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Das rechte Maß

„Nehmt an unsere Gaben, oh Mahal, Vater der Zwerge, und Yavanna Kementári, Spenderin der Früchte." Die klare Stimme der Königin trug weit über die große Halle, in der die Feierlichkeiten zu Ehren Mahals und Yavannas abgehalten wurde. Es war eine der größten Hallen des Berges, und so hoch im Berg gelegen, dass das Sonnenlicht eines goldenen Herbsttages durch lange Schächte hinab in die Halle fiel.

Tausende Zwerge aller Schichten des Erebor standen dicht beisammen gedrängt unter der gewaltigen von Säulen getragenen Decke. Schweigend beobachteten sie die Zeremonie, die ihre Königin an der Stirnseite der Halle zelebrierte. Ein großer Altar stand dort, einst Mahal zu Ehren errichtet, diente er nun einmal im Jahr auch zu Ehren der Herrin aller Pflanzen und Bäume. Eine riesenhafte Statue Mahals erhob sich hinter dem Altar, einen gewaltigen Hammer in der Hand über einem Amboss schwingend. Ehrfurcht überkam jeden Zwerg, der dort seinen Schöpfer erblickte. Neben dem Altar waren zwei Obstbäume aufgestellt worden, als Zeichen Yavannas. Zwar waren einige Zwerge kritisch gewesen, als Lyrann dieses jährliche Fest zur Erntezeit eingeführt hatte, doch man vertraute der Königin, die von den meisten Zwergen des Berges geliebt und verehrt wurde.

Vor dem Altar hatte man ein Feuer entfacht, über dem wohlriechende Kräuter verbrannt wurden. Der duftende Rauch wurde durch die Schächte nach draußen getragen, wo die Winde Manwes ihn zu Mahal und seiner Gemahlin bringen würden. Ebenso waren einige der prachtvollsten Edelsteine in die Glut gelegt worden. Sie dienten als Symbol der Dankbarkeit an Mahal, der sie im Erebor mit so viel Reichtum und Wohlstand segnete.

Die Königin stand vor dem Feuer, ihr jüngster Sohn Rhon diente ihr als Gehilfe. Lyrann trug ein prachtvolles Kleid in Grün, der Farbe Yavannas. Nach zwergischer Art hatte es einen weit ausladenden Rock und komplizierte Schnürungen an der Taille. Das Kleid war über und über mit silbernen Runen bestickt, die Yavanna und Mahal Ehre bringen sollten. Zum Zeichen des Wohlstandes, den der Erebor dank Mahals Gnade genoss, trug die Königin ein prachtvolles Collier aus Smaragden und Silber. Ein silberner Haarschmuck, der den Flügeln der Raben Erebors nachgebildet war, zierte zudem die dunklen Haare der Königin, die sich über ihre Rücken ergossen.

Thrain stand zwischen seinen Geschwistern Fenja und Frerin in der ersten Reihe der versammelten Gemeinde. Aus nächster Nähe verfolgte er, wie zwei Zwerge eine weiße Ziege zwischen den aufgetürmten Feldfrüchten hindurchführten, direkt auf die Königin und ihren Sohn zu. Der Prinz unterdrückte ein Gähnen. Eine Erkältungswelle machte in den letzten Tagen seinen Wachen zu schaffen und mehrere Soldaten lagen krank in ihren Betten. Die Folge war, dass der Thronfolger, der sowieso bereits chronisch überarbeitet war, Doppelschichten schob.

Vor ihm übernahm sein Bruder die Ziege und brachte sie vor seiner Mutter zum Stehen, die ein Loblied auf Mahal und die Valar anstimmte. Blinzelnd beobachtete Thrain die Szenerie. Die Königin hatte einen funkelnden Dolch, besetzt mit reinsten Diamanten, gezogen und schnitt mit einer flüssigen Bewegung in den Hals der Ziege. Blut spritzte auf, Rhon hielt geistesgegenwärtig die Ziege ans Feuer, damit die kostbare Garderobe der Königin nicht beschmutzt wurde. Einige der Zwerge in der Menge jubelten. Es war eine gute, junge Ziege gewesen, ein würdiges Opfer.

Der Blick Thrains wanderte zur Seite, wo sein Vater stand. Thorin stand neben seinem zweitältesten Sohn und seiner Schwester, gewandet in kostbares Silber, ein schwerer grüner Umhang fiel von seinen Schultern. Die Rabenkrone funkelte im Licht des Feuers. Die blauen Augen seines Vaters waren bewegungslos auf die Königin gerichtet. Grimmiger Stolz und Liebe lagen in dem Blick des Königs, der jede Bewegung von Frau und jüngstem Sohn verfolgte.

Unmut kam in Thrain auf. Bereits vor Wochen hatte er seinen Vater darauf angesprochen, dass er doppelte Schichten mittlerweile übernahm. Mit seinen anderen Pflichten kam er kaum hinterher. Im Rat wurde er zunehmend unaufmerksam und gereizt, beim Training mit seinem Vetter und den Neulingen hatte Fili schon mehrmals bemerkt, dass Thrain sich ernsthaft verletzen könne, wenn er weiterhin so übermüdet war und über den Stapel Berichte auf seinem Tisch, wollte er lieber gar nicht nachdenken. Warum entlastete der König ihn nicht? War es ein Test, eine Probe, wie viel er aushalten konnte?

Er wusste, dass sein Vater und dessen Geschwister nach der Eroberung des Erebor durch Smaug grausames erdulden mussten, lud ihm sein Vater deswegen so viele Aufgaben auf? Aber warum dann nicht Frerin, Fenja und Rhon? Keiner der drei stöhnte so sehr unter Arbeit wie er! Wut wallte in ihm auf und vor Zorn ballte er die Fäuste. Zorn half ihm, wach zu bleiben.

Die Zwerge strömten in die Eingangshalle, die man extra für das Fest an diesem Abend hatte räumen lassen. Vor dem Berg brannte ein riesiges Freudenfeuer, das letzte Feuer, das man vor dem Frühling für ein Fest entzünden würde. Schwatzend und aufgeregt schnatternd schob sich die Menge auf die beladenen Tische voller Essen zu. Sämtliche Großküchen des Berges hatten unter Bomburs Leitung Großartiges vollbracht und versorgten nun die feiernden Zwerge mit allerlei Leckereien. Manch ein Zwerg zog mit einem Bauchladen noch durch die Menge und verkaufte gebratenes Fleisch, frittiertes Gemüse, Honigkuchen oder frisches Brot. In dieser Nacht wurde so viel gegessen, es würde noch viel verkauft werden können.

Thrain nahm grad von einem der Verkäufer einen fetttriefenden Fleischspieß entgegen und versenkte voller Appetit seine Zähne darin, als ihn jemand kräftig auf die Schulter hieb. Erschrocken wirbelte er herum und hätte fast seinen Spieß fallen gelassen, da erblickte er einen lachenden Jari hinter sich. „Jari!", rief er aus. Freudig sah er den bärbeißigen Krieger an. Viel zu selten sah er seine Freunde oder konnte mit ihnen reden. „Thrain, alter Knabe!", posaunte Jari fröhlich, „Was geht es meinem liebsten Viertelelb?" Kurz musterte er den Prinzen. „Du siehst echt erschöpft aus.", fügte er dann etwas sanfter hinzu.

Thrain seufzte. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Dass er, der Kronprinz, jetzt schon, ohne überhaupt König zu sein, unter all der Arbeit einbrach? Dass er wütend und enttäuscht von seinem Vater war? Dass er seine Geschwister beneidete und ihnen innerlich Vorwürfe machte, dass sie nicht so viel arbeiteten wie er? Wie gerne er seinem Vater all die Berichte vor die Füße werfen würde? Und dass er seine Mutter nicht verstand, die immer lächelnd an der Seite seines Vaters stand? Sah sie nicht, wie ungerecht er ihn behandelte?

Jari lächelte aufmunternd. Er verstand, ohne dass Thrain etwas sagen musste. „Hör zu,", sagte er verschwörerisch, „ich hab etwas, was dich aufmuntern wird. Gimli und ich gehen nachher in den Freudenbezirk. Ich kenne da ein Haus mit ganz vorzüglichem Service... Die Damen dort... Die verstehen es, einen in kalten Winternächten aufzuwärmen. Wir wollten Skafid mitnehmen. Er war noch nie dort und der Junge soll mal was erleben. Und ich dachte, vielleicht kommst auch du mit? Ich hätte genug Geld, um dich und Skafid zu finanzieren."

Thrain lächelte gerührt. Er wusste, dass Jari da eine Menge Geld extra für sie beide zurückgelegt haben musste. Gimli und Jari suchten regelmäßig diese Gegend des Berges auf, die für ihre Kneipen und Huren berühmt war, soweit er das wusste. Thrain selbst hatte sie nie begleiten können. Es fehlte ihm schlichtweg die Zeit dafür. Erneut wurde er zornig auf seinen Vater, der ihm mit all den Aufgaben jede noch so kleine Freude verdarb. Gern wäre er mit den dreien gegangen, hätte mit ihnen die ganze Nacht geredet, getrunken, wer weiß, vielleicht wäre er tatsächlich einer hübschen Zwergin in ein verschwiegenes Zimmer gefolgt. Ein langer, blonder Zopf und eine weite Hüfte tauchten vor seinem inneren Auge auf.

Doch heute war das nicht möglich. Langsam und traurig schüttelte er den Kopf. „Tut mir leid, mein Freund. Aber ich habe keine Zeit.", erwiderte er leise. Jari starrte ihn irritiert an. „Aber heute ist Erntefest!", rief er, „Heute feiert jeder Zwerg!" „Dieser hier nicht...", murmelte Thrain niedergedrückt. Er gab sich einen Ruck und sah seinen Freund an. „Auf meinem Tisch liegt ein Stapel Berichte, die ich für meinen Vater morgen fertig haben muss. Und da ich morgen früh wieder mit Fili die Neulinge trainieren muss, habe ich dann keine Zeit dafür. Deswegen geh ich jetzt auf mein Zimmer und kümmere mich darum."

Noch bevor Jari etwas erwidern konnte, hob er die Hand zum Abschied und ging langsam schlurfend in Richtung der Gemächer. Sein Fleischspieß wollte ihm mit einem Mal nicht mehr so richtig schmecken.

Lyrann ließ den Blick über die königliche Festtafel gleiten. Hier saßen sämtliche Mitglieder der königlichen Familie und ihr Gäste. Zu ihrer Linken saß Thorin, auf ihrer anderen Seite Frerin und Fenja. Neben Fenja hatte Dis mit ihren beiden Söhnen und Tauriel Platz genommen. Besorgt fiel Lyranns Blick auf den leeren Stuhl zwischen Thorin und Rhon. Thrain fehlte. Auf Rhons anderer Seite saßen Dwalin, Minna, die etwas verschreckt auf Lyranns Bitte reagiert hatte, mit ihnen zu speisen und König Brand aus Thal. Thranduil hatte die Einladung höflich abgelehnt, was Thorin vermutlich insgeheim erleichtert hatte.

Bombur hatte sich selbst übertroffen. Gepökeltes, gebratenes, gegrilltes und gekochtes Fleisch, Eintöpfe aus Speck und Bohnen, frisches Gemüse von den Feldern, gebratene Kartoffeln, Pilze und Kürbisse, feine Salate, eingelegtes Obst, verschiedenste Fische aus dem See von Esgaroth und vieles mehr türmte sich auf der Festtafel. Besonderer Höhepunkt des Festessens war jedoch ein traditionelles Gericht, dass besonders gerne von den Zwergen gegessen wurde und mittlerweile fester Bestandteil des Erntefestes waren: die Brocken. Dies waren kleine, runde Teigtaschen, mit den unterschiedlichsten Dingen gefüllt, Fleisch, Käse, Speck oder sogar Obst. Sie sollten die vielen mit Edelsteinen gefüllten Drusen darstellen, die die Zwerge im Berg fanden und auf denen ihr Wohlstand mit beruhte.

Wie so oft füllte Thorin seiner Frau den Teller. Liebevoll suchte er aus verschiedenen Schüsseln einige der Teigtaschen aus und häufte eine ordentliche Portion Pilze und Wildfleisch auf den Teller, von dem er wusste, dass Lyrann es besonders gern aß. Mit einem Lächeln sah er zu seiner Frau, als er den Teller vor ihr abstellte.

Lyrann erwiderte den Blick mit sorgenvoller Miene. „Weißt du eigentlich wie stolz ich jedes Mal bin, wenn du dort vor unserem Volk stehst und diese Feier zelebrierst?", fragte Thorin leise. Er legte einen Arm um ihre Schultern und zog sie ein Stück an sich heran. „Du bist die schönste, stolzeste, gütigste und stärkste Königin, die ich mir an meiner Seite wünschen könnte, geliebte Frau.", fuhr er mit tiefem Brummen in der Stimme fort. Sacht küsste er sie auf die Lippen. Doch so sehr Lyrann die Nähe zu ihrem Mann genoss, so konnte sie sich dem Kuss und den Komplimenten nicht hingeben.

Thorin bemerkte, wie sie ihre Lippen fest verschlossen hielt und zog sich verwundert zurück. Zwar war er noch immer zurückhaltender in der Öffentlichkeit mit seinen Liebesbekundungen als in ihren privaten Gemächern, aber sie zeigten dennoch ihre Gefühle und ihre Verbundenheit offen vor allen. „Was hast du?", fragte er mit gerunzelter Stirn, seine hellen Augen suchten besorgt ihr Gesicht ab. „Thrain...", sagte Lyrann nur. Sie wies mit dem Kopf auf den leeren Stuhl zu Thorins anderer Seite. „Weißt du, wo er ist?", fuhr Lyrann fort, „Bei der Zeremonie war er noch da. Er sah gar nicht gut aus, ist dir das aufgefallen?"

Der König seufzte und rückte ein Stück von seiner Frau ab. Sein Blick fiel auf den Platz seines Erben. „Ich vermute, dass er zu tun hat und deswegen nicht hier sein kann.", erwiderte er. Lyrann zog kritisch die Augenbrauen zusammen. „Hast du ihm wieder eine weitere Aufgabe gegeben?" Ihr Missfallen war deutlich zu hören. „Nein, habe ich nicht.", entgegnete ihr Mann, auch er klang etwas verärgert, „Aber ich habe ihn vor der Zeremonie auf eine Reihe Berichte angesprochen, die ich morgen bei der Ratssitzung brauche. Und da er noch nicht dazu kam, hat er versprochen, sich baldmöglichst darum zu kümmern."

„Thorin, ich mache mir Sorgen um ihn. Er arbeitet mehr als jedes andere unserer Kinder.", sagte Lyrann im anklagenden Ton. Thorins helle Augen blitzten zornig auf. „In seinem Alter habe ich deutlich schlimmeres erdulden müssen. Überlasse die Beurteilung, was der Junge aushält, besser mir, Lyrann.", antwortete er.

Überrascht sah Lyrann ihren Mann an. „Thrain ist auch mein Kind, Thorin.", sagte sie, sich wieder um einen ruhigeren Tonfall bemühend, „Und mir fällt nur auf, dass keines seiner Geschwister eine gleiche Last trägt. Er sah heute kränklich aus, Liebster." Vorsichtig nahm sie Thorins Hand. Die Züge des Königs glätteten sich ein wenig. Mit der Spur eines Lächelns sah er seine Frau an. „Thrain wird König werden. Das hebt ihn von seinen Geschwistern ab. Die Herrscherbürde wird ihm auferlegt werden. Du weißt genau wie ich, was das heißt."

Mittlerweile hatten die ersten Zwerge am Tisch aufgegessen und erhoben sich, um sich unter die Feiernden zu mischen. Thorins Blick verfolgte die Zwillinge, die sich gerade einer Gruppe junger Zwerge näherten, die ausgelassen bei einer Gruppe Musiker tanzten. Kaum waren die beiden dort angelangt, wurde Fenja von den Männern umringt und zum Tanz aufgefordert. Instinktiv zuckte Thorins Hand dorthin, wo er sonst seine Waffen trug und er machte Anstalten, sich zu erheben. Sein Kiefer mahlte angespannt. Mit kaltem Blick musterte er die jungen Männer, die seine einzige Tochter umringten.

„Bleib hier!", sagte Lyrann bestimmt und hielt ihren Mann fest. Der beäugte kritisch, wie seine einzige Tochter mit einem Soldat nach dem anderen tanzte. „Wenn sie Fenja auch nur ein Haar krümmen...", knurrte er. „Werden sie feststellen, dass die Prinzessin gefährlicher ist als ihr Alter vermuten lässt. Dwalin hat sie hervorragend ausgebildet.", fuhr die Königin dazwischen, „Sie ist jung, Thorin, lass ihr den Spaß."

Seufzend drehte Thorin sich wieder zu seiner Frau um. „Bitte,", nahm Lyrann den Faden wieder auf, „sprich mit Thrain. Es geht ihm nicht gut. Ich mache mir wirklich Sorgen. Nimm ihm etwas von der Last, die er tragen muss." Kurz schwieg Thorin, dann jedoch nickte er nachgiebig. „Natürlich, meine Liebste.", sagte er sanft.

Liebevoll beugte er sich vor und küsste sie zärtlich.

Thrain schreckte hoch. Vollkommen verwirrt sah er sich in dem schwach erleuchteten Zimmer um. Für einen Moment wusste er nicht, wo er war. Er saß auf einem Stuhl, seine Finger tasteten über Stapel von Pergament und eine Feder. Ein Klirren ertönte, gefolgt von einem Spritzen, ein Tintenfäschen war zu Boden gefallen.

Fluchend sprang Thrain auf. Er war über seinen Berichten eingeschlafen. Rasch hatte er eine Kerze an dem verlöschenden Kaminfeuer entzündet und sah auf die Standuhr neben dem Kamin. „Bei Mahals Hammer!", schrie er fassungslos auf. Es war bereits Mittag. Weder war er beim morgendlichen Training mit Fili und den Soldaten gewesen, noch hatte er seine Berichte beenden können.

Laut fluchend sammelte Thrain die in der Nacht begonnen Schriftstücke ein und stürzte aus dem Zimmer. Sein Vater erwartete ihn mit dem Rat.

Fast rannte er im Flur seinen jüngsten Bruder um, als Rhon gerade aus seinem Gemach kam. „Thrain! Was?", rief dieser verwundert. Doch der Prinz hatte keine Zeit zu antworten, sondern hastete nur weiter den königlichen Flügel entlang, vorbei am Gemach seiner Eltern zu der breiten Treppe mit dem goldverzierten Geländer, auf der locker vier Zwerge nebeneinander gehen konnten, die die königlichen Gemächer mit dem Hauptteil des Berges verband.

Im Ratssaal fand er Thorin und Fili vor. Beide schienen in ein ernstes Gespräch vertieft und hoben die Köpfe, als er hereinstürzte. Abrupt bremste Thrain ab. Sein Blick begegnete dem Filis und Schamesröte schoss ihm ins Gesicht. Noch nie hatte er verschlafen. Mühsam hielt er dem Blick seines Vetters stand, auch wenn er zu gerne zu Boden gesehen hätte.

„Thrain...", die tiefe Stimme seines Vaters hallte in dem Raum wider. „Fili sagte mir eben, dass du heute Morgen nicht beim Training warst, entgegen eurer Abmachung." Jetzt schaffte Thrain es nicht, seinen Vater anzusehen. Die Augen auf den Boden geheftet nickte er und erwiderte: „Ich habe verschlafen. Es wird nicht wieder vorkommen."

Niemand antwortete. Thrain hob den Blick und sah, wie Fili kurz seinem Onkel zunickte und dann an Thrain vorbei in Richtung ging. Ihre Augen trafen sich. Lag da Mitleid in Filis Blick? Oder doch eher Enttäuschung und die Forderung, so etwas nicht wieder vorkommen zu lassen? Thrain erinnerte sich, wie er als kleiner Junge manchmal Angst gehabt hatte, dass sein ältester Vetter ihn nicht leiden konnte, war Fili doch dank Thrains Geburt nicht mehr der Thronerbe. Nun kamen diese alten Bedenken wieder hoch. War Fili nicht der viel bessere Prinz gewesen als er? Nie hatte er gehört, wie sein Vetter sich beklagt hatte oder so versagt wie er.

Als Fili den Raum verlassen hatte, wagte Thrain wieder zu sprechen. Er hielt seinem Vater den Stapel fertiger Berichte hin. Es waren weniger als die Hälfte der versprochenen Berichte. „Hier... Den Rest mache ich so schnell wie möglich fertig.", sagte er. Wortlos nahm sein Vater ihm die Pergamente ab und wandte ihm den Rücken zu, während er sie durchblätterte. Schließlich legte er die Berichte auf den Tisch ab und sagte dann leise: „Ich habe gestern mit deiner Mutter gesprochen. Sie macht sich Sorgen um dich, sie sagte, dass du die Arbeit, die ich dir gegeben habe, nicht verkraftest..."

Thrain senkte den Blick. Schuldgefühle, Scham und ein leichter Groll gegen seinen Vater kämpften in ihm. „Ich dachte, sie würde sich irren. Ich wollte mit dir darüber reden, dich nach deiner Meinung fragen... Und nun sehe ich, dass ich mich tatsächlich nicht auf dich verlassen kann!" Thorins Stimme wurde lauter. Er drehte sich zu seinem Sohn um, der endlich die Kraft fand, den Blick zu heben.

„Denkst du, das Leben und die Pflichten eines Königs sind leichter als dein jetziges Leben?", rief der König aus und seine Augen blitzten auf. „Ich arbeite Tag und Nacht für unser Volk, ich brauche deine Unterstützung Thrain! Unser Volk braucht dich! Und wenn ich nicht mehr bin, wird es dich noch mehr brauchen! Verschlafen, Vergesslichkeit und andere Dinge kannst du dir nicht erlauben! Jetzt kann ich es auffangen... Aber was, wenn du König bist? Ich dachte, ich könne mich auf dich verlassen, auf meinen erwachsenen Sohn, meinen Erben... Aber scheinbar habe ich mich getäuscht..."

Das war nicht fair! Mit einem Mal verschwanden Schuld und Scham gegenüber seinem Vater. War er denn das einzige Kind des Königs? Trug irgendeines seiner Geschwister die gleiche Last? „Du kannst dich auf mich verlassen, Vater!", rief er aus, jetzt selbst voller Zorn. „Ich würde mein Leben freudig für unser Volk und unsere Familie geben. Aber du kannst dich auch darauf verlassen, dass ich zusammenbreche, wenn du mich weiter so mit Arbeit überhäufst! Keines meiner Geschwister arbeitet so viel wie ich! Rhon darf sich seinen Studien widmen, so viel er will, Frerin ist glücklich bei den Goldschmieden und Fenja lässt du alle Freiheit, die sie will!"

Ihre Augen, einander so ähnlich, fixierten sich. Thrain atmete schwer. All die Wut, all der Frust der letzten Monate entluden sich mit einem Mal. Er fühlte sich unglaublich müde und furchtbar zornig gleichzeitig. Thorin knurrte und ballte die Fäuste, um seine Emotionen unter Kontrolle zu halten.

„Du denkst, du hättest ein schweres Leben?", entgegnete er, „Du denkst, du würdest ungerecht behandelt werden? Ich habe eine Überraschung für dich, mein Sohn, das Leben ist nicht fair! Du bist der Erstgeborene! Du bist der Prinz unter dem Berge und der zukünftige König! Es ist deine Bestimmung und damit gehen Pflichten einher! Denkst du, ich, deine Tante oder dein Onkel konnten sich die Pflichten aussuchen, vor die wir gestellt waren, als der Drache hierher kam? Wir mussten ein ganzes Volk ins Exil führen! Ich war nicht viel älter als du, als dein Großvater verschwand, Thrain! Wir mussten ein Volk führen, da fragte niemand nach unseren Bedürfnissen!"

„Aber ich bin nicht du, Vater!", brüllte Thrain. Er verstand es nicht, er wollte es nicht mehr verstehen... „Vielleicht bin ich schwächer als du... Wenn ich dir nicht genüge, hättest du Fili vielleicht als Erben behalten sollen!" Seine Stimme verhallte.

Stille herrschte. Beide sahen sich an. Thrain glühte vor Zorn. Sein Vater mahlte mit dem Unterkiefer. Da schlug die Tür hinter ihnen plötzlich auf und die Ratsmitglieder Nira, Gloin und Mim standen im Raum. Fragend blickten sie zu König und Prinz, deren laute Stimmen man sicher im Gang gehört hatte.

„Geh auf dein Gemach, Thrain...", sagte Thorin sehr leise, „Kümmere dich um diese restlichen Berichte. Wir reden später weiter." Ohne seinen Vater anzusehen, drehte Thrain sich auf dem Ansatz um und stürmte aus dem Raum.

Er ging nicht sofort zu seinem Gemach. Ziellos und mit aufgewühlten Gedanken streifte er durch den Berg. Seine Füße trugen ihn Treppen und Flure entlang, ohne dass er sie bewusst steuerte.

„Thrain! Thrain, warte!" Eine Stimme hinter ihm weckte ihn aus seinen Grübeleien. Er drehte sich um. Seine kleine Schwester kam auf ihn zugeeilt. Das wirre, braune Haar löste sich aus ihrem Zopf, an ihrem Gürtel klapperten zahlreiche Dolche und Wurfäxte, den weiten Rock ihres roten Reitkleides hatte sie mit beiden Händen in die Höhe gerafft. Keuchend blieb sie vor ihm stehen. „Wohin gehst du?", fragte sie ihn fröhlich. „Auf mein Gemach...", murmelte Thrain abwesend. Stirnrunzelnd musterte Fenja ihn. „Was ist los?", fragte sie besorgt, „Du siehst gar nicht gut aus."

Thrain seufzte. Er konnte es nicht abstreiten. Tatsächlich fühlte er sich furchtbar. Müde, ausgelaugt, aufgerieben, zornig und enttäuscht... Der liebevolle Blick seiner Schwester wärmte sein Herz. „Ich habe mit Vater gestritten.", sagte er schließlich. Müde fuhr er sich übers Gesicht.

Fenja zog überrascht die Luft ein und griff seine Hand. „Oh nein! Was ist passiert?", fragte sie leise. Thrain schüttelte den Kopf, „Das ist nicht so wichtig..." Traurig legte Fenja die Arme um ihn und drückte ihn. Zärtlich erwiderte er die Umarmung seiner Schwester. „Was auch immer passiert ist, ich bin sicher, ihr könnt es beilegen.", murmelte Fenja an seiner Schulter.

Abwesend nickte Thrain. „Bestimmt...", sagte er, auch wenn er nicht wirklich daran glaubte. Etwas in ihm war zerbrochen. Sein Leben schien mit einem Mal keinen Sinn mehr zu machen.

„Weißt du was?", fragte Fenja da und löste sich aus seiner Umarmung. „Was?", fragte Thrain und lächelte schwach über ihre plötzlich wieder begeistert leuchtenden Augen. „Nori ist fort!", rief Fenja aus.

„Nori? Fort?", erwiderte er. Sie nickte. „Ja... Gestern fehlte er bereits. Du weißt, wie Nori ist. Er verlässt immer mal wieder den Berg für eine Reise. Aber zu Festen kommt er immer zurück. Und nun scheint er völlig verschwunden zu sein. Ich habe Dori eben getroffen. Der arme Kerl ist verzweifelt. Erst verlässt Ori den Berg mit Balin und wir hören nichts mehr von ihnen, jetzt auch noch Nori..." Ihre Stimme verklang.

Thrain lächelte. „Es wird ihm bestimmt gut gehen.", sagte er. Sacht küsste er seine Schwester auf die Stirn, dann wandte er sich ab. „Du solltest dich mal bei den Heilern melden... Mittlerweile wirkst du echt kränklich!", rief ihm Fenja noch hinter her.

Doch Thrain hörte sie kaum noch. Eine wahnwitzige Idee nahm in seinem Hinterkopf Gestalt an. Zielstrebig trugen ihn seine Schritte nun zu seinem Gemach.

Stille empfing ihn, als er hinter sich die Tür schloss. Er blieb in seinem Studierzimmer stehen und sein Blick fiel auf den wuchtigen Schreibtisch aus dunklem Stein hängen. Es war ein wahres Kunstwerk der Steinmetzkunst, kunstfertig verziert und durchzogen von blauen Gesteinsadern. Doch Thrain sah vor allem auf den Berg an Pergament, die teilweise zerknickten Federn und gefalteten Blätter, die zwischen Büchern und Schriftrollen hervorragten. Schweren Schrittes näherte er sich dem Platz, wo er noch kurze Zeit vorher aus dem Schlaf geschreckt war.

Müde ließ er sich auf den Stuhl fallen und zog das erste Blatt heran, Zorn und Enttäuschung in den hintersten Winkel seines Kopfes verbannend. Doch er konnte sich nicht konzentrieren. Die große Standuhr neben dem Kamin tickte vor sich hin, während Thrain die gleichen Sätze immer und immer wieder durchlas und nichts verstand. Die Tür hinter ihm öffnete sich und eine Schüssel Suppe wurde neben ihm abgestellt. Er konnte Minna hören, die in seinem Schlafzimmer aufräumte. „Iss etwas, Thrain...", flüsterte sie leise und strich ihm kurz über den Kopf, bevor sie wieder verschwand.

Doch der Prinz ignorierte das Essen. Seine Augen stierten auf den Bericht, ohne ihn zu sehen. Die Gedanken schweiften ab... Zu Nori, der den Berg einfach so verlassen hatte.

Plötzlich aufgewühlt stand er auf und raufte sich die Haare. Er hielt es nicht mehr aus. Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ruhelos lief er auf und ab. Wild wirbelten Bilder in seinem Kopf um her, bereiteten ihm beinahe Kopfschmerzen. Sein Vater, der ihn voller Enttäuschung und Wut anschrie, seine Mutter, die offenbar der Meinung war, er wäre nicht stark genug, seine Geschwister... Fenja, die sich jeden Ausritt erlauben konnte, den sie wollte, Frerin, der mit allergrößter Geduld jede Ratssitzung über sich ergehen lassen konnte und der die Zeit hatte, wunderbare Kunstwerke an der Schmiede zu erzeugen und Rhon, der Kili regelmäßig in den Düsterwald begleitete oder jedes Buch der Bibliothek ausleihen durfte... Es war so unfair! Seine Geschwister waren frei! Von ihnen wurde all dies nicht erwartet!

Er konnte nicht mehr... Er wollte weg... mit aufgepeitschten Gefühlen blieb Thrain vor seinem Tisch stehen. Hass loderte in ihm auf. Mit einem Aufschrei fegte er die Pergamente, Bücher, Rollen und Federn vom Tisch.

Schwer atmend stand er da. Nein, er konnte es nicht tun... Seine Familie brauchte ihn...

Aber zerstörte ihn sein Leben nicht gerade? War er nicht gerade nur ein Schatten seiner selbst? Thrain presste die Lippen aufeinander. Dann fiel sein Entschluss. Er bückte sich nach einem Stück Pergament und einer Feder.

Wenig später stand er in seinem Schlafzimmer, ein kleines Bündel in den Händen. Sein Blick fiel auf die große Doppelaxt, die neben seinem Bett lehnte. Kurz sah er das stolze Gesicht seines Vaters vor sich, als dieser ihm die Axt überreicht hatte. Verbitterung legte sich über Thrains Gesicht. Offenbar war er nicht der Sohn, den Thorin sich damals gewünscht hatte. Seine Hand fuhr über die Streitaxt in seinem Gürtel. Diese würde ihm genügen. Mit raschem Griff schnallte er sich einen kleinen Schild über den Rücken und verließ das Zimmer.

Die Doppelaxt des Kronprinzen schimmerte schwach im Licht des ersterbenden Feuers.

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