Chào các bạn! Vì nhiều lý do từ nay Truyen2U chính thức đổi tên là Truyen247.Pro. Mong các bạn tiếp tục ủng hộ truy cập tên miền mới này nhé! Mãi yêu... ♥

Dunkelheit über Thal

Die Hufe der Kriegsziege wirbelten Schnee auf, als Thorin in raschem Galopp zum Erebor zurück ritt. Er brodelte vor Zorn. Dass Brand sich jeglichem Besuch verweigern würde, hätte er niemals gedacht! Was ging da vor sich? Eigentlich hatte er ein äußerst gutes Verhältnis zu dem jungen Mann gehabt. Oft hatte Brand ihn, den älteren und erfahreneren König um Rat gebeten. Und nun? Nun zog der König von Thal seine Truppen von der Front ab und weigerte sich, selbst seinen wichtigsten Bündnispartner zu empfangen.
Nun, so dachte Thorin sich, vielleicht würde Brand ihn ja empfangen, sobald ihm von den Soldaten gesagt wurde, wer da ihn hatte besuchen wollen. Doch eigentlich glaubte er nicht so recht dran.
Kaum achtete er auf die Hornfanfare, die ihn begrüßte, als er auf das Portal des Erebor zuritt. Sein Blick galt einzig und allein Lyrann, die ihn, in einen dicken Fellmantel gehüllt, bereits in der Vorhalle erwartete.
Ihre Miene zog sich sorgenvoll zusammen, als sie den Ausdruck in seinen Augen wahrnahm. „Was ist passiert?", fragte sie ihn leise.
„Nicht hier.", murmelte Thorin, warf einem herbei geeilten Soldaten die Zügel seiner Kriegsziege zu und nahm seine Frau am Arm. Rasch führte er Lyrann fort aus den stets lebhaften Hallen des Berges, wo man sicher jedes ihrer Worte hören würde. Er wollte nicht, dass der ganze Berg von Brands seltsamem Verhalten erfuhr.
In einer kleinen Kammer nahe des Thronsaales, in der manchmal Beratungen abgehalten wurden, hielt er an und ließ Lyrann los. Ein paar Schritte machte er in den Raum hinein, dann drehte er sich zu seiner Frau um.
„Brand weigert sich, Besuch zu empfangen!", rief er aus, warf die Hände in einer Geste des Unverständnisses in die Luft und erlaubte sich endlich, seinen Zorn heraus zu lassen. „Erst zieht er alle Truppen ab! Jetzt weigert er sich, auch nur irgendjemanden zu sehen! Seinen Soldaten gab er Befehl, niemanden in sein Haus vorzulassen. Er wünscht nicht bei seinen Studien gestört zu werden!"
Seine Stimme nahm einen spöttischen Klang an. Gereizt ging er in dem Zimmer auf und ab.
„Was bitte erlaubt er sich? Welche Studien sollen bitte wichtiger sein als der Krieg, der gerade direkt vor unseren Pforten tobt!", knurrte er wütend.
Lyrann schüttelte den Kopf. „Ich glaube es nicht...", murmelte sie, „Er ist unser Bündnispartner! Noch nie hat Brand etwas derartiges getan."
Thorin lachte trocken auf. „Er hat sich einen schlechten Zeitpunkt für solche Eskapaden ausgesucht!", brummte er.
„Aber das geht einfach nicht!", rief Lyrann, „Wir reiten morgen erneut hin! Und wir lassen uns nicht abweisen! Brand muss uns empfangen! Der Erebor ist sein wichtigster Handelspartner. So viel von Thals Handel beruht auf unseren Schmieden und Werkstätten. Er kann es sich einfach nicht leisten, uns vor den Kopf zu stoßen!"
Ihre Augen funkelten vor Zorn. „Brand muss doch bewusst sein, was er damit tut!", sagte sie vollkommen verständnislos, „Er ist doch eigentlich ein kluger Mann."
„Ja, das dachte ich bisher auch.", meinte Thorin und sah mit zusammen gezogenen Brauen ins Leere.
Sie schwiegen, als sich plötzlich die Tür zu der Kammer öffnete und ein Soldat eintrat. „Eure Majestäten, die Truppen der Feuerbärte, Breitstämme und Schwarzschmiede nähern sich dem Erebor. Sie werden in wenigen Stunden hier eintreffen.", verkündete er.
„Ha!", rief Thorin, „Endlich mal gute Nachrichten!"
Er rieb sich die Hände und wandte sich Lyrann zu. „Dann werden wir mal alles für die Ankunft unserer Verbündeten vorbereiten!", sagte er, die Augen voll Freude und Tatendrang leuchtend.

Der Anblick, der sich ihnen bot, war eine wahre Augenweide. Durch das große Portal des Erebor marschierte ein ganzes Heer an Zwergenkriegern, bis an die Zähne bewaffnet mit Äxten, Schwertern, Hämmern und Armbrüsten. Das Licht der hereinscheinenden Wintersonne spiegelte sich in hunderten Rüstungen, Helme blitzten und die rhythmischen Schritte der Soldaten ließen die Halle erbeben. Über den Häuptern der Soldaten wehten die Banner ihrer Königreiche. Das Feuerrad auf schwarzem Grund, Zeichen der Feuerbärte, der Hammer und die Axt der Breitbärte und zuletzt Hammer, Amboss und Diamant der Schwarzschmiede.
Den Zwergenkriegern voran gingen zwei Männer, die Lyrann nur allzu bekannt waren.
Der rothaarige Mann, in dessen Haarpracht sich mittlerweile deutliche Strähnen Silber flochten, war Utarth, Herr der Feuerbärte und langjähriger Freund ihrer Familie. Und neben ihm, Lyrann traute ihren Augen kaum, lief Kharyur, der König der Schwarzschmiede. Die Menge an Diamanten, die seinen schwarzen Bart zierten, schienen über die Jahrzehnte, die sie ihn nicht mehr gesehen hatte, noch mehr geworden zu sein.
Deutlich konnte sie sich an die Abneigung erinnern, die ihn anfangs erfüllt hatte, nachdem sie einander kennen gelernt hatten. Und selbst, als er Thorin seinen Lehnseid geschworen hatte, war er noch immer kein Freund der Königin unter dem Berge gewesen.
Nun richteten sich die schwarzen Augen Kharyurs auf das Königspaar und blieben kurz auf Lyrann liegen. Er und Utarth gingen auf Thorin und Lyrann zu und sanken vor ihnen auf ein Knie nieder. Ein lauter Befehl erschall und die Zwergenkrieger kamen zum Stehen.
„Utarth! Kharyur!", grüßte Thorin voller Dankbarkeit die beiden Könige, „Ihr seid uns mehr als willkommen in dunkler Stunde!"
Die beiden erhoben sich. Mit breitem Grinsen schritt Utarth auf seinen Hochkönig und Freund zu und umarmte ihn. „Thorin, alter Freund! Kurrol übersendet seine Grüße. Die Breitstämme werden so sehr bedrängt, dass er in seiner Festung blieb, doch einige Soldaten hat er mit meinen zu euch gesendet.", rief er mit dröhnender Stimme, dann wandte er sich Lyrann zu und neigte den Kopf vor ihr. Die Augen Utarths funkelten vor Vergnügen.
„Wir haben viel zu bereden, mein Freund.", sagte Thorin und legte Utarth eine Hand auf die Schulter, „Wir haben ein Mahl zubereiten lassen und würden uns geehrt fühlen, wenn ihr beide mit uns speist."
Beide Gäste nickten im Einverständnis und so ging Thorin voran, während Utarth ihn bereits redselig mit Neuigkeiten aus dem Reich der Feuerbärte versorgte.
Lyrann folgte ihnen schweigend, den König der Schwarzschmiede an ihrer Seite. Voll Anspannung war sie sich der Nähe und der intensiven Blicke Kharyurs bewusst. Schließlich beschloss sie, das Schweigen zwischen ihnen zu durchbrechen.
„Wie war eure Reise, Kharyur?", fragte sie.
„Für Kriegszeiten angenehm ereignislos.", erwiderte der König der Schwarzschmiede mit leiser Stimme. Sie drehte den Kopf und begegnete dem scharfen Blick seiner schwarzen Augen. Kurz herrschte erneut Schweigen und Lyrann zermarterte sich das Hirn, wie sie Konversation mit diesem schwierigen Zwerg betreiben sollte.
„Der Handel, den ihr damals versprochen habt,", begann Kharyur plötzlich langsam, „er brachte meinem Volk Wohlstand und Reichtum."
Überrascht sah Lyrann den Mann an. Seit Jahrzehnten war ein reger Handel zwischen dem Erebor und dem Volk der Schwarzschmiede im Gange, der beiden Völker zu Gute kam. Sie hatte bereits davon gehört, wie auch das Volk Kharyurs von den Geschäften profitierte und ihre Stadt eine neue Blüte erlebt hatte.
Sie neigte lächelnd den Kopf. „In der Tat habe ich bereits gehört, wie euer Volk wächst und gedeiht und es erfüllt mich mit Freude.", erwiderte sie, „Wir schätzen den Handel mit den Schwarzschmieden sehr."
Und zu ihrer ungeheuren Verblüffung erwiderte Kharyur das Lächeln.
Sie speisten in den Privatgemächern der königlichen Familie, neben den beiden Gästen, waren auch Dís und Frerin anwesend.
Utarth und Kharyur berichteten von den Angriffen, die ihre Völker nun erlitten, und von der Dunkelheit, die auch sie in ihren Festungen spürten. Thorin beschloss, die Krieger, die beide Zwergenfürste mitgebracht hatten, in den Osten zu schicken, um dort die Verteidigungslinien an der Rotwasser zu stärken. Utarth und Kharyur wollten gleich am nächsten Tag aufbrechen, um dort den Verrat des Menschenkönigs, wie sie es bezeichneten, auszugleichen.
Schließlich zogen sich Dís und Kharyur zurück, während Utarth noch für eine Pfeife bei seinem Freund blieb. Mit einer Verbeugung in Richtung der Königin verabschiedete sich der Schwarzschmied.
Als sich die Tür wieder geschlossen hatte, zog Thorin überrascht die Augenbrauen hoch. „Seit wann verneigt sich Kharyur denn freiwillig vor dir, meine Liebste?", fragte er. Lyrann zuckte mit den Schultern, „Ich glaube, er ist einfach dankbar für den Wohlstand, den sein Volk dank dem Handel mit uns hat." Utarth sah sie mit breitem Grinsen an, dann wandte er sich mit ernstem Blick an Thorin.
„Thorin,", begann er, „als wir dir vor Jahren unsere Treue schwörten, war dein Erstgeborener unter uns. Wo ist Thrain? Du sagtest, dass deine Tochter und dein jüngster Sohn beide an der Front kämpfen, in den Eisenbergen und im Düsterwald. Doch was ist mit dem Thronfolger?"
Stille herrschte. Frerin sah mit verbissener Miene in die Flammen und Lyrann spürte, wie die alte Angst um Thrain sich um ihr Herz legte.
Thorin seufzte leise. „Thrain ist fort...", sagte er voller Trauer, „Wir wissen nicht, wo er ist. Eines Tages, etwas über ein Jahr ist es nun her, gerieten Thrain und ich in Streit. Er verließ den Berg."
Bebend holte er Luft. „Es ist meine Schuld, Utarth. Ich habe ihn aus dem Berg getrieben.", flüsterte er, den Blick zu Boden gerichtet.
Utarth sah voller Ernst zu Thorin und Lyrann. „Es ist nicht gut, wenn böses Blut zwischen Eltern und Kindern ist.", antwortete er leise und tiefe Sorge lag in seinem Blick.
„Nein.", erwiderte Thorin und schüttelte den Kopf, „Nur Mahal selbst weiß, wo Thrain ist und, ob unser Sohn je wieder zu uns zurück kommt."
Vorsichtig ergriff Utarth den Arm Thorins und suchte seinen Blick. „Thrain ist ein Durin, so wie du.", sagte er sanft, „Und egal, was vorgefallen ist, er wird es in seinem Herzen finden, zu vergeben und zurück zu kehren."

Mehrere Tage waren vergangen. Es schneite unentwegt und bald war die Ebene zwischen Stadt und Berg von einer dicken Schneeschicht überzogen. Eine Gruppe Zwerge war jeden Tag aufs Neue damit beschäftigt, die Straße frei zu räumen, da sonst kein Durchkommen mehr gewesen wäre.
Utarths und Kharyurs Ankunft an der Front sorgte für eine geringe Entspannung. Ihre Soldaten waren eine willkommene Verstärkung, die dem Vordringen der Ostlinge endlich Einhalt gebot.
Tatsächlich konnte man sogar einige Soldaten von der Front zurück nach Hause holen, wo sie sich einige Zeit erholen konnten.
Doch keine Nachricht kam aus Thal. Nichts wies darauf hin, was Brand gerade trieb. Kein einziger Soldat ließ sich mehr an der Front blicken, keine Botschaft, keine Aufforderung vom König Thals, zu einer Audienz zu kommen.
Hatten die Soldaten ihn überhaupt über Thorins Besuch informiert?
Jeden Morgen ritt Thorin nun ungeachtet des winterlichen Wetters nach Thal und forderte Einlass beim König. Und jedes Mal wurde er abgewiesen.
Der Zorn und die Ratlosigkeit im Erebor wuchs. Was war nur mit dem wichtigsten Verbündeten der Zwerge passiert?
Immer mehr Flüchtlinge kamen nun zum Berg. Sie brachten mit sich die Kunde, dass Thal keine Flüchtlinge mehr aufnehme und sie alle zum Erebor gewiesen wurden.
Lyrann verstand die Welt nicht mehr. Oft ertappte sie sich dabei, wie sie grübelnd während ihrer täglichen Aufgaben innehielt, und darüber nachdachte, was mit Brand vor sich ging. Sie war sich sicher, dass etwas passiert war. Sie kannte den jungen Mann, hatte ihn aufwachsen sehen und oft war der junge König bei ihnen zu Gast gewesen. Seine Verbündeten im Stich zu lassen, sah ihm nicht ähnlich. Oder hatte sie sich in ihm getäuscht? Menschen waren leicht zu beeinflussen, das hatte die Geschichte oft gezeigt. Doch Brand? War auch er dazu in der Lage, seine Verbündeten im Stich zu lassen?
Nur mühsam riss sie sich von ihren Grübeleien los und widmete sich wieder den Aufzeichnungen über die Vorräte des einsamen Berges. Noch waren sie dank Kelras Hilfe gut versorgt, doch wollte Lyrann in den nächsten Wochen nicht auf die Hilfe der Menschen angewiesen sein und so plante sie bereits, die Vorräte rationieren zu lassen. Der Schritt tat ihr weh. Doch es herrschte Krieg und so ließe sich Hunger in weiten Teilen des Berges zumindest in Grenzen halten.
„Herrin?" Ein leichtes Klopfen am Türrahmen ihres Arbeitszimmers schreckte sie auf.
Sie drehte den Kopf und sah den Kammerdiener Thorins vor sich. „Euer Mann ist aus Thal zurück gekehrt. Und er ist in Begleitung Bifurs, der euch beiden zu berichten hat. Sie erwarten euch im Kaminzimmer nahe des Thronsaals.", sagte der Mann und zog sich gleich wieder zurück.
Rasch fügte Lyrann eine letzte Notiz ihren Aufzeichnungen hinzu, dann legte sie ihre Feder weg, löschte die Kerze und eilte aus dem Raum. Neugierig auf das, was Bifur ihnen zu berichten hatte, eilte sie in Richtung des Kaminzimmers, in dem sie und ihre Freunde seit Jahrzehnten oft gemeinsam speisten.
Sie öffnete die Tür und mit einem breiten Lächeln auf den Lippen erblickte sie Bifur, der dort am Tisch saß. Und tatsächlich war sie nicht die Einzige, die Thorin über Bifurs Besuch unterrichtet hatte. Denn obwohl der Zwerg in Thal wohnte und daher nicht weit weg vom Erebor war, so verbrachte er doch die meiste Zeit in der Spielzeugmanufaktur und fand nur wenig Möglichkeit für einen Ritt zum einsamen Berg oder zum Empfangen von Gästen.
Neben Bifur saß Bofur und bedrängte seinen Bruder scheinbar schon eifrig mit Fragen. Bombur war ebenfalls da. Zwar saß er bei den anderen am Tisch, doch gleichzeitig erteilte er zwei Küchengehilfen Anweisungen, welche Speisen sie dem Gast aus Thal und den anderen zu bringen hatten. Und da war da noch Dori, als der Einzige aus ihrer Gemeinschaft, der ebenfalls im Berg war.
Neben ihm saß Thorin, der nun mit einem warmen Lächeln Lyrann herbei winkte. „Komm her, mein Juwel!", rief er und schnell eilte Lyrann zu ihm, küsste ihn kurz und ließ sich auf einem Stuhl neben ihn sinken.
„Bifur!", grüßte sie freudig den Zwerg, „Wie schön, dass du uns wieder besuchen kommst!"
Bifur neigte dankbar den Kopf und er lächelte, doch seine Augen waren voller Ernst.
Er warf einen Blick über die Runde der versammelten Freunde und begann dann langsam zu sprechen.
„Etwas geht in Thal vor sich. Ich weiß nicht, wann es begann. Vermutlich hat keiner von uns es so recht bemerkt. Doch es schien, als würde sich eine dunkle Wolke über unser aller gemüt legen. Trübsal und Verzweiflung schienen allen in Thal näher als Freude und Glück."
Bifur machte eine kurze Pause und nahm einen Schluck Wein.
„Ich machte mir keine Gedanken darüber. Wir sind im Krieg, es ist Winter, immer mehr Flüchtlinge kommen in die Stadt. Da liegt es auf der Hand, dass die Bevölkerung besorgt ist... So recht weiß ich nicht, wann ich begann, mich zu sorgen. Ich glaube, es ist nun drei Wochen her, dass eines Tages Haria, eine unserer Näherinnen, die immer gut gelaunt ist und immer für Freude unter all den Arbeitern sorgt, plötzlich in Tränen ausbrach. Niemandem konnte sie erklären, was sie so verzweifeln ließ...
Da begann mir bewusst zu werden, dass etwas passierte. Es schien, als würde sich Trauer und Angst wie ein Tuch über die Stadt legen. Flüchtlinge wurden mit einem Mal weg geschickt, Soldaten kehrten ohne Erklärung nach Hause zurück und der König zog sich immer mehr zurück, bis niemand ihn mehr zu Gesicht bekam."
Schweigen kehrte ein. Thorin betrachtete Bifur mit nachdenklich gerunzelter Stirn. „Weißt du, was Brand macht, Bifur?", fragte er. Doch der Angesprochene schüttelte nur den Kopf.
„Ich kann es dir nicht sagen, Thorin. Seit Wochen sieht man ihn nicht mehr. Ich weiß nicht, was ich euch sagen kann, weiß ich doch selbst nichts weiteres. Doch irgendetwas passiert in dieser Stadt. Immer habe ich mich in Thal wohl gefühlt, die Stadt ist für mich mehr Zuhause geworden als der Erebor. Doch zum ersten Mal fürchte ich mich, wenn ich durch die Straßen von Thal gehe. Und wenn ich die Menschen sehe, die mit mir dort leben, so sehe ich Furcht in ihren Augen."

„Heute werde ich mit dir reiten.", erklärte Lyrann mit fester Stimme, kaum, dass sie und Thorin sich zu einem einfachen Frühstück am Tag nach Bifurs Bericht niedergelassen hatten. Ihr Mann fragte nicht einmal, worüber sie sprach, sein morgendlicher Ritt nach Thal war zu einem düsteren Ritual geworden, dass immer wieder für Frust und Kopfzerbrechen sorgte.
„Bifurs Worte machen mir Sorgen.", führte Lyrann weiter aus, „Ich will wissen, was in Thal vor sich geht."
„Wir werden Soldaten diesmal mitnehmen.", erwiderte Thorin, „Vielleicht können wir damit überzeugen."
Lyrann nickte und so machte sich nur wenig später eine Gruppe berittener Zwerge in Richtung der Menschenstadt auf. Thorin und Lyrann galoppierten schweigend vorne weg. Beide trugen ihre Waffen bei sich, auch wenn die Vorstellung, bewaffnet zu ihren Verbündeten zu reiten, Lyrann Kummer bereitete. Doch war der König von Thal überhaupt noch ihr Verbündeter?
Sicher benahm er sich nicht mehr so.
Die Wachen am Tor von Thal musterten sie aufmerksam, ließen sie aber ohne weiteres passieren. Sie verlangsamten ihre Reittiere und ritten im Schritt durch die Gassen.
Es war still in der Stadt, unnatürlich still. Die Bewohner waren alle in ihren Häusern, Türen und Fenster verrammelt, um mehr draußen zu halten, als nur die winterliche Kälte. Nur wenige Menschen begegneten ihnen auf der Straße. Selbst für einen Wintermorgen war wenig los. Und die Handvoll an Menschen, die unterwegs waren, eilten mit gesenkten Köpfen an ihnen vorbei, die Kapuzen tief ins Gesicht gezogen.
Lyrann suchte den Blick der Menschen, versuchte, in ihre Gesichter zu sehen. Doch alles, was sie sah, waren Angst und Misstrauen. Niemand grüßte die Besucher vom Erebor.
Ein Schauder überlief Lyrann und unbehaglich ließ sie ihren Blick schweifen. Sie fröstelte. Es war kalt. Doch dies war nicht die Kälte des Winters. Nein, eine andere Kälte kroch in ihre Knochen und ließ sie zittern.
Sie lenkte ihre Kriegsziege etwas näher an Thorins heran und suchte den Blick ihres Mannes. „Fühlst du das?", fragte sie ihn leise auf Khuzdul.
Etwas verwirrt sah Thorin sie an. „Was meinst du?", fragte er leise.
Erneut sah sie sich um, suchte nach den richtigen Worten, um das zu beschreiben, was sie wahrnahm und was Thorin offensichtlich nicht fühlen konnte.
„Irgendetwas stimmt hier nicht.", murmelte sie, „Es ist so kalt. Und es nicht die Kälte des Winters..." Ihre Stimme erstarb. Thorin nahm eine Hand vom Zügel und sie wusste, dass er sich darauf vorbereitete, nach Orcrist zu greifen.
Doch Lyrann wusste, dass sie nicht aus dem Hinterhalt von einer Gruppe Orks angegriffen werden würden. Aber etwas war hier geschehen...
Schatten krochen an den Wänden der Häuser entlang. Waren sie nicht etwas schwärzer und bedrohlicher geworden? Unheimlich laut klapperten die Hufe ihrer Reittiere auf dem Pflastergestein der Straße. Lag da ein Wispern in den Windböen, die so unnatürlich kalt durch die Gassen fegten?
Lyranns Nackenhaare stellten sich auf, angespannt sah sie um sich her, als sie endlich auf den Marktplatz ritten.
Den Marktplatz jedoch erkannte Lyrann kaum wieder. So oft war sie schon hier gewesen, gewiss hunderte Male. Feste hatte sie hier miterlebt, Märkte und Versammlungen. Immer war es hier voller Leben gewesen. Nun war der Platz gespenstisch leer. Nur eine Gruppe von sechs bewaffneten Soldaten bewachte das Haus des Königs, reglos wie Statuen standen sie dort und sahen den Ankömmlingen entgegen.
Selbst, als Thal noch eine unbewohnte Ruine gewesen war, hatte Lyrann sich hier nicht so unwohl gefühlt.
Etwas war hier. Ein überwältigendes Gefühl der Angst und ein vage Ahnung, dass sie etwas derartiges schonmal gefühlt hatte, erfüllten sie. Mit wild klopfendem Herzen rückte sie den Rücken durch und mühte sich, ihre Panik zu ignorieren.
Gemeinsam mit Thorin saß sie von ihrer Ziege ab und ging auf das Königshaus zu, gefolgt von ihren Zwergenkriegern.
Thorin trat vor die Wachen, die ihn argwöhnisch beobachteten.
„Ich verlange, zu König Brand vorgelassen zu werden!", forderte er mit fester Stimme.
„Wir haben noch immer den Befehl, König Brand von niemandem stören zu lassen!", kam die eiserne Erwiderung.
Thorin schnaubte voller Zorn. Mittlerweile war ihm der Geduldsfaden mit Brand lange gerissen. „Und wie lange hat Brand vor, mich noch an seiner Türschwelle warten zu lassen wie einen Bettler?", rief er laut und trat einen Schritt vor.
Man antwortete ihm nicht.
„Lasst uns zu eurem König!", forderte nun auch Lyrann mit fester Stimme, die weit über den Platz hallte, „Wichtige Dinge zum Krieg haben wir mit ihm zu bereden!"
„Es tut mir leid, Herrin.", sagte einer der Soldaten und ließ seine Hand zum Schwertgriff hinab sinken, „Aber wir können euch nicht einlassen. Wenn ihr uns eine Botschaft gebt, können wir sie überbringen..."
„Nein!", schrie Thorin wutentbrannt, „Dies ist eine Unverschämtheit! Ich bin Freund, Vertrauter und wichtigster Verbündeter eures Königs! Und ich werde mich nicht länger zurückweisen lassen!"
Mit zornfunkelnden Augen ging er auf die Menschen zu. „Lasst mich ein, sonst werde ich mir Zutritt verschaffen!"
Sie machten einen weiteren Schritt auf die Wachen zu, hinter ihnen zogen die Zwergenkrieger kampfbereit ihre Äxte.
„Seid gewarnt,", knurrte der Hauptmann der Menschen, „wir werden das Haus unseres Königs mit unserem Leben verteidigen!"
Mit einer fließenden Bewegung zogen die Wachen ihre Schwerter und hoben sie in die Höhe, die Spitzen direkt auf Thorins und Lyranns Gesichter gerichtet.
Mit einem lauten Ruf stürmten die Zwerge nach vorne und warfen sich zwischen ihre Herrscher und die Menschen. Schon holten sie mit den Waffen aus, bereit anzugreifen. Einer der Wachen warf sich nach vorne, sein Schwert prallte klirrend gegen eine Axt.
„Haltet ein!", rief Lyrann. Keinen Moment zu spät.
Sofort wichen die Zwergenkrieger einen Schritt zurück.
Lyrann packte den Arm ihres Mannes, der vor Zorn bebte. Es war ein Glück, dass er nicht auch schon seine Waffe gezogen hatte.
Er erwiderte ihren Blick, seine Augen sprühten Funken. „Wir können hier kein Blut vergießen!", sagte Lyrann zu ihm.
Dann warf sie einen Blick zu den Menschen, die tatsächlich auch sich wieder zurück gezogen hatten und ihre Schwerter senkten.
„Sagt eurem König, er soll mit uns reden, wenn ihm die Freundschaft des Erebor wichtig ist.", sagte sie mit kalter Stimme, dann zog sie Thorin zu ihre Reittieren zurück.
Auf einen kurzen Wink von ihr folgten ihr die Krieger und rasch verließen sie die unheimliche Stadt.
Sie hatten Thal kaum verlassen, als hinter ihnen das Rattern eines schließenden Tores erklang. Lyrann wandte sich im Sattel um und konnte eben noch erkennen, wie das Portal der Stadt verrammelt wurde, bevor sie um eine Ecke bogen.

Der Rest des Tages verging in bedrückter Stimmung. Kaum, dass sie zum Erebor zurück gekehrt waren, trennten Thorin und Lyrann sich. Ein jeder ging den Rest des Tages seinen Beschäftigungen nach. Doch Lyrann fiel es schwer, sich auch nur ansatzweise zu konzentrieren.
Ständig grübelte sie über den Besuch in Thal nach. Seit sie durch die Straßen der Stadt geritten waren, hatte sich ein Gefühl von Angst in ihrer Magengegend festgefressen, welches sie nicht so recht los wurde.
Dazu kam nun noch das mulmige Vermutung, dass sie diese Kälte schon einmal gespürt hatte. Doch sie verfolgte den Gedanken nicht weiter. An einen zu dunklen Ort führten diese Überlegungen sie. Und die angstgequälte Erinnerung saß noch zu tief.
Schweigend saßen sie und Thorin an diesem Abend bei Tisch. Etwas lustlos stocherte Lyrann in dem geräucherten Fisch herum, den Bombur ihnen serviert hatte, zweifellos, um sie von den düsteren Gedanken abzulenken. Sicher war das Essen auch so köstlich, wie es nur der Chefkoch der königlichen Küche zubereiten konnte, doch zu sehr beherrschte noch der Eindruck der einsamen Straßen Thals das Gemüt der Königin.
„Was erlaubt sich dieser Bengel eigentlich?", entfuhr es Thorin plötzlich voller Wut. Mit einem lauten Knallen stellte Thorin seinen Bierkrug ab. Das Bier schwappte über und benetzte Hand und Teller des Zwerges.
Lyrann hob den Blick und sah ihren Mann an, der schwer atmend ihr in die Augen sah. Zornesröte lag auf seinen Wangen.
„Seit Tagen ignoriert er uns!", rief Thorin aus, „Wir, seine engsten Verbündeten! Und das Schlimmste ist, ich weiß nicht, was ich mit machen soll! Ich kann schlecht mich zu Brand durchkämpfen!"
Er verstummte und fuhr sich ratlos über die Stirn.
Lyrann streckte eine Hand aus und berührte Thorins Finger. „Ich glaube nicht, dass wir es hier mit den Launen eines jungen Mannes zu tun haben.", erwiderte sie leise. Es passte einfach nicht zu Brand, wie er sich verhielt. Zumindest hoffte sie es. Alles andere würde bedeuten, dass sie einen wichtigen Verbündeten verloren hatten.
Fragend sah Thorin sie an.
„Irgendetwas ist in dieser Stadt. Ich weiß nicht recht...", murmelte sie, „Aber ich glaube nicht, dass Brand sich einfach so von uns abwendet."
Sie hielt inne und atmete tief durch. Die Erinnerung an Dol Guldur überkam sie wieder und ein ängstlicher Schauer lief über sie.
„Was ich in Thal wahrgenommen habe, was ich gespürt habe... Ich habe es schon einmal gefühlt, in Dol Guldur.", fuhr sie flüsternd fort gegen die Panik ankämpfend, die in ihr aufwallte.
Thorin sah sie mit weit aufgerissenen Augen an, als er begann zu erahnen, was ihre Worte bedeuteten.
Doch noch bevor er etwas sagen konnte, klopfte es an der Tür und ein Diener betrat ihr Gemach.
„Majestäten, die Königin Thals ist hier, um euch zu sprechen.", verkündete er und trat zur Seite, um die Person hinter ihm in den Raum zu lassen.
Tatsächlich betrat niemand anderes als Kelra das Zimmer. Sie war in einen dunklen Umhang aus grobem Wollstoff gekleidet, der mittlerweile nicht mehr in der Lage war, ihren deutlich gewölbten Bauch zu verhüllen. In so einfacher Kleidung zu reisen, sah der Königin der Menschen gar nicht ähnlich.
Doch viel mehr überraschte Lyrann der Blick in Kelras Augen, als sie ihre Kapuze abstreifte und die beiden Herrscher des Erebor ansah. Tiefe Angst und Verzweiflung lag in dem Blick der jungen Frau.
„Bitte helft mir!", brach es aus ihr hervor. Ihre Lippen begannen zu zittern. „Ich weiß nicht, was ich tun soll..."
Alarmiert sprang Lyrann auf. „Was ist passiert?", fragte sie drängend und ging auf Kelra zu. Sachte fasste sie die Frau am Ellenbogen und führte sie zu dem Sessel, den Thorin bereits herbei geholt hatte.
Dankbar ließ sich Kelra auf den Sitz sinken und sah zwischen Thorin und Lyrann hin und her. „Ich wusste einfach nicht, an wen ich mich wenden sollte... Ich habe solche Angst bekommen.", sagte sie, die Stimme hoch und schrill vor Panik, während Tränen ihre Augen füllten. Vollkommen aufgelöst rang sie nach Atem.
Rasch füllte Lyrann einen Becher mit etwas Kräutertee und reichte ihn Kelra, die ihre bebenden Hände darum schlang. „Trink erstmal etwas.", sagte Thorin mit ruhiger Stimme und ließ sich wieder auf seinem Sessel nieder, „Dann erzähl uns in Ruhe, was passiert ist. Du bist in Sicherheit. Hier passiert dir und deinem Kind nichts."
Die tiefe Stimme Thorins und der dampfende Becher Tee in ihrer Hand schienen Kelra tatsächlich etwas zu beruhigen. Sie nahm ein paar Schlucke und begann dann, mit noch immer leicht bebender Stimme, zu erzählen.
„Es ist Brand. Ich weiß nicht, was mit ihm los ist. Vor einigen Wochen begann er sich plötzlich immer mehr zurück zu ziehen, wurde immer wortkarger. Ich dachte mir anfangs nichts dabei. Denn ich weiß ja, wie viel Sorgen er sich aufgrund des Krieges macht."
Sie hielt inne, um einen weiteren Schluck Tee zu nehmen.
„Aber dann... Irgendwann bestand er darauf, in seinem Arbeitszimmer zu essen und zu schlafen. Er mied mich. Wurde zornig, wenn ich mit ihm sprechen wollte. Von seiner Liebe zu mir und von seiner Freude über unser Kind war nichts mehr zu spüren." Kelra holte bebend Luft und vorsichtig strich sie mit der Hand über ihren Bauch.
„Das mag vielleicht albern klingen, doch ich hatte mit einem Mal das Gefühl, meinen Ehemann nicht mehr zu erkennen."
Sie suchte Lyranns Blick, die sanft ihre Hand nahm. „Das klingt nicht albern.", sagte sie leise, „Ich habe euch zusammen gesehen und was du erzählst klingt nicht wie der Brand, den ich kenne."
Kelra nickte dankbar und nun flossen doch ein paar Tränen über ihre Wangen. Energisch wischte die junge Königin die Tränen beiseite und erzählte weiter.
„Er zog sich von jeder Regierungsarbeit zurück, sodass ich immer mehr seiner Aufgaben übernahm. Wenn ich ihn zur Rede stellen wollte, entzog er sich auch mir oder wurde so wütend, dass ich Angst bekam, er würde mir etwas antun. Dann hörte ich von seinem Befehl, die Truppen abzuziehen."
Sie sah hinüber zur Wand, in die Richtung, in der Thal lag. So verloren wirkte sie.
„Ich wollte nicht fort von ihm. Doch es wurde immer schlimmer. Immer häufiger führte er Selbstgespräche, die einfach keinen Sinn ergaben. Ich mache mir solche Sorgen um Brand. Wenn ich ihn ansehe, dann seh ich zwar das Gesicht meines Mannes, doch es hat sich verändert. Ein Schatten liegt darüber, ich erkenne seine Augen nicht mehr, sie sind so dunkel geworden und scheinen nicht mehr klar sehen zu können..."
Ihre Stimme erstarb. Langsam sah sie wieder zu Thorin und Lyrann, die einen besorgten Blick tauschten.
„Was hat er nur?", fragte Kelra leise.
Schweigen herrschte auf ihre Frage und die Augenblicke verstrichen.
Dann flüsterte Lyrann: „Khamul... Ich vermute, es gibt nur diese Erklärung. Das Böse hat Macht über Brand gewonnen."

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro