Idioten bei der Arbeit
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4 Tage vor dem Geburtstag des Primus
Ich stand auf einer der Balustraden, die in den Thronsaal des Primus hinabsahen und ließ meinen Blick über das prachtvolle Mosaik des Bodens wandern. Palastbewohner und Gäste flanierten darüber, in ihre eigenen Gespräche vertieft, unwissend gegenüber der Schönheit, die zu ihren Füßen lag.
„Du weißt, dass Mrs. Anteaa kurz davor ist, eine Gesuchtmeldung aufzugeben?" Hedox stand hinter mir im Säulenbogen, die Arme verschränkt, „Versteckst du dich vor ihm, mir oder dem Primus?"
„Alle", gab ich nüchtern zurück. Die Müdigkeit der letzten Nacht haftete mir an und falls er hier war, um mich abzuführen, würde ich es über mich ergehen lassen. Aber Mrs. Anteaas Sorge rührte mich trotzdem.
„Wie spät ist es?"
Statt einer Antwort bot Hedox mir seinen Arm an. Keine Anzeichen einer Festnahme.
Gemeinsam schlenderten wir über die Galerie, vertraut in der Verlassenheit.
„So spät, dass ich der Haupt-Haushälterin sagen musste, dass ich dich für den Fall weggeschickt habe."
Er seufzte, in Erinnerung wie dieses Gespräch gelaufen war. „Und dann war da noch dein Mann, der mir gedroht hat, mich zu entführen und auf einer Insel ‚zu klein für meinen Hintern' zurückzulassen, wenn ich ihm nicht sage, wo du bist."
Das klang nach ihm. Ich schürzte die Lippe und drückte einmal entschuldigend seinen Arm.
„Er meint das nicht so...", setzte ich an, doch Hedox schüttelte den Kopf.
„Ziemlich sicher, dass er jedes Wort in die Tat umsetzen wollte. Zum Glück bin ich nicht so einfach zu entführen", er lächelte mich von der Seite an.
„Ich verspreche hoch und heilig, dass ich jemanden nach dir schicken würde, falls etwas Derartiges passieren sollte. Wann wirst du dem Primus Meldung machen?"
Hedox neben mir entließ ein Seufzen. Wir blieben oberhalb des Thrones stehen und er drehte sich zu mir um.
„Ich weiß, dass du den Zorn des Primus fürchtest, wenn er davon erfährt. Und du hast recht", er holte tief Luft, „Aber angenommen, ich würde Constantin verbieten, zum Primus zu gehen. Weiterlaufende Ermittlungen eines Mordes...Ich denke, ein bisschen Zorn kann ich mir bei meiner guten Arbeit leisten. Ganz besonders, wenn ich diesen Fall löse."
Er blickte runter auf den Platz, von dem der Primus aus reagieren sollte. Im Gegensatz zu Clevems Thron, stand dieser alleine auf seiner kleinen Tribüne, nicht ausgelegt, um zu zweit regiert zu werden. Und unbequem sah er auch aus, gefertigt aus einem einzigen Block rotem Marmor.
„Dafür bräuchte ich deine Hilfe. Und danach werde ich dich sofort verraten, wenn du dir das wünschst."
Es gefiel mir nicht. Aber anscheinend wurde ich neuerdings nicht mehr gefragt.
„Du würdest all das riskieren?"
Er brachte ein mitleidiges Lächeln zustande.
„Ohne dich werde ich den Fall nicht beenden. Ob er mich jetzt für die Inschutznahme einer gesuchten Königin nach Keltar schickt, oder für mein berufliches Versagen macht wenig Unterschied."
Ich schloss die Augen. Er hatte recht. Ich wollte es ihm so gerne ersparen.
„Hast du mit Constantin über die Dienstmädchen und Jochanans Geheimnis gesprochen?"
Er schüttelte den Kopf. „Er war laut und energisch. Schwer, da ein Wort rein zu bekommen."
Ich rollte mit den Augen, eine wenig königliche Geste, aber heute Morgen fühlte ich mich nicht danach. „Was immer das Geheimnis ist, es muss schlimm genug sein, dass jemand aus der Familie dafür einen Mord in Kauf nehmen würde."
Neben mir rümpfte der Inspektor die Nase. „Kein Geheimnis rechtfertigt Mord."
Ich blinzelte ihn von der Seite an. Hatte er dieses dämliche Buch über Constantin und mich gelesen? Zuzutrauen war es ihm.
„Ich bezweifle, dass unser Täter deine Meinung teilt. Er denkt, er nutzt das kleinere Übel."
„Mord ist niemals zum Schutz von Vielen, sondern stets egoistisch", erklärte Hedox geduldig.
„Ich habe nicht gesagt-..."
Mit einem nachsichtigen Lächeln wandte er sich wieder mir zu und stoppte mich mitten im Satz.
„Du vergleichst den Mörder mit dir selbst. Du hast es gestern getan, als du mir stattdessen von deiner Doppelgängerin erzählt hast."
War es denn nicht so? Ich versuchte auch, meine Familie zu schützen.
„Ich frage mich nur, ob ich zu Ähnlichem fähig wäre, wenn das Wohl meiner Leute auf dem Spiel stünde."
Hedox lehnte sich an das Geländer und verschränkte die Arme.
„Willst du meine Meinung zu dem Thema haben?"
Noch nie hatte jemand diese Frage gestellt, gefolgt von einem netten Satz. Aber er war der Einzige, mit dem ich mich im Moment unterhalten wollte.
Also machte ich eine Geste und er fuhr fort. „Es gibt kein größeres Wohl. Nur die Illusion wir könnten die Wünsche und Bedürfnisse vieler unter einen Hut packen."
Ich zog die Stirn kraus.
„Ich bin mir sicher, dass mein Volk lieber eine schwebende Insel hätte als eine nicht-mehr schwebende."
„Möglich", zuckte Hedox mit den Schultern, „Aber hast du jeden Einzelnen von ihnen gefragt, was sie bereit wären, für dein Glück aufzugeben?"
Ich hatte das bedrohliche Gefühl, dass er wieder recht haben würde und ich demnächst gezwungen sein würde, ihn täglich an seinen Fehler in Piliee zu erinnern, damit er keinen zu großen Kopf bekäme.
„Ich bin ihre Königin. Man vertraut mir, es für sie zu wi-..."
„Nein. Man hat dir die Aufgabe gegeben, sie nach ihren Wünschen zu fragen und dann zu handeln. Nicht andersherum."
Ich zog eine Grimasse. Warum war er eine bessere Königin als ich?
„Das heißt, du bist auf Constantins und Caridads Seite?"
„Nein", Hedox lachte auf und wandte sich wieder unserer Aussicht zu, „Der König Clevems hat deutlich gemacht, dass er nur eine einzige Person fragen würde, was deren Wünsche betrifft." Er warf mir einen vielsagenden Blick zu, doch etwas anderes beim Thron fing seine Aufmerksamkeit.
„Was machen die Zwei da unten?"
Ich lehnte mich über das Geländer und sah Caridad und Kinir hinter dem Thron sitzend. Zwischen ihnen lag etwas, das verdächtig wie ein Bauplan aussah, auch wenn ich mir nicht sicher war, wozu bei allen Inseln sie einen brauchten.
„Die Zwei haben irgendetwas vor...", murmelte ich. Waren sie immer noch an Kinirs wahnsinnigem Plan dran?
Hedox stöhnte und zog seinen Kopf wieder zurück.
„Ich werde sie nicht fragen. Was es auch ist, es ist zweifelsohne eine dumme Idee und ich bin schon in viel zu viele von denen involviert."
„Ich werde später mit ihnen reden. Nur, um einen möglichen Weltuntergang zu verhindern", kehrte ich ebenfalls in die Schatten zurück.
„Du solltest Jochanan befragen", wechselte Hedox das Thema.
Verblüfft trat ich zurück.
„Ich?"
Er machte eine bedeutungslose Handbewegung.
„Er wird sich lieber mit einer hübschen jungen Frau unterhalten als mit mir."
Hübsche, junge Frauen? War das ein verstecktes Kompliment? In jedem Fall zeigte es Wirkung. Ein Lächeln stahl sich zurück auf mein Gesicht.
„Inspektor, versuchen Sie, Ihre Arbeit auf mich abzuwälzen?"
„Bitte?", er lachte auf, „Wenn ich alles daran setze, dich von diesem Fall fort zu bekommen, weigerst du dich. Aber wenn dein Mann hunderte von empörten Gästen in meine Richtung schickt..."
„Schon wieder?" Oh, bitte nicht. Sonst musste ich doch mit ihm reden.
„Hast du geglaubt, ich wäre der Einzige, den er aufgesucht hätte, um dich zu finden?", Hedox fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht, „Wenn du ihn nicht treffen willst, wirst du schlau und geschickt sein müssen."
Da hatte er recht und dieses Mal war es nicht unangenehm, das zuzugeben. Er war ein guter Inspektor. Und vielleicht sogar ein Freund.
„Hey, Simael?", ich wartete, bis er zu mir sah, „Danke."
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Ich nutzte Hedox Freistellung bei Mrs. Anteaa aus und versteckte mich für den Rest des Tages in meinem Zimmer. Schlaf nachholen wäre eine Möglichkeit gewesen, doch kaum da ich mich auf mein Bett legte, wurde ich wach und rastlos.
Constantin hatte gestern von drei verschwundenen Wachen gesprochen. Hatten sie etwas mit dem Fall zu tun oder hinterließ er mal wieder seinen eigenen Pfad der Verwüstung? Und wusste er nur, dass Kinir einen Plan hatte oder auch was dieser kosten würde?
Seufzend spähte ich aus dem Fenster. Der Wind hatte zugenommen bis man von einem Sturm sprechen konnte und die Dunkelheit war heute früher über uns hereingebrochen. Keine Kerzen erhellten den Garten und die Nacht kam mir finsterer vor als sonst.
Ich schwang meine schweren Beine über die Bettkante und befestigte den Schleier. Er passte nicht zu dem Gewand, aber anscheinend hielt Constantin den anderen als Geisel. Inzwischen bereute ich deutlich weniger, dass ich ihm damals die drei Kleider geklaut hatte.
Ich wollte gerade die Zimmertür öffnen und mich zu Jochanan schleichen, als ein zaghaftes Klopfen mich innehalten ließ. Zugegeben, ich wollte auch jemanden besuchen gehen, aber das waren merkwürdige Uhrzeiten für so ein Vorhaben.
Zögerlich drückte ich die Klinke herunter und öffnete die Tür. Davor stand, in einen dünnen, blauen Mantel gehüllt Lady... Akemira Vanna?
Mein Mund klappte auf und schloss sich wieder. Keinen Zweifel. Ihre schwarzen Haare waren in ihrem Genick zu einem schlichten Zopf zusammengefasst und ihre genauso dunklen Augen starrten mich von unten an wie ein Kind.
„Bist du Cladina?"
Ich wünschte nicht. Aber ich nickte trotzdem.
Ein ungutes Gefühl kletterte meine Wirbelsäule hoch und verbot mir jegliche Reaktion. Doch sie deutete mein Schweigen als schlechte Meinung für ihr Auftauchen.
Ihre feingliedrigen Finger verhakten sich ineinander und sie sah lieber auf ihre Füße als in mein Gesicht. Wenn ich sie nicht besser gekannt hätte, täte sie mir leid.
„Bitte verzeiht diese unheilige Uhrzeit, aber ich habe den gesamten Tag gebraucht, um hierher zu finden. Dürfte ich hereinkommen?"
Ganz bestimmt nicht. Ich schüttelte den Kopf, noch bevor ich mir Gedanken machen konnte, ob eine Ley-el so unhöflich zu einem Gast sein durfte. Energisch deutete ich über ihre Schulter nach draußen.
Ihre dunklen Augen wurden groß und rund.
„Ach Sie wollten gehen?"
Nein, ich wollte dich rauswerfen. Aber Akemira sprach die Zeichensprache nicht.
„Dürfte ich mitkommen?"
Vielleicht war es ein Fehler keinem Gott Zeit und Leben zu opfern, denn irgendeiner der beiden spielte eindeutig gegen mich. Mit der Hoffnung eines jungen Hundes sah sie zu mir auf und hätte sie mich letzten Winter abgestochen, ich hätte sie nicht fortgeschickt.
Mit der Mentalität einer heidnischen Opfergabe, die aus festlichen Gründen von einer Klippe gestoßen wurde, trat ich aus dem Zimmer und schloss die Tür. Was immer sie wollte, ich hatte mir ein paar Abweisungen für sie aufbewahrt.
Erleichtert atmete die junge Königin auf und huschte hastigen Schrittes hinter mir her, während ich den Weg zu dem Gästebereich ihrer Familie suchte. Erkannte sie den Weg, sagte sie nichts.
„Mein Name ist Königin Akemira Vanna von Clevem. Sicherlich haben Sie von meinem Mann gehört?"
Draußen frischte der Wind auf und das Klappern der Fenster erhob sich zu einem schaurigen Chor, der sie unbewusst näher an mich heran trieb. Ich hielt den Blick stur geradeaus, dankbar für die Lichter, die bei jedem wachehaltenden Soldaten standen.
„Oder gelesen?", versuchte Akemira es erneut, als wir die erste Treppe erreichten.
An der Stelle wünschte ich mir, dass einer der Soldaten die Gnade hätte, mich zu erschießen, doch keiner von ihnen sah uns hinterher. Für sie eskortierte ich eine Lady zurück in ihrem Gemächer.
Danke für nichts.
„Wie auch immer", fuhr Lady Vanna fort, „Von ihm habe ich erfahren, dass sie mit dem Inspektor zusammenarbeiten. Und ich wollte Ihnen eine temporäre Anstellung anbieten."
Sie wollte was? Ich stolperte über meine eigenen Füße. Wenn sie wüsste, mit wem sie hier gerade wirklich redete...
Wieder interpretierte sie mein Schweigen als Urteil. Und dieses Mal hob sie das Kinn.
„Ich brauche jemanden, der meinen Mann beschattet."
Hahahaha.... Ganz bestimmt nicht. Ich schüttelte so stark den Kopf, dass mein Schleier sich löste und ich kurzzeitig beschäftigt war die nächste Katastrophe abzuwenden. Irgendwann war ich mal zu einer eleganten Dame erzogen worden. Wo war die hin?
„Bitte! Meine Krone hängt davon ab." Flehend die Hände erhoben, überholte sie mich und baute sich vor mir auf.
Nur für einen kurzen Augenblick wanderten meine Gedanken weg von Jochanan Kenji. Was ging hier vor sich? Hatte Constantin wieder etwas Dummes getan? Sorgen kehrten zu mir zurück und ich malte mir allerlei Szenarien aus, in die er sich manövriert haben könnte.
Es waren einige.
Meine stumme Frage erreichte sogar Lady Vanna, die betroffen auf ihre Hände blickte.
„Es... wir... es ist kompliziert."
Sie würde mir mehr als das erzählen, wenn sie wollte, dass ich hier half. Nicht, dass ich das ernsthaft überlegte. Ich trat um sie herum und bog auf den Gang der Vannas ein. Mit der Hand bedeutete ich ihr fortzufahren.
Doch die Worte kamen nur zäh aus ihr heraus.
„Vor einem halben Jahr hat der Primus ihn beordert sich von seiner alten Frau zu trennen. Und er war gezwungen zu folgen- hat sie ins Exil geschickt." Sie holte tief Luft und zog eine Papierrolle aus ihrem Mantel hervor. „Ich war bei der Zeremonie dabei, wissen Sie? Alles ist korrekt und formal abgelaufen aber vor 30 Tagen habe ich das hier gefunden."
Ich kannte dieser Papiere und mein Brustkorb schmerzte bei ihrem Anblick. Nur widerwillig nahm ich sie entgegen, einen kurzen Blick darauf werfend.
Erinnerungen an den Tag und die Zeremonie kehrten zurück. Mein Abschied von Constantin. Ich war noch nie gut darin gewesen. Es löste ungemütliche Gefühle in mir aus, das Wissen, dass ich ihn nie wieder sehen würde.
Deshalb hatte ich mich beeilt. Ich bereute es bis heute. Ein flüchtiger Kuss auf die Wange und egal wie ich mich bemühte, ich wusste nicht mehr, was meine letzten Worte an ihn gewesen waren.
Langsam wanderten meine Augen über die Papiere, auf der Suche, was Akemira so nervös machte. Alles schien in Ordnung. Da waren Constantins Unterschrift und meine- unleserlich wie immer. Wirklich, da könnte jeder Name stehen. Meine Schullehrerin wäre entrüstet.
Der Primus hatte alles abgesegnet und beglaubigt. Die Scheidung war gültig. Nichts, worüber sich die junge Königin aufregen sollte. Ich schloss die Augen, nur für einen kurzen Moment. Mit dem Papier in den Händen waren die Erinnerungen zu lebendig. Ich wollte nicht, dass man sie in meinem Gesicht sah.
Schließlich gab ich Lady Vanna ihr Dokument zurück wie eine Urkunde über einen Sieg. Doch sie schüttelte den Kopf. Mit einem zitternden Finger zeigte sie auf den Haupttext der Scheidung. Es war ein Standardbrief, in den jemand die Namen des Ehepaars nachträglich-... oh.
Oh-oh.
Ich richtete mich wieder auf. Kein Wunder, dass sie ihm hierher hinterher gereist war.
„Sehen Sie?" Das Beben hatte ihre Unterlippe ergriffen.
Ich nickte. Dieser Idiot.
Wenn der Primus das zu Gesicht bekam, waren wir beide tot.
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The Cliffhanger is real xD
But... DOPPELUPDATE LATER?
Was glaubt ihr, hat Constantin angestellt? :D
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