Die Rettung
Mit kraftvollen Schlägen bearbeitete Thrain das glühende Metall auf dem Amboss. Langsam brachte er es in die gewünschte Form. Sicher fasste seine Hand die Zange, die er sich selbst geschmiedet und an seine Bedürfnisse angepasst hatte. Sie lag einfach perfekt und leicht in der Hand. Selbst kleine Gegenstände konnte er sicher damit fassen und diffizile Arbeiten durchführen.
Als das Metall bereits so stark abgekühlt war, dass weitere Schläge die Gefahr beinhaltet hätten, dass sein Werkstück barst, schob er das Eisen zurück in die Glut. Fredi bediente wie so oft den Blasebalg, mit routinierten Bewegungen fachte er das Feuer weiter an, bis das Metall die perfekte Temperatur erreicht hatte. Ohne ein Zeichen seines Lehrers zu benötigen, ließ er den Blasebalg zur Ruhe kommen.
Einige letzte Hammerschläge brachten die Handsichel für einen der Bauern Nebelgrunds in die perfekte Form. Fredi hatte bereits einen Stiel herbei gebracht und übernahm die Sichel von Thrain, um beides miteinander zu verbinden.
Dieser trat beiseite und beobachtete seinen Lehrling bei der Arbeit. Mit einer Hand griff er nach einem bereit stehenden Tonbecher Wasser und trank in gierigen Zügen. Sein Blick fiel auf den Kaminsims über der Esse und ein Stich fuhr ihm ins Herz, als er diesen leer vorfand. Biests Tod lag nun einige Tage zurück und noch immer schmerzte die seltsame Leere die nun in der Werkstatt herrschte. Selbst Fredi schien bekümmert über den Verlust der Katze zu sein.
Doch es gab einen Trost. Musmasum, das einzige Kätzchen, welches die dramatische Geburt überlebt hatte, gedieh in Iras Obhut einfach prächtig. Thrain besuchte beide täglich, froh über die Entwicklung des Kätzchens und überglücklich ob des Vorwandes, seine Geliebte häufiger zu sehen.
Während Fredi sich dem Schleifstein widmete, um die Sichel zu vollenden, trat Thrain an die Theke, wo er sämtliche Aufträge in Listen aufgeführt hatte. Auf der Straße vor der Werkstatt wurden die Schatten langsam länger. Man konnte die Arbeiter der Kupfermine hören, wie sie sich auf den Heimweg machten.
„Wenn du mit der Sichel fertig bist, kannst du heim gehen.", rief Thrain nach hinten, durch die Auftragslisten durchblätternd und darüber nachdenkend, welche Arbeiten sie wohl morgen in Angriff nehmen sollten. Es war Zeit, Fredi auch am Amboss arbeiten zu lassen.
Nachdem Fredi gegangen war, schloss Thrain die Tür zu seiner Werkstatt und wandte sich der Esse zu, neben der Biests alter Korb stand. In den letzten Tagen hatte der Zwerg die mit Blut verschmutzten Stoffstücke entfernt. Nun wollte er den Korb zu Ira bringen. Hier hatte er keine Verwendung mehr dafür, auch wenn ihm das Herz dabei blutete.
Mit einem leisen Seufzen hob er den Korb hoch und machte sich auf den Weg zu der Freundin.
Mhilram schüttelte mit amüsiertem Lächeln den Kopf, als er zu gewohnter Zeit an ihrer Tür klopfte. Seit er Musmasum her gebracht hatte, kam Thrain täglich zu ihnen, wenn er auch nie Geld da ließ. Doch die Zwergin ließ ihn gewähren und erlaubte den regelmäßigen Besuch für Ira.
„Komm mit.", brummte sie und führte Thrain in den Gastraum. „Ira holt dich gleich."
Hier war Thrain noch nie gewesen und er sah sich neugierig um. Mhilram verschwand hinter einer kleinen Theke, wo sie scheinbar Getränke für Gäste ausschenken konnte. Der Zwerg nahm auf einer der vielen Sessel Platz, die hier bunt zusammen gewürfelt herum standen. Die ehemals rote Bespannung war bereits stark abgewetzt und die Sitzfläche schon deutlich ausgeleiert. Außer ihm war noch eine Handvoll anderer Männer anwesend, zwei Menschen, ein Minenarbeiter, für den er vor einiger Zeit einen Auftrag ausgeführt hatte, und Faris, der Händler, welcher grüßend die Hand hob.
„Kann ich dir was bringen, Tarl?", rief Mhilram ihm zu. Doch er schüttelte nur den Kopf.
Er hatte nicht lange gewartet, da erschien ein weiterer Mensch in der Tür, Ira ihm auf den Fersen. Sofort blitzte zornige Eifersucht in Thrain auf. Seine Hände ballten sich zu Fäusten und mühevoll hielt er seine Miene ruhig, während sein ganzer Körper sich anspannte.
Du hast kein alleiniges Recht auf sie, rief er sich angestrengt in Erinnerung, während seine Fantasie bereits Bilder malte, wie er den Rivalen am Kragen von Ira fortschleifte.
Der Blick der blonden Zwergin fiel auf Thrain und ihr Gesicht, welches sich sofort aufhellte, beruhigte seine brennende Eifersucht augenblicklich. Lächelnd winkte sie ihm, ihr zu folgen und Thrain erhob sich sogleich, darauf bedacht, der ihm unangenehmen Atmosphäre des Wartezimmers möglichst rasch zu entkommen. Blicke folgten ihm, es war mittlerweile allgemein bekannt, dass er scheinbar in Iras Gunst stand.
In Iras Zimmer angekommen, drehte sich die Zwergin freudig zu ihm um und zog ihn in eine Umarmung. Ihren wunderbaren lieblichen Duft nach Blumen, Wolltüchern und der Milch, mit der sie Musmasum fütterte, inhalierend erwiderte Thrain die Umarmung. Sein Herz hüpfte freudig und er konnte nicht verhindern, dass sich ein strahlendes Lächeln über sein Gesicht ausbreitete.
„Danke für den Korb.", sagte Ira fröhlich und nahm ihm Biests Korb ab, den sie zwischen Bett und dem Wandschirm, der ihre Waschecke vom Rest des Zimmers abtrennte, abstellte. Dann schritt sie zu ihrem Sessel hinüber, wo das Kätzchen eingekuschelt in mehrere Nachthemden lag und friedlich schlief.
Als Ira die Kleine anhob, erwachte sie sofort. Mit geschlossenen Augen, strampelnden Pfötchen und schlagendem Schwänzchen wandte sie suchend das Näschen nach Milch hin und her.
„Hier.", sagte Ira und legte Thrain die Katze in die Hand, „Ich muss ihre Milch holen."
Wie einen kostbaren Schatz barg Thrain Musmasum in seiner Hand, sorgsam mit einem Wolltuch zugedeckt. Noch immer waren die Augen nicht geöffnet, schließlich war die Kleine erst wenige Tage alt. Doch er registrierte erfreut, dass sie in der kurzen Zeit bereits deutlich gewachsen und schwerer geworden war.
Ira kam zurück und reichte diesmal Thrain die Schüssel mit Milch und das Saugtuch. Ein wenig überfordert sah er sie an. „Na komm!", meinte die Zwergin schalkhaft, „So schwer ist das nicht."
Mit sanftem aber bestimmten Griff brachte sie seine Hand in die richtige Position, um Musmasum gut zu halten. Zögernd tauchte Thrain das Tuch in die Milch und hielt es dem Kätzchen hin, das sofort aufgeregt danach schnappte und zu saugen begann. Gierig schluckte es und ruckte dabei mit dem ganzen Köpfchen.
Thrain lachte leise. „Bist du so hungrig, Musmasum?", fragte er. Ira setzte sich neben ihm, so nah, dass er ihren Körper dicht an dem seinen fühlte. Sein Herz stockte und beinahe hätte er das Kätzchen vergessen.
Schweigend beobachteten sie, wie Musmasum trank. Fast die ganze Schüssel war leer, als das Kätzchen endlich kein Interesse mehr an dem Saugtuch zeigte.
Sachte nahm Ira ihm die Kleine ab und begann, sie sachte mit einem feuchten und warmen Tuch zu putzen und zu massieren. Dann legte sie Musmasum in einen Schal, den sie sich um den Oberkörper band. Mit liebevoll funkelnden Augen fuhr sie über den Kopf der kleinen Katze, die nun komfortabel und weich an ihrer Brust lag.
„Sie muss warm gehalten werden.", erklärte sie, „Wenn ich viel zu tun habe, trägt Gloida sie bei sich." Sie erhob sich und ging zu ihrer Kommode. „Ich hab Nube tatsächlich überreden können, mir ihren Bettwärmer auszuleihen, damit ich Musmasums Körbchen für sie wärmen kann." Aus einer der Schubladen zog sie eine kupferne Bettpfanne hervor.
Vorsichtig darauf achtend, dass wieder schlafende Kätzchen nicht zu wecken, begann sie den Korb, den Thrain gebracht hatte, mit weiteren Stofftüchern und Nachthemden auszupolstern, von einem vor Glück ganz seligen Thrain beobachtet.
Einige Tage später öffneten sich die Augen der kleinen Musmasum. Sie waren zu Thrains Freude von dem gleichen strahlenden Gelb wie die Augen Biests.
Seit der Geburt des Kätzchens waren nun etwas über zwei Wochen vergangen und wie jeden Tag saß Thrain am Abend wieder in Iras Zimmer, die kleine Katze beobachtend, während sich draußen bereits Dunkelheit über das Dorf senkte. Die Zwergin hatte eben die Schale mit Milch für das Kleine geholt, um sie zu füttern. Doch statt Musmasum auf ihren Schoß zu setzen, legte sie das Kätzchen auf dem Boden vor dem Körbchen ab.
„Ich will dir etwas zeigen.", sagte sie zu Thrain und in ihren Augen leuchtete freudige Aufregung. Dann hockte sie sich neben ihn, kaum mehr als einen Schritt von dem Körbchen entfernt.
„Musmasum!", rief sie mit lockender Stimme, „Komm her!"
Verwundert beobachtete Thrain, wie das Kätzchen sich mühsam in die Höhe stemmte. Ein stolzes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus, als die Kleine auf die Pfoten kam. Die schmalen Beinchen wackelten unkontrolliert, waren kaum in der Lage, den Körper zu balancieren. Das Köpfchen pendelte hin und her. Schwankend machte Musmasum ein paar Schritte, kam ins Stocken, verlor das Gleichgewicht und plumpste auf die Seite.
Doch gleich hob sie wieder den Kopf, die Augen fest auf die verlockende Schale Milch direkt vor ihr gerichtet. Diesmal kam sie schneller wieder hoch und tapste entschlossen weiter, das Schwänzchen in die Höhe gereckt.
„Kleine Kämpferin.", brummte Thrain erheitert und verfolgte gebannt die letzten entschlossenen Schritte Musmasums zu ihrer Milch, wo sie gleich nach dem Saugtuch schnappte und gierig zu trinken begann.
Selig lächelnd tauschten die beiden Zwerge einen Blick. Zaghaft streckte Thrain die Finger aus und legte sie sacht auf Iras Hand. Vorsichtig drückte er sie mit flatterndem Puls. Ein warmes Lächeln erschien auf Iras Zügen und sie erwiderte seinen Druck.
Thrain senkte den Blick auf Musmasum. Mittlerweile war die Fellzeichnung des Kätzchens deutlicher zu erkennen. Weiße Pfötchen und ein weißer Bauch leuchteten ihm entgegen. Ansonsten wechselten sich feine rote Flecken mit dunkel gestreiften auf dem Fell der Katze ab. Ein leuchtend roter Punkt markierte die Hinterseite des linken Öhrchens und auf dem Gesicht bildete das orangene Fell eine Maske um Augen und Nase herum.
Plötzlicher Lärm von draußen ließ ihn aufhorchen. Schreie wehten durch das offene Fenster herein. Er sprang auf und stürmte der Öffnung. Ausschau haltend beugte er sich nach vorne und erstarrte vor Schreck.
Auf der anderen Seite des Baches stieg eine Rauchsäule empor. Flammen schlugen aus den Fenstern eines Hauses, leuchteten hell gegen den dunklen Nachthimmel. Das Rauschen und Knistern war bis hierher zu hören. Menschen schrien durcheinander, sammelten sich auf der Straße vor dem Haus, manche stürmten mit Eimern zum Fluss. Doch in den letzten Tagen war es wieder trocken gewesen und das Feuer fand rasch Nahrung. Thrains Finger umklammerten den Fenstersims, dass seine Fingerknöchel weiß hervor traten.
„Was ist los?" Ira trat an seine Seite, die Katze im Arm. Ihr Gesicht verlor sämtliche Farbe, als sie die Katastrophe erblickte. Nun wurden auch auf ihrer Seite Rufe laut. Man hatte das Feuer entdeckt.
„Das Haus des Bürgermeisters.", sagte Thrain. Seine Augen fielen auf Ira. Sie packte seinen Oberarm und beobachtete voll Grauen, wie die Flammengarben sich nun durch das Doch fraßen.
„Ich muss helfen.", sagte Thrain und eilte in Richtung Tür. Polternd lief er die Treppe hinunter. „Tarl, warte!", rief Ira hektisch. Er öffnete bereits die Tür auf die Straße, wo eine aufgeregte Mhilram stand und fassungslos zu der Rauchsäule starrte.
Kaum war Thrain nach draußen getreten, hatte Ira ihn auch schon eingeholt. „Ich hab Musmasum bei den Schwestern gelassen.", erklärte sie und raffte ihren Rock in die Höhe, denn Thrain war in Laufschritt gefallen.
Was für ihn ein noch recht angenehmes, wenn auch zügiges Tempo war, brachte die Zwergin neben ihn bald ins Keuchen. Doch beharrlich hielt sie sich an seiner Seite. Sie waren nicht die einzigen Zwerge, die zur Brücke rannten und zur Dorfseite der Menschen liefen. Ein gutes Dutzend anderer waren ebenfalls auf dem Weg. Thrain erblickte vor ihnen Frede mit zwei Söhnen, seinen Lehrling unter ihnen.
Auf der Straße vor dem Haus des Bürgermeisters herrschte blankes Chaos. Kaum ein Durchkommen war auf dem Weg zwischen all den Menschen und Zwergen, die sich hier sammelten. Rufe gelten wild durcheinander. „Holt Wasser!" „Wo ist der Bürgermeister? Wo ist sein Sohn?" „Sind alle Bewohner der umliegenden Häuser sicher?"
Die Stimmen vermischten sich mit dem Fauchen der Flammen, welche eben das schindelgedeckte Dach des Hauses durchbrachen. Krachend barst etwas im Gebälk. Rußschwaden wehten vom Brand her zu den Umstehenden, kratzten in Augen und Hals, vernebelten die Straße und erschwerten so die Sicht.
Flackernd in der Nacht tanzte der Widerschein der Flammen auf den Wänden der umliegenden Häuser, deren Holz und Lehmfassaden nur zu leicht ebenfalls ein Opfer des Feuers werden könnten. Glücklicherweise waren hier, im Kern des Ortes, nur wenige der Gebäude noch mit Stroh gedeckt, dass wie Zunder brannte.
Scharfe Schemen zeichnete der helle Schein der Flammen auf den Gesichtern der umstehenden Männer und Frauen, noch schwärzer und bedrohlicher wirkten die Schatten der Nacht im Kontrast zu dem Licht des Brandes.
Erste Eimer Wasser wurden herbei geschleppt und gegen die Flammen geworfen. Unheilvoll zischend trafen Wasser und Feuer aufeinander.
Thrain erblickte Jalrek und schob sich zu ihm durch. Er packte den Bäcker beim Arm. „Wo ist der Bürgermeister?", fragte er. Der jedoch schüttelte nur den Kopf und brüllte den Umstehenden zu: „Bildet eine Kette! Kinder und Frauen an den Fluss mit Eimern und schöpft Wasser! Die Männer ans Feuer! Wir müssen zusammen arbeiten!" Menschen und Zwerge liefen los, mehrere stürzten zum Fluss und tatsächlich formte sich langsam eine Kette.
Suchend ließ Thrain den Blick umher schweifen. Doch unter all den Leuten war es bei dem Rauch schwer, eine Person ausfindig zu machen.
Ein Menschenauflauf direkt am Tor erweckte seine Aufmerksamkeit und er eilte dorthin. Ira tauchte wieder an seiner Seite auf. „Geh zum Fluss.", drängte er sie, „Dort kannst du helfen!" Doch sie schüttelte stur den Kopf.
Als sie die Gruppe erreicht hatten, teilten die Menschen sich gerade. Dort hockte Arnfast am Boden, eine triefnasse Decke um die Schultern gelegt. Sein dunkles Haar stand in alle Richtungen ab und schien leicht angekohlt zu sein. Das Gesicht war verschmiert von Ruß und Schweiß. Er atmete heftig und schien vollkommen verstört.
Thrain stoppte vor dem jungen Mann und sah zu ihm hinab. Dieser erwiderte seinen Blick mit stummem Entsetzen in den Augen. „Was ist passiert?", fragte der Zwerg mit scharfer Stimme, „Wo ist dein Vater?" Doch Arnfast antwortete nicht.
„Er hat sich eben erst aus den Flammen retten können.", erklärte eine Frau neben Thrain, „Noch haben wir kein Wort aus ihm heraus bekommen."
Ungeduldig kniete sich der Zwerg vor Arnfast und packte ihn an der Schulter. „Dein Vater!", rief er, „Ist er noch da drin?" Mit ausgestreckter Hand deutete er auf die Flammen.
„Die Flammen haben die Scheune erreicht!", schrie jemand auf der Straße hinter ihm.
Schallend verpasste Thrain Arnfast eine Ohrfeige, um den verschreckten Mann wieder zur Besinnung zu bringen. Die Menschen um sie herum keuchten erschrocken auf. Doch endlich wurde Arnfasts Blick wieder klar. Er sah zu Thrain und nickte langsam.
Ohne abzuwarten, sprang Thrain auf und packte die nasse Decke, die um Arnfasts Schultern lag. „Tarl!", rief Ira entsetzt, „Was hast du vor?" Sie packte seine Arme und drehte ihn zu sich herum. Eine furchtbare Ahnung lag in ihren Augen.
„Jemand muss Arnohd helfen.", erwiderte Thrain ruhig und drehte sich wieder um. Die Helferkette war mittlerweile in Aktion, ganz vorne bei den Flammen konnte er Frede und Fredi erkennen, die unermüdlich Eimer über Eimer in den Brand leerten. Doch es würde noch lange dauern, bis das Feuer gelöscht war.
„Du weißt noch nicht mal, ob er noch lebt!", brach es aus Ira hervor, panisch klammerte sie sich an seinem Arm fest. Ihre Augen suchten die seinen. „Das ist Selbstmord!"
Sanft aber bestimmt löste Thrain den Griff der Zwergin um seinen Arm und legte sich die nasse Decke um. Zumindest eine Zeit lang würde sie ihn schützen. „Ich bin gleich wieder da.", flüsterte er, beugte sich vor und küsste Ira sacht auf die Stirn.
Dann holte er tief Luft und bevor ihn seine Angst übermannen konnte, rannte er auf die Tür des Hauses zu.
Die Tür war größtenteils in sich zusammen gefallen und ein gezielter Tritt ließ den Rest auch zusammen brechen. Unglaubliche Hitze schlug ihm ins Gesicht. Der Flur war voller schwarzem Rauch, sodass er kaum was erkennen konnte. Keuchend schnappte er nach Luft und überwand sich, einen Schritt ins Haus hinein zu machen.
„Arnohd!", brüllte er und bereute es sofort, denn sofort musste er husten. Würgend und japsend kämpfte er sich weiter, die Decke fest an sich gedrückt. Hier im Flur war glücklicherweise kein Feuer. Trotzdem war die Hitze selbst für ihn als Zwerg bereits fast unerträglich.
Aus einer Tür zu seiner Rechten züngelten Flammengarben. Dieses Zimmer brannte vollständig, wenn Arnohd dort gewesen war, war er bereits tot.
Thrains Augen brannten furchtbar und tränten bereits, als er endlich das Ende des verrauchten Flures erreicht hatte. Ein weiterer Schritt brachte ihn in ein kleines Zimmer. Hier hatten Vorhänge und Kommoden bereits Feuer gefangen, was die Hitze noch schlimmer werden ließ. Doch auch hier war niemand zu sehen.
Blinzelnd durchsuchte er einen weiteren Raum, zunehmend nach Atem ringend. Als er eben die Schwelle zu einem dritten Zimmer überschritt, krachte es über ihm im Gebälk. Durch Rauchschwaden und Tränenschleier erkannte Thrain endlich eine bewusstlose Gestalt am Boden, eingeklemmt unter einem gestürzten Schrank. Sofort sprang er dorthin, wuchtete das Möbelstück beiseite und rüttelte an dem Menschen. „Arnohd! Arnohd!", brüllte er über das Tosen der Flammen um sie herum hinweg.
Doch der Bürgermeister reagierte nicht. Und so warf Thrain dem Bewusstlosen seine eigene Decke über den Kopf, warf sich dessen Arm über die Schulter und schleifte ihn mit sich.
Wankend stapfte er Schritt um Schritt vor, von der Hitze zu Boden gedrückt und nach Atem ringend. Sein Kopf dröhnte, alles drehte sich. Ihm war so heiß.
Ein Knall ertönte und ein brennender Balken fiel ihm vor die Füße. Der Weg war versperrt. Stöhnend ließ Thrain seine Last fallen. Ihm blieb keine andere Wahl. Die Hitze ignorierend, die ihn augenblicklich durchschoss, packte er das Holz an einer Stelle, wo die Flammen es noch nicht ergriffen hatte. Ächzend stemmte er sich dagegen, zog und zerrte mit aller Kraft, er meinte, bersten zu müssen vor Anstrengung. Die Hitze fraß sich durch seine Haut, verbrannte seine Finger. Sirrender Schmerz ließ Sterne vor seinen Augen tanzen. Gequält schrie Thrain auf.
Da, endlich bewegte sich der Balken, mühsam zerrte er ihn beiseite. Dann, schwindelnd vor Anstrengung, packte Thrain den Bürgermeister erneut und setzte seinen Weg fort.
Sie waren im Flur, Rauch nahm ihm vollends die Sicht, die Hitze nahm überhand, Glut schien seine Haut zu versenken. Voller Schmerz brüllte er auf, als Feuer auf sie herab regnete. Doch weiter kämpfte er sich. Sein Sichtfeld wurde immer kleiner, Ohnmacht kroch am Rande seines Bewusstseins auf ihn zu. Thrain bekam keine Luft mehr. Seine Lunge schien platzen zu wollen.
Endlich ein Hauch kühler Luft, schwarzer Himmel vor ihm. Schemenhaft erkannte Thrain die Tür, stolperte darauf zu, schritt über die Schwelle, seine Last mit sich ziehend.
Auf den Treppen wurde ihm vollends schwarz vor Augen. Thrain brach an Ort und Stelle zusammen, er hörte noch, wie eine Frau aufschrie.
"Tarl!"
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