Kapitel 24
Wäre er nicht vollkommen erschöpft gewesen, wäre an Schlaf nicht zu denken gewesen. Sein Brustkorb schmerzte höllisch. Doch kaum nachdem Nemuri und Ochaco ihn auf seinem Bett abgesetzt hatten, und ihm dabei halfen, seine Schuhe auszuziehen und sich hinzulegen, waren seine Augen zugefallen. Schon auf dem Weg ins Lehrwohnheim hatte er sich nur mit großer Mühe wach halten können, doch je angestrengter er versucht hatte, nicht einzuschlafen, um so erschöpfter war er geworden. Nun also endlich nicht mehr darauf konzentriert sein zu müssen, einen Fuß vor den anderen zu setzen, war eine große Wohltat für ihn, sodass es ihm sogar egal war, dass er direkt vor einer Schülerin ins Bett sank und auf der Stelle einschlief. Schließlich war es ohnehin nicht das erste Mal, dass seine Schüler ihn bei einem Nickerchen antrafen, auch wenn es diesmal komplett anders war. Immerhin trug er sonst nicht seine Schwächen so offen mit sich herum.
„Ihn scheint es ja richtig erwischt zu haben", meinte die Schülerin entsetzt, während sie das blasse Gesicht ihres Lehrers betrachtete, der kurz seine Miene verzog, nachdem er sich im Schlaf ein wenig bewegt hatte. So furchtbar hatte es ja gar nicht gewirkt zuvor. Vielleicht war er doch mehr verletzt gewesen, als Recovery Girl angesprochen hatte. Dafür würde sie Eijiro und Katsuki die Leviten lesen! Sie hätten vorsichtiger sein müssen, und beim Training ihre Kräfte etwas zurückfahren, auch wenn vor allem Bakugo nur zu gerne einmal gegen ihren Klassenlehrer gewinnen wollte.
Vorsichtig zog Nemuri eine leichte Decke über Aizawa, damit ihm nicht kalt wurde. „Er muss sich immer noch von der Grippe erholen und hatte kein einfaches Wochenende", merkte die Dunkelhaarige an und strich ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht des Schlafenden, „zuerst hat Mic ihn überrumpelt, dann hat er beim Training übertrieben, zu allem Überfluss haben die beiden Schwachköpfe sich auch noch am Dach ausgesperrt und jetzt das." Irgendwie geschah ihm das alles auch recht, weil er ebenso gut die Anweisungen der Alten hätte befolgen können, und im Bett bleiben, aber er wollte ja nicht hören. Stattdessen wollte er Hizashi etwas necken, und musste feststellen, dass es gewaltig nach hinten losging. Alles lief aus dem Ruder.
Mit großen Augen starrte Uraraka ihre Lehrerin an. Hatte sie gerade tatsächlich ihre beiden Lehrerkollegen als Schwachköpfe bezeichnet? Manchmal vergaß die Braunhaarige einfach, dass auch Erwachsene mit ihren Freunden untereinander hin und wieder etwas barscher umsprangen und das Lehrer da keine Ausnahme bildeten. Allerdings belustigte sie auch der Gedanke, dass jemand wie Aizawa solche Freunde hatte, die es wagten so über ihn zu sprechen. Aber vermutlich verstand er sich nur mit anderen Menschen, die ihn nicht mit Samthandschuhen anfassten, weil er selbst auch so war. „Sollte er dann morgen schon wieder arbeiten?", fragte das Mädchen neugierig und sah zu Eri hinab, die ein Stofftier aus ihrem Zimmer geholt hatte, das sie nun neben Aizawa legte.
Beide Mädchen sahen jedoch dann zu Kayama auf, die leise lachte. „Als ob ihn jemand davon abhalten könnte. Selbst wenn er morgen vermutlich Schwierigkeiten hat aus dem Bett hochzukommen, wird ihn das nicht von der Arbeit fernhalten", merkte sie an, „allerdings wäre es ganz gut, wenn ihr ihn davon abhaltet, am Training teilzunehmen. Nur um sicher zu gehen. Wenn er euch von der Schule werfen will deswegen, dann droht ihm an, dass ich das angeordnet habe!" Streng stemmte sie die Hände in die Hüfte und sah zu dem schlafenden Mann hinab, als ob er sie hören konnte. Vermutlich tat er das. Shota hatte gute Ohren und war darin geübt, selbst im Schlaf etwas aus seiner Umgebung mitzubekommen.
Ochaco nickte natürlich. Sie verstand den Wunsch ihrer Lehrerin sehr gut. Es war zwar zweifelhaft, ob der Dunkelhaarige auf seine Schüler hören würde, allerdings würden sie nichts unversucht lassen, damit es ihm wieder besser ging. Irgendwie trugen sie an dem Schlamassel ja mit Schuld und hatten das alles in die Gänge gebracht. Hätten sie nicht angefangen alte Erinnerungen ihrer Lehrer auszugraben, hätte Yamada wohl niemals die Idee dazu gehabt, Aizawa damit zu überrumpeln und ihn an alte Zeiten zu erinnern. Ein wenig fürchtete sich Uraraka sogar davor, dass sie morgen doch irgendeine Strafe von ihrem Lehrer verpasst bekommen würden, wenn er erst einmal wieder auf den Beinen war. Immerhin stand doch anfangs im Raum, dass er sie alle von der Schule werfen wollte. So einfach würden sie immerhin dennoch nicht davon kommen. Vor allem jetzt nicht, wo zwei ihrer Klassenmitglieder dafür verantwortlich waren, dass ihr Lehrer nun auch körperlich verletzt worden war. Die Rache des Lehrers würde bestimmt furchtbar werden.
Das Mädchen seufzte ein wenig und begann auf ihrer Unterlippe herum zu kauen, als ihre Gedanken etwas abschweiften. Ihre Lehrer hatten es all die Jahre geschafft, ihre Gefühle voreinander zu verbergen, bis ein ungeschickter Fehler alles verraten hatte. 15 Jahre ein Geheimnis zu bewahren, war wirklich heftig. Ochaco konnte nur hoffen, dass sie ihre Gefühle gegenüber eines bestimmten Mitschülers ebenso lange wie notwendig verstecken konnte. Doch war das wirklich gesund? An den Verletzungen und Missgeschicken, die ihr Klassenlehrer die letzten paar Tage hatte durchmachen müssen, sah man ein ganz klares Bild, dass es nie gut war, sich zu verschließen. Am Ende passierte ihr selbst, oder am schlimmsten, Deku noch etwas! Doch sie wäre sich ohnehin niemals sicher, etwas so lange geheim halten zu können.
Mit einem leichten Räuspern riss Kayama die Schülerin aus ihren Gedanken. „Naja, ich muss mich langsam fertig machen ... ich treffe mich heute mit Tenyas Bruder." Verträumt lächelnd sah Nemuri zu Uraraka und zwinkerte ihr zu. „Das habt ihr zumindest fein hinbekommen", meinte sie belustigt, „aber ich glaube, dass auch das da was werden könnte, vorausgesetzt er kommt mal aus seinem Schneckenhaus und Yamada muss nicht alles allein machen." Während sie sprach, deutete sie kurz auf Shota. Immerhin konnte die Dunkelhaarige spüren, dass die Chemie zwischen den beiden Freunden genau stimmte. Wenn beide sich ins Zeug legen würden, könnte daraus eine wunderbare Beziehung entstehen. Allerdings war einer der beiden Aizawa, was schon einmal ein großer Malus war, immerhin war der Mann verschlossen und sehr bemüht darum, keine Gefühle zu zeigen. Natürlich verstand Nemuri, dass die damaligen Umstände ihren besten Freunden ebenso sehr zugesetzt hatten wie ihr selbst, aber deswegen auf ewig sein Leben zu verbauen war keine Option. Apropos. Sie musste sich für das Date fertig machen.
Leise scheuchte Kayama die beiden Mädchen aus dem Raum, damit Shota endlich in Ruhe schlafen konnte. Schließlich musste er wieder zu Kräften kommen, um Yamada den Hof machen zu können. Tatsächlich war Nemuri schon gespannt darauf, wie diese ganze Situation sich weiter entwickeln würde. Man könnte fast meinen, dass sie am liebsten darauf wetten wollte, was als nächstes passierte. Viel mehr als jetzt konnte schließlich kaum schief gehen.
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