Nach dem Kampf
„SIEG!", brüllte Thrain.
„Sieg!", schrie er erneut aus Leibeskräften und riss seine Doppelaxt triumphierend in die Höhe. Überall um ihn her stimmten Zwerge, Elben und Menschen in den Jubelruf ein.
Die Schlacht war vorbei. Der Nazgul war tot, die Feinde flohen kopflos in alle Himmelsrichtungen davon und sie, sie hatten überlebt trotz aller Hoffnungslosigkeit der letzten Tage und Wochen.
Erfüllt von dem überwältigenden Gefühl des Sieges sah Thrain sich um. Die Orks, Ostlinge, Trolle, Warge und Spinnen rannten fort vom einsamen Berg. Er konnte erste Gruppen an Soldaten sehen, die sich an die Verfolgung machten. Einige Reiter auf ihren Kriegsziegen ritten eine fliehende Spinnengruppe nieder, ein Pfeilhagel ging auf die Ostlinge nieder, die eilig versuchten, dem Schlachtfeld zu entkommen.
Dankbar dachte Thrain an Frodo. Der Halbling hatte seine Aufgabe erfüllt. Wie es ihm wohl erging? Thrain hoffte, dass die Zerstörung des Ringes nicht Frodos Leben gefordert hatte.
Suchend sah der junge König sich um. Wo war seine Familie?
Da erspähte er Rhon und eilte rasch auf den Schwarzhaarigen zu.
„Rhon!", rief er und zog ihn in eine Umarmung. „Geht es dir gut?"
Forschend betrachtete er den Jüngeren, doch außer einigen leichten Kratzern schien dieser unverletzt.
Noch bevor Rhon etwas antworten konnte, war Lyrann plötzlich von der Seite heran gestürmt und beide Männer fanden sich in einer festen Umarmung wieder.
„Rhon, Thrain!", rief ihre Mutter, „Ich bin so froh, dass ihr unverletzt seid."
Lächelnd löste Thrain sich von ihr. „Wurdest du verletzt, Amad?", fragte er und sah Lyrann an. Die Königinmutter lächelte und schüttelte den Kopf. „Mir geht es gut.", erwiderte sie. Dann fragte sie drängend: „Wo sind die Zwillinge? Habt ihr Fenja und Frerin gesehen?"
„Amad!", erklang da die Stimme Frerins von der Seite. Thrain wirbelte herum und sah voller Erleichterung Frerin auf sie zuhumpeln. Mit zwei raschen Schritten war er bei ihm, doch da hatte Lyrann schon ihren zweiten Sohn in die Arme gezogen.
Besorgt blickte Thrain auf Frerin. Dieser hatte einen schweren Schnitt an der Stirn, das braune Haar war verklebt von Blut. „Die Wunde solltest du behandeln lassen, Bruder.", meinte er, kaum, dass Lyrann von Frerin abgelassen hatte und dieser nun zuerst Thrain, dann, mit erstauntem und erfreutem Lachen, auch Rhon in die Arme nahm.
Mit einem Nicken nahm Frerin die Anweisung zur Kenntnis. „Wo ist Fenja?", hakte Rhon nach und Frerin wies mit einem leisen Lachen nach hinten. Thrains Blick folgte der Richtung und da sah er Fenja und Skafid eng umschlungen da stehen, die Gesichter Stirn an Stirn aneinander gelehnt. Er grinste vor sich hin und liebevolle Wärme erfüllte sein Herz. Neben sich hörte er Lyrann leise auflachen.
Schließlich löste sich das junge Paar voneinander und Fenja eilte zu ihrer Familie, Skafid folgte ihr langsam. Liebevoll schloss Fenja erst ihre Mutter, dann die Brüder in die Arme. „Rhon!", rief sie voller Freude und Dankbarkeit und brach dem kleinen Bruder fast die Knochen bei der Umarmung.
Thrain ließ einen Blick durch die Runde schweifen, dann wandte er sich rasch ab und eilte zu Jari hinüber, der mit geschlossenen Augen und flach atmend am Boden lag.
„Jari!", rief er und kniete neben dem Freund nieder. Dieser öffnete langsam die Augen und blickte zu ihm hoch.
„Du lebst ja noch immer, Viertelelb...", brummte der Krieger schwach.
Thrain lachte. Endlich schien der Zorn Jaris über seinen Fortgang verraucht zu sein. Er schob vorsichtig Jaris Kettenhemd beiseite, um die Wunde an seiner Schulter zu begutachten. Dunkel schien das Fleisch darum verfärbt zu sein.
„Du brauchst dringend einen Heiler!", rief er.
In dem Moment tauchten seine Geschwister und Skafid bei ihm auf.
„Frerin,", rief Thrain, „geh in den Berg und lass deine Wunde versorgen. Die Heiler sollen so viele wie möglich nach draußen schicken!"
Doch der Auftrag wäre gar nicht nötig gewesen, denn eben öffneten sich die Tore des Berges und dutzende Heiler und andere Zwerge kamen nach draußen geströmt, um zu helfen.
Skafid legte Thrain sacht eine Hand auf die Schulter. „Ich bleibe bei Jari, Thrain.", sagte er, „Du wirst genug zu tun haben."
Mit einem dankbaren Lächeln nickte Thrain, fasste noch einmal kurz nach Jaris Hand und erhob sich. Skafid ließ sich neben Jari nieder und Thrain hörte noch, wie der Glatzkopf sagte: „Jetzt mach dir nicht ins Hemd, Skafid. Ich bleib schon am Leben. Einer muss ja auf dich Hänfling aufpassen."
Thrain sah kurz Frerin nach, der in Richtung Erebor humpelte, dann blickte er zu Fenja und Rhon.
„Rhon,", begann er, „kümmer dich bitte darum, dass die Elben die Hilfe bekommen, die sie benötigen. Und du Fenja, suche bitte Utarth und Kharuyr. Sie sollen ihre Männer in den Berg bringen und versorgen lassen."
Die beiden nickten, Fenja sah noch kurz zu Skafid, der mit liebevollem Blick sagte: „Geh nur, wir haben viel Zeit..."
Rasch eilten die zwei Zwerge davon und Thrain wandte sich dem Schlachtfeld um ihn her zu.
Krieger der Zwerge, Elben und Menschen liefen umher, suchten nach Freunden oder Verwandten. Manche von ihnen erschlugen letzte Feinde, die es noch nicht geschafft hatten, zu entkommen. Andere wiederrum trugen oder stützten Verletzte auf dem Weg zum einsamen Berg oder sie knieten am Boden und trösteten Sterbende.
Und nun, wo etwas Ruhe in Thrain einkehrte, hörte er das Weinen und die verzweifelten Rufe der Hinterbliebenen. Die letzte Schlacht war geschlagen und der Krieg vorbei, doch der Preis war unvorstellbar hoch. So viele waren gefallen, so viele verwundet an Körper und Seele...
Er ging zu einem humpelnden Krieger hin und half diesem ein Stück weit in Richtung des Berges, bis ein Kamerad des Zwerges ihnen entgegen kam und dem Verwundeten half.
Er drehte sich wieder dem Schlachtfeld zu und da erblickte er Tauriel, die langsam auf den Berg zukam. In ihren Armen trug sie eine kleine, dunkelhaarige Gestalt. Ihr Gesicht war bleich und vor Kummer verzerrt. Neben ihr lief Fili, der Ausdruck in seinen Augen ließ Thrains Inneres zu Eis gefrieren.
„Nein...", flüsterte er, „Kili!"
Er rannte los und war innerhalb kürzester Zeit bei den dreien. Tauriel hielt an und ging auf die Knie runter, sodass Thrain, der neben ihr zu Boden sank, auf das Gesicht seines toten Vetters hinabblicken konnte. Fassungslos tastete er über Kilis Antlitz. Er wollte es nicht wahrhaben... Kili durfte nicht fort sein!
Doch der Bogenschütze schlug die Augen nicht mehr auf. Er war gefallen, so wie sein Onkel, wie Daín und Balin und so viele andere.
„Kee...", Filis Stimme durchbrach die grauenerfüllte Stille.
Der gestandene General sackte schluchzend neben Tauriel und Thrain zusammen. Am ganzen Körper bebend beugte er sich über Kili, die Finger in die Arme seines kleinen Bruders gekrallt.
Thrain starrte auf Fili. Nie hatte er seinen Vetter weinen sehen.
Tauriel legte einen Arm um den Bruder ihres Gefährten und leise weinend drückte sie das Gesicht in Filis Haar, während beide sich gegenseitig Trost spendend trauerten.
Lyrann ging mit langsamen Schritten zwischen den Kriegern umher. Mit leisen Worten sprach sie mit ihnen, stützte Verwundete auf ihrem Heimweg, spendete Sterbenden Trost oder hörte sich die Berichte der Überlebenden an.
Dankbarkeit begegnete ihr, wohin sie auch ging. Zwar war sie nicht mehr die Königin unter dem Berge, doch noch immer sahen die Zwerge zu ihr auf. Ihre Augen leuchteten, wenn Lyrann zu ihnen kam und ihre Sorgen und Ängste waren zumindest ein wenig durch ihre Anwesenheit gelindert.
Ein schwaches Lächelnd glitt über Lyranns Gesicht. Sie war dankbar für die Liebe dieses Volkes, welche ihr auch jetzt nach dem Tod Thorins Rückhalt bot.
Sie wandte den Blick zum Erebor und dachte an Thorin gewandt: Unser Volk hat überlebt. Der Krieg ist vorbei und unsere Kinder sind in Sicherheit... Und du fehlst mir so sehr!
Erneut fraß sich der Schmerz in ihr Herz hinein und für einen kurzen Moment schloss sie die Augen, sich der Trauer hingebend. Hätte Thorin doch nur überlebt, so hätte sie jetzt an seiner Seite den Sieg feiern können! Doch die Sehnsucht nach ihm würde nun für immer ein Teil von ihr sein. Gleichzeitig aber auch war sie von tiefer Dankbarkeit erfüllt, für die Liebe, die sie beide verbunden hatte, und für die gemeinsame Zeit, die sie gehabt hatten. Mit einem liebevollen Lächeln öffnete sie die Augen wieder und sah sich um.
Und da sah sie plötzlich Tauriel am Boden knien, Fili und Thrain an ihrer Seite und ihre Eingeweide verschlangen sich zu einem Knoten. Eine grauenhafte Vorahnung erfüllte sie und sie eilte los.
Die Elbin barg Kili in ihren Armen, weinend waren sie und Fili über den Zwerg gebeugt. Thrain hockte neben ihnen am Boden, Fassungslosigkeit in den Augen.
„Kili!", flüsterte Lyrann und ging neben ihnen auf die Knie. Vorsichtig berührte sie Fili an der Schulter, suchte Tauriels Blick. Ihr Herz zog sich voller Kummer zusammen. Kili war wie ein kleiner Bruder für sie gewesen. Wie viele Abschiede musste sie noch hinnehmen? Wie viele konnte sie noch verkraften? Bittere Tränen flossen über Lyranns Wangen, während sie auf das Gesicht des Freundes hinabblickte, das so wirkte, als würde er einfach schlafen.
Schließlich tauchten Zwerge mit einer Bahre bei ihnen auf, sachte legte Tauriel ihren Geliebten darauf ab und von Fili gestützt erhob die Elbin sich.
„Lasst uns in den Berg gehen.", flüsterte Thrain und nebeneinander gingen sie zum Erebor. Fenja, Frerin, Skafid und Rhon schlossen sich ihnen bald an.
„Kili! Kili!", die gellenden Schreie Dís' hallten ihnen entgegen, kaum, dass sie das Hauptportal durchschritten hatten. Mit gerafften Röcken und vollkommen aufgelöst kam die Zwergin auf sie zugerannt.
Die Soldaten stellten die Bahre ab und laut aufschluchzend warf sich Dís auf die Leiche ihres Sohnes. „Kili!", rief sie immer und immer wieder den Namen des Toten. Liebevoll nahm sie sein Gesicht in ihre Hände, bedeckte es mit Küssen und strich ihm voller Liebe das Haar aus dem Gesicht. „Mein kleiner Schatz...", wimmerte Dís.
Vorsichtig trat Lyrann vor und kniete neben ihrer Schwägerin nieder, legte die Arme um Dís, die sich weinend gegen sie lehnte. Sanft streichelte Lyrann den Rücken der Zwergin und hielt sie fest, während sich ihre eigenen Augen erneut mit Tränen füllten.
Nach einiger Zeit erhob sich Dís und ging zu Fili und Tauriel, die beide wie zu Stein erstarrt neben Kili standen. Weinend fielen sich Mutter und Sohn in die Arme. Dís streckte die Hände nach Tauriel aus, die dankbar gegen die Zwergin sackte, ihrem Kummer freien Lauf lassend.
Eine weitere Bewegung in der Menge lenkte Lyranns Aufmerksamkeit auf sich. Zwischen den hunderten Zwergen, Menschen und Elben, die sich nun hier in der Halle drängten, kam eine blonde Zwergin auf sie zugerannt.
„Thrain!", rief sie laut, „Thrain!"
Thrain drehte den Kopf und sein Gesicht leuchtete auf. „Ira!", erwiderte er den Ruf und er eilte ihr entgegen.
Voll freudiger Verwunderung beobachtete Lyrann, wie Thrain die blonde Zwergin in seinen Armen auffing, durch die Luft wirbelte und dann leidenschaftlich küsste. Atemlos hielt sich das Mädchen namens Ira an Lyranns Sohn fest, sie strahlte ihn an, die Augen leuchtend vor Glück und Liebe.
Lyrann lächelte und begnügte sich für einen Moment damit, die beiden heimlich zu betrachten. Sie hatte von einer Zwergin gehört, die einen besondern Platz in Thrains Herzen hatte. Doch in den Tagen vor Thorins Tod war nicht viel Zeit gewesen, über solche Dinge zu sprechen. Und danach... Entschlossen schob Lyrann das schlechte Gewissen beiseite, dass sie nicht für ihren Sohn da gewesen war. Nun würde sie es anders machen. Ihre Kinder konnten auf sie zählen.
Ira... Hatte sie das Mädchen nicht schon einmal gesehen, fragte sie sich. Doch, das war doch die Kleine gewesen, die im Winter nach der Schlacht der fünf Heere so schwer krank gewesen war! Lyrann lachte leise. Sie freute sich darauf, die Bekanntschaft auszuweiten und zu erfahren, wie Thrain und Ira einander begegnet waren, denn sie ahnte, dass dies nicht hier im Erebor geschehen war.
Man hatte Kili die ganze Nacht über neben dem Grab seines Onkels in der Grotte an den Wurzeln des einsamen Berges aufgebahrt. Er war nicht der einzige Tote dieser Schlacht. Die gesamte Nacht über hatten die Zwerge des Erebor ihre gefallenen Krieger bestattet. Trauergesänge und Klagen waren durch die Gänge des Berges gezogen. Hunderte Leben hatte die letzte Schlacht um den einsamen Berg gefordert. Ein hoher Preis für den Frieden, den sie endlich wieder erlangt hatten.
Auch Elben und Menschen waren bei dem Kampf gefallen. Thranduil war sofort nach Ende der Schlacht mit den Toten seines Volkes zurück zum Düsterwald aufgebrochen, damit diese dort gemäß elbischem Ritus bestattet werden konnten.
Kelra hatte nahe der Stadt Thal, aus der nun auch die letzten Feinde vertrieben worden waren, große Scheiterhaufen errichten lassen. Deren Flammen loderten die ganze Nacht hindurch, die Körper der gefallenen Menschen verzehrend. Die Menschen würden nun Thal wieder in Besitz nehmen und die Spuren der Eindringlinge beseitigen.
Weit entfernt von den Scheiterhaufen der Menschen hatte man die Leichen der erschlagenen Feinde entzündet. Es würde noch Tage dauern, bis alle Spuren des Kampfes beseitigt waren.
Nun, am Morgen nach der Schlacht, fanden sich hunderte Zwerge in der Grotte ein, um sich von dem General zu verabschieden. Kili wurde als einer der letzten Toten beerdigt. Unzählige Kerzen erhellten die Höhle, als die Priester sich über Kilis Leiche beugten und den rituellen Segen über die Toten sprachen.
Kummervoll blickte Lyrann auf das Gesicht ihres Freundes und angeheirateten Neffen hinab und ihr Geist reiste zurück in die Vergangenheit, zu dem Moment, als sie Kili das erste Mal getroffen hatte.
Es war in dem Geheimgang nach Imladris gewesen, dicht bei Thorin hatte er gestanden, den Bogen im Anschlag, jederzeit bereit, seinen Onkel mit seinem Leben zu verteidigen. Tiefe Loyalität hatte den jugendlichen Krieger schon damals ausgezeichnet. Doch trotz seiner Liebe zu Thorin war er auch einer der Ersten gewesen, die auf die Außenseiterin Lyrann zugegangen waren. Mit einem mit einem leichten Lächeln erinnerte sie sich an die gemeinsamen Gespräche mit Fili auf ihrer Reise über das Nebelgebirge und die allabendlichen Trainingseinheiten unter Dwalins wachsamen Auge. Doch was sie am meisten vermissen würde, war Kilis Lachen. So oft hatte der junge Mann Witze gemacht, war für Späße allerart bereit gewesen und hatte es vermocht, selbst in der düstersten Situation noch für Licht und Hoffnung zu sorgen. Der Schalk in seinen Augen war ihm selbst als gestandener Krieger und General des Erebor nie abhanden gekommen.
Leise murmelnd fiel Lyrann in den Antwortgesang des Volkes ein, als die Priester langsam Kili in das neue Grab hinabsenkten.
Ihr Blick fiel auf Tauriel, Dís und Fili, die ihr gegenüber auf der anderen Seite des Grabes standen. Während unaufhaltsam Tränen über Tauriels Gesicht liefen, schien Fili keine Tränen mehr zu haben, um seiner Trauer Ausdruck zu verleihen. Starr blickte er auf seinen toten Bruder hinab, während sich die Grabplatte über diesem schloss. Dís schluchzte leise, doch gleichzeitig hatte sie beide Arme um Tauriel und Fili gelegt, um beiden Trost zu spenden.
Mit einem dumpfen Geräusch, das durch die gesamte Höhle hallte, schloss sich die Grabplatte über Kilis Leichnam.
Eine einzelne Stimme erhob sich über die Stille. Der tief traurige Gesang einer einsamen Zwergin erklang in der Grotte. Dís sang, zitternd trat die Zwergin ein kleines Stück nach vorne, die Hände Tauriels und Filis haltend und sang ein letztes Wiegenlied für ihren jüngsten Sohn.
Tränen flossen Lyranns Wangen hinab, während sie im Stillen Mahal dafür dankte, keines ihrer Kinder verloren zu haben.
Über ihnen stimmte das Horn des Erebor in den Klagegesang mit ein, sandte einen letzten Gruß an die Gefallenen des Ringkrieges.
Die Gräbergrotte der Königsfamilie leerte sich langsam. Nach und nach verließen die Zwerge die Höhle, warfen einen letzten Blick auf die Gräber und die versammelte Familie und gingen dann nach oben, um sich um Verwundete zu kümmern, Spuren der Schlacht zu beseitigen oder schon beim Wiederaufbau zu helfen.
Lyranns Kinder traten eines nach dem anderen nach vorne und verabschiedete sich von dem Vetter mit einer sachten Berührung der Grabplatte.
Schließlich wandten sich auch Fili und Dís ab, Arm in Arm gingen Mutter und Sohn davon. Es würde eine lange Zeit dauern, bis die Trauer verarbeitet war.
Schließlich blieb nur Tauriel an Kilis Grab stehen. Lyrann, die sich bereits zum Gehen gewandt hatte, drehte sich noch einmal nach der Freundin um.
Bleich und kummervoll stand die Rothaarige am Grab, keine Tränen flossen mehr über ihr Gesicht. „Tauriel...", flüsterte Lyrann leise. Die Elbin hob den Blick und sah die Königinmutter an. Tiefes Mitgefühl erfüllte diese, denn in den Augen Tauriels erblickte sie ein Spiegel des selben Schmerzes, der auch sie noch immer erfüllte und der wohl für immer ein Teil von ihr bleiben würde.
„Ich werde fortgehen, Lyrann.", sagte die Elbin leise, „Dís und Fili habe ich bereits Lebewohl gesagt. Valinor erwartet mich."
Lyrann nickte. Schmerzhaft war es, die Freundin zu verlieren. Doch konnte sie Tauriels Leid nur zu gut nachvollziehen.
„Namarie, Tauriel.", sagte sie sanft. Ein schwaches Lächeln huschte über Tauriels Züge. „Namarie, Lyrann.", erwiderte sie den Abschiedsgruß.
Die Siegesfeier war in vollem Gange.
In den vorderen Hallen des Erebor drängten sich Zwerge, Elben und Menschen. Die Scheiterhaufen waren erloschen, Freudenfeuer hatte man nun entzündet. Bier und Wein flossen in Strömen. Bombur hatte die Pforten der Küchen geöffnet und obwohl man dank der Belagerung keine Unmengen an Essen auftischen konnte, hatte doch jeder das Gefühl einem köstlichen Festmahl beiwohnen zu dürfen.
Musik erklang in jeder Halle, keine Trauermusik oder Klagelieder waren zu hören. Zum Tanz wurde aufgespielt und lustige Lieder gesungen, wenn auch manchmal eher gegrölt.
Die Trauer um die Toten war nicht vergessen und auch das Leid des Krieges nicht. Doch die Überlebenden feierten voller Freude das Ende des Krieges, das Leben und den Neubeginn, der ihnen nun bevorstand.
Gedrängt voll war es in den Hallen, wo sich das Volk vergnügte, seien es Zwerge, Menschen oder selbst Elben.
Auch in der Halle, in welcher die Königsfamilie feierte, war viel los, denn zahlreiche Gäste hatten sich hier eingefunden.
Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen schlenderte Lyrann durch den Raum. Zum ersten Mal seit Thorins Tod fühlte sie sich nicht mehr nur tieftraurig und verloren. Zwar spürte sie noch immer deutlich den Schmerz seines Verlustes, doch da war auch die Erleichterung, dass der Krieg endlich vorbei war und die einfache Freude an diesem rauschenden Fest.
Sie hatte ihr schwarzes Trauerkleid gegen ein schlichtes dunkelblaues Kleid mit silbernen Stickereien ausgetauscht und ihre Flechtfrisur mit Opalen verziert. Bis eben hatte sie etwas von dem köstlichen Eintopf gegessen, den Bombur serviert hatte und nun ließ sie sich unter all den Leuten treiben. So viele, die sie liebte, waren hier versammelt.
Ihre Kinder saßen beisammen am Tisch. Thrain und Frerin unterhielten sich angeregt, während Fenja sich müde an Skafid lehnte und Rhon lauschte dem Gespräch seiner Brüder gespannt. Sicher erzählte Thrain von seiner Reise und den Abenteuern, die er erlebt hatte.
Utarth und ein mit mehreren Bandagen versorgter Kharyur standen mit Dwalin am Kaminfeuer und leerten einen Bierkrug nach dem anderen. Fili trat zu ihnen hinzu. Dwalin schlug ihm brüderlich auf die Schulter und reichte ihm einen Krug. Tatsächlich lachte Fili bei einer Bemerkung Utarths auf. Auch sein Kummer würde vergehen.
Kelra und Dís saßen beieinander und sprachen leise. Die Zwergin aß nur wenig, doch Lyrann war schon froh, dass sie hier war.
Dori, Bofur und Bombur rissen lautstark Witze, ihr brüllendes Lachen erfüllte den ganzen Saal. Zu ihnen stellten sich zwei Freunde Thrains, Lyrann meinte, dass ihre Namen Fredi und Geron waren.
Plötzlich fand sie sich einer jungen Zwergin gegenüber, die ein wenig verloren und allein da stand. Mit einem leisen Lachen erkannte sie Ira, die Geliebte ihres Sohnes. Das Mädchen fing den Blick der Halbelbin auf und versank sofort in einem tiefen Knicks, die Augen panisch zu Boden gerichtet. „Meine Königin!", brachte sie zittrig hervor. „Königin bin ich nicht mehr. Du brauchst mich nicht so zu nennen.", erwiderte Lyrann sanft, „Steh auf, mein Kind."
Langsam erhob sich Ira und hob noch langsamer und ängstlich den Blick.
Stumm stand sie vor Lyrann und zupfte nervös an ihrem Kleid herum.
„Wir haben uns schon einmal gesehen.", sagte sie warm, „Damals warst du noch ein kleines Mädchen."
„Ihr erinnert euch?", brach es freudig überrascht aus dem Mädchen heraus. Lyrann nickte grinsend. „Aber natürlich.", erwiderte sie, „Und nun bist du die Frau an der Seite meines Sohnes, wie es scheint. Wo habt ihr euch kennen gelernt?"
„In einem kleinen Dorf am Rand des Nebelgebirges.", erzählte Ira, „Dorthin sind mein Vater und ich gezogen. Vater starb und ich wurde von einer herzensguten Dame aufgenommen, der ich viel verdanke."
„Ich bin froh, dass Thrain jemanden an seiner Seite hat.", meinte Lyrann und das Gesicht der jungen Frau war plötzlich voller Verunsicherung. „Was ist?", fragte die Halbelbin.
Die Zwergin schüttelte den Kopf. „Ich kann euch nicht mit meinen Sorgen belasten, Herrin.", erwiderte sie, doch Lyranns Blick blieb beharrlich.
Schließlich senkte Ira den Blick. „Ich wüsste nicht, was ich eurem Sohn an Hilfe geben kann.", murmelte sie, „Ich bin... Ich bin nur eine einfache Zwergin, ohne irgendeinen Tropfen adligen Blutes. Er ist der König unter dem Berge, der Erbe des Arkensteins. Was soll eine Frau wie ich bei ihm?"
Lyrann streckte sanft die Hand aus und ergriff Iras Hand. „Meine Mutter war die Tochter eines Minenarbeiters, mein Vater ein elbischer Krieger aus einfachem Hause. Ich bin ein Bastard, das Kind aus zwei Völkern. Und trotzdem war ich Königin unter dem Berge. Es gibt wichtigeres als Abstammung und Rang, Ira."
Kurz fiel ihr Blick auf das schlichte Runenarmband, das sie ihr ganzes Leben schon bei sich trug, das Erbe ihrer Mutter. Ein liebevolles Lächeln glitt über ihre Züge.
Ira lächelte schwach. „Habt dank, Herrin." Sie knickste zum Abschied und ging dann davon.
„Lyrann!"
Eine Stimme rief Lyrann von hinten, die Halbelbin drehte sich um und erblickte mit einem erfreuten Lächeln Arrian, die auf sie zukam. „Arrian!", grüßte sie die Freundin, „Wie schön, dich wohlauf zu sehen."
Nach der Schlacht hatten sie beide keinerlei Zeit gehabt, miteinander zu reden. Arrian hatte sich um ihre Krieger aus Imladris und Lyrann um die Zwerge kümmern müssen. Nun umarmten beide sich.
„Es tut mir so leid wegen Thorin, Lyrann...", flüsterte Arrian warm, noch während sie die Halbelbin fest hielt. Dankbar lehnte sich Lyrann an Aragorns Schwester. Wieder spürte sie, wie ihr Hals eng wurde, als sie an Thorin dachte. Scharf krallte sich die Trauer in ihr Herz.
„Danke.", wisperte sie. Arrian zog sie noch etwas fester an sich, dann lösten sie sich voneinander. Mit einem traurigen Lächeln blickte Lyrann die Freundin an, die den Blick mitleidsvoll erwiderte.
„Komm, lass uns mal nach einem Sitzplatz suchen, wo es nicht ganz so trubelig ist.", sagte Lyrann. Nebeneinander schlenderten sie durch den Raum, als sie plötzlich vor sich zwei Elbinnen sahen, die miteinander ins Gespräch vertieft waren.
„Amaya!", rief Lyrann und die Rothaarige drehte sich um. „Lyrann!" Mit einem breiten Grinsen ging Amaya auf sie zu und schloss Lyrann fest in die Arme. „Ich bin so froh, dass wir rechtzeitig kommen konnten!", sagte die Elbin.
Dann drehte sie sich zu ihrer Gesprächspartnerin um und Lyrann erkannte die dunkelhaarige Elbin aus Lothlorien, die ihr auf dem Schlachtfeld kurz begegnet war.
„Lenya,", sagte Amaya, „darf ich dir Lyrann vorstellen. Königin... Königinmutter unter dem Berge und Frau von Thorin Eichenschild. Lyrann, das ist Lenya, die gemeinsam mit Haldir die Elben aus Lothlorien zum Erebor führte."
Lenya neigte tief den Kopf. „Es ist mir eine Ehre, Herrin.", grüßte sie Lyrann. Diese lächelte warm. „Ganz meinerseits und lasst die Höflichkeit, mein Name ist Lyrann."
An die zwei Elbinnen gewandt sagte sie: „Kommt, wir suchen uns einen Sitzplatz."
Wenig später hatten sie eine Gruppe von vier weichen Sesseln direkt am Kamin gefunden. Lyrann verteilte gewürzten Wein und ließ sich dann entspannt auf ihren Sitz sinken.
„Wie kam es, dass ihr zum Erebor geritten seid?", fragte Lyrann an die drei gewandt.
„Nun, mein Verlobter hatte schon vor Monaten Verstärkung für Lothlorien aus Imladris erbeten. So kam ich in das goldene Reich.", begann Arrian.
„Wir haben es dann endlich geschafft, in Lothlorien die ständigen Angriffe unter Kontrolle zu bringen.", fuhr Lenya fort, „Wohl auch, weil der Feind alle Truppen nach Norden zum Erebor und nach Süden gen Rohan schickte. Dann erhielten wir Nachricht, dass der einsame Berg in Not war. Frau Galadriel befahl uns sofort, zum Eebor aufzubrechen. Im Düsterwald stießen wir dann auf Amaya und Rhon."
„Die Verstärkung kam uns äußerst gelegen.", nahm Amaya den Faden auf, „Und nachdem wir den Wald dann in der Obhut Radagasts lassen konnten, befahl Thranduil einen Teil unserer Truppen zum Berg."
Lyrann nickte verstehend. „Ich glaube nicht, dass wir ohne eure Hilfe überlebt hätten. Ihr kamt in allerhöchster Not zu uns.", sagte sie dankbar.
Amaya streckte eine Hand aus und umschloss Lyranns Finger. „Lyrann, ich kann dir gar nicht sagen, wie betroffen ich war, als ich von Thorins Tod hörte. Es tut mir so leid.", sagte sie warm.
Lyrann lächelte dankbar und schluckte einen erneuten Anfall von Trauer herunter. „Danke dir Amaya...", erwiderte sie, „Ja, er fehlt uns allen sehr. Doch ich denke vor allem Thrain. Er hätte den Rat seines Vaters gut gebrauchen können in den letzten Tagen."
Sie drehte den Kopf und tatsächlich kam in eben diesem Moment ihr Sohn auf die Damen zuspaziert.
„Mutter, Arrian, Amaya, Lenya...", grüßte er sie mit einem warmen Nicken.
Lenya ließ langsam ihren Kelch sinken und starrte den Zwerg an. „Tarl?", brach es dann plötzlich aus ihr hervor.
Irritiert gingen die Blicke von Amaya, Lyrann und Arrian hin und her. Thrain dagegen lächelte ertappt und neigte den Kopf.
„Ihr kennt euch?", fragte Lyrann neugierig. Lenya nickte langsam, den Mund noch immer offen vor Erstaunen.
„Aber das ist Thrain!", sagte Arrian, „Thorins Sohn und nun König unter dem Berge! Wusstest du das nicht?"
Lenya schüttelte den Kopf, noch immer sehr verdattert. Amüsiert lachten die Frauen auf.
„Ich reiste inkognito, um euch nicht in Gefahr zu bringen, falls ich in Gefangenschaft gerate.", erklärte Thrain an Lyrann gewandt. Er grinste Lenya an. „Es tut mir leid, dass ich nicht offen sein konnte.", sagte er an die Elbin gewandt. Die hatte sich mittlerweile von ihrer Überraschung erholt und stimmte in das allgemeine Gekicher ein.
Thrain drehte den Kopf beiseite. „Entschuldigt mich bitte!", sagte er und ging mit raschen Schritten auf Ira zu, die in der Menge aufgetaucht war.
Nur wenig später stand auch Amaya auf und lächelte entschuldigend in die Runde. „Ich komme später nochmal wieder.", sagte sie und ging dann zu Rhon hinüber, der eben nicht weit von ihnen entfernt sich an den Tisch gesetzt hatte.
Mit einem stillen Lächeln beobachtete Lyrann, wie die Elbin sich zu ihrem Jüngsten dazu setzte. Schließlich nahm die Königinmutter einen weiteren Schluck Wein und wandte sich dann wieder dem Gespräch mit den beiden Frauen zu.
„Ira!", rief Thrain und ging eilig auf die blonde Zwergin zu. Seine Geliebte war zusammen mit Gloida und den Zwillingen Dwaike und Dwaika auf sein Drängen hin zu dem Fest gekommen. Sie wirkten allesamt recht eingeschüchtert von all den Adeligen um sie her.
Doch Iras Gesicht leuchtete erleichtert auf, als Thrain auf sie zuging. Lächelnd ging sie ihm entgegen, während die anderen drei sich rücksichtsvoll im Hintergrund hielten.
„Du siehst wunderschön aus.", begrüßte Thrain die Zwergin, beugte sich über ihre Hand und hauchte einen Kuss darauf. Ira kicherte. „So hast du mich früher nie begrüßt.", stellte sie amüsiert fest.
Thrain zog die Augenbrauen in die Höhe. „Mein Vater legte großen Wert darauf, dass ich das höfische Zeremoniell und gutes Benehmen erlerne.", erwiderte er und bot ihr seinen Arm an.
„Dabei bin ich doch gar keine Dame von hoher Geburt.", sagte Ira und hakte sich bei ihm ein.
„Für mich bist du die Höchste aller Frauen.", schmeichelte Thrain ihr und lächelte Ira verliebt an.
Diese strahlte voller Freude zu ihm hoch. Einen Moment lang schlenderten sie zu zweit zwischen den Feiernden hindurch.
„Thrain!", Haldir kam da durch das Gedränge auf sie zu. Thrain blieb stehen, Ira dagegen drehte den Kopf schon suchend hin und her, um nach ihren Freundinnen zu suchen, die jedoch zurück gefallen waren. Sie machte Anstalten, sich von seinem Arm zu lösen, doch er ergriff sanft ihre Hand. „Bleib hier.", meinte er, „Sie können ruhig dich an meiner Seite sehen."
Da war der Elb schon bei ihnen und blickte grinsend zu Thrain hinab.
„Nun, König unter dem Berge,", begann er, „ich hätte dich ja in Lothlorien wirklich erkennen können, als du unter uns geweilt hast, zumal ich dich doch als Jugendlichen schon einmal gesehen habe."
Thrain lachte leise auf. „Ich hoffe, du verzeihst mir das Versteckspiel, Haldir.", erwiderte er.
Haldir winkte ab, dann sagte er: „Meine Krieger und ich werden bald nach Lothlorien zurück kehren. Ich werde meinen Brüder von dir Grüße ausrichten lassen und ich bin sicher, sie werden auch dir ihre besten Wünsche übermitteln wollen."
Thrain hob den Kopf. „Sind Orophin und Rumil wohl auf?", fragte er. Der Elb nickte, „Ja, wir haben Glück in diesem Krieg gehabt.", erwiderte er, „Habt ihr meine Verlobte gesehen?"
„Sie sitzt bei meiner Mutter dort am Kamin.", sagte Thrain und mit einer kurzen Verbeugung vor ihnen beiden verschwand der Elb, sodass Thrain und Ira ihren Gang fortsetzen konnten.
„Ich habe eben deine Mutter getroffen.", verriet Ira leise.
„Ach ja?", fragte Thrain neugierig.
„Sie war sehr gütig zu mir.", fuhr Ira fort, „Nur..."
„Nur was?", hakte er nach.
„Ich fühl mich so unwohl vor ihr... und allen hier.", murmelte sie bedrückt, „Ich bin doch... Ich bin nur eine einfache Hure."
Thrain zog sie liebevoll an sich. „Du wirst dich an all das hier gewöhnen.", erklärte er zuversichtlich.
Arm in Arm gingen sie weiter, bis sie Gloida und die Zwillinge erblickten und auf sie zugingen.
Einen Moment plauderten die jungen Leute vergnügt und plötzlich sah Thrain Skafid, der einen an Krücken laufenden und noch recht schwach aussehenden Jari stützte.
Er winkte den beiden. „Skafid! Jari!", rief er und seine beiden Freunde gingen langsam auf sie zu.
„Komm, ich will dich jemandem vorstellen.", murmelte Thrain Ira ins Ohr und führte sie den zwei Kriegern entgegen.
„Ira, dies sind Jari und Skafid. Mit ihnen diente ich bei den Steinbärten.", stellte er sie einander vor. Beide Männer verneigten sich vor Ira. „Eine Ehre, dich kennen zu lernen, Ira.", sagte Skafid höflich und Ira lächelte ihn breit an.
„Jari, solltest du nicht im Bett sein?", fragte Thrain kritisch. Der Kahlkopf zuckte die Schultern. „Eigentlich schon, aber diese Feier lass ich mir doch nicht entgehen.", erwiderte er grinsend. Sein Blick glitt über die versammelte Menge und blieb bei Iras Freundinnen, schräg hinter ihnen hängen.
„Bei Mahals Bart...", flüsterte er leise. Mit halb offenem Mund starrte er hinter Thrains Schulter. Irritiert drehte dieser sich um. „Was eine Frau.", kam es von Jari. Voller Verzückung betrachtete er die vollbusige Gloida, deren schwarze Zöpfe ihr über die Schultern baumelten.
Ira, die ebenfalls Jaris Blick verfolgt hatte, lachte erfreut auf. „Das ist eine Freundin von mir.", sagte sie an Jari gewandt, „Soll ich sie rufen?"
„Was?", fragte Jari, „Ach... nein... Das, das ist nicht nötig." Mit einem Mal stotterte der große Krieger und Thrain grinste. „Hast du etwa Angst?"
„Nein!", protestierte Jari, da begann Ira schon zu winken und rief: „Gloida, komm mal her!"
Die Zwergin drehte sich zu ihr um und kam mit wiegenden Schritten auf sie zu, von Jari mit glühenden Blicken bedacht.
„Gloida,", sagte Ira mit breitem Lächeln, „das ist Jari. Er ist ein Freund Thrains und Krieger des Erebor. Jari, dies ist meine Freundin Gloida."
Jari, dem eben noch rechtzeitig seine Manieren einfielen, verneigte sich tief vor der Zwergin. „Es ist mir eine Ehre, schöne Frau.", sagte er. Gloida lachte erfreut ob des Kompliments und neigte kurz den Kopf. „Die Ehre ist ganz meinerseits.", erwiderte sie. Nach einem kurzen Blick zu Thrain, der mit einem Lächeln ihr zunickte, nahm sie Jari am Arm und sagte strahlend: „Komm Jari, wir suchen uns einen schönen Platz."
Dieser löste sich von Skafid und ging gemeinsam mit der Zwergin davon. Ira kicherte leise.
Auch Skafid empfohl sich, wohl um Fenja zu suchen und so blieben Ira und Thrain allein zurück.
Nachdenklich blickte Thrain Gloida und Jari hinterher, dann nahm er Iras Hand, einen plötzlichen Entschluss fassend. Er würde nicht noch einmal sein Glück durch seine Finger rinnen lassen. „Komm bitte mit.", bat er sie und führte sie mit raschen Schritten aus der Halle. Zielsicher ging er mit Ira fort von den Feierlichkeiten. Sein Herz klopfte aufgeregt und plötzlich empfand er es als furchtbar stickig am Berg.
Erst als sie auf der nun zum ersten Mal seit Monaten verlassenen Wehrmauer angekommen waren, blieb er stehen.
Er drehte sich zu der Zwergin um und mit einem mal war sein Kopf wie leergefegt.
Verlegen schwieg er, unsicher, wie er anfangen sollte.
„Haben du und die anderen Mädchen schon über eure Zukunft hier im Berg geredet?", fragte er schließlich. Er hatte registriert, dass sie noch nicht ihre gelben Bänder wieder bei sich trugen.
Ira schüttelte den Kopf. Sie trat an die Mauer heran und blickte über die Ebene nach Thal, wo noch deutlich die Spuren des Kampfes zu sehen waren.
„Nein, das haben wir nicht.", erwiderte sie.
Sie blickte zu ihm und lächelte mit Blick zu der Rabenkrone auf seinem Haupt. „Deine Zukunft ist wohl festgeschrieben, nicht wahr?", fragte sie.
Thrain nickte langsam. „Nun, nicht ganz um ehrlich zu sein.", antwortete er und trat mit rasendem Herzen vor. Angst lähmte ihn, doch er gab sich einen Ruck.
„Da gibt es etwas, was noch zu klären wäre...", begann er und ging dann unvermittelt vor Ira auf ein Knie.
„Ira, ich habe dich geliebt vom ersten Moment an, wo ich dich in Nebelgrund gesehen habe.", sagte er, „Du beherrschst seit dem meine Gedanken und machst mich glücklicher, als ich es je mir hätte erträumen können. Schon vor Monaten hätte ich dich dies fragen sollen, doch traute ich mich damals nicht. Ich will dich nicht noch einmal verlieren. Bitte, heirate mich, werde meine Frau!"
Die blonde Zwergin starrte die an. „Deine Frau...?", flüsterte sie.
Sie trat einen Schritt zurück, vollkommen überwältigt.
„Thrain, das geht nicht!", rief sie aus, „Ich bin keine Adelige, ich bin eine Hure!"
Thrain nahm ihre Hände in die seinen. „Mein Vater heiratete einen Bastard! Er machte eine Halbelbin ohne nennenswerte Abstammung zur Königin unter dem Berge!", hielt er dagegen, „Ira, ich liebe dich!"
Schweigend senkte Ira den Blick. „Das sagte mir auch deine Mutter...", flüsterte sie.
„Willst du mich denn nicht?", fragte Thrain und eisige Kälte breitete sich in ihm aus.
Einen Moment lang sagte Ira gar nichts, doch dann sah sie ihn lächelnd an. „Doch, doch Thrain, ich will dich! Gerne will ich dich heiraten."
Lachend sprang Thrain auf, hob Ira in die Höhe und wirbelte sie herum.
Dann küsste er sie stürmisch. Glücklich fühlte er, wie Ira die Arme um ihn schlang und ihn mit der gleichen Leidenschaft und Liebe küsste, wie in der Schmiede von Nebelgrund, als sie noch beide einfache Leute gewesen waren.
„Du wirst eine wunderbare Königin.", flüsterte er, „Und noch viel wichtiger, du wirst meine Frau!"
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