
Imladris... Lyrann hielt die Luft an und spürte, wie ihr Hals eng wurde. Das Tal hatte sich nicht verändert. Ein langgestreckter, bewaldeter Einschnitt in den Bergen, erfüllt vom Rauschen unzähliger Wasserfälle und des Flusses, der an seiner Sohle gurgelnd entlang rauschte. Ihr Blick wanderte nach rechts. Dort stand das letzte heimelige Haus östlich der See, Elronds Haus. Mit einem Lächeln sah sie auf die ihr nur zu bekannten Häuser hinab, das große Haupthaus mit seinem von Statuen flankierten Vorplatz und dem Säulengang, die vielen kleinen Pavillons und Nebengebäude mit ihren Spitzdächern, die unzähligen Brücken und Terrassen, die sich über Wasserfälle und Bäche spannten.
Neben ihr holte Thrain hörbar Luft. Das Klappern von Hufen verriet Lyrann, dass die anderen sie eingeholt hatten. Mit einem kurzen Blick nach hinten vergewisserte sie sich dessen. Sie begegnete Thorins Blick. Ihr Mann lächelte nachsichtig.
Grinsend fasste Lyrann die Zügel ihres Ponys kürzer. „Sag mal, Thrain...", begann sie, „Denkst du, du kannst schneller reiten als deine Mutter?" Der Junge sah sie an, verstand was sie vorschlug und lachte. „Aber natürlich!", rief er aus und grinste voller Freude. „Nun dann!", erwiderte Lyrann und deutete voraus. Sofort trieb Thrain sein Pony an. Lyrann zögerte nicht lange und jagte auf Varda hinterher. Der Wind peitschte ihr ins Gesicht, während sie mit ihrem Sohn gleichzog. Die Hufe der beiden Ponys schlugen laut auf dem Pflasterstein auf, während sie den Weg hinab ins Tal entlang galoppierten. Statuen vergangener Helden flogen an ihnen vorbei, da machte der Weg schon einen Knick nach links und ihre Ponys rasten über eine Brücke auf den Vorplatz von Elronds Haus.
Lachend zügelte Lyrann Varda und ihr Sohn tat es ihr gleich. Schwungvoll schwang sich die Halbelbin aus dem Sattel und sah sich auf dem von Statuen bestandenen Platz um. So viele Erinnerungen kamen in ihr hoch, während sie die ihr vertraute Umgebung in sich aufsog. Neben ihr reckte Thrain den Kopf, um alles sehen zu können.
„Lyrann!", rief eine Stimme vom oberen Absatz der Haupttreppe herab. Sie drehte den Kopf. „Hirnin Elrond!" Mein Herr Elrond! Mit ausgebreiteten Armen kam der Elbenfürst die Treppe hinunter. Lyrann raffte die Röcke ihres Reisekleides und eilte ihm entgegen. Ihr Blick fiel auf Lindir, ihren Halbbruder, der ein Stück versetzt hinter Elrond ging. Kurz stockte sie, sich der alten Abneigung erinnernd, doch dann gab sie sich einen Ruck und überbrückte die letzten Schritte zu Elrond.
Vor ihm blieb sie stehen und neigte ehrerbietig den Kopf, die Hand auf ihrem Herzen. Elrond erwiderte lächelnd die Geste. „Mae govannen, henin.", sagte er leise. Sei gegrüßt, mein Kind. Lyrann blickte zu ihm auf und dann schloss sie den Elben spontan in die Arme. Elrond schien überrascht, erwiderte aber mit leisem Lachen die Geste.
Eilige Schritte erklangen. Lyrann drehte den Kopf. Eine rothaarige Elbin kam mit schnellen Schritten durch den Arkadengang des Hauses auf sie zu gerannt. „Fila!", brach es aus Lyrann hervor. Sie stürzte der Elbin entgegen. Es war keine Gelegenheit für förmliche Begrüßungen. Mit Tränen in den Augen fielen sich Tante und Nichte in die Arme. Lange Zeit hatte Lyrann nicht gewusst, ob sie ihre Tante nach ihrer Hochzeit je wieder sehen würde. Nun hielten sie einander fest im Arm, zu bewegt, um zu sprechen.
Hufschläge verkündeten die Ankunft der restlichen Reisegruppe. Langsam löste Lyrann sich von Fila. Diese lächelte. „Wir werden viel reden.", sagte sie leise. Dann gingen die beiden Frauen zurück zum Vorplatz, wo bereits Elrond und Lindir standen, um die Gäste zu begrüßen.
„Thorin!", rief Elrond aus und ging dem Zwerg entgegen, „Seid gegrüßt in Imladris, König unter dem Berge! Willkommen in meinem Haus! Es ist eine Ehre, euch hier als Gäste willkommen zu heißen." Thorin verneigte sich und erwiderte: „Habt Dank für die Einladung und eure Gastfreundschaft, Herr Elrond. Es ist gut zu wissen, dass wir hier Freunde und Verbündete haben." „Ich hoffe, eure Reise verlief ohne Zwischenfälle?", erkundigte sich Elrond. Thorin nickte und begann, ihre Begleitung vorzustellen. Tauriel verneigte sich tief vor Herrn Elrond, als sie vorgestellt wurde. Kili und Dwalin neigten kurz den Kopf, während Minna ganz eingeschüchtert von der fremden Umgebung schien. „Und dies...", fuhr Thorin fort, „sind unsere Kinder." Mit ausgestreckter Hand wies er auf die Zwergenkinder, die von Minna nach vorn geschoben wurden. „Thrain, mein ältester Sohn und Thronerbe, die Zwillinge Fenja und Frerin, sowie unser jüngster Sohn Rhon." Die Kinder verbeugten sich höflich und Rhon sagte: „Mae govannen, hirnin Elrond. Elen sila lúmenna omentielvo ." Seid gegrüßt, Herr Elrond. Ein Stern scheint auf die Stunde unserer Begegnung. Elrond lachte erfreu, ob der förmlichen Begrüßung und neigte dem jungen Zwerg den Kopf zu. Dann drehte er sich um. „Fila, zeigst du Lyrann und ihrer Familie bitte den Pavillon, den wir für sie herrichten ließen. Ihr anderen folgt Lindir, er wird euch zu euren Zimmern bringen."
Wenig später folgten sie Fila durch den lichten Wald zwischen den Häusern von Bruchtal. Minna war erst unsicher gewesen, da sie von Lyrann getrennt untergebracht werden sollte. Doch Elrond hatte ihr erklärt, dass auch sie hier ein Gast war und so war sie mit Lindir und den anderen gegangen. Fila erklärte, dass die anderen im Westflügel des Haupthauses untergebracht wurden, während man für Lyrann und ihre Familie einen eigenen Pavillon südlich davon hergerichtet hatte.
Sie überschritten eine Brücke, die sich über einen der unzähligen Bäche spannte und erreichten einen großen Pavillon. Fila öffnete und sie betraten ein lang gestrecktes, leicht ovales Zimmer, das sich durch die gesamte Länge des Pavillons zog. Gegenüber von ihnen öffneten sich große Türen zu der luftigen Terrasse. Zu jeder Seite gingen jeweils zwei Türen ab.
Fila lächelte und sagte zu Lyrann: „Ich werde heißes Wasser bringen lassen für euch. Macht euch in aller Ruhe frisch. Heute Abend wird Elrond ein großes Essen für euch im Haupthaus ausrichten lassen, wenn ihr nicht zu müde seid." Thorin nickte dankbar und erwiderte: „Es wird uns eine Ehre sein." Dann ließ Fila sie alleine, um Elrond bei den Vorbereitungen für das Fest zu helfen.
„Wir haben drei Schlafzimmer und ein Bad.", verkündete Frerin, der bereits alle Räume untersucht hatte. Lächelnd ging Lyrann hinaus auf die Terrasse und blickte über das Tal. Der Pavillon lag auf einem kleinen Vorsprung. Zu ihrer linken konnte sie das Haupthaus und die anderen Gebäude sehen und vor ihr, weiter unten im Tal, die Trainingsplätze nahe am Fluß.
„Dürfen Thrain und ich raus und uns umsehen?", hörte sie Fenja drinnen ihren Vater fragen. „Nein,", erwiderte Thorin streng, „ich will, dass ihr hier bleibt und euch für die Feier heute Abend vorbereitet." Amüsiert hörte Lyrann, wie Thorin die Schlafzimmer für die Familie aufteilte und, nachdem die Elben das Bad vorbereitet hatten, die Kinder zum Baden schickte.
Einige Zeit später lehnte Lyrann sich zufrieden in der Wanne zurück und genoss das erste Mal seit Wochen ein heißes Bad. Sie nahm einen Schwamm zur Hand und begann, sich den Schmutz der Reise von der Haut zu schrubben, als es an der Tür klopfte.
„Ja?", fragte sie. „Ich bin es.", erwiderte Thorin, „Darf ich reinkommen?" „Natürlich." Die Tür öffnete sich und ihr Mann trat ein. Er lächelte und schloss die Tür hinter sich. „Ich hatte lange nicht mehr die Gelegenheit genutzt, dir beim Bad zu zusehen.", sagte er schelmisch. Lyrann lachte.
Thorin ging auf sie zu und beugte sich über sie. Seine Hände stützte er rechts und links am Wannenrand auf. Sanft küsste er sie. Lyrann hob die Hände und schlang sie um seine Schultern und erwiderte seinen Kuss. Sie waren lang nicht mehr alleine gewesen. Privatsphäre war auf der Reise ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Gierig zog sie ihren Mann an sich, der mit einem Mal das Gleichgewicht verlor.
Prustend und mit durchnässtem Hemd richtete Thorin sich wieder auf. Lyrann lachte herzhaft und der Zwerg grinste vor sich hin. „Jetzt kannst du auch zu mir kommen.", sagte Lyrann. Thorin nickte und zog bereits sein Hemd aus. Er setzte sich zu ihr und Lyrann drehte sich prompt so, dass sie sich gegen ihn lehnen konnte und schloss entspannt die Augen.
Ein Klopfen an der Tür schreckte sie beide hoch. „Amad, Adad!" Es war Thrain. „Hier sind Elben, sie sagen, dass das Essen bald gerichtet ist." „Sag ihnen, wir kommen bald!", rief Thorin durch die Tür. Sie konnten hören, wie Thrain Sindarin sprach.
„Nun dann, geliebte Frau... Dann gehen wir mal zu unseren Gastgebern.", sagte Thorin, gab ihr einen sanften Kuss auf die Wange und erhob sich. Lyrann folgte ihm und wickelte sich in ein Tuch. Dann gingen sie in das Schlafzimmer, das Thorin für sie ausgesucht hatte.
Es war Sitte, Kleider für lang gereiste Gäste bereit zu stellen und so fanden sie beide einen Stapel frischer Kleider auf ihren Betten vor. Fila musste in den Wochen vor ihrer Ankunft alle Hände voll zu tun gehabt haben. Lyranns Blick fiel auf ihre Reiseklamotten, die sie in den letzten Wochen getragen hatte. Ihre Hose und die Weste hatten nur wenige Löcher und konnten bestimmt geflickt werden. Das Hemd jedoch knüllte sie direkt zusammen.
Dann wandte sie sich den Kleidern auf ihrem Bett zu. Neben ihr sichtete Thorin bereits seine Kleider. „Fila hat sich viel Mühe gegeben.", brummte er anerkennend. Rasch hatte der Zwerg sich für eine Hose aus dunklem Stoff und eine lange, weinrote Tunika entschieden. Angezogen verließ er das Zimmer, um nach den Kindern zu sehen.
Lyrann hob nacheinander die neuen Kleidungsstücke an. Erfreut stellte sie fest, dass Fila neben einigen Kleidern auch Hose und Hemden für Reiten und Training hatte anfertigen lassen. Zuletzt kam Lyrann bei einem weißen Kleid an. Neugierig hob sie es hoch und lächelte. Bestimmt hatte Fila es für eben diesen Anlass schneidern lassen. Sie zog es an, dann wandte sie sich einer Schatulle neben ihrem Bett zu, in der sie etwas Schmuck fand. Nach kurzem Suchen wählte sie einen silbernen Stirnreif, der nach elbischer Sitte mit feinen Schnüren versehen war. Schließlich steckte sie sich noch ihren Siegelring und ihren Ehering an die Finger, dann wandte sie sich dem Standspiegel an der Wand zu.
Ihr sah eine Frau entgegen, klein wie eine Zwergin, aber voll und ganz gewandet wie eine Elbin. Das weiße Kleid, verziert mit silbernen Stickereien, fiel hinab bis zum Boden. Ihr oberes Dekolleté und Teile ihrer Schultern wurden von einem runden Ausschnitt umrahmt und ab ihren Ellenbogen öffnete sich die Ärmel weit. Das dunkelbraune Haar ließ Lyrann in offenen Locken bis zu ihrer Hüfte hinabfallen. Vorwitzig schoben sich die leichten Spitzen ihrer Ohren zwischen den Haaren hindurch. Die silbernen Schnüre ihres Stirnreifes rahmten ihr Gesicht ein und umkränzten ihren Kopf. Sie nickte kurz, zufrieden mit ihrem Anblick, dann wandte sie sich ab.
Leichtfüßig betrat Lyrann den Hauptraum, wo ihre Familie bereits wartete. Thorins Augen leuchteten auf, als sie, von der Abendsonne angestrahlt, ins Zimmer kam. Mit raschen Schritten ging er auf sie zu und griff ihre Hände. Sein Blick glitt voller Bewunderung über sie. „Wie kannst du nur so schön sein und trotzdem echt?", flüsterte er leise. Zärtlich berührten seine Fingerspitzen ihr Gesicht, als müsse er sich nach all den Jahrzehnten ihrer Ehe immer noch davon überzeugen, dass sie kein Traum war. Liebevoll küsste er sie, dann bot er ihr den Arm an.
Nebeneinander verließen sie den Pavillon, gefolgt von ihren Kindern.
Nur kurze Zeit später fand Lyrann sich im großen Saal des Haupthauses wieder. Sie saß zwischen Thorin und Fila an der großen Ehrentafel, an der Elrond und seine Gäste mit ihrer Familie saßen. Überall im Raum verteilt standen noch weitere Tische, an denen die Elben von Imladris Platz genommen hatten. Leises Murmeln gedämpfter Unterhaltungen vermischte sich mit dem Klappern von Besteck und der Musik der drei Musiker, die an der Seite standen und musizierten. Thorin nahm sich eben Lyranns Teller und belud ihn erneut mit Essen, während er seine Unterhaltung mit Herrn Elrond an seiner Seite fortsetzte.
Lyrann lächelte nachsichtig. Ihr Mann hatte es sich nicht nehmen lassen, seine Frau zu bedienen. Dankend nickte sie ihm zu, als er ihren Teller wieder abstellte. „Er behandelt dich gut?", fragte Fila neben ihr. Sie wandte sich ihrer Tante zu, die amüsiert zu dem Zwerg guckte. Lyrann nickte, „Ich habe es gut bei ihm, wie er versprochen hat." Fila wirkte zufrieden. „Bist du glücklich?", fragte sie ernst und Lyrann nickte nachdrücklich. Es gab viel, wovon sie ihrer Tante erzählen wollte und so berichtete sie lange Zeit nur von ihrem Leben als Königin unter dem Berge.
Schließlich wurden die Teller abgeräumt und die Musiker traten weiter nach vorne. Die Gespräche wurden mehr und einige standen sogar auf und schlenderten im Raum umher.
Lyranns Blick schweifte umher. Ihre Kinder saßen auf Elronds anderer Seite, zusammen mit Minna, währendTauriel, Kili und Dwalin auf Filas Seite saßen. Sie konnte Lindir erkennen, der an einem Tisch nicht weit entfernt saß. Er hob den Blick, als ob er gespürt hätte, dass sie ihn ansah und rasch wandte sie ihre Augen ab. Seit ihrer Ankunft war sie ihm sorgsam aus dem Weg gegangen. Nahe bei Lindir saß Arwen, Elronds Tochter, mit der sie sich immer gut verstanden hatte. Die Elbin nickte ihr lächelnd zu, dann wandte sie sich wieder der dunkelhaarigen Frau zu, die neben ihr saß. Stirnrunzelnd betrachtete Lyrann diese. Irgendetwas an ihr war ungewöhnlich. Als die Frau den Kopf drehte und ihr dunkles Haar nach hinten fiel, konnte Lyrann ihre Ohren sehen. Und jetzt verstand sie auch, was sie an ihr irritiert hatte. Arwens Gesprächspartnerin war ein Mensch!
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