Wie Motte und Flamme
Am nächsten Morgen stieg die Sonne bereits viel zu früh über die Bergrücken im Osten. Ihr Licht fiel durch die Fensterläden der Schmiede und weckte einen noch reichlich müden Thrain.
Gähnend streckte der Zwerg sich, innerlich darüber fluchend, dass Fredes Sohn heute zu ihm kommen würde, um seine Ausbildung zu beginnen. Eben wollte er die Bettdecke zurück schlagen, als sein Blick auf die Katze an seiner Seite fiel. Biest hatte sich am Vorabend hier eingerollt und scheinbar die Nacht über bei ihm geschlafen. Nun hob sie den Kopf und blinzelte ihn aus ihren gelblichen Augen an. Lautes Schnurren drang aus ihrer Kehle. „Na los!", brummte Thrain, „Aufstehen!" Er stupste das Tier mit der Hand an und richtete sich auf.
Wenig später saß er bei seinem Frühstück am Tisch und warf Biest etwas Speck zu. Freudig maunzend sammelte sie den Happen auf. Amüsiert schüttelte der Zwerg den Kopf. Es war erst einige Wochen her, da er sich noch geschworen hatte, dieser Katze nie etwas zu Fressen zu geben. Und jetzt? Jetzt ließ er sie an seinem Frühstück teilhaben.
Biest kam auf ihn zu und reckte ihr Köpfchen empor. Sacht fuhr er mit der Hand über ihren Kopf, fühlte das weiche, warme Fell und das Vibrieren, das ihr Schnurren auslöste. Vorsichtig strich er über ihre Seite, wo sich bereits eine Wölbung abzeichnete.
Schließlich erhob er sich und betrat eben seine Werkstatt, als ein Klopfen die Ankunft seines neuen Lehrlings ankündigte. „Herein!", rief er.
Fredi trat ein, das Gesicht gerötet vor Aufregung, sodass es der Farbe seines feuerroten Haares schon recht nahe war. Er war noch so jung, dass sein Bartwuchs noch kaum eingesetzt hatte, doch bereits jetzt zeigte sich, dass er den breiten Körperbau seines Vaters geerbt hatte. Seine Augen, dunkel wie die Erde, blitzten begeistert, als er auf Thrain zu trat.
„Es ist mir eine so große Ehre, bei euch in die Lehre gehen zu dürfen, Agshar*!"; begann er voller Eifer.
Thrain jedoch hob die Hand. „Ich bin kein Meister dieses Handwerkes wie Dimrok es war. Doch was ich weiß, werde ich dich lehren.", erwiderte er. Dann setzte er hinzu: „Und will keine Ehrerbietung von dir."
Der Jüngere nickte und wartete mit glänzendem Blick Thrains erste Anweisungen ab.
„Zuerst wollen wir das Feuer in der Esse entzünden.", sagte Thrain, „Das Holz ist im Hof."
Gemeinsam brachten sie das Holz herein und unter Thrains Anweisungen und Biests scharfem Blick schichtete Fredi einen Holzhaufen auf, den er wenig später entzündete. „An den Blasebalg!", befahl Thrain, der schneller als gedacht zu dem Ton zurück gefunden hatte, den er auch bei der Ausbildung junger Soldaten verwendet hatte.
Voller Elan stemmte sich sein neuer Schützling in die Mechanik des Blasebalges und hätte mit dem verursachten Luftzug beinahe sämtliche Glut gelöscht. „Nicht so stark!", rief Thrain, „Du willst die Glut anfachen, nicht löschen! Sachte, ganz sachte musst du vorgehen, so sanft als würdest du einen verletzten Vogel streicheln."
Vorsichtiger bediente Fredi jetzt den Blasebalg und tatsächlich, bald leckten die Flammen knackend und prasselnd über das Holz.
Nebeneinander knieten beide Zwerge vor der Esse und wie jeden Morgen flehte Thrain den Schutz und Segen Mahals auf sie hinab. Dann führte er seinen Schüler nach draußen auf den Hinterhof, um frisches Eisen zu holen. Tatsächlich war heute der Tag gekommen, den seit einigen Tagen brennenden Rennofen zu öffnen und das Eisen heraus zu holen.
Thrain kniete sich neben die schachtförmige Konstruktion aus Stein und Lehm. Es ging kaum noch Wärme von dem Ofen aus. „Hier,", er wies auf die Löcher, die kurz oberhalb des Bodens angebracht waren, „kann das Feuer im Inneren atmen. Das Eisen selbst schmilzt nicht, es bleibt im Ofen und kann nun von uns heraus geholt werden. Hier unten ist die Schlacke ausgetreten, die ist nicht verwertbar." Thrain zeigte Fredi den Auslass aus dem Ofen über den am Vortag noch die Schlacke heraus geflossen war. Sie lag nun als verhärteter Klumpen in einer kleinen Grube neben dem Ofen.
Thrain reicht seinem Lehrling eine Spitzhacke und wies ihn an, den Ofen zu öffnen. „Du wirst abwechselnd Holzreste und das verhüttete Eisen finden, da der Ofen in Schichten befüllt wird.", fuhr er in seiner Erklärung fort, während Fredi begann, die Steinwand aufzubrechen. Polternd kullerten ihm die ersten Eisenbrocken entgegen und wirbelten eine Wolke an Asche auf.
Sachte hob Thrain eines der Stücke auf und betrachtete es mit kritischem Blick. Dann nickte er. „Das ist gute Qualität.", bemerkte er und reichte es Fredi zur Begutachtung. Er lehnte sich gegen einen der Grubenloren, in denen das Eisen aufbewahrt wurde, und beobachtete Fredi bei seiner Arbeit. Gerade an seinem ersten Tag wollte er den Jungen noch nicht völlig alleine lassen, um sich einmal ein Bild von ihm machen zu können und für den Fall einer Verletzung.
Doch Fredi arbeitete umsichtig und konzentriert. Zielstrebig holte er die Eisenbrocken hervor, sammelte sie in der bereit stehenden Lore, stapelte die Steine für den Bau des nächsten Ofens und wischte die verbliebene Asche beiseite.
Und so schweiften Thrains Gedanken ab und eilten zurück zum letzten Abend im Gasthaus. Schon zeichnete seine Erinnerung das wunderschöne Bild Iras, hörte er ihr Lachen, spürte ihre Berührung in seinem Nacken. Was gäbe er dafür, häufiger mit ihr sprechen zu können! Wie sehr er doch ihre Gegenwart genoss. Allein der Gedanke an sie brachte sein Herz zum Springen, erfüllte sein ganzes Wesen mit einer kribbelnden Spannung. Die Zwergin hatte mit ihrem Lachen und ihren Kristallaugen Gefühle in ihm geweckt, wie er sie noch nie gespürt hatte.
„Agshar?" Die fragende Stimme Fredis holte ihn aus seinen Gedanken. Der Junge war anscheinend mit seiner Aufgabe fertig.
Thrain richtete sich auf. „Verzeihung.", sagte er, bedeutete Fredi, einen der Brocken aufzuheben und ihm in die Schmiede zu folgen.
Durch die geöffnete Tür der Werkstatt wehten die Geräusche des Dorflebens zu ihnen herein. Deutlich war das Klirren der Werkzeuge in den Kupferminen und den angrenzenden Werkstätten zu hören, ebenso wie Gespräche und Gelächter auf der Straße.
Geduldig erklärte Thrain Fredi wie man ein Stück Eisen in den Flammen erhitzte und an der Farbe die richtige Temperatur erkannte. Doch ganz bei der Sache war er nicht. Mit einem Ohr lauschte er immer wieder nach draußen. Hoffte, ohne einen Grund für sein Sehnen zu kennen, auf den Klang einer bestimmten Stimme.
Zur Mittagszeit brachte ihnen Frida eine Mahlzeit vorbei. Die drei Zwerge standen eben um die Theke herum, wo Thrain und Fredi dankbar die Suppe aus Bärlauch löffelten, als von der Tür her eine Stimme erklang.
„Ist Biest hier?" Thrain fuhr herum und verschüttete prompt etwas von der Suppe. Sein Magen schlingerte voll plötzlicher Aufregung. Ira lehnte im Türrahmen und lächelte. Mit lautem Mauntzen machte die gesuchte Katze vom Kamin her auf sich aufmerksam und sprang dem Besuch entgegen.
Freudestrahlend ließ Ira sich auf den Boden fallen und begann, die Katze zu liebkosen. Thrain beobachtete die Szenerie, sich über seine plötzliche Eifersucht auf Biest wundernd. „Ich muss weiter, wollte nur kurz Hallo sagen.", verkündete die junge Zwergin munter, knuddelte Biest ein letztes Mal und strich eine vorwitzige blonde Strähne zurück, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte. Mit einem Winken verschwand sie wieder.
Mit leicht geöffnetem Mund starrte Thrain ihr hinterher. Mühsam riss er sich zusammen und entsann sich, weiter zu essen. Sein Blick begegnete dem Fridas. Die Zwergin schien sich äußerst gut zu amüsieren und schmunzelte vor sich hin. „Was ist?", fragte er. Doch sie schüttelte nur den Kopf und wandte sich mit blitzenden Augen ab.
Einige Tage vergingen, seit Fredi das erste Mal in die Werkstatt gekommen war. Eine seltsame Unruhe erfüllte Thrain in diesen Tagen. Sich zu konzentrieren, fiel ihm zunehmend schwer. Immer wieder schweiften seine Gedanken ab, kreisten um Ira und entfachten die buntesten Tagträume. Da war er für Fredis Anwesenheit dankbar, der ihn zwang, sich auf seine Arbeit zu besinnen.
Der junge Zwerg lernte schnell, wie er versprochen hatte, und so übertrug sein Lehrer ihm die Aufgabe, sich um den neuen Rennofen zu kümmern. Außerdem bediente Fredi den Blasebalg, wenn Thrain schmiedete und nahm Aufträge von Kunden entgegen. Bald würde er seinem Lehrer auch beim Schmieden zur Hand gehen dürfen. Vorher wollte Thrain jedoch zusammen mit dem Jungen eine erste eigene Zange für Fredi schmieden.
Sie wollten eben mit der Arbeit für die Zange beginnen, als es am Türrahmen klopfte. Theti, einer der Minenarbeiter, stand in der Tür.
„Tarl! Kannst du mitkommen? Einer unserer Förderkörbe ist eben kaputt gegangen. Wir brauchen möglichst schnell ein Ersatzteil.", kam er ohne Umschweife zur Sache.
Mit einem entschuldigenden Lächeln für seinen Lehrling legte Thrain das für die Zange ausgewählte Stück Eisen wieder beiseite. Er legte Fredi eine Hand auf die Schulter. „Wir kümmern uns bald um deine Zange, sobald der Förderkorb repariert ist.", sagte er, „Pass auf die Werkstatt auf, bis ich wieder komme."
Dann folgte er Theti aus der Werkstatt. Auf dem Weg zu den Kupferminen gingen sie an den Werkstätten der Handwerker vorbei, die aus dem gewonnenen Kupfer die verschiedensten Gegenstände formten. Da das Metall sehr weich war, mussten sie im Gegensatz zu ihm nicht mit Feuer arbeiten und trieben ihre Werkstücke mit Hammer und Meißel in Form ohne es vorher zu erhitzen.
Theti führte Thrain zwischen zwei Werkstätten hindurch direkt auf die Bergflanke zu. Eine in den Fels gehauene Treppe führte die beiden Zwerge auf eine Terrasse über den Dächern der umliegenden Häuser gelegen. Drückende Hitze empfing sie hier, denn auf diesem Vorsprung, direkt am Eingang zu der Mine, wurde das Kupfer in mehreren Öfen aus dem Gestein heraus geschmolzen.
Der Zwerg reichte ihm einen schweren Metallhelm und nebeneinander betraten sie die Mine. Die Augen Thrains hatten sich innerhalb kürzester Zeit an das schwummrige Licht im Berg gewöhnt. Die Stollenwände waren vom tanzenden Licht der Fackeln erhellt. Vor ihnen erstreckte sich die Mine in den Berg hinein. Seitengänge zweigten nach rechts und links ab. Neben ihnen verliefen Schienen, auf denen die Grubenhunte gezogen wurden.
Wie jeder zwergische Stollen waren auch bei diesem die Wände gerade und ordentlich gearbeitet. Zielstrebig hatte das Gespür der Zwerge sie direkt an die reichsten Kupferadern im Berg heran geführt.
Und auch wenn Thrain sich in der Mine sofort heimisch fühlte, fielen ihm doch die deutliche Unterschiede zu den Minen im Erebor auf. Die Gänge waren kleiner. Keine prachtvollen Lampen aus Kristall sorgten für Licht, stattdessen verrußten die Fackeln die Stollendecke. An den Wänden sprachen keine Runen von Reichtum, dem Schutz Mahals und der heiligen Arbeit des Handwerkers. Auch mussten die Zwerge ihre Loren und Hunte selbst ziehen, die Förderkörbe wurden manuell betrieben.
„Hier ist es.", wies Theti ihn auf einen besonders großen Förderkorb hin, den man scheinbar mit viel Mühe aus seinem Schacht heraus gehoben und an die Seite gestellt hatte. Ein rascher Blick Thrains zeigte ihm, dass die Aufhängung stark verrostet war und kurz vorm Zerbrechen stand. Ein weitere war bereits durchgebrochen. „Wir haben Glück gehabt, dass niemand sich in dem Korb befand. Die Kumpels fahren hiermit in die tieferen Stollen hinab.", sagte Theti mit ernster Miene.
Thrain nickte und trat an den Korb heran, um Maße für die Reparatur zu nehmen.
Es war bereits später Abend, als er endlich seine Arbeit beenden konnte. Nachdem er sich genaue Notizen über das nötige Ersatzteil gemacht hatte, war er zurück in seine Werkstatt geeilt, wo er mit Fredis Hilfe rasch die neuen Aufhängungen hergestellt hatte. Trotz ihrer Bemühungen war die Sonne bereits dem Horizont nahe gekommen, als Thrain mit den frischen Aufhängungen zurück in die Mine gelaufen war. Gemeinsam mit Theti und einigen anderen Kumpels der Mine hatte er die neuen Aufhängungen angebracht und den Korb zurück in den Schacht gehängt.
Nun trat er aus der Mine heraus in die Nacht. Die ihn umgebenden Kupferöfen sorgten für eine wohlige Wärme in der kühlen Frühjahrsnacht. Thrain verschränkte die Arme vor der Brust und ließ den Blick über das schlafende Nebelgrund schweifen. Ruhig und sanft gluckerte die Nebel vor sich hin, der Wind strich durch die Wipfel der Bäume, alles war still und friedlich.
Eine Bewegung auf der Straße erregte seine Aufmerksamkeit. Nebeneinander schlenderten dort zwei Zwerge entlang. Ein bulliger Minenarbeiter hatte den Arm um eine Zwergin gelegt. Den wiegenden Gang und die Gestalt erkannte Thrain sofort, dafür musste er nicht erst den blonden Zopf sehen, der bei jedem Schritt hin und her baumelte.
Ein scharfer Stich der Sehnsucht zuckte durch sein Herz und er ballte die Fäuste. Wut staute sich in seinem Magen zusammen, gerichtet gegen den Fremden, der da Ira im Arm hatte und mit ihr die Straße entlang ging. Er sollte dort bei ihr sein! Sein Arm sollte es sein, der da um Iras Hüfte lag!
Doch darauf hatte er genauso wenig Anrecht wie der Kunde, der da unten die Straße zu Mhilrams Haus entlang lief. Was gab ihm das Recht darauf, ihr nahe sein zu dürfen? Hatte er sich nicht vor kurzem erst geschworen, nicht zu denen zu gehören, denen Ira für Geld zu Willen war?
Gequält vor Sehnsucht und zutiefst aufgewühlt schloss er die Augen. Wie gerne er bei ihr sein würde! Ihre Nähe spüren, ihr Lachen hören! Die Faszination für Ira und die Bewunderung, die er ihr entgegen brachte, waren längst zu größeren, tieferen Gefühlen geworden, das war ihm klar. Er fühlte sich wie eine Motte und Ira war die verlockende, helle Flamme voll Wärme und Licht, der er nicht mehr entrinnen wollte.
Thrain seufzte und öffnete die Augen wieder. Ira war mittlerweile fort. Doch der Wunsch, Ira in seiner Nähe zu wissen, brannte weiter in ihm.
Am nächsten Tag schickte Thrain Fredi früh nach Hause. Er verschloss die Tür seiner Werkstatt hinter dem jungen Mann und ging zu seiner Geldbörse. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals und seine Finger zitterten vor Aufregung und Vorfreude, als er das nötige Geld für einen Besuch bei Ira abzählte.
Den ganzen Tag hatte er mit sich gerungen, ob er den in ihm tobenden Gefühlen der Sehnsucht und des Verlangens nachgeben sollte. Schließlich hatte er den Kampf aufgegeben.
Und nun, da er zu Mhilram lief, vibrierte sein ganzer Körper vor Glück und Vorfreude. Mit leichtem, raschem Schritt eilte er die Straße entlang, bald würde er bei Ira sein. Sein Herz hüpfte bei der freudigen Vorstellung, sie ganz für sich zu haben.
Endlich erreichte er Mhilrams Haus und klopfte. Die dunkelhaarige Gloida öffnete ihm und er trat ein.
„Du bist Tarl, nicht wahr?", fragte die Zwergin ihn lächelnd und besah ihn von oben bis unten.
„Bemüh' dich nicht, Kleines.", kam es von der Tür weiter hinten im Gang. Mhilram kam auf die beiden zu. „Ich vermute, unser Gast ist hier, um Ira zu sehen.", fuhr sie fort und streckte die Hand nach dem Geld Thrains aus.
„Stimmt, sie erzählte davon.", erwiderte Gloida und grinste breit, „Der gut aussehende Schmied, nun, Ira hat Geschmack."
Thrain zog eine Augenbraue in die Höhe und wollte bereits zu einer Erwiderung ansetzen, als Iras Stimme vom oberen Treppenabsatz her erklang. „Gloida!", rief sie empört und kam die Treppe hinab.
„Hallo Tarl!", begrüßte sie ihn mit leuchtenden Augen und hieb spaßhaft nach Gloida, die mit einem Lachen und tanzenden Zöpfen den Gang entlang verschwand.
Einige Zeit später lag Thrain glücklich und zufrieden im Bett in Iras Zimmer. Eine wunderbare Erschöpfung hatte von ihm Besitz ergriffen und schläfrig beobachtete er Ira, die an der Waschschüssel stand und ihr Haar wieder richtete.
Sie war so sehr in ihre Arbeit vertieft, dass sie seine Blicke nicht bemerkte. Ein Lächeln glitt über Thrains Züge, als er sah, wie die Zwergin konzentriert die Miene verkniff, um beim Flechten keinen Fehler zu machen. Ira war so schön. Ihr Anblick erfüllte ihn mit einer tiefen Wärme und Zufriedenheit. Ewig hätte er sie so betrachten mögen, mit seinen Blicken ihre Kurven streichelnd verfolgt.
Doch bald schon wäre seine Zeit bei ihr um und er würde gehen müssen. Schon allein der Gedanke daran machte ihn unglücklich. Wie sollte er nur gleich in seinem leeren Bett Schlaf finden, wo Ira ihm doch eben solches Glück und so wunderbare Empfindungen beschert hatte?
Die Zwergin drehte sich zu ihm um. „Was schaust du mich so an?", fragte sie fröhlich. „Du bist wunderschön.", sprach er ehrlich aus, was ihm durch den Kopf ging. Ira lachte leise auf.
Thrain setzte sich mit einem Seufzen auf. Er wollte nicht fort von hier. Jede Faser seines Körpers wünschte sich bei Ira zu bleiben. Nicht um sich erneut mit ihr zu vereinen, nein, er wollte einfach Zeit mit ihr verbringen, reden, lachen. Aber das war hier nicht möglich. Mit einem Mal fühlte er sich fehl am Platz.
„Das hörst du oft, oder?", nahm er auf sein Kompliment Bezug. Die Frau vor ihm wiegte den Kopf hin und her. „Manchmal.", gab sie zu.
Er richtete sich auf und ergriff seine Hose. Kurz hielt er inne und sah Ira an. „Danke.", sagte er, „Für alles." Alle Dankbarkeit, die er für den gemeinsamen Moment empfand, legte er in seine Worte. Und tatsächlich blinzelte die Zwergin überrascht. „Das höre ich allerdings nicht oft.", sagte sie deutlich gerührt. Ihre Augen glänzten, als sie seinen Blick erwiderte.
Rasch wandte sie sich ab. Während Thrain sich anzog, fiel sein Blick auf eine Klingelschnur direkt neben dem Kopfende des Bettes, die ihm vorher nicht aufgefallen war.
„Ira?", fragte er. Die Zwergin drehte sich um, nun wieder deutlich gefasster. „Was ist das?" Thrain wies auf die Klingelschnur.
„Ach das?", erwiderte die Zwergin und trat an das Bett heran. Kurz fuhr sie über die Schnur. „Das ist eine Klingel runter zu Mhilram."
Verständnislos sah Thrain sie an. Die Zwergin holte kurz Luft und erklärte: „Nicht alle Kunden sind so höflich wie du. Es gibt immer wieder welche, die Grenzen nicht akzeptieren, mehr wollen als ausgemacht wurde, grob werden..." Ihre Stimme verlor sich und ihr Gesicht nahm einen seltsam harten, verschlossenen Ausdruck an, der sie deutlich älter wirken ließ. Ihre Augen schienen die Umgebung nicht mehr wahrzunehmen, sie waren auf ein Ereignis in der Vergangenheit gerichtet.
Entsetzt starrte Thrain sie an. Die Vorstellung, ein Mann könnte Ira zu nahe gekommen sein, entfesselte einen unglaublichen Zorn in ihm. Das plötzliche Bedürfnis, sie zu schützen, stieg in Thrain auf. Wie ehrlos war es, eine Frau zu bedrohen!
„Hat man dir weh getan?", fragte er mit dunklem Grollen in der Stimme, die Hände zu Fäusten geballt. Überrascht sah Ira zu ihm hin. Offenbar hatte sie nicht damit gerechnet, dass er daran solch Anteil nahm. Thrain machte einen Schritt auf sie zu und fasste sie an den Schultern. „Wer war es?", fragte er scharf, bereit denjenigen zur Rechenschaft zu ziehen, der es gewagt hatte, sich an Ira vergangen zu haben.
Sacht umfasste Ira seine Hände und lächelte schwach. „Es ist lange her, Tarl... Und es war niemand aus dem Dorf. Ein Geschäftspartner von Faris aus dem Süden.", sagte sie. Ihre Stimme war fest, doch konnte sie den alten Schmerz nicht ganz verdrängen.
Einem plötzlichen Impuls folgend zog Thrain sie in seine Arme. „Sollte je wieder irgendeiner sich zu derart schändlichem Verhalten hinreißen lassen,", begann er mit kaum verhüllter Wut in der Stimme, „sagst du mir sofort Bescheid. Er wird diesen Frevel nicht wiederholen können!"
Für einen kurzen Moment verweilte Ira in seiner Umarmung, lehnte sich sogar an ihn. Dann jedoch schob sie ihn ein Stück von sich weg. Sanft strich sie mit den Fingern über seine Wange. „Ich kann gut auf mich achten, Tarl. Mhilram ist ja auch hier.", sagte sie leise.
Als Thrain die Tür zu seiner Schmiede schloss und abwesend Biest streichelte, die ihn miauend willkommen hieß, war er in seinen Gedanken noch ganz bei Ira. Kaum hatte er ihr Zimmer verlassen, hatte er schon wieder zu ihr zurück gehen wollen. Noch immer war er ganz beseelt vor Glück und ein fröhliches Lächeln lag auf seinen Lippen.
Doch die Erinnerung an ihr letztes Gespräch ließ seine Züge sich verdüstern. Erneut überkam ihn die Wut auf den Unbekannten, der Ira zu nahe gekommen war. Wenn er diesen Kerl je in die Finger bekommen würde! Solange er hier war, würde niemand mehr Ira ein Haar krümmen!
Nie hätte er gedacht, dass er auf seiner Reise derartige Gefühle kennen lernen würde. Doch Ira erfüllte ihn mit solcher Sehnsucht und Leidenschaft und dem Verlangen ihr nahe zu sein und sie zu beschützen, wie er es nicht für möglich gehalten hatte. Wie er nun in der Dunkelheit seiner Schmiede da stand und an die Zwergin dachte, die seine Sinne so gefangen genommen hatte, wurde ihm klar, dass er sich verliebt hatte.
*Lehrer
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