Der gute erste Eindruck
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12 Tage vor dem Geburtstag des Primus
Ich stürzte auf den Gang hinaus und das Zimmermädchen stoppte ihre Hand mitten in der Klopfbewegung zwei Türen weiter. Verdutzt hielt ich ebenfalls inne. Sie sah mir so wenig ähnlich, dass ich kurz an meinem Sehvermögen zweifelte.
Mit so viel Würde, die ich hier auf dem Gang fand, schloss ich die Tür hinter mir und ging. Constantins Anwesenheit machte mich paranoid. Ich musste sofort zum Inspektor.
Leider erwischte mich Mada. Da sie Lana nicht fand, war sie fürchterlich mit ihrem Tagesplan in Verzug und brauchte jede helfende Hand. Also machte ich erst einen Abstecher zu Chie und Deidara.
Die Schwestern fragten mich nach ihrem Buch, als ich ihnen beim Ankleiden half, und stritten sich für den Rest der Zeit darüber, ob man es überhaupt so schnell lesen könne.
Zumindest waren sie sich einig, dass es ein gutes Buch sei. Und als ich sie nach einem braunhaarigen Zimmermädchen fragte, dass genau wie die beschriebene Heldin aussehe, wussten sie niemanden, der ihnen aufgefallen sei. Enttäuschend, aber besser so. Auch wenn ich immer noch nicht dahintergekommen war, wer nicht nur so viele Details aus meinem Leben kannte, sondern auch niedergeschrieben hatte.
Ich war gerade damit beschäftigt, Deidaras Überrock zurecht zu zupfen, als ich ihn hörte. Chie hatte die Zimmertür offengelassen, als sie runter gelaufen war. Ein unglücklicher Umstand, der meinem Puls gesundheitliche Schäden beibrachte.
Deidara vernahm Constantins Stimme auf dem Flur im selben Moment wie ich. Ihre schwarzen eingedrehten Locken flogen ihr um die Ohren, als sie ruckartig den Kopf drehte, der Mund weit geöffnet. „Das ist er!" Ihre Worte waren nur ein Wispern, doch sie gingen durch mich hindurch wie ein Blitzschlag.
Und noch ehe ich sie auf ihrem Hocker vor dem Spiegel festhalten konnte, war sie heruntergesprungen und losgerannt. Ihre Satinschuhe flitzten rauschend über den Marmor, schneller, als ich es ihr jemals zugetraut hätte.
Oh nein.
Nein, nein, NEIN. Mühsam kämpfte ich mich von den Knien hoch und versuchte sie einzuholen. Doch das Mädchen war bereits an der Tür.
„Cladina, das ist er", wisperte sie, ihr Gesicht an den Türrahmen gedrückt, um durch den offenen Spalt zu linsen, vollkommen ignorant gegenüber meinen Versuchen sie wegzuziehen, „Das ist der König aus dem Buch."
Mir gefiel nicht, mit wie viel Bewunderung sie an der Tür klebte. Constantin wäre wirklich nicht das, was ich ungefiltert als Vorbild für meine Kinder wünschte. Dosiert und unter Kontrolle, vielleicht, aber so wie seine Stimme zu uns hereinschallte, war er definitiv nicht unter Kontrolle.
„Ich bitte dich um einen Gefallen. Weißt du, wie oft ich das in meinem Leben schon getan habe? Nur bei einer Person. Und die habe ich geheiratet. Du willst mich nicht heiraten." Sarkasmus lag so dick über jedem Wort, dass ich fast die Schärfe dahinter überhört hätte. Schritte kamen näher, dicht gefolgt von kleineren, schnellen, die, wie ich kurz darauf erkannte, zu dem bemitleidenswerten Jona gehörten.
„Wirklich, Eure Majestät, wenn ich eine Möglichkeit hätte, um Eurem Gesuch-..."
„Gib mir keinen Korb, Jona. Ich bezweifle, dass ich dafür die Geduld eingepackt habe. Aber genug Geld und Entschlossenheit, um dir einen Flug auf die nächste Insel zu kaufen und dich dort vom Rand zu schubsen." Eine kurze Pause folgte, ehe er bittend hinzufügte: „Ein einziges offizielles Schreiben?"
Jeder Muskel in meinem Körper sehnte sich danach, Deidara aus dem Weg zu schieben und hinaus auf den Gang zu rennen. Ich hatte nur noch so wenig Zeit. So wenig Gelegenheit ihn zu sehen. Aber es war keine gute Idee, wenn ich den Fall nicht riskieren wollte.
„I-Ich weiß wirklich nicht, wie ein Brief von mir den Hauptmann des Primus umstimmen könnte", stammelte Jona. Viel zu nah, wie mir im nächsten Moment bewusst wurde. Sie kamen den Flur hinunter. Und so wie ich mein Glück kannte, würde einer von beiden Deidara beim Lauschen erwischen. Und mich zwangsläufig mit.
Oh nein.
Dafür war ich nicht bereit. Ich schlang einen Arm um die Taille des Mädchens, doch sie trat nach mir und traf mich am Oberschenkel. „Noch nicht, Cladina! Ich konnte ihn noch gar nicht aus der Nähe sehen."
Und wenn es nach mir ginge, würde sie das auch nicht. Constantin war kein wildes Tier, das Zuschauer anlockte, vor allem, wenn es ohne Leine über unseren Flur lief. Mein Griff wurde fester und ich zog an ihr, gleichzeitig wie sie versuchte, sich an Tür und Rahmen festzuhalten.
Das Ergebnis war, dass ich nicht nur das Mädchen mit mir umriss, sondern auch die Tür weit öffnete, gerade als Constantin und Jona an uns vorbeiliefen. Für den Bruchteil eines Herzschlags sah ich ihre erstaunten Gesichter, ehe meine Welt kopfüber ging. Ich ertrank in einer Welle aus Rüschen und Unterröcken der pilieeschen Tracht, mit der Deidara mich unter sich begrub. Gemeinsam landeten wir auf dem Teppich und rutschten damit einige Schritte zurück in den Raum hinein.
Deidara quietschte und ich unterdrückte ein Stöhnen, als sich ihre spitzen Knochen an unterschiedlichen Stellen in meinen Körper rammten. Nach einer gefühlten Ewigkeit stoppten wir und pulsierende Stille breitete sich um uns herum aus. Nur sehr langsam ließ ich meinen Kopf auf den Boden zurücksinken.
Oh bitte- egal welche Gottheit- lasst ihn einfach weiter gehen. Lasst ihn eine Phase momentaner Taub- und Blindheit erlei-...
„Alles in Ordnung?" Constantins Stimme klang nicht nur ernsthaft besorgt, sie kam außerdem auch definitiv aus dem Inneren dieses Zimmers.
Mit einem weiteren Quietschen kämpfte Deidara sich auf die Füße, nicht ohne mir dabei versehentlich mehrere Tritte zu verpassen. Noch in der Aufwärtsbewegung glättete sie ihre Frisur und drehte den unbefestigten Rock wieder an seine angedachte Stelle. „Ohhh... du bist er. DER KÖNIG."
Ich blieb einfach liegen. Hoffentlich stieg Dummheit nach oben. Wie heiße Luft. Ich würde sie schon irgendwie unter der Decke einfangen.
„Der...König?" Constantin konnte ihr hörbar nicht ganz folgen und mit einem dankbaren Seufzen schloss ich die Augen.
Vielleicht würden sie mich alle verge-... Meine tastenden Finger bemerkten, dass mein Schleier verrutscht war, gleichzeitig, wie Constantin mit einem Ausfallschritt an dem hyperventilierenden Mädchen vorbei trat.
Ich zerrte so ruckartig an dem Stoff, dass er ein reißendes Geräusch von sich gab, doch da hatte sich Constantin bereits über mich gebeugt. „Ist dir etwas pas-..."
Die Zeit dehnte sich nur für einen Herzschlag lang aus. Sein eben noch besorgter Gesichtsausdruck machte die kleinste Veränderung. Die Andeutung von Verwirrung. Als würde er etwas sehen, was er nicht zuordnen konnte.
Und ich reagierte über. Mit einem grellen Aufschrei schoss ich nach oben und verpasste ihm eine Kopfnuss, die ihn zurück stolpern ließ.
Beide Hände vor sein Gesicht gepresst, riss er rückwärts den Spiegel mit um, vor dem Deidara sich vorher bewundert hatte. Scherben sprangen über den Boden und begleiteten meine Flucht in den Kleiderschrank, der um die Ecke im Raum stand.
„Sie hat ihn verletzt", kreischte Deidara, weitaus lauter als Jona, der nur ein atemloses, ‚beide', herausbrachte.
Ich versuchte hektisch, meine Atmung zu beruhigen. Wie genau würde ich ihm das erklären, wenn er mich fand? Oh, Liebling du bist es? Was ist denn mit deiner Nase passiert?
„Sieh nur, Jona, er blutet!"
Hat sie dir jemand gebrochen? Ich verzog den Mund zu einer weniger schönen Grimasse, die dankbar für den Halbschatten im Schrank war.
„Schon gut, schon gut." Scherben wurden über den Boden geschoben, was vermutlich Constantin war, der sich von dem überbesorgten Mädchen befreite. „Wo ist sie hin?"
Mein Herz schlug so laut, dass ich sicher war, sie würden mich alle problemlos orten. Zwischen den Kleidern drückte ich mich gegen die Rückwand des Schranks. Ich hatte nicht einmal die Tür geschlossen. Königin Dinah, meine Damen und Herren. Bewahrte stets einen kühlen Kopf und nutzte diesen auch, um ihren Ex-Mann anzugreifen.
Aber wider aller Erwartungen, währte die Stille an. Constantin schob Glas über den Boden. Deidara atmete noch schneller als ich.
„Ihr müsst Sie erschreckt haben, Eure Majestät", bemerkte Jona erstaunlich trocken für seine sonst so nervöse Art.
Ein Herzschlag folgte, in dem ich mir vorstellte, wie Constantin ihm den Blick gab. Den allgemein verständlichen ‚Willst du mich verar-...
„Und ich dachte, ihr würdet all eure Mägde im Nahkampf trainieren. Spart euch bestimmt jedes andere Schutzpersonal."
„Sie ist keine unserer Mägde", warf Deidara dazwischen, über die der Sarkasmus wohl hinweg gegangen war. Oder drunter durch. Je nachdem, ob sie mit ihrer hohlen Birne bereits unter der Decke hing.
„Sie ist eine Ley-el des Primus. Aber eine Komische. Sie spricht."
Ja- gut. Das war mein Fehler.
„Ist das so?", fragte Constantin plötzlich interessiert, nur wenige Schritte von der offenen Schranktür entfernt. Ich konnte seinen Hinterkopf sehen, wenn er sich nur umdrehen würde...
Aber anstatt weiter nachzufragen, entschied er sich, dass er genug Zeit in diesem Zimmer verschwendet hatte. „Wenn ihr sie findet, sagt ihr, dass sie mir etwas schuldig ist. Angreifen einer königlichen Person zählt als Attentat. Mein Schweigen kostet." Und damit lief er erst aus meinem Sichtfeld und dann aus dem Zimmer.
Ich wartete noch den halben Tag, ehe ich mich aus dem Versteck heraus traute. Bis dahin war es Mittag und jeder zum Essen entweder in den Bedienstetenräumen oder in der großen Dinierhalle des Primus. Alle, bis auf Hedox, der sich sein Essen zur Arbeit bestellt hatte. Wahrscheinlich, weil er seine Ruhe wollte, aber vor mir war er damit nicht sicher.
Als ich mich in sein Büro hineindrückte, hob er kurz den Blick, ehe er sich wieder seiner momentanen Lektüre zuwandte. „Ich hoffe, du opferst deine Mittagspause nicht für mich?"
Ich warf einen Blick zu der Zellentür im hinteren Teil des Raumes. Sie war geschlossen, doch etwas sagte mir, dass er Lady Minetel bereits entlassen hatte. Als ich nicht gleich antwortete, sah er noch einmal nach oben und dieses Mal fiel sein Löffel geräuschvoll zurück in die Suppe. „Was haben Sie getan? Mussten Sie dem Sekretär ein Geständnis abraufen?" Er war schneller bei mir, als ich mich auf den Stuhl ihm gegenüber fallen lassen konnte.
„Nicht der Sekretär. Ein vierzehnjähriges Mädchen." Meine Knochen ächzten bei jeder Bewegung und ich wusste, dass ich von dem Aufprall den einen oder anderen Abdruck davongetragen hatte. Mein dunklerer Teint formte nicht schnell blaue Flecken, das hieß aber nicht, dass die Stellen nicht empfindlich waren.
Die mürrische Antwort entlockte dem Inspektor ein trockenes Lachen und zerstreuten für den Moment seine Sorgen. Gelassen lehnte er sich an den Schreibtisch zurück und verschränkte Arme und Beine. Er hatte zum Essen die Jacke ausgezogen und sah entspannter aus, als ich ihn bisher gesehen hatte.
„Ist sie eine Verdächtige?"
Ich runzelte die Stirn.
„Ganz genau genommen? Ja." Mit einem Seufzen ließ ich den Kopf zurück auf die Lehne des Stuhls rollen und starrte an die Decke des Büros.
„Der Brief ist eine Fälschung. Problematisch ist nur, dass jeder aus diesem chaotischen Haushalt die Möglichkeit gehabt hätte."
Hedox machte ein unzufriedenes Geräusch. „Das heißt, wir suchen weiter nach einem Motiv?"
Ich richtete mich wieder auf. „Und ich habe vielleicht sogar eines gefunden. König Vanna hat ein Testament aufgesetzt."
Die entspannte Haltung des Inspektors verflüchtigte sich prompt. Ohne seine Arme zu entknoten, lehnte er sich nach vorne. „Ein Testament?"
Hinter seinen grünen Augen begannen die Gedanken einander zu jagen. Testamente waren nicht üblich für Könige. Nicht nur, dass sie unnötigen Papierkram bedeuteten; sie brachten öfter als gewollt Chaos und Ärger. Für die herrschenden Familien war alles von vorneherein geregelt. Wer sich darüber hinwegsetzte, brach mit der Tradition und oft auch mit seiner Familie. Hedox wusste, dass König Vanna einen guten Grund brauchte, wenn er dafür eine Erlaubnis wollte.
„Unterschrieben und abgestempelt vom Primus?"
Auf meiner Unterlippe kauend, versuchte ich, mich an die Details zu erinnern, ohne immer wieder Constantins zweifarbige Augen vor mir zu sehen. Constantin war in jeder Lebenslage ein Hindernis.
„Unterschrieben auf jeden Fall", nickte ich langsam, „Könnte Sir Kenji vielleicht Teil seines Erbes gewesen sein?"
Hedox verzog das Gesicht und kehrte hinter seinen Schreibtisch zurück. „Unwahrscheinlich. Sein Sohn ist heute Morgen eingetroffen und war bereit, sich mit mir zu unterhalten."
Ich zog die Nase kraus. „Nur weil der sagt-..."
„Sir Kenji ist seit einem halben Jahr tot."
Blödbommel. Das war eine ganz neue, schöne Theorie gewesen.
„Und niemand aus der Familie Vanna wusste davon?"
„Doch, doch. Also die Meisten", er zog unter seiner Suppe ein Notizbuch hervor, in das er hastig ein paar Dinge kritzelte.
„Dann schließt das Erbe vielleicht seinen Sohn ein", dachte ich laut weiter, „So unwahrscheinlich ist es nicht. Am Tisch wurde erwähnt, dass König Vanna sehr eingenommen von Sir Kenjis Sohn wäre." Wenn Sir Kenji der Elternteil mit der Verwandtschaft zum Königshaus war, würde seine Streichung auch die Verbindung seines Sohnes kappen. Falls sein Ableben bekannt war, machte es sogar Sinn ihn heraus zu streichen statt seinem Sohn, dessen Existenz kaum verneint werden konnte, solange er noch atmete.
Hedox warf mir einen Blick zu, der mir sagte, dass ich laut gedacht hatte. „Für eine Amateurin sind Sie gar nicht so schlecht Lady Ferrox."
Ich schnitt ihm eine Grimasse und er schüttelte seufzend den Kopf.
„Ich müsste einen Fachmann befragen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass selbst mit Testament nur Verwandte erben können."
„Die Krone muss immer in der Familie bleiben", zitierte ich düster eine von Des nutzlosen Regeln.
„Und der ganze Reichtum bei der Krone", pflichtete mit Hedox bei, ohne seine Feder zu stoppen.
Blieb nur noch die Frage, wer von Sir Kenjis Verschwinden profitierte.
Das war der Moment, in dem eine der Wachen an Hedox Tür klopfte.
„Inspektor? König Hahlis möchte Euch sprechen. Es geht um seine Ex-Frau."
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"Drückt das Sternchen, um Kopfnüsse als legitimen Liebesbeweis zu etablieren!"
- Dinah, leicht in Panik
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