Das Fest der Elben
Der Tag der Mitsommernacht kam heran und eine Atmosphäre gespannter Erwartung legte sich über den Palast des elbischen Herrschers Thranduil. Die letzten Vorbereitungen für das große Fest wurden noch getroffen, geschäftig eilten Elben durch den Palast, richteten die Speisen für das Festmahl, stimmten ihre Instrumente oder schmückten die Hallen und Korridore, denn obwohl das Fest im Wald stattfinden würde, sollte auch der Palast in besonderem Gewand erscheinen.
Die Sonne überschritt den Zenit und mit dem frühen Abend wurde es ruhig. Die letzten Aufgaben waren erfüllt, nun blieb nur noch zu warten. Die Luft schien vor Freude zu vibrieren.
Lyrann stand in dem Zimmer, das man ihr und Thorin gewiesen hatte. Es lag den Gärten zugewandt, um die sich der Palast herum erstreckte. Eine Seite des Zimmers war offen, ein großer bogenförmiger Durchgang gewährte Zutritt auf einen Balkon, von dem aus sich der Blick auf den Garten Thranduils ausbreitete. Plätschernd rann ein kleiner Wasserfall an einer Wand ihres Zimmers entlang, Moose und Farne wuchsen dort in kleinen Steinnischen, sodass es den Eindruck erweckte, sie schliefen in einer Grotte.
Ein großes geschnitztes Himmelbett dominierte das Zimmer, darauf lag eine kleine Schatulle, aus der Lyrann nun die Rabenkrone der Königin hervor holte. Sie trat vor einen hohen Spiegel und senkte vorsichtig das Diadem auf ihr Haupt.
Sie trug ein Kleid, dessen weicher Stoff sanft schmeichelnd wie Wasser um ihren Körper floss. Von strahlendem Weiß war es und goldene Stickereien, Blättern und Blüten nachgebildet, zierten Ausschnitt und Gürtel. Die weiten Ärmel und der Rock waren mit zarten Perlen bestickt, die mit jeder Bewegung leicht schimmerten.
Das Haar trug Lyrann heute nach elbischer Art fast komplett offen und frei. Nur ein paar wenige Strähnen an den Schläfen hatte sie nach hinten geflochten. Ansonsten hatte die Königin unter dem Berge an diesem Abend bis auf ihre Ringe und die Rabenkrone, deren silber-schwarze Flügel sich um ihr Haupt schmiegten, komplett auf Schmuck verzichtet.
Sie besah sich ein letztes Mal prüfend im Spiegel, dann trat sie hinaus auf den Balkon und blickte zum Himmel, wo sich die Sonne ganz langsam in Richtung Horizont bewegte. Die Schatten der Palastmauern und Bäume wurden länger. Bald würde das Fest beginnen.
Hinter hier öffnete sich die Tür zum Waschraum, in dem Thorin gewesen war. Sie wandte sich um und sah ihrem Mann entgegen. Thorin trug eine silbergraue Tunika nach elbischer Machart, für ihn äußerst ungewöhnliche Kleidung, die ihm aber gut zu Gesicht stand, unterstrich sie doch sein erhabenes Auftreten besser als es jeder zwergische Prunk gekonnt hätte.
Thorin blieb im Zimmer stehen und sah sprachlos zu seiner Frau, die von der untergehenden Sonne hinter ihr angestrahlt wurde. Das dunkle Haar schien golden zu schimmern, die Krone auf ihrem Haupt und das weiße Kleid funkelten und es fiel ihm schwer zu glauben, dass es sich bei der Erscheinung vor ihm um kein Wesen Valinors handelte, sondern um seine Frau.
Langsam trat Thorin auf Lyrann zu, die Augen glitten über sie und er holte tief Luft, als er zu ihr auf den Balkon trat. Sacht nahm er ihre Hände in die seinen und strich darüber, wie um sich zu vergewissern, dass sie echt war.
„Lyrann...", flüsterte er, tiefe Bewunderung und Liebe in seinen hellen Augen, „Ich glaube selbst die Valar in den unsterblichen Landen können sich mit deiner Schönheit nicht messen." Sanft führte er ihre Hände an seine Lippen und küsste sie. „Ich bin ein wahrhaft glücklicher Mann."
Lyrann lachte leise auf und lehnte sich an Thorin. Nebeneinander sahen sie zu den Gärten hinab und nicht zum ersten Mal dachte Lyrann an die Worte Amayas, als sie hier angekommen waren.
„Thorin?", fragte sie leise ihren Mann. „Mmh?", machte dieser, die Arme liebevoll um ihre Taille geschlungen und das Gesicht in ihr Haar gedrückt.
„Wohin denkst du war Thrain unterwegs, als er den Düsterwald durchquerte? Und wo wird er jetzt wohl sein?", sagte sie. Thorin erwiderte einen Moment nichts. „Ich weiß es nicht, Liebste.", erwiderte er und eine Spur der Traurigkeit, die sie beide immer erfasste, wenn sie über ihren Ältesten sprachen, lag auch diesmal in seiner Stimme. „Er könnte mittlerweile das Auenland erreicht haben oder bis nach Gondor gezogen sein.", fuhr er fort.
Sie sahen einander an. Beide vermissten sie ihren Sohn, machten sich Sorgen um ihn und sich selbst Vorwürfe, dass sie das Zerwürfnis vielleicht hätten verhindern können.
Thorin holte tief Luft und meinte dann: „Ich bin mir sicher, dass es ihm gut geht. Thrain war schon immer sehr selbstständig und er ist ein erfahrener Krieger. Er wird gut für sich selbst sorgen können." Er lächelte seiner Frau aufmunternd zu und drückte sie kurz an sich.
Es klopfte und die Tür ihres Zimmers öffnete sich. Rhon trat ein. In seinem dunkelblauen, fließenden Gewand sah er aus wie ein kleinwüchsiger, etwas zu breit gebauter Elb.
„Seid ihr soweit?", fragte er," Die Elben sammeln sich im Garten."
Lyrann lächelte breit und lief zu ihm. „Ionin*!", grüßte sie ihn liebevoll und schloss ihn in die Arme. Sie musterte ihn und meinte: „Gut siehst du aus."
Thorin und Lyrann folgten Rhon aus ihrem Zimmer, wo sie bereits von Dwalin, der in seiner elbischen Tunika von weinroter Farbe aussah, als würde er sich leicht unwohl fühlte, Kili, Tauriel und Brand erwartet wurden.
„Gehen wir!", verkündete Kili fröhlich, fasste Tauriels Hand und gemeinsam führten sie die Gäste die Gänge des Palastes entlang, einige Treppenstufen hinab, bis zu einem Portal, das sich zum Garten hin öffnete.
Sie folgten einem Kiesweg, vorbei an hoch wachsendem Gras, das sich sanft in der abendlichen Brise bewegte. Bäume streckten ihre Zweige über den Wegen aus, ihre Blätter raschelten leise wie das Geflüster fremder Stimmen. Kleine Bäche kreuzten ihren Weg, plätscherten als Netz von kleinen Flussläufen über die Wiesen von einem Teich zum nächsten. Seerosen in den unterschiedlichsten Farben zierten die kleinen Seen, an deren Ufern so manch ein Pavillon stand, zum Verweilen einladend. Das Raunen des Wassers lag erfüllte die Luft. Büsche und Hecken säumten die Wege, schwer beladen mit der Pracht kleiner Blüten, die im Licht des frühen Abends schimmerten.
Thorin hielt Lyrann am Arm zurück und ließ die anderen vorgehen. Dann beugte er sich vor und pflückte vorsichtig einige kleine Blüten von hellroter Farbe. „Dreh dich um!", forderte er seine Frau auf. Lachend wandte Lyrann ihm den Rücken zu und spürte, wie Thorin mit geschickten Fingern die Blüten in ihre Flechtzöpfe einarbeitete.
Mit einem zufriedenen Lächeln trat er zurück und betrachtete seine Frau. Vorsichtig tastete Lyrann nach den Blüten in ihrem Haar. Dann ergriff sie Thorins ausgestreckte Hand und sie folgten den anderen zu einer Wiese, wo bereits viele Elben versammelt waren.
Inmitten all der Elben stand Thranduil hoch aufgerichtet, ein Leuchten schien ihn zu umgeben, von unfassbarem Alter und großer Macht war er, angetan mit der Krone des Waldes und weiten grünen Roben.
„Freunde!", rief er, „Es ist soweit! Die Sonne wendet sich in dieser Nacht, ein weiteres Jahr auf Ardas Angesicht verändert sich, wie so viele, die wir schon vorbei ziehen sahen. Seien wir auch in dieser Nacht Zeuge, wie Arien den Kurs des Sonnenschiffes ändert und lasst uns feiern, zu Ehren Ardas, welche die Valar für uns errichteten."
Mit weiter Geste bedeutete er den Elben, ihm zu folgen und die Festgemeinschaft schritt die Wege des Gartens entlang auf die westwärts gewandte Palastmauer zu.
Thranduil trat vor und mit einer Bewegung seiner Hand erschien ein Tor in der Mauer, das sich vor dem König auftat und den Weg in den Wald vor dem Palast freigab.
Aufgeregt murmelnd ging die Festgemeinschaft durch den Torbogen und fand sich scheinbar mitten im Wald wieder. Unbehaglich richtete Lyrann ihre Sinne auf die sie umgebenden Bäume. Doch von dem beklemmenden Gefühl, dass sie auf ihrer Anreise erfüllt hatte, war nichts mehr übrig. Erleichtert atmete sie auf, lächelte ihrem Sohn zu und hakte sich bei Thorin und Rhon unter.
Nebeneinander folgten sie Thranduil, der zielstrebig zwischen den Bäumen hindurch ging, die sich plötzlich zu einer Lichtung weiteten, die die Elben freundlich willkommen hieß. Das Fest hatte begonnen.
Das Sonnenschiff, gesteuert von der Maia Arien, war noch lange nicht hinter dem westlichen Horizont versunken. Doch Tilion hatte das Schiff des Mondes bereits auf seine Reise geschickt und das blasse Gesicht des Mondes hing voll und groß am Himmel.
Das Leuchten der beiden Himmelslampen vermischte sich zu einem zarten Zwielicht, das sich über die Lichtung ergoss, auf der die Elben feierten.
Leise ließ der Wind die Blätter der üppigen, hochgewachsenen Bäume wispern. Schon seit Jahrhunderten wachten diese Riesen über die alljährlichen Feiern der Sindarin des Waldes. Unzählige Lichter erhellten die Wiese, hingen zwischen den Blättern und Blüten von Bäumen und Hecken. Ob es Lampions waren, die die Elben während ihrer Vorbereitungen aufgehängt hatten, oder Glühwürmchen, die selbst in der Abendbrise tanzten, war unmöglich zu sagen.
Leise Melodien schwebten über der Wiese, vermischten sich mit dem Säuseln des Windes, den geraunten Gesprächen im Zwielicht und schwebendem Gesang silbriger Elbenstimmen. Flöten, Harfen, Mandolinen und Schellen ließen ihren Klang in die Abendluft empor steigen. Hin und wieder trat die Stimme eines einzelnen singenden Elben hervor. Die Lieder erzählten von der Entstehung Ardas, den Wanderungen der Elben und der Liebe des Sindar zu seinen Wäldern und der Natur Ardas. Auch die Geschichte von Arien und Tilion, den Hütern von Sonne und Mond wurde im Liede erzählt und gespannt lauschten die Elben den gesungenen Worten.
So manch einer tanzte zu der Musik des Festes. Sich an den Händen haltend drehten sich einige der Elben im Reigentanz, andere tanzten zu zweit oder ganz alleine. In leise Gespräche vertieft spazierten die Elben im Schatten der Bäume, schemenhafte Gestalten am Rande des Festes. Hin und wieder sah man auch einen einzelnen Elben, die Augen geschlossen und vollkommen in sich gekehrt, eins mit der ihn umgebenden Natur. Helles Lachen wehte über das Fest.
Der Geruch von Essen hing in der Luft. Auf kleinen Feuern wurde Fleisch gegrillt, Wein wurde ausgeschenkt, süß oder schwer, benebelnd oder erfrischend, ganz wie man wollte, kleine, weiche Brote aus hellem Teig wurden umher gereicht. Ganze Schalen von Obst standen bereit, Suppen aus Kräutern des Waldes, Pilzeintöpfe und unterschiedlichstes Gemüse, das die zwergischen Besucher noch nicht einmal beim Namen kannten.
Hand in Hand schlenderten Lyrann und Thorin über das Fest, die feiernden Elben beobachtend. Lyrann lächelte amüsiert, den Gesichtsausdruck ihres Mannes beobachtend. Thorin sah sich höflich interessiert um und schien das Fest auch zu genießen, doch sie sah, dass er sich deplatziert fühlte, hier inmitten all der ätherischen Elben.
„Komm!", sagte sie und zog an seiner Hand, „Lass uns tanzen!"
Thorin sah sie kritisch an. „Ich kann keinen einzigen elbischen Tanz, Liebste.", erwiderte er. Doch die schüttelte nur lachend den Kopf. „Es ist nicht schwer, ich zeig es dir!", meinte sie und führte ihn unerbittlich zu den Tänzern.
Einige Köpfe drehten sich zu ihnen um, doch der König unter dem Berge ignorierte sie geflissentlich, den Blick stur auf seine Frau gerichtet.
Lyrann ergriff seine Hände und begann, ihm leise die Schritte zu erläutern. Der Klang einer einzelnen Flöte, begleitet von den himmlischen Klängen einer hellen Harfe, erhoben sich in die Lüfte und langsam begannen sie beide zu tanzen.
Mit einem glücklichen Lächeln führte Lyrann ihren Mann. Die Schritte des Reigens waren nicht schwer und nach ein paar Irrtümern, die rasch korrigiert waren und von beiden mit einem erheiterten Lachen quittiert wurden, drehten sie sich zum Klang der Musik umeinander.
Die blauen Augen Thorins musterten sie voller Glück und Liebe und sie erwiderte den Blick mit gleicher Hingabe. Sanft und doch fest war der Druck seiner Hände, mit denen er sie beim Tanz hielt. Das Pochen ihres eigenen Herzens mischte sich in den Rhythmus der Musik, die sich himmelwärts hob, Mond und der untergehenden Sonne entgegen.
Lyrann spürte den Drang, sich von der Musik mitreißen zu lassen, ihren Geist hoch zu den Gestirnen am Himmel wandern zu lassen. Es war so verlockend, für einen Moment alles irdische zu vergessen, hoch im Sternenlicht zu wandeln. Und so gab sie nach, fühlte wie ein Teil von ihr immer höher stieg, der Mond wurde immer größer, einige Sterne funkelten am dunklen Himmel, so nah wirkten sie auf einmal, die Sonne versank blutrot am Horizont. Kühl und ruhig war es hier, voller ewigem Frieden.
Doch dann sah sie zurück, nach unten auf die Lichtung, wo die Elben tanzten und feierten, obwohl viele genau wie sie mit der Musik ihren Geist auf die Reise geschickt hatten. Dort war Thorin... Mit einem Mal schienen ihr die Himmelsgestirne kalt und leer, ohne jeglichen Reiz. Wieso sollte sie dorthin gehen, wo ihr Mann nicht folgen konnte?
Fest umfasste sie Thorins Hände, als ihr Geist zurück kehrte. Sie konzentrierte sich auf die Wärme seiner Haut und den liebevollen Blick seiner Augen, das Lächeln, mit dem er sie bedachte. Hier war ihr Mann, ihr Geliebter und ihr Gefährte und bei ihm würde sie bleiben, denn keine Verlockungen des Sternenlichtes konnte seiner Nähe gerecht werden.
Die Musik verklang und sacht zog Thorin sie zu sich heran. Voller Zärtlichkeit küsste er sie auf die Stirn, dann schlenderten sie gemeinsam weiter.
Lyrann lehnte sich an Thorin, der einen Arm um sie gelegt hatte. Sie sah sich um und mit einem Mal fiel ihr Blick auf die elbische Kriegerin Amaya, die sie bei ihrer Ankunft zum Palast geführt hatte und ihnen von Thrain erzählt hatte. Seitdem sie hier waren, hatten sie einander hin und wieder gesehen, doch nie Zeit für ein weiteres Gespräch gehabt.
Fast hätte sie die Kriegerin in dem silbernen Kleid mit den roten Stickereien nicht wieder erkannt, so anders sah sie aus ohne ihre Rüstung. Lyrann blieb stehen und wandte sich Thorin zu. „Entschuldige mich, mein Liebster.", murmelte sie und lief auf Amaya zu.
Thorin beobachtete seine Frau, die zielstrebig auf die Elbin zulief, die sie zum Palast geführt hatte. Er war jetzt bereits gespannt, was Lyrann ihm von dem Gespräch berichten würde. Würde sie weitere Neuigkeiten von Thrain erfahren?
„Vater?", erklang da Rhons Stimme an seiner Seite.
Mit einem Lächeln wandte Thorin sich seinem Jüngsten zu, der genau wie seine Mutter überhaupt nicht schien, als würde er nicht hierher passen.
„Rhon!", sagte Thorin erfreut und blickte schmunzelnd auf den Teller hinab, den sein Sohn in Händen hielt. „Was hast du da?", fragte er.
„Das sind Ivabass,", erklärte Rhon, „elbische Fruchtbrote, gefüllt mit den Beeren des Waldes. Sie wurden mir von einem der Elben hier, Gastorel, empfohlen. Mit ihm habe ich mich vorhin ein wenig unterhalten. Willst du probieren?"
Interessiert nahm Thorin eines der kleinen Gebäckstücke entgegen und biss etwas davon ab. Süß und luftig waren sie, für seinen Geschmack etwas zu süß, mit saftigen Beeren gefüllt.
Eine Weile schlenderten Thorin und sein Sohn über die Lichtung, schließlich richtete Thorin das Wort an seinen Sohn.
„Du fühlst dich hier wohl, nicht wahr, Rhon?", fragte er. Sein jüngster Sohn nickte begeistert. „Es ist wunderbar hier, Vater. Ich bin wirklich froh, dass ihr mich mitgenommen habt. Eigentlich kann ich dir gar nicht erklären, was mich hier so sehr fasziniert, es ist einfach so...", erwiderte er und kurz dachte er nach. Dann fuhr er etwas leiser und fast beschämt fort: „Es fühlt sich an, als würde ich zuhause sein."
Um Vergebung suchend sah er zu Thorin, doch der legte lächelnd eine Hand auf Rhons Schulter. Er hatte gelernt, seinen Kindern nicht mehr im Wege zu stehen.
„Ich bin froh darüber, mein Sohn.", sagte er sanft, „Und es passt zu der Bitte, die ich an dich habe."
Gespannt sah Rhon zu ihm hoch. Thorin lächelte und begann: „Ich möchte, dass du Kilis Platz einnimmst und als mein Vertreter den Düsterwald regelmäßig besuchst. Kili und Tauriel sollen eine Soldateneinheit aus Elben und Zwergen aufbauen und ich kann mir niemand geeigneteren vorstellen, ihre diplomatische Aufgabe zu übernehmen als du."
Rhons Augen leuchteten voller Begeisterung. „Danke Vater!", rief er aus, er strahlte über das ganze Gesicht, „Ich werde dich nicht enttäuschen!"
Dann schien er nachdenklich zu werden. „Eine Gruppe Soldaten aus Elben und Zwergen?", fragte er, „Denkst du, das wird funktionieren?"
Thorin zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Man wird es sehen. Tatsächlich war es Dwalins Idee.", erwiderte er. Rhon klappte verwundert die Kinnlade herunter. Thorin lachte bei dem Anblick. „Ja auch ich habe erstmal überlegt, wieviel Bier mein Waffenbruder da schon getrunken hatte...", sagte er schmunzelnd und die beiden Männer setzten gut gelaunt ihren Spaziergang fort.
Die Elbin Amaya stand ein wenig abseits der Feiernden unter den weit ausladenden Zweigen eines uralten Baumes. Als Lyrann sich ihr näherte, drehte sie den Kopf und ihre dunklen Augen leuchteten kurz auf, als sie die Königin unter dem Berge erkannte.
Lyrann neigte zur Begrüßung den Kopf und stellte sich zu der Elbin. Einen kurzen Moment beobachteten sie beide die Feier.
„Ein wirklich schönes Fest.", stellte Lyrann fest.
„Findet ihr?", fragte Amaya. Die Kriegerin trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. „Mir sind derartig große Zusammenkünfte immer unangenehm. Es scheint mir, als gäbe es zu viele Augenpaare, die nur darauf warten, eine falsche Bewegung oder eine unbedachte Äußerung zu bemerken."
Lyrann lächelte. Dieser Gedanke war ihr nur zu bekannt, war sie doch als Königin oft Zentrum der Aufmerksamkeit hunderter Zwerge. „Das kann ich gut nachvollziehen.", erwiderte sie.
Amaya drehte sich zu ihr um. „Ach echt?", fragte sie zweifelnd und zog die Augenbrauen hoch, „Dabei solltet ihr das doch als Königin unter dem Berge gewohnt sein."
„Gewohnt vielleicht...", erwiderte Lyrann und erwiderte ruhig den Blick der Elbin, „Es ist Teil meiner Aufgabe. Aber ich kann euren Wunsch, sich im Hintergrund zu halten, nur zu gut verstehen."
„Ihr müsst keinerlei Höflichkeitsformen für mich verwenden.", sagte die Elbin und schüttelte ihr wild gelocktes rotes Haar, „Nennt mich Amaya, das reicht."
„Dann bestehe ich darauf, dass ihr es genauso haltet und mich Lyrann nennt.", ergänzte Lyrann milde lächelnd, „Ich erhalte genug Demutsbezeugungen im Erebor, da ist es wohltuend mit einer anderen Kriegerin auf Augenhöhe zu sprechen."
Ein ehrliches Lächeln breitete sich auf Amayas Gesicht aus. „Das würde mir gefallen, Lyrann...", stimmte sie zu.
Sie verfielen in Schweigen und wandten sich wieder der Lichtung vor ihnen zu. Über ihnen wisperten die Blätter des Baumes, während die Sonne endgültig hinter dem Horizont versank und nun lediglich der Mond über die kürzeste Nacht des Jahres wachte.
„Wie hast du dich daran gewöhnt?", nahm Amaya den Gesprächsfaden wieder auf, „Ich meine, du kannst dich im Gegensatz zu mir bei großen Festen nicht an den Rand stellen und abwarten."
Lyrann lachte. „Meine Schwägerin hat mir geholfen, Dís. Sie ist eine geborene Prinzessin und eine wahre Adelige der Zwerge. Anfangs fiel es uns beiden schwer einander zu akzeptieren, sind wir doch sehr verschieden. Aber nun ist sie mir wie eine Schwester, lieb und teuer. Und sie ist ein unerschöpflicher Quell an Ratschlägen, wenn es darum geht, lästige Zusammenkünfte auszuhalten."
„Vielleicht sollte ich bei ihr in die Lehre gehen.", schlug Amaya vor. Die beiden Frauen sahen einander an und lachten auf bei der Vorstellung, dass die vornehme Dís Amaya unterrichtete.
„Dís reist nicht gerne. Du müsstest schon den Erebor besuchen, wenn du von ihrer Lehre profitieren willst.", sagte Lyrann.
Amaya verzog das Gesicht. „Ich kann es mir kaum vorstellen, tagein und tagaus in einem Berg eingeschlossen zu sein.", sagte sie, „Der Wald würde mir so schrecklich fehlen."
Lyrann lächelte verständnisvoll. „Tatsächlich gibt es im Erebor einen kleinen Wald, einen steinernen Wald, der mein persönlicher Zufluchtsort ist.", erzählte sie in liebevoller Erinnerung an diesen Ort, „Mein Mann ließ ihn für mich errichten."
Das schien die Neugier der Elbin zu wecken. „Nun dafür würde ich die Reise auf mich nehmen.", sagte sie, „Das klingt interessant."
„Du bist gerne im Wald unterwegs.", stellte Lyrann fest und die Rothaarige nickte.
„Thranduil schickt mich oft auf Patroullie durch den Wald, meist alleine, was ich sehr schätze. Ich liebe den Wald. Er... er gibt mir ein Gefühl von Freiheit, das ich sonst nirgendwo habe.", erzählte sie und lächelte verträumt, „Ich versuche den Wald, wie ich ihn wahrnehme in Zeichnungen festzuhalten, aber ich bezweifle, dass es mir jemals richtig gelingen wird."
Nachdenklich sah Lyrann zu ihr hoch. „Und bei einer dieser Streifzüge hast du meinen Sohn getroffen?", fragte sie vorsichtig.
Die Elbin nickte und betrachtete forschend die deutlich kleinere Lyrann. „Du schienst überrascht zu sein, als ich davon berichtete. Wusstest du nicht, wohin er unterwegs war?", fragte sie.
Tiefe Trauer legte sich über Lyranns Gesicht. Wie so oft wollte sie das, was passiert war, leugnen, doch gleichzeitig war sie all dem schrecklich müde.
„Thrain verließ uns, ohne etwas zu sagen...", begann sie stockend, die Elbin neben ihr lauschte gebannt. Tief holte Lyrann Luft, „Thorin und unser Sohn..."
Plötzliches Geschrei ertönte und unterbrach Lyrann mitten im Satz. Geschockt rissen beide Frauen den Kopf in die Höhe, suchten nach der Quelle des Lärms. Chaos war auf der Lichtung ausgebrochen, Elben rannten hin und her, Angst verzerrte ihr schönen Gesichter. Da brachen dutzende Orks zwischen den Bäumen hervor und stürmten auf die Feierenden zu.
*mein Sohn
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