Willst du mit mir speisen, Kleines?
Hannibal.
Er hatte es befürchtet. Auf dem Speiseplan seines alten Freundes, wenn man Asasel denn so nennen mochte, standen Menschenseelen. Widerwärtig! Allein bei dem Gedanken an diese klebrigen, stinkigen Dinger verging Hannibal jeder Appetit.
Einmal, in der ehrwürdigen Bibliothek von Alexandria, hatte Asasel ihn schon auf seine Jagd mitgeschleift. Damals war der Nephilim tief in ein Studium der menschlichen Mathematik vertieft gewesen und hatte dies nur unterbrochen um hin und wieder die Seele eines faltigen Bibliothekars zu verputzen. Hannibal hatte damals einen kleinen Fitzel des steinalten Mariks von Numeria probiert und sich damit auf Monate hin den feinen Magen verdorben ... nie wieder!
Heutzutage schien Asasel aber wählerischer in seiner Auswahl geworden zu sein. Mindestens eine Stunde hatte er Hannibal nun schon durch die Straßen New Yorks geschleift, ohne sich bisher auch nur im Mindesten für einen der unzähligen Menschen zu interessieren. Doch jetzt blieb er stehen und Hannibal sah, wie seine dunklen Augen den Umriss einer jungen Frau fixierten, die quer über die Straße und in einen kleinen, gemütlich Buchladen eilte. Ihr orange-rotes Haar wehte geschmeidig hinter ihr im seichten Wind und während Hannibal sie näher betrachtete, wurde ihm bewusst, warum Asasel sich für sie interessierte. Die Frau war bildschön, makellos und besaß eine ausgesprochen warmherzige Ausstrahlung. Jeder andere hätte vermutlich vorgehabt sie zu heiraten, Asasel allerdings hatte wohl anderes im Sinn.
Hannibal wollte gerade fragen, ob der Nephilim sich nun endlich entschieden hätte, da stellte er verblüfft fest, dass Asasel verschwunden war. Hannibal blickte zurück zu der Frau, die gerade in den Laden schlüpfte und bemerkte, wie der Nephilim, gleich einem Schatten, hinter ihr in die Buchhandlung glitt.
Er schüttelte resigniert den Kopf. Keine Manieren, diese Schattenwesen. Sei's drum, frotzelte Hannibal und eilte dem Nephilim und seiner Beute hinterher. Als er schließlich über die Türschwelle schlitterte, nahm die Frau gerade einen Stapel abgeranzter Bilderbücher vom betagten Ladenbesitzer entgegen und verabschiedete sich mit einem warmen Lächeln. Asasel wartete im Schatten der Tür auf sie und als die rothaarige Frau sich zum Gehen wandte, löste er sich aus der Dunkelheit und versperrte ihr den Weg.
"Oh, Verzeihung!", lächelte sie und blieb abrupt vor ihm stehen, kurz bevor sie in ihn hinein krachte. Eines ihrer alten Bücher fiel ihr dabei aus der Hand und landete mit einem dumpfen Knall auf Asasels peinlich polierten Lackschuhen.
Auf ihre Wangen sickerte ein grelles Pink und sie entschuldigte sich ein weiteres Mal.
Asasel sagte kein Wort und hob nur das Buch geschmeidig vom Boden auf. König Ping auf großer Fahrt, las Hannibal aus den abgewäzten Lettern, darunter prangte ein Pinguin auf einem Floss, mit einer Krone aus Fischgräten auf dem Kopf.
"Bitte sehr, Kleines.", lächelte Asasel zuvorkommend, doch Hannibal bemerkte, wie dem Nephilim bei diesen Worten scharfe Reißzähne aus den Mundwinkeln sproßen. Für die Frau war das natürlich nicht zu bemerken, sie was schließlich bloß ein Mensch. Deshalb nahm sie das Buch auch mit einem breiten Lächeln entgegen und entschuldigte sich nochmals bei dem Ungeheuer vor ihr für die Unannehmlichkeiten.
Asasel nickte stumm, dann schien eine Idee in ihm emporzusteigen und entlockte seinen Lippen ein ungewohntes Schmunzeln. "Erweisen Sie mir die Ehre, mir heute bei einem schicken Dinner in meiner Suite Gesellschaft zu leisten?".
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