Chào các bạn! Vì nhiều lý do từ nay Truyen2U chính thức đổi tên là Truyen247.Pro. Mong các bạn tiếp tục ủng hộ truy cập tên miền mới này nhé! Mãi yêu... ♥

Die Ernte des Krieges

Mit weit ausgreifenden Schritten eilte Frerin den Korridor entlang. Er musste sich beeilen, wollte er noch vor ihnen an seinem Ziel ankommen.
Erst vor wenigen Minuten hatte der Kammerdiener seines Vaters ihn darüber unterrichtet, dass eine weitere Gruppe verletzter Soldaten von den Frontlinien sich dem Portal näherte. Sie würden direkt zum Hospital gebracht werden, um dort von den Heilern in Empfang genommen zu werden.
Frerins Herz schlug besorgt in seiner Brust. Die Krieger kamen aus den Eisenbergen. Und wie jedes Mal, wenn Nachrichten oder Soldaten aus dem Norden kamen, war der junge Mann in wahnsinniger Angst um seine Zwillingsschwester. Würde sie wieder unter den Verletzten sein? Oder kam diesmal die entsetzliche Nachricht, dass Fenja im Kampf gefallen war? Mit aller Kraft die eraufbringen konnte, verbat er sich weitere schreckliche Überlegungen in dieser Art.
Tatsächlich war die Sorge um Fenja nicht das Einzige, dass ihn nun so schnell er nur konnte zum Hospital trieb. In regelmäßigen Abständen kamen Verwundete in den Erebor. Diese tapferen Männer und Frauen setzten ihr Leben aufs Spiel. Und viele von ihnen würden, selbst wenn sie diesen Krieg überlebten, bis an ihr Lebensende davon gezeichnet sein, verwundet an Körper oder Seele.
Das mindeste, was er tun konnte, um diese Krieger zu würdigen, war, sie im Hospital zu begrüßen. Es war nicht seine Pflicht. Er konnte sich von Dori oder einem anderen Heiler Bericht erstatten lassen. Doch diese Kämpfer hatten es verdient, von einem Mitglied der Königsfamilie empfangen zu werden. Und da sein Vater an der Rotwasser kämpfte und nur Mahal selbst wusste, wo Thrain war, war er derjenige, dem diese Aufgabe zufiel.
Frerin öffnete eine der Türen, die seitlich in die Hospitalhallen führten. Er durchquerte den Seitenraum dieses Komplexes, der nun im Winter erkälteten Zwergen und vor allem Kindern vorbehalten war, und betrat über ein paar Stufen die große Haupthöhle.
Hier herrschte geschäftiges Treiben. Heiler wuselten hin und her, hohlten Medizin und sicher gleich benötigtes Verbandsmaterial aus den Lagerräumen, brachten Kranke in anliegende Räumlichkeiten und holten neue Tragen oder bezogen Betten frisch.
Und mittig in all dem Chaos stand natürlich bereits die Königin unter dem Berge neben Dori. Frerin zuckte ein kurzes Lächeln über das Gesicht, als er auf die beiden zuging. Er hätte es sich eigentlich denken können. Seine Mutter hatte direkt nach der Schlacht der fünf Heere geholfen, das Hospital gemeinsam mit Oin, damals noch in eine der direkten Eingangshallen des Berges, aufzubauen. Zwar war sie keine Heilerin, doch immer würde ihr die Arbeit der Heiler am Herzen liegen und so war es für sie nur selbstverständlich, auch hier zu sein, wenn so viele Verwundete im Berg eintreffen würden.
Sie drehte den Kopf und erkannte ihren zweiten Sohn, der sich ihnen näherte. „Mutter, Dori", grüßte Frerin die beiden mit einem Nicken und stellte sich neben Lyrann, den Blick zum Portal des Hospitals gewandt, wo jeden Moment die Verwundeten eintreffen konnten.
„Wissen wir, ob Fenja...?", fragte er leise und sah zu seiner Mutter. Die Königin erwiderte seinen Blick und schüttelte schweigend den Kopf. Kurz musterte Frerin Lyrann, in deren Gesicht noch immer die Spuren der Gefangenschaft auf Dol Guldur zu sehen waren, die Wangen eine Spur schmaler, ein leichter Schatten unter den Augen. Doch trotz allem hatte sie sich voller Kraft zurück ins Leben gekämpft und war nicht den Erinnerungen an diese dunkle Zeit erlegen.
Und da öffnete sich auch schon das Portal und dutzende Zwerge drängten sich in das Hospital. Sofort löste sich Dori von der Seite seiner beiden Herrscher und eilte zusammen mit den anderen Heilern auf die Neuankömmlinge zu. Lyrann drückte kurz den Arm ihres Sohnes und folgte ihm.
Langsam ging Frerin ihnen hinterher, mit ernstem Blick sah er auf die Krieger, die ihm entgegen kamen.
Mit gehetztem und erschöpften Gesichtern sahen die Zwerge sich um. Sichtlich erleichtert, endlich im Erebor angekommen zu sein, ließen sie sich von den Heilern in Empfang nehmen. Die ersten wurden bereits zu Betten geführt, auf denen sie müde zusammen sackten. Frerins Blick fiel auf blutige Verbände, die man behelfsmäßig wohl kurz nach dem Kampf angelegt hatte und die nun von den ersten Heilern geöffnet wurden. Eine Krieger humpelten auf Krücken oder auf ihre Kameraden gestützt in die Halle hinein. Andere wiederrum wurden auf Tragen herein gebracht. Ihrer nahm man sich sofort an und trug sie zu freien Betten, wo sie gleich untersucht wurden.
„Schnell! Wir brauchen hier Hilfe!", hörte er da Doris alarmierte Stimme. Im nächsten Moment trugen zwei Soldaten einen Zwerg auf der Trage zu einem Behandlungstisch, Dori eilte ihnen hinterher. Voll Grauen sah Frerin, dass dem Mann ein Bein fehlte. „Die Wunde muss ausgebrannt werden, bevor er noch mehr Blut verliert!", rief Dori laut und winkte einen Gehilfen herbei.
Das Weinen eines Mannes drang an Frerins Ohr und er drehte den Kopf. Ein Krieger brach schluchzend auf dem Bett zusammen, das man ihm zugewiesen hatte. Seine Verletzung schien nicht übermäßig schwer zu sein. Er trug lediglich einen Verband am Kopf. Doch eine solche Verzweiflung schien ihn ergriffen zu haben, dass Frerin sich kaum vorstellen wollte, was er auf dem Schlachtfeld erlebt hatte. Lyrann, die in der Nähe war, ging auf den Krieger zu und sank neben dem auf die Knie. Vorsichtig griff Frerins Mutter nach den Händen des Zwerges und suchte Blickkontakt. Sie sagte nichts, sondern spendete einfach durch ihre Nähe Trost.
Frerin mischte sich unter die Krieger, die auf Behandlung warteten, drückte Hände und Schultern, tauschte Blicke mit manchen der Soldaten und begrüßte den einen oder anderen. Einige schienen tatsächlich Trost aus der Anwesenheit ihres Prinzen zu ziehen, andere jedoch sahen ihn nur mit Augen an, die stumpf geworden waren von dem Horror, den sie mit ansehen mussten.
Immer wieder sah er sich suchend um. Doch nirgendwo konnte er Fenja erblicken und niemand ging auf ihn oder Lyrann zu, um Neuigkeiten von der jungen Frau zu überbringen. Dankbarkeit erfüllte sein Herz. Doch ihm war klar, dass so viele Zwergenfamilien noch heute die Nachricht vom Tod oder von einer schweren Verletzung eines geliebten Zwerges erhalten würden.
Bitter ließ Frerin den Blick durch die Halle schweifen. Dieser Krieg verlangte seinem Volk einen hohen Tribut ab. Und nur Eru selbst wusste, ob sie diesen auch überleben würden.
Nach einiger Zeit kehrte langsam wieder Ruhe in das Hospital ein. Alle der Neuankömmlinge waren auf Betten verteilt worden und die ersten Behandlungen bereits abgeschlossen.
Frerin ging zwischen den Reihen der Verletzten hindurch. Leise sprach er mit dem ein oder anderen Zwerg, hörte ihren Sorgen und Ängsten zu. Da sah er seine Mutter auf sich zukommen. Der Blick der Königin weilte voller Mitleid auf den Soldaten. Dann blieb sie vor Frerin stehen.
„Fenja ist nicht unter den Verletzten.", sagte sie leise und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich aus ihrer Flechtfrisur gelöst hatte. Die Erleichterung war der Königin deutlich anzuhören. Frerin nickte. „Es sind so viele, so viele, die verwundet wurden.", bemerkte er und suchte den Blick seiner Mutter. Lyrann presste traurig die Lippen aufeinander. „Wir haben bald nicht mehr genug Platz für alle hier. Zumal auch immer noch in manchen der Nebenhallen Flüchtlinge untergebracht sind.", antwortete sie.
„Dann müssen wir einen neuen Platz für die Flüchtlinge finden. Es ist wichtig, dass wir jeden Soldat, der hierher kommt, versorgen können.", stellte Frerin fest.
Kurz dachten sie beide nach, dann kam Frerin eine Idee. „Der Handel ist fast vollständig zum Erliegen gekommen.", sagte er, „Es findet nur noch selten Markt statt und wenn, beschränkt er sich auf die kleinen Markthallen. Wir können in der Haupthalle des Handwerkermarktes eine Unterkunft für die Flüchtlinge aufschlagen."
Die beiden sahen sich kurz an. „Das ist gut.", sagte Lyrann und ein kurzes stolzes Funkeln trat in ihre Augen, als sie ihn musterte. Sie hob eine Hand und fuhr über Frerins Wange. „Ich werde mich darum kümmern.", murmelte Frerin, drückte kurz die Hand seiner Mutter und wandte sich dann ab, um alles in die Wege zu leiten.

Die Schlange der Bittsteller, die bei den regelmäßigen Audienzen fürs Volk sich im Thronsaal bildete, schien Frerin von mal zu mal länger zu werden. Und auch die Sorgen, die die Zwerge vor ihre Herrscher brachten, wurden immer verzweifelter, immer existenzieller.
Er schielte kurz zu seiner Mutter hinüber, die im prachtvollen Ornat der Königin, mit Rabenkrone und Siegelring, auf ihrem Thron saß unter dem Arkenstein, und mit größter Geduld jedem einzelnen zuhörte.
Der Thron seines Vaters war leer, denn auch wenn Frerin Thorin offiziell vertrat und dessen Siegelring trug, so war er doch nicht gewillt, den Platz des Königs einzunehmen. Stattdessen hatte er auf einem recht einfachen Sessel zur anderen Seite der Königin Platz genommen und nährte noch immer die verzweifelte Hoffnung, dass der Tag, an dem er auf dem Thron seines Vaters Platz nehmen musste, niemals kommen würde.
Das war Thrains Aufgabe gewesen...
Thrain... So selten dachte er mittlerweile an seinen älteren Bruder, den Erstgeborenen, den Thronfolger. Ihn hatte sein Vater jahrelang auf diese Aufgabe vorbereitet, der er sich schließlich entzogen hatte. Wie immer, wenn er an Thrain dachte, stieg eine Mischung aus Trauer, Wut und Frust in ihm auf. Er war nicht dabei gewesen, als sein Vater und sein Bruder sich gestritten hatten. Doch er war sich sicher, dass die Situation hätte vermieden werden können. Und nun sah er sich einer Aufgabe gegenüber, auf die er nicht im mindesten vorbereitet war. Doch er würde sich ihr stellen. Vielleicht würde ja doch eines wundersamen Tages Thrain durch das Portal des einsamen Berges schreiten.
„Die Waisenheime sind völlig überfüllt, meine Königin!" Die Stimme einer Zwergin riss Frerin aus seinen Gedanken. Eine Frau in einfacher Kleidung stand vor dem Thron und sah mit ernstem Blick zu ihnen auf. „Die Kinder gefallener Krieger werden zu uns gebracht, Waisen aus den Kriegsgebieten, deren Eltern gestorben sind, oder Kinder, die von ihren Müttern bei uns gelassen werden, weil sie nicht mehr versorgt werden können. Wir nehmen alle auf. Doch uns fehlen bald nicht nur die Räume, um alle unterzubringen. Auch die Lebensmittel werden knapp!"
Besorgt musterte Frerin die Frau. Das Problem verknappender Lebensmittel war mittlerweile allgegenwärtig im Berg, in dem sich mehr und mehr Flüchtlinge sammelten. Immer mehr Bauern flohen aus den Kriegsgebieten der Umgebung und konnten ihre Felder nicht mehr bestellen. Zwar waren dies meist Menschen des Königreiches Thal, doch mit diesem handelte der Erebor auch um Lebensmittel. Nun waren die Feldterrassen, die Lyrann vor Jahrzehnten hatte anlegen lassen, ein wahrer Segen, konnte man doch so eine gewisse Versorgung aufrecht erhalten.
„Danke, dass du dieses Problem mir berichtest.", antwortete Lyrann der Zwergin, „Ich werde umgehend nach weiteren Räumlichkeiten für euch suchen. Ebenso sollen euch weitere Vorräte zugeteilt werden."
Dankbar verneigte sich die Frau und machte Platz für den nächsten Bittsteller.

Schweigend saßen Frerin, seine Mutter und seine Tante in den Räumlichkeiten des jungen Prinzen beisammen. Sie hatten gemeinsam ein einfaches Abendessen eingenommen und versuchten nun ein wenig nach dem anstrengenden Tag zu entspannen.
Dís hatte ihre Stickarbeit mitgebracht. Doch Frerin konnte leicht erkennen, dass seine Tante nicht so recht bei der Sache war.
Im benachbarten Sessel saß seine Mutter. Die komplizierte Flechtfrisur, die sie meist am Tage trug, hatte sie im Gegensatz zu ihrer Schwägerin bereits gelöst und auch auf jegliche Herrschaftszeichen verzichtet. Ihr schweres Kleid hatte sie gegen ein deutlich einfacheres aus schlichtem grünen Stoff getauscht und sie schmökerte in einem kleinen Buch, das Amaya ihr aus dem Düsterwald mitgebracht hatte.
Doch auch sie war unkonzentriert und immer wieder huschten ihre Augen über die gleiche Stelle.
Mit einem leisen Seufzen nahm Frerin einen Zug aus seinem Bierkrug und begann, seine Pfeife zu stopfen. Sie alle waren in Gedanken bei ihren Familienmitgliedern, die in den umliegenden Landen verteilt für ihre Freiheit kämpften, oder bei all den Problemen und Sorgen, die mittlerweile die Bevölkerung des Erebor belasteten.
Ein leises Klopfen an der Tür unterbrach die Stille. „Herein!", rief Frerin.
Der Kammerdiener seines Vaters erschien im Flur und sagte leise: „Verzeiht, dass ich die Herrschaften störe. Aber es sind Flüchtlinge am Portal angekommen."
Die drei tauschten bedeutungsschwere Blicke aus. Noch mehr Flüchtlinge? Fast gleichzeitig legten sie ihre bisherige Beschäftigung beiseite und erhoben sich.
„Ich komme vor ans Tor.", sagte Frerin zu dem Kammerdiener, der sich mit einer Verbeugung wieder verabschiedete. Dann sah er zu Mutter und Tante. „Ich werde der Küche Bescheid geben.", verkündete Dís und eilte aus dem Raum.
Frerin bedeute seiner Mutter, voraus zu gehen und gemeinsam verließen auch sie seine Gemächer. Ein Zeit gingen sie nebeneinander her, dann bog Lyrann zu den Quartieren ab, die sie für die Flüchtlinge vorgesehen hatten, um dort alles vorzubereiten. Er dagegen ging direkt zum Hauptportal.
Wie beschrieben fand er dort tatsächlich mehrere dutzend Flüchtlinge vor, ihre wenigen Habseligkeiten an sich geklammert, frierend in der Kälte des Winterabendes. Mit flehendem Blick sahen sie den Prinzen an, der ihnen entgegen kam. Überrascht stellte Frerin fest, dass die meisten unter ihnen Menschen waren. Diese gingen meist direkt nach Thal und suchten bei ihrem Volk Schutz.
Als die Wachsoldaten ihren Prinzen erkannten, winkten sie die Menschen herein. Doch kaum, dass die ersten von ihnen die große Vorhalle betreten hatten, vertrat Frerin ihnen den Weg.
„Woher kommt ihr?", fragte er mit fester Stimme.
Unsicher, was er von ihnen wollte, beäugten ihn die Neuankömmlinge und schließlich sprach einer der Männer: „Wir kommen von der Rotwasser. Dort lagen unsere Höfe und Häuser. Doch nun wird in der Gegend gekämpft, wo wir zuhause waren. Wir erbitten Zuflucht im Berg."
„Warum seid ihr nicht nach Thal gegangen?", fragte Frerin, „Nimmt Brand keine Flüchtlinge mehr auf?"
Etwas verlegen trat der Mann von einem Fuß auf den anderen. „In Thal schlossen sich einige unserer Gruppe an... Es gibt Unterkünfte dort, doch sie sind einfache Zelte oder Schuppen. Die Winternächte sind kalt..." Seine Stimme verklang zaghaft, während er den Zwerg bittend ansah.
Frerin seufzte leise und nickte. Das war zu erwarten gewesen. Der Erebor war dank der vulkanischen Hitze tief unter dem Berg warm und ein viel besseres Winterquartier für die Flüchtlinge.
Er trat beiseite. „Folgt mir.", sagte er und führte die Menschen in den Berg hinein.

Seine Mutter hatte in der kurzen Zeit gut vorgearbeitet und wies den Flüchtlingen direkt einen abgetrennten Bereich des Quartieres zu. Dankbar und deutlich erleichtert, begannen die Neuankömmlinge ihr Lager aufzuschlagen und nur wenig später erschein Dís, eine Gruppe Küchenhelfer im Schlepptau, die warme Suppe und einige Vorräte verteilten.
Mit ernster Miene trat die blonde Zwergin auf Frerin und Lyrann zu.
„Menschen?", fragte sie leise, „Ich dachte, Menschen würden vor allem in Thal eine Bleibe suchen. Der Erebor hat bei weitem nicht die Vorräte, um uns alle zu versorgen, wenn die Flüchtlingszahlen weiter steigen." Sie sah besorgt aus.
Frerin verschränkte die Arme hinter dem Rücken. „Es wird uns nichts anderes übrig bleiben.", erwiderte er, „Die Unterkünfte in Thal können die Menschen kaum warm halten. Wir müssen damit rechnen, dass viele im Verlauf des Winters zu uns kommen werden."
Dís öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Frerin fiel ihr ins Wort. „Ich weiß, aber was soll ich machen? Wir können diese Leute nicht abweisen!"
„Sicher nicht.", antwortete seine Tante, „Aber wir brauchen eine Lösung, sonst steht uns eine Hungersnot bevor."
„Ich werde morgen nach Thal reiten.", schaltete sich Lyrann da in das Gespräch ein, „Wenn die meisten der in der Stadt untergebrachten Flüchtlinge hierher kommen, sind ihre Vorräte nicht mehr so strapaziert. Ich werde mit Brand reden, dass er uns Nahrung zukommen lässt."

Die Sonne war gerade erst aufgegangen, als Lyrann die Vorhalle betrat und den Soldaten ein Zeichen gab, ihr Reittier vorzubereiten. Durch das geöffnete Tor kam scheidend kalte Luft herein und wie so oft in der letzten Zeit schneite es leicht.
Trotz ihrer dicken Kleidung fröstelte die Königin leicht. Über ihrem weiten wollenen Reitkleid trug sie einen weißen Mantel, der mit Fuchsfell und Rabenfedern besetzt war. Sie zog den dicken Stoff etwas fester um sich und blickte nach draußen, gen Osten.
Dort kämpfte Thorin an der Front, gemeinsam mit Fili, Kili, Dwalin und Tauriel. Lyrann zog es beim bloßen Gedanken, in welcher Gefahr die vier tagtäglich schwebten, das Herz zusammen. Was gäbe sie doch nur dafür, an Thorins Seite zu kämpfen, so wie früher!
Doch das war ihr nicht möglich. Sie war Königin und wenn Thorin schon den Berg verlassen hatte, so konnte sie das nicht auch machen. Einer von ihnen musste hier sein und das Reich bewachen. In Friedenszeiten hatten sie es beide sich erlauben können, auch für mehrere Monate dem Erebor fern zu bleiben und sich auf Stellvertreter verlassen. Doch nun war Krieg und das Volk brauchte seine Herrscher.
Das Geräusch schwerer Hufe durchbrach Lyranns Gedanken. Sie drehte den Kopf und sah, dass man einer der Kriegsziegen für sie fertig gemacht hatte. Und es war dem Tier deutlich anzusehen, dass der Erebor sich im Krieg befand. Schwere Metalplatten schützte Bauch und Brust des Tieres. Auch der Sattel war mit Eisen verstärkt worden und schützte große Teile des Rückens, über den sich noch eine Decke mit dem Wappen des einsamen Berges breitete.
Die Ziege warf ihren Kopf in den Nacken und scharrte mit den Hufen, als Lyrann sich ihr näherte. Dankbar nahm sie dem Zwerg, der das Tier hergeführt hatte, die Zügel ab und schwang sich in den Sattel. Sie warf einen kurzen Blick auf die zwei berittenen Zwerge, die sich ihr als Leibwache anschließen würden, dann trieb sie ihr Reittier vorwärts.
Als sie sich Thal näherte, nahm sie an der östlichen Stadtmauer einen Menschenauflauf wahr. Dort schienen Ausbesserungsarbeiten im Gang zu sein. Neugierig beobachtete sie die Handwerker bei der Arbeit und erkannte überrascht, dass Kelra, Brands Frau, unter den Menschen dort war.
Ein wenig irritiert zog Lyrann die Augenbrauen zusammen und wandte ihre Ziege von der Straße ab. In raschem Tempo ritt sie auf die Baustelle zu. Es war ungewöhnlich für Kelra, Bauarbeiten zu überwachen. Vielleicht begleitete sie ihren Ehemann ja bei seinen Erledigungen? Doch bisher hatte Lyrann nicht mitbekommen, dass die Königin von Thal sich aktiv an der Regierung beteiligte.
„Königin Kelra!", rief sie, als sie sich den Menschen näherten. Sie verlangsamte ihr Reittier und brachte es schließlich zum Stehen. Die Handwerker sahen neugierig zu der Königin unter dem Berge und die Menschenmenge teilte sich vor ihr, um sie zu der Königin Thals zu lassen.
Lyrann schwang sich aus ihrem Sattel und ging auf die Frau zu. Die blonde Frau wandte sich von der Gruppe Männer ab, mit der sie bis eben noch angeregt diskutiert hatte. „Königin Lyrann!", grüßte sie ihren Gast mit einem freundlichen Lächeln. Freudig überrascht erblickte Lyrann den gewölbten Bauch der Königin.
„Ich darf euch gratulieren, Kelra!", sagte sie und strahlte die Menschenfrau an.
Kelra lächelte dankbar und strich vorsichtig mit der Hand über ihren Bauch. „Wo ist euer Mann?", fragte Lyrann, „Ich muss dringend mit König Brand sprechen."
Ein seltsamer Schatten glitt über das Gesicht Kelras und ein ungutes Gefühl beschlich Lyrann. War zwischen dem Königspaar etwas vorgefallen?
Kelras Blick ging zur Seite und sie strich sich etwas fahrig eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Mein Mann hat sich zurückgezogen, um zu arbeiten. Er wünscht, nicht gestört zu werden.", erwiderte sie.
Lyrann sah sie verwirrt an. Das sah Brand gar nicht ähnlich.
„Was wollt ihr von ihm?", fragte Kelra da.
„Nun...", erwiderte Lyrann, „Immer mehr Flüchtlinge kommen in den Erebor, auch nun Menschen aus Thal, da sie hier keine winterfesten Quartiere bekommen. Doch wir haben kaum genug Vorräte, um alle zu versorgen."
Sie musste gar nicht mehr weitersprechen, die Königin nickte bereits verständnisvoll.
„Ja, ich habe das auch beobachtet. Möglicherweise werden viele unserer Flüchtlinge Schutz im Berg suchen.", erwiderte sie, „Ich werde veranlassen, dass euch Lebensmittel gebracht werden. Unsere Vorräte sind noch gut gefüllt. Und wenn nun mehr Flüchtlinge bei euch sind, ist es nur gerecht, wenn wir euch unterstützen."
„Habt Dank.", antwortete Lyrann und neigte den Kopf.
Ein schwaches Lächeln huschte über Kelras Züge. „Und nun entschuldigt mich.", sagte sie, „Ich möchte gerne diese Ausbesserungen an der Mauer voran treiben."
Damit wandte sie sich ab und widmete sich wieder den Unterredungen mit den Handwerkern. Lyrann sah der Menschenfrau kurz nachdenklich hinterher. Was ging hier vor sich? Kelra hatte merkwürdig reagiert, als Lyrann nach Brand gefragt hatte. Was steckte dahinter?
Doch sie hatte bekommen, warum sie hierher geritten war. Und so drehte sie sich um und ging grübelnd zurück zu ihrem Reittier.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro