Rivalinnen
Mit schnellen Schritten lief Thorin durch die Gänge. Sein Magen knurrte und er freute sich bereits auf das Mittagessen, das ihn erwartete.
Zahina hatte ihn zum gemeinsamen Imbiss in den Gemächern eingeladen, die sie jetzt bei Mims Familie bewohnte. Den Vormittag hatte er in den Waffenkammern der Soldatenregimenter verbracht und die Ausrüstung gesichtet. Eine ganze Liste mit Aufträgen war danach an die Schmieden der Waffenmeister geschickt worden.
Eigentlich war an diesem Morgen eine Sitzung des Rates gewesen. Doch dem König war es im Moment wichtiger, den Berg auf die drohenden Auseinandersetzungen mit den Ostlingen vorzubereiten. Und da er später an diesem Tag noch diverse Termine mit Hauptmännern der Wache hatte, vertrat ihn sein Sohn Frerin beim Rat. Dafür war er äußerst dankbar, hielt es ihm doch den Rücken für andere Dinge frei. Dazu kam, dass Frerin sehr viel mehr Talent im Umgang mit manchen schwierigen Mitgliedern des Rates bewies als Thrain es damals hatte. Sein Ältester kam in dieser Hinsicht definitiv nach ihm.
Thorin seufzte unterdrückt. Thrains Abwesenheit zehrte immer noch an ihnen allen. Er konnte nicht umhin, eine Mischung aus Frust und Wut zu verspüren, wenn er an seinen Erben dachte. Allerdings wusste er nicht mehr länger, ob sich die Wut gegen Thrain oder sich selbst richtete.
Um rascher zu Zahina zu kommen, hatte Thorin nicht den Umweg über die hoch im Berg gelegenen Gänge gewählt, die die Wohnviertel miteinander verbanden und sich riesigen Brücken gleich über die tiefen Schächte und Hallen des Berges spannten, sondern eilte geradlinig durch das Viertel der Krieger.
Vor ihm öffnete sich der Gang zu einer der Trainingshallen, aus der er die Geräusche eines kämpfenden Kriegers vernahm. Als er die Schwelle der Halle überschritt und hinab in die steinerne Arena blickte, blieb er überrascht stehen.
Fenja, seine Tochter, wirbelte dort um eine Zwergenattrappe herum. Wie so oft war sie in einen weiten Rock, sowie eine Rüstung aus Leder und Kettenhemd gekleidet. Ihr kraus gelocktes braunes Haar peitschte um sie herum, jeglicher Überrest einer Frisur hatte sich schon lange aufgelöst. Ihr Rock flog ihr um die Füße, als sie sich mit hoher Geschwindigkeit drehte und wendete, eingebildeten Angriffen auswich und nach ihren Wurfdolchen griff, die sie in großer Menge bei sich trug. Mit unglaublicher Präzision warf sie eine dieser Waffen nach der anderen. Allesamt fanden sie ihr Ziel.
Mit einem seltsamen Gefühl im Magen beobachtete Thorin seine Tochter. Fenja war schon immer wild gewesen. Und sie hatte schon früh eine ungemeine Faszination für Waffen und Kampf gezeigt. Kaum, dass sie hatte laufen können, war sie bereits Dwalin und Fili zum Training gefolgt. Mit ihrer Dickköpfigkeit, von der Thorin fürchtete, dass sie diese auch von ihm übernommen hatte, hatte sie endlich durchgesetzt, dass man ihr das Kämpfen lehrte. Und nun war sie eine äußerst fähige Kriegerin geworden, das konnte er nicht leugnen.
Unglücklich presste Thorin die Lippen aufeinander. Nie hatte er gewollt, dass sein kleines Mädchen, seine einzige Tochter, eine Kriegerin wurde. Ihm war es nicht wie Dís darum gegangen, dass eine Dame von hoher Geburt sich mit anderen Dingen als der Kriegskunst zu beschäftigen hatte. Viele Male hatte Dís vergeblich versucht, ihre unbändige Nichte vom Kampf abzubringen.
Nein, Thorin hatte schlichtweg Angst. Angst um seine Tochter. Er kannte die Grausamkeiten des Schlachtfeldes. Wie sollte er jemals ein Auge zu tun, wenn er wusste, dass seine Tochter dort draußen an der Front war?
Thorin liebte jedes einzelne seiner Kinder mit ganzem Herzen. Doch Fenja, sein kleiner ungeschliffener Edelstein... Sie war ihm so kostbar, nie würde er zulassen, dass seiner Tochter ein Haar gekrümmt werden würde.
Mittlerweile hatte Fenja ihre Dolche erschöpft. Ein lauter Schrei entrang sich ihrer Kehle, als sie ihr Kurzschwert zog und nun Angriffe auf die Attrappe vortäuschte.
Langsam ging Thorin die Stufen hinab in die Arena. Mit raschem Griff nahm er sich eines der bereit stehenden Übungsschwerter. Vorsichtig näherte er sich von hinten seiner Tochter, gespannt wie sie reagieren würde.
Als die Zwergin einen Schritt beiseite machte, um auszuholen, war er rasch an ihrer Seite und fing den Hieb mit seinem Schwert ab.
Mit vor Überraschung weit aufgerissenen Augen starrte seine Tochter ihn an. Doch er ließ ihr nicht viel Zeit und eröffnete mit einem raschen Hieb das Gefecht.
Fenja konnte sich erstaunlich gut zur Wehr setzen. Dwalin hatte sie gut unterrichtet. Geschickt wich sie seinen kraftvoll geführten Hieben aus. Um seine eingeschränkte Beweglichkeit seit der Schlacht der fünf Heere wissend, tanzte sie leichtfüßig um ihn herum, selbst für eine Zwergin ungemein flink.
Doch war sie bei weitem noch nicht so ausdauernd wie ihr Vater und so gelang es Thorin, ihr die Waffe aus der Hand zu schlagen. Mit einem anerkennenden Funkeln in den Augen hob er kurz die Spitze des Schwertes angedeutet in Richtung ihrer Kehle, ließ die Waffe dann aber sofort wieder sinken.
„Du bist gut geworden.", lobte er, „Deine Beinarbeit ist beeindruckend."
Die junge Frau lächelte schwach ob des Lobes, zog aber sofort die Augenbrauen in einer mürrischen Geste zusammen. „Allein es bringt mir nichts!", knurrte sie, „Ich bin hier eingesperrt und kann nichts machen, außer trainieren und trainieren und hoffen, dass die Feinde unseres Volkes irgendwann hier her kommen!"
Sie bückte sich ungehalten nach ihrer Waffe, mit jeder Faser ihres Körpers Frust und Ungeduld ausstrahlend.
„Wünsche dir so etwas nicht!", sagte Thorin streng. „Stehen unsere Feinde hier vor dem Erebor bedeutet dies, dass unzählige Zwerge gefallen sind. Ruhm auf dem Schlachtfeld ist kein einziges Leben wert."
Fenja, die erneut mit der Waffe auf die Attrappe hatte los gehen wollen, senkte schuldbewusst den Kopf. Unglücklich sah sie zu ihm. „Verzeih Adad*...", murmelte sie, „Verstehst du gar nicht, wie ich mich fühle?"
Bei Durin! Thorin seufzte. Natürlich verstand er sie. Er wusste nur zu gut, wie es war, nicht kämpfen zu können, auch wenn man nichts sehnlicher wollte, als seinen Beitrag zu leisten. Als König war er dazu verdammt, hier im Berg zu sitzen. Nur selten konnte er zu den Truppen reiten, die Fili unterstellt waren.
Er umfasste ihre Schultern. „Doch,", sagte er sanft, „ich verstehe dich sehr gut, Fenja."
„Dann lass mich gehen!", rief sie aus, Tränen in den Augen. „Bitte Adad! Du weißt, ich kann kämpfen. Ich bin eine Tochter Durins und ich kann nicht tatenlos hier sitzen! Lass mich bitte kämpfen, für unsere Familie, für unser Volk!"
Thorin schloss die Augen. Sie war doch noch so jung. Ein Kind, noch nicht volljährig! Sie wusste nicht, was sie erwartete. Doch hatte er das gewusst, damals als Smaug sie plötzlich zu Heimatlosen machte und sie um ihre Heimat kämpfen mussten?
Langsam, ganz langsam nickte er, den Knoten aus Stein in seinem Magen ignorierend. Ein Stoßgebet sandte er an Mahal, über sein Kind zu wachen. Dann sagte er leise: „Reite zum Regiment der Steinbärte, dort schließt du dich der Verteidigung der östlichen Eisenberge an."
Es war die sicherste Stellung, die er ihr zuweisen konnte, das wussten sie beide. Die Steinbärte waren eine kleine Eliteeinheit, deren Mitglied auch Thrain eine Zeit lang gewesen war. Im Moment verstärkten sie einen Teil von Dains Truppen. Dort würde sie von vielen fähigen Kämpfern umgeben sein, die die Prinzessin schützen würden.
Doch allein die Aussicht, dem untätigen Warten im Berg zu entkommen, ließ Fenjas Augen aufleuchten. Stürmisch umarmte sie Thorin, küsste ihn übermütig auf beide Wangen. „Danke!", rief sie aus, „Danke Vater, ich werde dich nicht enttäuschen!" Und schon stürmte sie davon.
Ich will nicht, dass du mich nicht enttäuschst, ging es Thorin betrübt durch den Kopf, ich will, dass du lebst.
Langsam lenkte er seine Schritte aus der Halle und weiter zu Zahinas Gemächern. Noch lange hingen seine Gedanken der Angst um Fenja nach. Wo waren die letzten Jahrzehnte hin, in denen sie noch abends auf seinen Schoß gekrabbelt war?
Es schien ihm, als würde er gerade alle seine Kinder verlieren. Erst war Thrain geflohen, nun zog es Fenja fort. Wer würde als nächster gehen? Bitterkeit bemächtigte sich seiner. War dies das Los der Alten? Sich verlassen und einsam zu fühlen? Oder flohen nur seine Kinder aus seiner Nähe?
Noch immer in trübseligen Gedanken gefangen, erreichte er schließlich die Tür zu Zahinas Räumen. Schwermütig klopfte er an.
Die Tür schwang auf. „Thorin!", begrüßte Zahina ihn freudig strahlend und umarmte ihn. Stirnrunzelnd sah sie ihn an. „Was hast du?", fragte sie sorgenvoll.
„Fenja...", murmelte Thorin leise und folgte seiner Freundin in ihr Zuhause, „Ich habe ihr erlaubt, sich den Kämpfen an den Grenzen anzuschließen."
Schwerfällig ließ er sich auf dem mit grünem Samt bespannten Diwan in Zahinas Salon sinken. Mit zwei Kelchen Wein kam die Zwergin zu ihm und setzte sich neben ihn, einen Kelch weiter reichend. Schweigend stießen sie an und Thorin leerte mit einem raschen Zug seinen Becher.
„Sie ist so jung...", flüsterte er.
Beruhigend strich Zahina ihm über den Rücken. „Ich habe gehört, deine Tochter ist eine großartige Kämpferin.", sagte sie sanft, „Was anderes erwartete ich bei ihrem Vater auch nicht. Es wird ihr gut gehen."
Thorin hob den Blick und begegnete dem ihren. Warm und verständnisvoll lächelte die Zwergin ihn an.
„Nun komm!", rief sie munter aus, „Wir bringen dich auf andere Gedanken!"
Sie sprang auf, drehte sich einmal, so dass ihr hellgrünes Kleid um sie herum wirbelte und streckte grinsend die Hände nach ihm aus.
Mit einem nachsichtigen Schmunzeln gab Thorin nach und erhob sich.
Schon früher hatte Zahina es schnell geschafft, ihn aufzumuntern. Kurz blitzte in seinen Gedanken die Erinnerung an die junge Zwergin auf, die er damals kennen gelernt hatte. Stolz und wunderschön war sie gewesen, mit ihrem glänzenden, schwarzen Haar, der hellen Haut, dem edlen Schmuck und ihrer herrschaftlichen Haltung. Eine wahre Zwergin in all der Pracht einer adeligen Tochter Durins.
Lebhaft und abenteuerlustig war sie gewesen und voller Ambitionen für ihre Zukunft. Ihre Familie hatte sehr hohe Erwartungen in Zahina gesetzt, dass sie in eine mächtige Familie einheiraten und so den Einfluss ihrer Sippe mehren würde. Und Thorin hatte sich kaum eine stolzere Zwergin an seiner Seite vorstellen können. Stundenlang hatten die beiden Zwerge über die Tage, die noch vor ihnen lagen, sprechen können.
Zahina hatte schnell die Gedanken des jungen Thorin beherrscht. Mit einem leisen Lächeln dachte er an die Nächte, in denen er stundenlang wach gelegen und von ihr geträumt hatte. Erinnerungen an Herzrasen, schweißnasse Hände und so manchen Tagtraum huschten durch seine Gedanken.
Sie hatte nichts von ihrem Charme verloren, dachte er, als er ihre weichen Hände ergriff.
Ein letztes Mal tauchte Lyrann ihre Schreibfeder in das Tintenfass und machte sich eine Notiz. Dann rollte sie die Berichte über ausgebrachte Saaten auf den Feldern, Hospitalangelegenheiten und über das Bogenschützenregiment zusammen und streckte sich gähnend. Als sie gekrönt worden war hätte sie nie gedacht, dass so viel Papierkrieg auf sie zukommen würde. Nun, da sie sich zusätzlich mehr mit den Gefechten an den Grenzen befasste, wurden ihre Tage immer länger.
„Wie weit bist du?", rief sie durch die offene Tür in das benachbarte Zimmer, dem Arbeitszimmer ihres Mannes. „Fast fertig!", erklang Thorins Stimme.
Sie erhob sich, richtete den weiten Rock ihres dunkelroten Kleides und zupfte das Korsett zurecht, dann löschte sie die Kerzen in ihrem Zimmer und ging nach nebenan. Der König unter dem Berge saß noch an seinem Schreibtisch, über einen Berg Pergament gebeugt. Das Arbeitszimmer Thorins war genau wie Lyranns mit einem ausladenden Schreibtisch, einem silbergeschmückten Kamin und einem kleinen Regal eingerichtet. Auf den gemütlichen Sessel, in dem Lyrann sich gerne fläzte, um ein wenig zu entspannen, hatte er allerdings verzichtet.
Lyrann trat hinter ihren Mann und legte ihm die Hände auf die Schultern. Mit sanftem Druck begann sie seinen Nacken zu massieren und küsste ihn dabei sacht auf den Scheitel. Thorin brummte entspannt und drehte sich kurz zu ihr um. Ein Lächeln huschte über seine Züge. „Geh ruhig schon und iss was. Ich muss hier noch kurz was beantworten.", sagte er und hob eine Pergamentrolle hoch, die Lyrann, da vollkommen ohne Siegel, als privates Schreiben erkannte.
„Wem schreibst du?", fragte sie.
„Zahina.", antwortete Thorin und wandte sich wieder dem Schreiben zu, „Ich lade sie zu dem Fest zum Jahrestag unserer Vermählung nächste Woche ein."
Lyranns Gesicht gefror. Ihre Hände auf Thorins Schultern verkrampften. „Ach, Du lädst sie ein?", fragte sie mit heller Stimme.
Thorin nickte. „Allerdings.", erwiderte er, „Sie ist eine alte Freundin von mir, die mir viel bedeutet."
Schweigend stand Lyrann da, während ihr Mann sein Schreiben beendete. Ihre Kiefer mahlten, während die Erinnerung an die Beleidigung durch Zahina ihr nur allzu lebendig vor Augen stand. Zornig wünschte sie der Zwergin die Pestilenz an den Hals. Wäre sie doch nur in dem Angriff umgekommen! Dann müsste sie sich nun nicht mit dieser eingebildeten Person herum schlagen!
Thorin beendete seine Notiz und erhob sich. Stirnrunzelnd sah er Lyrann an, deren Blick nur zu deutlich verriet, was in ihr vorging.
Ernst meinte er: „Lyrann, ich kenne Zahina seit langer Zeit. Wir standen uns sehr nahe, zudem ist sie eine Zwergin von hoher Geburt. Es wäre unhöflich, sie nicht einzuladen! Außerdem will ich, dass sie kommt."
Kalt verschränkte Lyrann die Arme vor der Brust und entzog sich ihrem Mann, als dieser sie in den Arm nehmen wollte. „Ich finde es lediglich auffällig, wie viel Zeit du mit deiner ehemaligen Verlobten verbringst. Mehr noch als mit anderen unserer Freunde wie Dwalin.", schnappte sie kalt.
Thorin rang die Hände. „Liebste, es gibt absolut keinen Grund für dich, dir Sorgen zu machen.", erwiderte er, „Ich verstehe, dass es nicht leicht für dich war, auf diese Art von ihr zu erfahren. Doch kannst du nicht wenigstens versuchen, ihr eine Chance zu geben?"
Schnaubend erwiderte Lyrann: „Das würde ich vielleicht, wenn ich das Gefühl hätte, dass sie mir auch nur einen Hauch von Respekt entgegen bringt!" Sie traute Zahina nicht, würde ihr niemals trauen. Die Worte, die Zahina an sie gerichtet hatte, hatten ihr gezeigt, welches Ziel die Zwergin hatte. Für Thorin jedoch war sie die alte Spielgefährtin aus den unbesorgten Jugendtagen!
Erstaunt hob Thorin die Augenbrauen. „Ich wusste nicht, dass du so viel Wert auf die Etikette der Ehrerbietung legst.", sagte er, „Außerdem bin ich mir sicher, dass Zahina dich respektiert. Sie ist eine Zwergin, du bist die Königin unter dem Berge. Warum sollte sie dich nicht respektieren?"
Weil sie den Thron will, ging es Lyrann durch den Kopf. Doch sie sagte nichts. Sie war zu stolz, um sich bei ihrem Mann über Zahinas Wort zu beschweren. Dies war ein Problem, das sie ohne ihn lösen würde.
Musik erfüllte den Saal, den die königliche Familie seit vielen Jahren für Feste nutzte. Feuer flackerte in den unzähligen Kaminen, die sich an den Längsseiten der Halle entlang zogen. Über den Köpfen der Feiernden funkelten Kronleuchter aus kostbarem Kristall.
Lyrann saß gemeinsam mit Thorin an der Stirnseite der Tafel. Zufrieden lehnte sie sich zurück, als der letzte Gang abgetragen wurde. Bombur hatte, obwohl er selbst als Gast eingeladen war, es sich nicht nehmen lassen, das Menü für den Abend zusammen zu stellen. Der letzte Bissen der Sahne-Honig-Creme, mit Nüssen und Pflaumen verfeinert, schmeckte noch köstlich auf Lyranns Zunge nach.
Sie warf einen Blick auf ihren Mann, der diesen lächelnd erwiderte. Wie von selbst fanden ihre Hände sich und verflochten ihre Finger miteinander. So war sie glücklich, unangefochten an der Seite Thorins, des Mannes, den sie liebte.
Ihr Blick schweifte über die Gesellschaft, die für die Feier des Hochzeitstages von König und Königin unter dem Berge zusammen gekommen war. Natürlich waren da ihre Familienmitglieder: Dís und Kili mit Tauriel , sowie Frerin und Rhon, Fili war nach wie vor bei den Soldaten an der Grenze. Die Mitglieder ihrer Gemeinschaft, die noch im Erebor weilten, waren ebenfalls da, Dwalin, Bombur, Bifur und Bofur, sowie Dori. Brand und seine Ehefrau waren aus Thal gekommen, der alten Tilda hatte man den Weg nicht zumuten wollen. Einige Mitglieder des Rates waren anwesend, unter ihnen Karelia und Mim. Und zuletzt war da noch Zahina.
Grimmig musterte Lyrann die Zwergin, die einfach wunderschön und strahlend mit ihrem hellroten Kleid und dem ganzen Goldschmuck war. Sie saß zwischen Mim und dem alten Krudd aus dem Rat, lachte und scherzte fröhlich und schien ihre ganzen Tischnachbarn blendend zu unterhalten. Ihre Stimme klang bis zu Lyrann hinüber.
Die versuchte sich von dem ungemütlichen Gast abzulenken und wollte eben mit Thorin ein Gespräch beginnen, als dieser sich erhob. „Verzeih mein Liebe.", sagte er und küsste sie sachte auf die Stirn, „Aber wenn ich noch länger sitze, schlafe ich ein." Vorsichtig löste er ihre verschlungen Finger und schlenderte am Tisch entlang, bis er neben Dwalin zum Stehen kam. Sein Freund erhob sich und bald waren die beiden Männer in ein angeregtes Gespräch vertieft.
Seufzend biss Lyrann sich auf die Lippen. „Geht es dir gut?", erklang da die Stimme ihrer Schwägerin. Mit wissendem Lächeln hatte Dís sich zu ihr hin gebeugt.
„Ach, alles ist in Ordnung.", erwiderte Lyrann und verdrängte den Wunsch, Thorin wieder an ihrer Seite zu haben. Seit sie von dem regen Kontakt zwischen Thorin und Zahina wusste und um ihre gemeinsame Vergangenheit, fiel es ihr deutlich schwerer, sich als die Frau an Thorins Seite sicher zu fühlen.
Sie wandte sich Dís zu, um ein wenig zu plaudern. Über Dís' Schulter erblickte sie Brand, der mit seiner Frau und Karelia ein wenig an der Längsseite der Halle spazierte. Doch nur kurze Zeit später ließ eine Bewegung sie wieder innehalten. Zahina hatte sich erhoben und ging nun forsch auf Thorin zu. Dwalin unterhielt sich lautstark lachend mit Kili, Tauriel und Bofur, während Thorin nur zuhörend und mild lächelnd daneben stand. Scheinbar hatte die Zwergin ihre Chance gewittert.
Lyranns Hand ballte sich zur Faust, als sie beobachtete, wie Zahina Thorin ansprach. Doch sie zwang sich zu einem Lächeln und nahm den Gesprächsfaden mit Dís wieder auf. Allerdings fiel es ihr äußerst schwer, sich auf die Unterhaltung mit ihrer Schwägerin zu konzentrieren. Immer wieder huschten ihre Augen zu Zahina, die sich nun bei Thorin untergehakt hatte und mit ihm durch den Raum schlenderte. Sie kuschelte sich dabei nah an den König, ungebührlich nah, wie Lyrann fand.
Ihre Finger krallten sich in eine Serviette, während sie sich um einen ruhigen Atem bemühte. Das starke Bedürfnis, Zahina an die Kehle zu gehen, ließ sich nur sehr schwer kontrollieren. Wie gerne sie der Zwergin in einer Arena gegenüber gestanden hätte! Sie würde die Konkurrentin grün und blau prügeln! Doch hier ging das nicht. Sie war die Königin und hatte sich dementsprechend zu benehmen. Eine Eifersuchtsszene würde den Anschein erwecken, sie wäre nur ein unsicheres Mädchen, das Königin spielte.
Und so atmete sie tief durch und gab sich redliche Mühe, weiterhin mit Thorins Schwester zu reden. Nach außen hin gab sie sich entspannt, lediglich die Serviette in ihrem Schoß wurde Zeugin der Wut, die in Lyrann brodelte.
Die Musikanten änderten die Spielweise und nun erklangen fröhliche Tänze im Raum. Kili nutzte sofort die Gelegenheit und zog seine Tauriel ein wenig von den Tischen fort, wo beide anfingen, zu tanzen. Dís und Lyrann unterbrachen kurz ihr Gespräch und beobachteten die beiden lächelnd.
Da trat ein weiteres Paar auf die Tanzfläche. Und diesmal konnte Lyrann ein zornerfülltes Knurren nicht mehr unterdrücken. Der erste Tanz dieses Abends hätte ihr gehören sollen! Dies war die Feier ihres Hochzeitstages!
Zahina zog Thorin, der sich nur wenig zu sträuben schien auf die Tanzfläche. Sein Protest wurde jedoch von seinem erheiterten Grinsen Lügen gestraft. Und so begannen die beiden zu tanzen.
Lyrann schloss kurz die Augen, um sich wieder in den Griff zu bekommen. Ihr war schlecht. Es passiert nichts Schlimmes, mahnte sie sich innerlich. Zahina übertrat keine Grenze Thorin gegenüber. Allerdings war es nur zu klar, was sie tat. Sie drängte sich an die Seite Thorins und machte Lyrann damit ihren Platz strittig.
Ein Lied nach dem anderen wurde gespielt und Zahina belagerte Thorin noch immer. Die beiden tanzten nun schon eine Ewigkeit. Zahina lachte und kokettierte. Und auch Thorin wirkte fröhlich und schien die Unterhaltung zu genießen, auch wenn er immer wieder Anstalten machte, zu seinem Platz zurück zu kehren. Seine Tanzpartnerin aber schaffte es immer wieder, jede dieser Anwandlungen im Keim zu ersticken. Tatsächlich schien Thorin die Aufmerksamkeit zu mögen.
„Nun,", sagte Dís da spitz, „Zahina scheint sich auf dem Fest ja äußerst wohl zu fühlen."
Lyrann nickte steif, die Serviette war mittlerweile zu einem kleinen Knäuel gepresst worden. Widerstreitende Gefühle kämpften in ihr. Ein Teil von ihr wollte zu Zahina gehen und ihr mindestens eine kräftige Ohrfeige verpassen, ein anderer Teil wollte den Saal verlassen und die erneute Demütigung nicht länger ansehen. Sie fing Dwalins Blick auf, der sie mit gerunzelter Stirn beobachtete. Auch anderen Gästen schien aufgefallen zu sein, dass der König bereits sehr lange mit einer bestimmten Dame tanzte.
Hilfesuchend blickte Lyrann zu Dís. Die Zwergin beobachtete Zahina und ihren Bruder mit zusammengezogenen Augenbrauen. „Wenn er sich nicht bald von ihr losreißt, wird das noch Gerüchte geben.", murmelte sie. Bei dem Anblick von Lyranns kalkweißem Gesicht, lächelte sie aufmunternd. „Keine Sorge, du bist und bleibst Thorins Liebe.", sagte sie und tätschelte Lyranns Hand.
Doch Lyrann hatte sich endlich zu einem Entschluss durchgerungen. Es reichte ihr!
Abrupt erhob sie sich. Mit einer Hand richtete sie die Krone auf ihrem Haupt, mit der anderen ordnete sie den weiten Rock ihres schweren, dunkelblauen Kleides. Zu ihrer vollen Größe aufgerichtet stolzierte sie auf Thorin und Zahina zu, alle Autorität in ihren Gang legend, die sie aufbringen konnte. Sie war sich nur zu deutlich der Blicke aller Gäste auf ihr bewusst.
„Thorin!", sagte sie mit tragender Stimme, gerade, als ein weiterer Tanz verklang.
Zahina und Thorin wandten sich ihr zu. Die Musikanten begannen bereits die ersten Takte des nächsten Tanzes zu spielen und Lyrann hielt Thorin nur auffordernd ihre Hand hin.
Ein Lächeln das von leichtem Schuldbewusstsein sprach, umspielte Thorins Mundwinkel. Trotz Zahinas leisem Protest, ließ er die Hände der Zwergin los und trat auf seine Frau zu.
„Ich dachte schon, du hättest vergessen, was wir heute feiern.", sagte Lyrann gleichmütig, als sie anfingen, zu tanzen. „Das könnte ich doch nie, meine Schöne.", erwiderte Thorin liebevoll. Mit viel Mühe schaffte es Lyrann, ihr Gesicht ruhig zu halten und sich nicht den Triumph ansehen zu lassen, den sie verspürte, als Zahina sich auf ihren Platz zurück zog.
*Vater
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