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22. Schiefe Gesänge

Ein fairer Handel. Von wegen.

Erzürnt reckte Annabella das Kinn. Die heilige Messe am siebten Tag war derart langweilig, dass ihr alle Geschehnisse der vergangenen Woche durch den Kopf gingen.

Abgesehen davon, dass Annabella beinahe missbraucht, entführt und ersoffen wäre, hatte sie erfahren, dass Vitus nicht zum Dienst erschienen war. Ob ihm etwas geschehen war? Falls ja: Schade um den Totenbericht.

Dem Tonto dagegen trauerte sie keine Träne nach. Immerhin hatte Vitus sie in die Arme ihres Verflossenen gedrängt und war verschwunden, woraufhin all diese grausamen Dinge geschehen waren. Vitus hatte ihr Mitleid nicht verdient.

Dann kaute Annabella an ihren Fingernägeln. Vitus musste zurückkehren. Schließlich hatte sie keine Erklärung für das, was sie an der Akalua-Mine gesehen hatte und was sie ihrem Vater darüber erzählen sollte. Ihre Hände zitterten und sie ballte diese zu Fäusten, um sich von der aufkeimenden Nervosität abzulenken.

In der engen Kirchenbank hatte Annabella die Beine angezogen. Trotzdem stießen ihre Knie gegen die Rückwand der Vorderbank. Eingepfercht zwischen den Damen der Oberschicht lauschte sie deren Jaulen. Was das anging, bewiesen die gelangweilten Frauen wahren Ehrgeiz. Eine sang schiefer und lauter als die andere. Vor allem schiefer.

Nur das bevorstehende Gespräch mit Wendelin hielt Annabella von einem Lachanfall ab. Nicht, dass sie nicht gerne mit ihrem Vater sprach, im Gegenteil. Er hatte ein besonnenes Gemüt, wenn es nicht gerade um die Ulakas ging. Doch heute würde es um die Ulakas gehen.

Annabella atmete gegen ihr eng geschnürtes Korsett und die Kühle im Inneren einer Kirche floss in ihre Lungen. Den dicken Mauern der Hegewald-Kirche war es zu verdanken, dass sie nicht erstickte. Die bunten Bleiglasfenster sorgten dafür, dass die tristen Steinwände einen Hauch von Leben empfingen.

Als Kind hatte Annabella das Deckenfresko angestarrt. Die bunte Unterwasserwelt über ihr, gelbe Fische, rosa Korallen, grüne Schildkröten, blaues Wasser und grauer Meeresgrund, hatten sie gedanklich an den Strand zum Schnorcheln entführt.

In der kolonistischen Religion rund um Dagar galt das Meer als Tor zum Leben, weshalb man die Toten verbrannte und ihre Asche in den Tibitik kippte, damit sie den Zugang ins Jenseits finden würden. Allein aus diesem Grund war das Kirchengewölbe so herrlich bunt bemalt. Heutzutage aber war Annabella nicht mehr in dem Alter, den Kopf in den Nacken zu legen und sich an den Strand zu träumen.

Die schaurige Erinnerung an die Akalua-Mine hielt sie ohnehin davon ab. Obwohl sie diesen Kreaturen begegnet war, hatte Annabella überhaupt nichts Neues herausgefunden - womit der Angriff auf die Ulakas so gut wie besiegelt wäre. Falls diese aber unschuldig waren, so musste man ihnen helfen. Ratlos senkte sie den Kopf. Vitus hatte ihr so viel versprochen und nichts davon wahr gemacht.

Wie Annabella die Gedenkmesse für Gustav letztlich überlebte, ohne an Langeweile zu sterben, ließ sich nur mit ihrem unbändigen Lebenswillen erklären.

Unter eintönigem Rauschen erhoben sich die Kirchenbesucher von ihren Plätzen und drängten im allgemeinen Getümmel zum Rundbogentor, durch welches das Licht der Morgensonne in die Gemäuer fiel. Annabella ließ sich von der Masse hinaus schieben, gerade, dass sie ein Gähnen unterdrückte.

"... gibt sie wirklich!", sagte ein blonder Junge vor ihr, der etwa bis zu ihrem Bauchnabel reichte, und an der Hand seines Vaters hing.

Der blickte seinen Sohn an. "Ich hab dir doch gesagt, dass die Schutzgeister nichts weiter als von den Kolonisten selbst ausgesuchte Wappentiere sind."

"Aber Aumakuas sind echt!", bockte der Junge. "Ich hab gesehen, wie sich einer verwandelt."

Ungläubig verdrehte der Vater die Augen. "Und Gestaltwandler sollen sie auch noch sein", sagte er unter einem Stöhnen. "Hör auf, so einen Unfug zu verbreiten und an dieses Tarranacken-Zeug zu glauben!"

Tarranacke war die respektlose Bezeichnung für Menschen, die den Ulakas entstammten - was die Makha einschloss. In einer Sitzung des Inselrats hörte man diese Bezeichnung dutzende Male, zum Beispiel dann, wenn darüber diskutiert wurde, ob man den Makha eine Anstellung in der Innenstadt zugestehen sollte. Bisweilen waren solche Diskussionen noch jedes Mal im Keim erstickt worden.

Mit halb geöffneten Augen lauschte Annabella dem Gespräch und kämpfte sich in der Masse der Kirchgänger hinaus. Am Rand des weiten Platzes wartete sie, bis sie Wendelin, Olivia oder eine ihrer Schwestern entdecken würde.

Derweil betrachtete Annabella die grob gemauerte Hegewald-Steinkirche mit dem Turm, dessen Glocke die ganze Stadt beschallte. Am Turm selbst zeigte eine Markierung an, wie weit das Hochwasser von 1734 gereicht hatte: Die Jahreszahl war über der Linie eingemeißelt worden.

Beeindruckt verzog Annabella eine Augenbraue. Der Pegel von damals hätte ihren Kopf um gut einen Meter überragt. Die Vorstellung allein, wieder so tief unter Wasser zu sein, jagte ihr einen Schauer über den Rücken und sie schüttelte das Unwohlsein von sich.

Zwei Mal beinahe ertrunken zu sein war mehr als genug. Als Mädchen hilflos in den Fluten mit niemandem in der Nähe, der sie hatte retten können. Genauso das Erlebnis von letzter Woche, als ihr alle Lichter ausgegangen waren. Wie es sich beide Male zum Positiven hatte wenden können? Sie erinnerte sich nur noch schwammig an beide Geschehnisse. Vielleicht hatte die Strömung die Richtung geändert und sich zu einer Welle aufgebäumt, die - samt Annabella und Ricardo als Treibgut - letztlich über den Strand gerollt war.

Schließlich trat Wendelin aus dem hohen Tor der Kirche. Mit dem ersten Schritt, den er nach draußen trat, setzte er sich seinen schimmernd grauen Zylinder auf das blonde Haupt. Mit dem hellen, penibel zurecht gestutzten Bart sah er aus wie ein Abkömmling der Sangaren. Das war nicht weiter verwunderlich, immerhin war Großmutter Inga Sangarin gewesen.

Annabella hob die Hand, um auf sich aufmerksam zu machen. "Papa!", rief sie. Die Menschen vor ihr stoben auseinander und machten Platz für die Gouverneurstochter.

Wendelin ließ kurz seinen Blick über die Menge schweifen, als sie sich in den Vordergrund drängte und er sie schließlich entdeckte. "Annabella! Schön, dich zu sehen."

Zur Begrüßung drückte sie ihre Wange an die seine. Sein Bart war zwar geölt, trotzdem stachen die Borsten auf ihrer zarten Haut. Als sie sich von Wendelin löste, umwehte ein süßer Hauch seines Pflegeöls ihre Nase. "Ebenfalls. Du wolltest mich sprechen?"

Ihr Vater nickte. "Komm mit, wir nehmen meine Kutsche."

***

Während der Fahrt zum Gouverneurshaus wagte niemand, die unausgesprochene Unannehmlichkeit anzuschneiden und so tänzelten Vater und Tochter vorsichtig um das Thema Akalua-Mine herum wie Wildtiere um ein Feuer.

Die Kutsche hielt am Palmenrondell vor dem Gouverneurshaus an. Die beiden nahmen den knirschenden Kiesweg um das hohe Steinhaus mit den breiten Fugen und gelangten direkt in den Garten. Unter einem achteckigen, gemauerten Pavillon befanden sich eisenschwere Stühle und ein Tisch.

Meggi, ein junges, untergewichtiges Hausmädchen stand für die Verpflegungswünsche von Wendelin und Annabella bereit und versorgte sie sogleich mit einem süßen Frühstück aus Kalalau-Kaffee, Crossaint mit Marmelade und Ananaskuchen.

Sie tischte das gute Porzellan mit dem einfachen Wappen von Tarragoss auf. Der bunte Kolibri darauf hatte Annabella wegen seiner Farbenprächtigkeit schon immer fasziniert.

Der Kaffee dampfte aus der Tasse vor ihr und Annabella wagte nur ein Nippen, das ihr beinahe die Lippen verbrühte. Dann legte sie die Hände in den Schoß. Ihr Kleid leuchtete dottergelb und zog einige Insekten an, aber solange diese nicht stachen, war es ertragbar. Aufmerksam und stocksteif blickte Annabella ihren Vater an und räusperte sich. "Wegen Akalua."

Wendelin schnappte den Fetzen, den sie ihm hingeworfen hatte, sofort auf und sein Blick schnellte zu ihr. "Ja?"

"Wir waren dort und ich habe etwas gesehen. Aber ich weiß nicht, was es war", gestand Annabella mit trockenem Mund. Die saftig-süße Ananas, die sie sich danach in den Mund schob - um nicht reden zu müssen und sich eine Antwort überlegen zu können -, befeuchtete zwar ihre Zunge, ließ diese aber etwas pelzig werden.

Wendelin saß ähnlich steif am Tisch wie seine Tochter. "Olivia hat mir davon erzählt. Waren es Ulakas?"

"Ich wollte meinen Begleiter ausfragen, aber ..." Sie seufzte tief und legte die Gabel auf den Teller. "... er ist verschwunden. Und ich habe niemanden, den ich sonst fragen kann."

"Tonto", fluchte ihr Vater. Er fuhr sich durch die glänzenden Haare und runzelte die Stirn. "Kommende Woche findet die nächste Sitzung des Inselrats statt. Es wird entschieden werden, was die Soldaten unternehmen sollen. Bis dahin muss ich einen anderen Schuldigen vorweisen können, sonst..." Den Satz ließ er unvollendet und griff nach der Kaffeetasse.

"Sonst greifen wir die Ulakas an?", fragte Annabella.

Wendelin schüttelte kurz den Kopf. "Noch nicht. Erst durchforsten die Soldaten in kleinen Suchtrupps den Dschungel nach der versteckten Stadt, sodass sie Nak'Umawea zügig finden werden. Die Soldaten werden zurückgeholt und gesammelt - und dann werden die Ulakas angegriffen. Der Idealfall wäre - um die Sicherheit der Ulakas zu gewährleisten -, dass wir noch nicht mal ihren Standort kennen. Aber dafür muss ich den Suchbefehl abwenden können, was ich jedoch nicht tun kann, wenn es keinen anderen Schuldigen gibt."

Eine Meeresbrise strich über Annabellas Arme und kühlte ihre von einer dünnen Schweißschicht benetzte Haut. Gedankenverloren nickte sie. Ihr Vater saß in der Zwickmühle. Würde er den Suchbefehl grundlos abwenden, würde er nicht lange Gouverneur bleiben - respektive niemals Gouverneur werden.

Als könnte Wendelin ihre Gedanken lesen, sagte er: "Nicht nur, dass Rolf vasta Graudorn den Inselrat gegen die Ulakas aufgewiegelt hat. Mit Hilfe der Zeitung hat Graudorn auch die Bewohner der Innenstadt so weit gebracht, dass sie eine Reaktion von mir erwarten."

Wieder nippte er am Kaffee und stellte die Tasse mit einem Klirren auf den Unterteller. "Graudorn will seinen Rachefeldzug, die Soldaten wollen diesen durchführen. Die Oberschicht will sehen, dass ich kein Freund der Ureinwohner bin. Aber was ich will... Ich will keinen grundlosen Angriff gegen die letzten Ureinwohner."

Annabella senkte den Kopf. "Ich wünschte, ich könnte dir helfen. Außerdem wüsste ich selbst gern, welche Wesen das waren."

"Wesen?" Auf Wendelins Stirn zeichneten sich tiefe Furchen ab, als wollte er ihre Beschreibung aus ihrem Mund hören.

Anhand der Hitze auf ihren Wangen wusste Annabella, dass sie gerade die Gesichtsfarbe wechselte. "Ja, Papa", murmelte sie, als wollte sie für ihre Worte im Erdboden versinken. "Ich würde nicht behaupten, dass es wandelnde Skelette waren, aber richtig gesund sahen sie nun auch nicht mehr aus."

"Mit was haben wir es deiner Meinung nach zu tun?", fragte Wendelin. "Mit abgemagerten Affen oder kranken Menschen?

Annabella nagte auf ihrem Fingernagel. "Sie verstanden die Sprache der Ureinwohner."

Als würde das instabile Kartenhaus der Hoffnung in sich zusammenfallen, blies Wendelin die Wangen auf. "Also doch Ulakas?"
"Ich weiß es nicht." Sie strich sich ihre perfekt sitzenden Haare hinter die Ohren. "Wenn es welche waren, so waren sie schwer krank." Schließlich erzählte Annabella von den schwarzen Augen, ihrer Flucht vor einem der Wesen und von den Worten, die Vitus ihr übersetzt hatte. Bei der Erinnerung daran stellten sich ihre Haare auf und sie schauerte.

Wendelin fuhr mit dem Handrücken über die Stirn. "Aber es geht dir gut, nicht wahr?"

"Den Umständen entsprechend", gab Annabella schulterzuckend zurück. Dass sie sich wegen der Drohung beinahe eine Woche in ihrem Appartement verkrochen hatte, sparte sie aus.

Wendelin traktierte seine Unterlippe. "Und dieser Vitus ist verschwunden?" Wenigstens hatte ihr Vater sie nicht gefragt, warum Vitus ihr einen Gefallen schuldig gewesen war oder warum sie ihn näher kannte. Vermutlich war es dem Gouverneur gerade egal, wie es um das Liebesleben seiner Tochter bestellt war.

"Nach einer Drogenermittlung", bejahte sie mit einem Nicken.

Wendelin zog seine Stirn kraus. "Haben die ihn getötet? Oder ist er abgetaucht, zum Schutz vor dem Ring?"

"Ich weiß es nicht." Abgesehen davon, dass Vitus ihr eine Erklärung schuldig war, stand noch die Übergabe des Totenberichts aus. "Aber wenn er wieder auftaucht, werden wir es erfahren."

"Er hat bis übermorgen Zeit. Dann ist die Sitzung des Inselrats und danach wird es zu spät sein."

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