1. Advent
„Tim Bergmann, Chefredakteur der ‚From the Future' Redaktion, als Wahlverteidiger Kedos Zone, wird von der maudadistischen Miliz aufgrund ihrer Ermittlungen folgenden Sachverhalt zur Last gelegt: Der Angeklagte hat, nachdem die Miliz seinen Wagen wegen einer Untersuchung konfisziert hatte, diesen aus der Obhut der maudadistischen Miliz entwendet und ist mit dem Fahrzeug in der Zeit gereist, wo er Dario Delay, das Oberhaupt der Miliz, mittels eines gezielten Messerwurfes fluchtunfähig machte und ihn mit Dynamit tödlich verletzte. Er flüchtete vom Tatort, konnte allerdings gefasst werden. Bei seiner Verhaftung wehrte sich der Angeklagte immens, stritt die Tat ab und verletzte zwei Beamte der Miliz."
„Wenn ich Sie nach vorne bitten dürfte!"
Seufzend erhob ich mich und begab mich zu dem Stuhl und dem Tisch vor dem Richterpodium. Ein Mitglied der Miliz schob für mich den Stuhl nach hinten, sodass ich mich setzen konnte. Bevor sie mich in den Saal gebracht haben, hatten sie mir wieder die Hände gebunden, damit ich niemandem Verletzungen zufügen konnte.
Kedos nickte mir aufbauend zu, als ich meinen Blick noch einmal zu ihm streifen ließ. Dann schaute ich zum Richter. Er bat nun den Staatsanwalt seine Fragen an mich zu stellen. Der zögerte nicht lang und fing sofort damit an, seine eiskalten und völlig falschen Anschuldigungen auf mich los zu pfeffern: „Sie haben also das Gefährt aus der Hand der Maudazei entwendet, um ins Jahr 1585 zu reisen, wo sie nicht nur eine Massenpanik auslösten, sondern sich auch noch des Mordes an Herrn Delay-" „Das ist gelogen! Ich habe ihn nicht getötet!"
Der Richter klopfte mit dem Hammer auf das Pult. „Ich bitte Sie leise zu sein!", rief er lauter, doch ich dachte nicht daran still zu sein.
Warum sollte ich schweigen, wenn ich des Mordes an einen sehr, sehr guten Freund beschuldigt werde? Warum sollte ich schweigen, wenn dieser Freund einfach so ermordet wurde? Warum sollte ich schweigen, wenn der Mörder dieses Freundes noch draußen herumläuft und sich vermutlich ins Fäustchen lacht, dass er nicht dafür belangt wird?
Nein. Schweigen würde ich nicht!
Ich habe in dieser Stadt schon so oft in Situationen nicht geschwiegen, in denen ich es hätte tun sollen, in denen es mir andere geraten hatten, und es womöglich sogar besser wäre, doch ich tat es nie. Warum sollte ich es dann jetzt tun, wo mir das Wichtigste genommen wurde?
Es ist mir sowieso ein Rätsel, wer ihn umgebracht hat. Natürlich ist er als Oberhaupt der Miliz nicht gerade beliebt in den ein oder anderen Kreisen, aber wer würde ihn denn umbringen können?
Ich stand auf und stritt die Anschuldigung wieder ab: „Ich war das nicht! Er ist ein guter Freund von mir. Ich könnte ihn nicht töten - Niemals könnte ich das!"
Fast kamen mir die Tränen, und weil sie noch immer zusammengebunden waren, konnten meine Hände sie nicht wegwischen. Ich fühlte mich gedemütigt, wie die Tränen langsam mein Gesicht runterliefen, wie mir die Hände gebunden waren, wie mir Sachen unterstellt werden, die ich niemals hätte tun können.
Noch dazu kam diese ungeheure Wut. Wut wegen des Mordes, Wut auf den Mörder und Wut auf die Miliz. Wut, Trauer und Verzweiflung.
Alles was schief laufen konnte, lief schief. Was passiert als nächstes? Werde ich hingerichtet?
Besser nicht den Teufel an die Wand malen.
Vielleicht wird ja doch noch alles wieder gut?
Nicht entmutigen lassen. Kopf hoch, Rücken gerade und Schultern zurück.
Doch trotz meiner Bemühungen ruhig zu bleiben sah ich mich schon, hinter Gittern sitzend, verrückt werden.
Die Welt war in Gefahr, aber natürlich hörte keiner auf mich.
Womöglich ist das nur der Plan von Darios Mörder. Er will mich ungefährlich machen, damit er in aller Seelenruhe Unheil anrichten kann. Allerdings würde sich dann die Frage stellen, warum ich kein Hindernis darstellen sollte. Was wäre der Plan dieses Geisteskranken?
Nicht einmal Takaishii würde ich es zutrauen, Dario zu ermorden und selbst wenn - Klar, wir haben unsere Differenzen, aber sowas würde er niemals tun. Dafür wäre selbst Takaishii zu harmlos.
Abgesehen vom Mord gab es zusätzlich auch noch diese obskure Maschine, die vor meiner Haustür stand. Das Teil hatte einen Zettel, auf dem „Diese Maschine wird alle Menschen in Sklaven verwandeln. Du hast vier Stunden Zeit. Viel Glück! P.S.: 16. Februar" geschrieben wurde. Viel Glück hatte ich ja leider nicht gehabt...
„Spinnen Sie eigentlich? Wann hätte ich Dario ermorden sollen? Ich hab lediglich versucht die Welt zu retten, mit dem DeLorean, der mir gehört! Woher wollen Sie eigentlich wissen, dass ich keine Erlaubnis hatte? Es kann doch nicht angehen, dass ich für Sachen beschuldigt werde, die ich niemals verbrochen habe! Haben Sie überhaupt auch nur den Hauch einer Ahnung, warum ich in der Zeit gereist bin? Ich kann Ihnen jedenfalls sagen, dass Mord - insbesondere an Dario - nicht auf meiner Liste stand! Warum zur Hölle denn auch?!"
Erneut wurde meine Stimme lauter und ich bekam wieder einen mahnenden Blick von Kedos ab, der mir bedeutete leise zu sein und dass ich mich hinsetzen solle. Bewusst ignorierte ich ihn und redete mich weiter in Rage: „Dario ist mein bester Freund, wieso also, sollte ich ihm sein Leben nehmen? Nennen Sie mir doch bitte mein angebliches Motiv!"
Vor lauter Geschrei war ich völlig außer Atem und starrte den Richter verständnislos an. Dieser fixierte mich mit seinem kalten fiesen Blick und brachte mich damit dazu, dass ich erschöpft auf den Stuhl sank.
Bevor er was sagte, holte er tief Luft und sah mich verärgert an. „Wenn Sie dann fertig wären, würde ich Sie bitten, die Fragen des Staatsanwalts zu beantworten. Natürlich dürfen Sie die Aussage verweigern, doch nach Ihrer kleinen..." Er brach ab, um nach dem richtigen Wort zu suchen. „Doch nach Ihrem kleinen Ausbruch, denke ich, werden Sie keine großen Einwände dagegen haben, die Fragen zu beantworten."
Ich nickte bloß.
Hätte ich doch nur besser auf Kedos stumme Aufforderungen gehört und wäre still geblieben.
Der Staatsanwalt, welcher sehr wichtigtuerisch aussah und einen ganz eisernen Gesichtsausdruck hatte (der Typ hat bestimmt noch nie gelacht), erhob sich und wendete sich kurz nach vorne. „Vielen Dank, Herr Richter!"
Schleimer.
„Nun, Herr Bergmann, wie lange hatten Sie schon geplant, den Wagen aus den Händen der Maudazei zu stehlen?" Genervt seufzte ich und sah ihn ungläubig an. „Nochmal: Ich hab den DeLorean - meinen DeLorean, wohlbemerkt - nicht geklaut! Außerdem habe ich eben erst gesagt, dass ich ihn gebraucht habe. Ist Ihnen allen eigentlich bewusst, dass Sie für den Untergang der Welt verantwortlich sind? Jede Minute, die gerade vergeht, wird alles schlimmer! Sie sind mitverantwortlich für eine riesige Katastrophe!"
Kedos seufzte, überkreuzte seine Arme und rieb sich angestrengt über die Stirn. Von den Schöffen erhielt ich ebenfalls keine gute Reaktion: Genauso wie der Staatsanwalt blickten sie mich ungläubig an.
Vielleicht schaffe ich es sogar noch, als tatunfähig durchzukommen, wenn ich so weiter mache mit meinen Ausbrüchen.
Dann würde ich zumindest nichts in Gefängnis gehen. Aber dafür säße ich dann in einer Anstalt. Ob das so viel besser ist, weiß ich auch nicht.
Plötzlich erhob sich Kedos und bat etwas sagen zu dürfen. Der Richter gestattete ihm und er fing an zu sprechen: „Was mein Mandant sagen will ist eigentlich ganz einfach, Euer Ehren. Er sah keine andere Möglichkeit seinen Wagen aus den Händen der Maudazei wiederzuerlangen, nachdem er mehrfach um die Aushändigung des Vehikels gebeten hatte. Außerdem, was das Zeitreise-Debakel angeht: Ich denke, wir wissen alle, wie vorsichtig Herr Bergmann ist und dass er ein Mann mit recht friedfertigen Absichten ist. Es wäre für ihn untypisch eine Person so blutrünstig und kaltblütig zu ermorden, wie es - bedauerlicherweise - mit Herrn Verzögerung geschah. Das wäre auch schon alles, was ich zu sagen hätte, Euer Ehren."
Er setzte sich wieder auf seinen Stuhl und sortierte seine Unterlagen, faste sich mit seiner Hand an die Stirn und stieß lautlos etwas Luft aus.
„Vielen Dank, Herr Zone", sagte der Staatsanwalt. Dann wendete er sich wieder an mich: „Sie erwähnten jetzt schon einige Male, dass Sie, wie Sie es sagten, bloß die Welt retten wollten. Erläutern Sie doch bitte, was es damit auf sich hat."
Ich wollte gerade ansetzen, da räusperte sich Kedos. Augenblicklich sah ich zu ihm. Er formte mit seinem Mund die Worte „Red' keinen Mist". Wobei es genauso gut „Hab keinen Schiss" hätte sein können. Aber letzteres bezweifelte ich; immerhin war er mein Anwalt und würde mir nicht dazu raten, einfach das Erste, was mir in den Sinn kommt, zu sagen, ohne zumindest kurz darüber nachzudenken.
Auch wenn es mir sehr schwer fiel, schaltete ich einen Gang zurück und gab mein Bestes, nicht ausfallend zu werden. Ich erzählte von dem Gerät mit dem Zettel, dass ich natürlich diese Maschine zerstören wollte, mir das einfach nicht gelang und ich deshalb beschloss dem Tipp eine Chance zu geben und zum 16. Februar zu reisen, was sich nun als großer Fehler herausstellte.
Während meiner Erklärung bemühte ich mich, nicht auf die Leine an meinen Händen zu gucken, sondern in die Augen des Staatsanwaltes und des Richters. Zwar erschwerte mir das ruhig zu bleiben, aber sonst würde es so wirken, dass ich lüge.
Der Staatsanwalt notierte sich etwas und fuhr unbeeindruckt mit seiner Befragung fort: „Wieso haben Sie sich nicht an die Maudazei gewendet? Haben Sie Beweise für die Existenz dieser Maschine?"
Wieso hatte ich überhaupt angefangen auszusagen? Wenn ich Kedos reden gelassen hätte, dann wäre der Prozess schneller fertig gewesen. Jetzt durfte ich aber alle Fragen über mich ergehen lassen und auch noch versuchen, nicht einen Kollaps zu bekommen. Bevor ich antwortete, atmete ich tief ein.
„Tatsächlich habe ich Dario von der Maschine erzählt, nachdem ich schon einige Male versucht hatte, sie zu zerstören; allerdings war auch er ratlos und konnte mir nicht groß helfen. Und was Beweise angeht: Die Maschine sitzt vor meinem Haus. Leider in meiner Zeit. Die Zeit, in der Dario nicht tot ist."
Den letzten Satz murmelte ich mehr zu mir selber. Es fühlt sich unfassbar falsch an, zu sagen, dass er tot ist. Er darf nicht tot sein, und doch ist er es hier.
„Versprich mir, dass du auf dich aufpasst, ja?", das war das Letzte, was ich von ihm gehört habe. Immense Schuldgefühle wichteten auf mir, schwerer als zehntausende Findlinge.
„Ach, außerdem", ergänzte ich noch schnell, ehe der Staatsanwalt mit seinen Notizen fertig werden konnte, „ ich hatte sehr wohl eine Erlaubnis meinen Wagen zu verwenden. Sie kam von Dario."
Der Richter nickte und ich bemerkte, dass einige Schöffen mich nicht mehr mit misstrauischen Blicken bedachten. Das war doch ein gutes Zeichen, oder nicht?
Ruhig bleiben und nicht die Nerven verlieren bringt manchmal wohl doch was, auch wenn ein kleiner Wutanfall einem helfen kann, mit der Situation besser klar zu kommen. Es würde mir nur genau in diesem Moment nichts bringen. Ich würde Dario nicht schneller wieder sehen, ich würde nicht schneller alle vor der Maschine retten können und ich wäre nicht schneller hier raus und von diesen schrecklichen Personen weg.
„Aber wenn Sie nichts verbrochen haben, wieso wehrten Sie sich, als man Sie festnahm?"
Ja, warum wehrte ich mich wohl?
„Ich war nervös! Was hätten Sie denn gemacht, wenn Sie ohne triftigen Grund einfach abgeführt werden würden? Ich wusste doch nicht, was passiert war und konnte nicht glauben, was die Mitglieder der Miliz mir erzählten. Ich wollte ihn selber sehen, weil ich nicht fassen konnte, dass die Person, die ich..." Glücklicherweise konnte ich mich gerade noch bremsen. „die ich am meisten mag, einfach so weg ist. Dass diese Person von jetzt auf gleich nicht mehr lebt, nicht mehr bei mir sein kann, nicht mehr unter uns ist. Es ist einfach ein Impuls von mir gewesen, als müsste ich ihn retten, verstehen Sie? Ich wollte ihn suchen und retten gehen, auch wenn es schon längst vorbei war."
Zuerst dachte ich noch, dass ich einen schrecklichen Alptraum träume, aber es war alles wahr, jedes kleinste Detail.
Palle hatte mir hinterher noch erzählt, dass er mich warnen wollte, da er die Miliz schon vorher sah und er mitbekam, was sie vorhatten, doch auch er wurde von ihnen abgefangen und verhört. Sie wussten, dass wir ein gutes Verhältnis zueinander haben, weshalb sie davon ausgingen, er sei ein Komplize gewesen.
Völliger Schwachsinn. Ich hatte mich ganz alleine und auf mysteriöse Weise in diese Scheiße reingeritten. Außerdem, wenn man drüber nachdenkt, dann hatte er nun wirklich kein Motiv. Das schienen sie wohl auch schnell eingesehen zu haben, denn das Verfahren gegen ihn wurde unmittelbar nach seiner Festnahme dann auch wieder eingestellt. Was danach geschah, bekam ich nicht mehr mit. Er durfte leider nur einmal für ein paar Minuten mit mir reden, konnte mir also auch kaum was erzählen.
Hätte es sich beim Opfer um einen Takaishii gehandelt, hätte ich noch irgendwie nachvollziehen können, weshalb man Paluten auch ins Visier nimmt. Immerhin sind der Kürbiskopf und ich befreundet und wir haben beide unsere Differenzen mit dem guten alten Takaishii, doch hier handelte es sich um Dario und abgesehen davon, dass dieser Maudadist ist und das mit Palutens komischer Sekten-Religion widerspricht, haben die beiden keine Probleme miteinander gehabt.
„Sie sagten vorhin mehr als deutlich, dass Sie Herrn Delay nicht getötet hätten. Sie wurden aber eindeutig von einen der Zeugen gesehen. Haben Sie ein Alibi dafür, dass Sie Dario nicht ermordet haben?"
Und schon waren wir bei dem Punkt, über den ich eben noch philosophiert hatte. Wer war der wahre Mörder?
Ich hatte keine Ahnung und ein Alibi hatte ich auch nicht. Niemand konnte für mich bürgen. Ich musste mit einen Kopfschütteln die Frage verneinen.
„Dann hätte ich noch eine Frage, Herr Bergmann." Die Stimmlage von dem Staatsanwalt hatte sich verändert. Sie klang arroganter als so schon und er sah mich von oben herabschauend an. Er wirkte siegessicher. Das gefiel mir überhaupt nicht. Ich hatte ein ganz mieses Gefühl bei der Sache.
„Sie brachten zwar zum Ausdruck, dass Herr Delay Ihr bester Freund gewesen ist, doch hatten Sie zwei nicht zu dem Todeszeitpunkt heftige Konflikte?"
Konflikte?
Den einzigen Konflikt den wir mal hatten war der in Bezug auf den Spielemeister.
In dem Moment, in dem ich an den Spielemeister dachte, fiel mir ein, dass es sich hier um einen ganz anderen Zeitstrang handelte. Der Spielemeister ist noch nicht gefasst, jeder rätselt noch über die Identität des Spielemeisters und das Verhältnis zwischen Dario und mir brauste sich auf.
Wie konnte ich das nur vergessen?
Ich musste mich erneut stark beherrschen, nicht wieder die Fassung zu verlieren.
„Es gab haltlose Anschuldigungen beider Seiten, das ist korrekt, aber dennoch waren Dario und ich gute Freunde. Das Ganze war lediglich ein einfaches Missverständnis gewesen", antwortete ich zerknirscht. Ich musste die Wahrheit sagen, denn eine Lüge würde zu schnell auffliegen und schließlich war alles wirklich so passiert. Nur nicht hier. Es wäre aber auch hier passiert, wäre da nicht dieser Mörder gewesen.
Der Staatsanwalt sah mürrisch aus. Er hatte wohl auf eine andere Antwort gehofft. Ist ja auch logisch; wenn ich jetzt gesagt hätte, dass ich ihn gehasst hatte oder dass ich mich nicht gut mit ihm verstand, dann könnte man mir noch leichter die Schuld zuschieben. Und dennoch hatte er genug Beweise für mein vermeintliches Motiv.
„Gibt es noch weitere Fragen an den Angeklagten seitens der Staatsanwaltschaft?", fragte der Richter nach meiner Antwort. Er sah den Mann durchleuchtend an, der Angestarrte quittierte mit einen finsteren Blick. „Nein, Euer Ehren." Damit setzte sich der alte Schleimer wieder und sah auf die Blätter vor sich.
Nun wendete sich der Richter an Kedos: „Haben Sie noch Fragen an Ihren Mandanten?" Kedos sah mich kurz an, überlegte eine Sekunde, antwortete dann aber dasselbe wie der Staatsanwalt.
„Dann darf sich der Angeklagte wieder an seinen Platz begeben und ich bitte den ersten Zeugen in den Saal!"
Ich tat, was der Richter sagte und sah zur Tür hin. Wer der erste Zeuge wohl ist und was er sagen wird, erweckte Neugier in mir und ich hoffte inständig auf gute Aussagen.
Langsam ging die Tür auf und durch sie schritt Palle.
Er sah noch nervöser aus als ich und wirkte recht unsicher, als er sich auf den Stuhl setzte, auf dem ich noch vorhin saß.
„Herr Paluten, Ihnen werden nun zuerst vom Staatsanwalt Fragen gestellt, danach hat die Verteidigung noch das Recht sich an Sie zu wenden. Ich muss Sie in Kenntnis setzen, dass Sie als Zeuge dazu verpflichtet sind, die Wahrheit zu sagen und die Aussage nicht verweigern dürfen, habe ich Ihr Wort darauf?", erklärte der Richter Patrick noch. Der nickte und meinte, er würde nicht lügen und sei bereit.
Das ließ sich der Staatsanwalt nicht zweimal sagen: Er erhob sich wieder und fing sofort an: „Sie gaben an, zum Zeitpunkt des Mordes an Herrn Delay dabei gewesen zu sein. Sahen Sie den Täter? Wenn ja, erkannten Sie ihn oder können Sie ihn beschreiben?"
Palle nickte. „Ja, ich hab ihn gesehen."
Er sah zu mir, seufzte und antwortete mit bebender Stimme: „Ich... Er sah so ähnlich aus wie Bergi, aber er hatte keine grünen Augen wie er. Sie waren schwarz. Tiefschwarz. In ihnen stand der Terror förmlich geschrieben."
Das klang nicht gut.
Mich besorgte nicht nur Patricks angsterfüllter Blick in die Leere, sondern auch die Beschreibung. Eine leise Vorahnung, die ich aber nicht wahrhaben wollte, beschlich mich. Und trotzdem war mir klar, dass das die einzige Person wäre, der ich einen Mord an Dario zutrauen würde.
Neue Fragen brausten in meinem Kopf auf.
Warum zur Hölle lebt er noch und wie kam er hier hin? Warum vor allem? Was hatte er diesmal vor? Konnte er nicht einfach aufgeben und meine Freunde und mich in Frieden lassen?
Patrick sah zu mir. „Ihm hingen die Haare tief ins Gesicht und er hatte so eine Augenklappe auf. Er trug einen Mantel und sowas wie einen langen Schal." Er machte eine Pause, schluckte und flüsterte: „Er ist zurück." Ungläubig schüttelte ich den Kopf und strich mir übers Gesicht. Nicht schon wieder.
Patrick, Kedos und ich waren die einzigen, die verstanden, was Palle gerade sagte. Der Staatsanwalt, der Richter und die Schöffen waren verwirrt. Fragend musterten sie Palle. Die Glaubwürdigkeit seiner Aussage sank vermutlich gerade Schritt für Schritt, doch ihre Wichtigkeit war bedeutender denn je.
Der wahre Grund, weshalb ich beschuldigt wurde und wer der wahre Mörder war, sind allein durch diese wenigen Sätze geklärt worden. Zumindest für die einzigen drei mehr oder weniger mental gesunden Personen in diesem Saal.
Er wusste, dass Dario und ich zu der Zeit keinen guten Draht zueinander hatten und ich so ganz leicht in den Kahn wandern würde. Doch er musste erstmal dafür sorgen, dass ich in die Zeit reise. Die ganze Maschine war nur ein einziger Bluff! Er hatte das alles eingefädelt und geplant! So hat er mich nicht nur in den Knast bekommen und konnte in Ruhe die Welt vernichten, sondern er hatte mir auch den wichtigsten Menschen genommen.
Dieser miese Wichser! Dafür würde er schon noch bezahlen. Koste es, was es wolle.
Ich würde ihn nicht so einfach damit davonkommen lassen. Nicht diesmal. Diesmal würde ich schlauer sein.
„Entschuldigen Sie, aber von wem reden Sie?", fragte der Staatsanwalt. Unsicherheit schwang in seiner Stimme, die er versuchte zu überspielen. Nicht gerade gut, wohlgemerkt.
Patrick sah wieder zu ihm und erst jetzt fiel mir auf wie blass er war. „Tim ist unschuldig", antwortete er, „Ich rede von einer weitaus gefährlicheren Person. Jemanden, von dem wir dachten, er wäre tot."
Noch nie fand ich Patricks Stimme beängstigender. Aber ich hatte ihn auch noch nie so reden gehört. Das machte es nur nicht besser, sondern eher schlimmer.
„Evil Bergi war der wahre Mörder von Delay."
SecondBergNo - oder Evil Bergi, wie Palle ihn nannte - war wieder da und schien einen Plan zu haben. Einen Plan, der offenbar wieder Tote fordert.
Ein unruhiges Murmeln brach im Saal aus.
Die Schöffen tuschelten miteinander, der Staatsanwalt und der Richter tauschten verwirrte Blicke miteinander aus.
Auch Kedos, Palle und ich sahen uns an, doch anders als der Rest des Saals wussten wir exakt, was es bedeutete, wenn Second wirklich wieder da war. Wir waren die einzigen im Gebäude, die wussten, welche Bedrohung von diesem Menschen (unglaublich, dass man ihn als solchen bezeichnen darf) ausging.
Allein das, was in Desperado geschehen war, ist schon unverzeihlich. Es reichte, dass er meine Freunde schon einmal auf dem Gewissen hatte. An wie vielen Toden er Schuld trug. Takaishii (wenn auch nur indirekt) und Paluten aus Desperado, Kedos, Manu, Max und natürlich Dario. Dario war jetzt schon ein zweites Mal auf seiner Liste. Niemals sollte ein drittes Mal dazukommen! Das schwor ich mir in diesen Augenblick.
Aber trug nicht auch ich eine gewisse Mitschuld?
Das alles war letztendlich das Endergebnis einer Kettenreaktion, angefangen mit Saphirian, dem Spielemeister.
Ich hätte in der Tat alles wohl verhindern können, hätte ich das ein oder andere nicht getan, doch es ist zu spät dafür, es ist nun einmal passiert.
Der Richter war der erste der seine Sprache wiederfand und mich auch aus meinen tiefen Gedankengängen riss: „Habe ich richtig gehört? Wen meinen Sie mit ‚Evil Bergi' ?" Palle und ich drehten uns synchron zu dem Richter und fingen gleichzeitig an zu sprechen. Da er der Zeuge war und die Frage ihm galt, verstummte ich schnell und ließ ihn reden.
Er begann bei CraftingPats Mord an Edgar, wie ich dabei war und erzählte dann davon, wie er aus lauter Trauer um seinen verstorbenen Freund und Haustier eine Klonmaschine baute.
Doch dem Richter interessierte das alles nicht. Wahrscheinlich stufte er seine Aussage als belanglos und unwichtig ein, aber ohne die Vorgeschichte hätte das worauf es ankommt - der Ursprung von Seconds Existenz gar keinen Sinn ergeben. Es ergibt ja nicht einmal mit Vorgeschichte wirklich Sinn.
„Und inwiefern hat das Leiden Palutens etwas mit Ihnen zu tun, Herr Bergmann?", erfragte der Richter seufzend. Er rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Augen, als hätte er vorhin noch einem anstrengenden Kleinkind zuhören müssen.
„Ich war nicht nur Zeuge dieses Verbrechens, sondern ich bin auch ein wissbegieriger Journalist, wie Sie wissen", erläuterte ich. „So kam es dazu, dass ich Palutens Klonmaschine erstmal untersuchte. Versehentlich habe ich mich dabei geklont." Der Staatsanwalt musterte mich skeptisch und schenkte mir einen argwöhnischen Blick.
Gut, „versehentlich klonen" ist nichts Alltägliches und für gewöhnlich wollen Leute sich klonen, damit der Klon die ganze anstrengende Arbeit für einen erledigen kann. Ich wünschte nur, dass ich so einen Klon bekommen hätte.
„Es ist aber etwas komplizierter. Zuerst gab es nur einen Klon. Allerdings war er... Er war irgendwie anders. Er sprach auch nicht mit mir. Er tauchte nur hin und wieder auf. Aber er hat mich vor dem zweiten gerettet. Second - oder auch Evil Bergi, wie Patrick ihn getauft hat - ist skrupellos. Er war eine lange Zeit gefangen, in Missings Geist, dem ersten Klon, der, der mich schon oft genug vor Second gerettet hat. Second konnte sich nur von ihm abspalten, weil ich schwach war. Und so hat das ganze Chaos seinen Lauf genommen", sprach ich.
Der Richter hörte mir aufmerksam zu und überraschenderweise schien er durch meine Erklärung die Geschichte besser verstehen zu können. Er und der Staatsanwalt schrieben sich Notizen auf und jener befragte mich weiter: „Also laut Ihnen ist dieser Second oder Evil Bergi der Mörder von Delay und Sie waren nur zur falschen Zeit am falschen Ort?" Ich konnte mir kein Grinsen verkneifen. „Zur falschen Zeit am falschen Ort" Dieser Mann sieht zwar nicht so aus als würde er oft irgendwelche Witze bringen, aber diese trockene Art machte die mehr als zutreffende Redewendung nur noch besser.
„Passenderweise, ja. Ich hatte, wie bereits gesagt, etwas ganz anderes vor. Aber vielleicht sollten wir uns damit beschäftigen wo der Mistkerl ist und nicht unschuldige Leute unnötig aufhalten."
Den letzten Satz hatte ich erneut nur leise vor mich hin genuschelt. So langsam verlor ich nämlich meine Geduld. Recht und Ordnung hin oder her - Je mehr Zeit vergeht, desto mehr Möglichkeiten hat dieser Arsch noch die Leben anderer zu nehmen.
Ich sah zu Palle, der mittlerweile viel ruhiger war, als er eben noch den Raum betrat. Ich lächelte ihn dankbar an, was er erwiderte.
Der Richter sprach wieder und gewann meine Aufmerksamkeit: „Wir haben noch die Aussagen von zwei Zeugen anzuhören, Herr Bergmann. Danach schlagen die Staatsanwaltschaft und ihr Anwalt ein Urteil vor. Und bevor die Schöffen und ich uns zur Beratung zurückziehen, dürfen Sie sich noch äußern. Ich bitte Sie also noch um ein wenig Geduld!"
Ich nickte und versuchte mich zu beruhigen.
Nur noch zwei Zeugen...
Zwei Personen, die alles entscheiden könnten. Zwei Personen...
Wer könnten diese zwei Personen nur bloß sein?
Paluten legte seine Hände auf den Armlehnen und sah sich fragend um. „Darf ich dann gehen?", erkundigte er sich unsicher. Der Richter sah erst den Staatsanwalt dann Kedos an und antwortete: „Insofern der Herr Staatsanwalt und die Verteidigung keine Fragen mehr an Sie haben, können Sie dann gerne gehen." Prompt meldete sich der Mann schräg gegenüber von mir auch schon. „Wie können Sie sich so sicher sein, dass es nur dieser „SecondBergNo" sein konnte? Vielleicht haben Sie auch nur nicht genau hingeschaut. Immerhin handelt es sich hier - Schenken wir Ihrer Geschichte Glauben - um einen Klon."
Fast lachend erklärte ihm Palle, dass er mein Ich nur wenige Minuten zuvor in der Kneipe „Zur betrunkenen Schnecke" sah, wie ich mich mit Bums Doggie unterhalten hatte.
„Außerdem habe ich kurz danach Tim sein eigenes Haus observieren gesehen", fügte Palle noch grinsend hinzu. Ich war zunächst negativ überrascht darüber. Alles hätte kaputt gehen können! Ich muss unbedingt besser aufpassen, wenn ich in der Zeit reise.
„Er hätte niemals so schnell bei Delay sein können", meinte Patrick noch und sah wieder ernst aus.
Langsam nickte der Staatsanwalt. „Dann hätte ich keine weiteren Fragen." Damit setzte er sich wieder hin und schrieb sich was auf.
„Würden Sie dann noch gerne das Wort an den Zeugen richten, Herr Zone?" Kedos schüttelte den Kopf. „Herr Bergmann? Möchten Sie noch was sagen?" Auch ich schüttelte den Kopf.
„Dann dürfen Sie nun wieder gehen, Herr Paluten. Ich bedanke mich für Ihre Aussage."
Der Richter lächelte doch tatsächlich freundlich und nickte Patrick zu. Dieser erhob sich. „Bis dann, Börgsman!", rief er mir noch zu, als er den Raum verließ. „Mach's gut, Palle!"
Ein Winken, ein letzter spitzbübiger Blick und er war weg.
Wer ist wohl Zeuge Nummer zwei?
„Der nächste Zeuge wird nun in den Raum gebeten!", rief der Richter und Zombey kam rein.
Im Gegensatz zu Palle wirkte er gelassen. Er setzte sich viel selbstsicherer auf den Stuhl und setzte einen nichtssagenden Gesichtsausdruck auf. Zombey war schon immer Meister des Pokerface gewesen und man konnte ihn noch nie schnell aus der Ruhe bringen. Manchmal hätte ich ganz gerne seine Nerven. Wie kann er nur so einen kühlen Kopf bewahren?
Auch er wurde vom Richter belehrt was er zu tun hatte.
„Sie haben ebenfalls den Mörder vom Herrn Delay gesehen?", fragte er ihn nun. „Ja. Es war Evil Bergi", antwortete Zombey knapp und sah den Mann ohne Emotionen an.
„Das hat uns schon Herr Paluten erzählt. Er gab außerdem an, dass Herr Bergmann unmittelbar vor dem Zeitpunkt des Mordes in der Kneipe ‚Zur betrunkenen Schnecke' gesehen wurde.", führte der hochrangige Mann den Prozess fort, „Haben Sie ihn dort ebenfalls gesehen?"
Zombey nickte. „Der war fast den ganzen Tag da. Bis er gehört hat, was passiert war. Dann ist er Zuhause gewesen und hatte sich eingeschlossen", erzählte der Mann mit lila Pulli.
Ich konnte und wollte mir nicht vorstellen, wie sich der andere Tim nur gefühlt haben muss. Es schmerzte so schon. Wie musste das dann nur gewesen sein, als die ganze Miliz an meiner Tür klopft und haltlose Anschuldigungen und die schrecklichste Nachricht deines Lebens mitbringt.
„Die Staatsanwaltschaft wird Ihnen nun ein paar Fragen stellen, Herr Zombey", erwähnte der Richter noch.
Jener erwähnter Mann erhob sich wieder und fing an zu reden: „Sie befanden sich schon vor dem Todeszeitpunkt im Park und waren auch dort, als der Mord geschah; was taten sie dort?"
„Ich hab mich mit meinen Freunden maudado, Osaft, Wintercracker und Schlingel dort getroffen", antwortete Zombey, noch immer die Contenance bewahrend. Er sah den fragenden Mann seelenruhig an und hielt dem starren Blick stand.
„Ihre Freunde haben aber verneint, als sie gefragt worden sind, ob sie zum Zeitpunkt des Mordes da waren", berichtigte der Staatsanwalt Zombey mit schneidender Stimme. Doch dieser hatte dafür eine passende Antwort: „Die sind früher als ich gegangen. Ich wollte noch ein bisschen da bleiben."
Es war eine interessante Befragung; der Staatsanwalt versuchte ihn vergeblich nervös zu machen. Der Mann konnte einfach seine Unsicherheit, sollte welche da sein, sehr gut überspielen.
Er wurde gefragt ob er Second schonmal gesehen hätte, was er bestätigen konnte.
„Wie ging denn der Täter vor?"
Zombey sah ihn erstmal für einige Sekunden bloß an. Man merkte dem Staatsanwalt an, dass er so langsam aber sicher nervös wurde, im Gegensatz zum Zeugen.
Die Erklärung auf diese Frage hätte ich auch nur all zu gern.
Gespannt und konzentriert betrachtete ich Zombeys Gesicht. Mich interessierte seine Mimik. Würde er sein Gesicht verziehen oder bleibt sein Pokerface bestehen?
Zombey streifte mich mit seinem Blick, doch seine Aufmerksamkeit galt nicht mir, sondern dem Boden. Es schien, als würde er sich die Situation vor seinem inneren Auge nochmal abspielen. Und- tatsächlich! Seine Augenbrauen zuckten kurz zusammen.
„Ich hab Delay kurz davor noch angesehen. Er wirkte so nachdenklich, wie er da saß. Nachdenklich, aber auch irgendwie erleichtert. Von der einen Sekunde auf die andere flogen zwei Dolche zischend an mir vorbei! Zuerst dachte ich, dass mir jemand an den Kragen will, also zückte ich sofort meine Waffe. Delay war nicht getroffen worden und hatte sich Schutz hinter einen Stein gesucht. Takaishii und Paluten liefen gerade zufällig am Park vorbei. Sie waren mit Dario und mir die einzigen, die noch da waren. Die anderen Bürger sind geflüchtet. Und dann hörte ich die Stimme von ihm. Zunächst war ich zu erstarrt, als dass ich auch nur irgendwas hätte tun können. Ich wusste gar nicht, was gerade passierte. Erst als ich Evil Bergmann sah, wie er sich schnurstracks auf den Stein, hinter dem sich Delay versteckte, zu bewegte, wurde mir klar, was hier geschieht. Paluten wollte schon Delay helfen, aber Bergmanns Klon war schneller. Delay wollte fliehen, doch weit kam er nicht. Dazu war Evil zu schnell und konnte ihn mit einen gezielten Dolchwurf das Bein treffen. Er knickte weg und fiel zu Boden. Es war furchtbar! Diese Todesangst in seinen Augen, als er diesen kranken Wahnsinnigen ansah..." Zombey seufzte, schloss die Augen und fasste sich an die Schläfen. Tränen bildeten sich in meinen Augen.
„Paluten und ich wollten Delay natürlich retten. Anders als er dachte ich wirklich, es wäre Bergmann gewesen, der Delay gerade anschrie. Ich verstand gar nichts mehr. Palle schritt auf den Mann zu und wollte ihn überwältigen, da schubste dieser ihn nur von sich. Takaishii rief dem vermeintlichen Herr Bergmann zu, er solle Delay doch lassen, wurde aber genauso wie Palle achtlos weggeschubst. Wir hatten keine Chance. Und dann ging alles ganz schnell: Der Typ holte ein Dutzend Stangen Dynamit hervor, zündete sie an und warf sie auf Delay. Sein Bein verhinderte eine mögliche Flucht, aber er versuchte noch zur Seite zu Rollen. Paluten, Takaishii und ich entkamen noch gerade so, nachdem wir erst auf Delay zu rennen wollten. Es hatte keinen Sinn, die erste Stange fing schon an zu explodieren."
Zombey sah mich bedauernd an. Sein Blick gab mir den Rest. Er war so entschuldigend, als würde er sich selbst Schuld dafür geben. Dabei konnte er nichts tun und musste alles auch noch mitansehen.
Ehe ich hier noch anfing zu weinen, wendete ich meinen Blick von ihm ab. Sie hatten ihr Bestes gegeben, sie wollten ihn retten und hatten keine einzige Chance.
Wenn ich ihn in die Finger kriege-
Man müsste ihn erhängen! Nein, das würde nicht mal annähernd an den Schmerz rankommen, den meine Freunde, Takaishii und ich hier durchlebten.
Für ihn ist die Guillotine viel zu harmlos!
Er ist nichts weiter als ein gestörter Psychopath.
Ein Psychopath, der mich schon so weit brachte, mir auszudenken, wie er am besten und am meisten leiden könnte. Genug ist genug. Er ist ein einziger Fehler. Ein Fehler, für den ich verantwortlich bin und den ich nicht unter Kontrolle kriege. Ich bin doch selber letztendlich auch an diesem Mist hier schuldig.
Was musste ich mich nur in die Angelegenheiten von Palle einmischen? Dann hätte ich diesen Dreck gar nicht erst am Hals....
Meine Gedanken kreisten um die Frage, wie ich ihn am besten aufspüren konnte. Umso mehr erschreckte ich mich etwas, als der Staatsanwalt sich wieder meldete: ,,Ich habe keine weiteren Fragen mehr an den Zeugen, Euer Ehren!" Er setzte sich hin und seufzte kaum merklich. Hoffentlich war das aus Mitleid gewesen!
Der Richter nickte und sah Kedos an.
„Gibt es Fragen Ihrerseits?"
Erneut verneinte Kedos.
„Insofern Sie nicht noch etwas zu erwähnen haben, dürfen Sie, Herr Zombey, den Saal nun wieder verlassen", sprach der Richter an den Braunhaarigen gewandt. Dieser nickte und ging raus.
Jetzt fehlte nur noch ein Zeuge, und ich könnte mich darauf verlassen, dass dieser gegen mich aussagen wird. Takaishii und mein Verhältnis war, ist und wird immer kompliziert und schlecht sein. Ich verstehe bis heute nicht, wie unterschiedlich dieser Takaishii und der aus Desperado sein konnten.
„Der letzte Zeuge kommt bitte nun in den Saal!"
Na das wird doch lustig werden.
Ich stieß leise Luft aus und bereitete mich auf diesen alten Miesepeter vor.
„Wussten Sie, dass von Herr Bergmann zwei Klone existieren und einer von ihnen der Mörder von Delay sein soll?" Der Schleimer und Takaishii würden sich bestimmt sehr gut miteinander verstehen.
Beide gleich unsympathisch, ohne Humor und ohne Grund gegen mich - wobei das auch nicht so ganz stimmte; der Staatsanwalt wird dafür bezahlt, dass er gegen mich ist, Takaishii macht es aus purer Abneigung.
Letzterer sah mich bestätigend abfällig und musternd an, doch diesmal flog auch ein Fünkchen Triumph in seinem Blick. „Warte nur ab, Takaishii... Noch sitze ich nicht hinter Gittern!"
Ich stützte meine Ellenbogen auf den Schoß von mir und hielt mir meine Hände vor den Mund.
„Nein, das war mir nicht bekannt und ich höre zum ersten Mal von solch einer Information."
Takaishii wagte es nicht mich anzuschauen. Stattdessen sah er abwechselnd den Richter und Staatsanwalt an.
Wusste er von Second oder war er wirklich ahnungslos? Ich konnte es tatsächlich nicht einschätzen, denn immerhin könnte es wirklich sein, dass er nichts von dem Psycho-Ich wusste. Allerdings würde ich ihm sogar zutrauen, dass er mit eben diesem sogar gegen mich kooperieren würde, sollte er es ihm anbieten. Infolgedessen wäre es auch nicht so ganz abwegig, dass er gegen seinen Schwur, nur die Wahrheit und nichts anderes als die Wahrheit zu sagen, verstößt, nur um mich zu belasten.
Es war auf eine negative Art und Weise amüsierend und spannend, dass so meine gesamte Freiheit von dem abhängt, der mich mit Abstand am wenigsten leiden kann (was aber auch auf Gegenseitigkeit beruht).
Der Richter erzählte ihm, dass es wegen eines Unfalls dazu kam, dass es einen zweiten Bergmann gibt und die Echtheit der Aussagen von Zombey, Paluten und mir demnächst von der Maudazei geprüft werden würde. Das wird wohl etwas schwer sein, aber möglich wäre es. Mit genügend Recherche werden sich schon Beweise für seine Existenz finden lassen.
Takaishii nickte zwar, doch ich ging stark davon aus, er würde stur auf seine Meinung, ich sei schuldig, beharren und nicht einmal in Erwägung ziehen, nochmal genauer zu überlegen, ob es wirklich ich war, der Dario umgebracht hatte.
Ich sollte leider Recht haben: „Es könnte aber durchaus sein, dass er Delay ermordet hat. Er kam mir schon immer sehr suspekt vor und er hat schon immer für Probleme in unserer sonst so ruhigen Stadt gesorgt. Besonders mit seiner komischen Redaktion. Seine ganzen „Untersuchungen" im Fall des Spielemeisters haben ja auch die Maudazei behindert. Ich kann auf jeden Fall verstehen, weshalb Oberhaupt Herr Delay ihn verdächtigte und nichts von seinen „Untersuchungen" hielt. Mich hinderte er auch schon seit er hier lebt, an ein ruhiges Leben."
„Das stimmt doch gar nicht!", rief ich rein, „Sie haben mich nur ein paar Tage nach meiner Ankunft schon geschlagen! Was habe ich Ihnen bitte getan? Außerdem waren Sie derjenige, der mein Pferd Almanach geklaut hat! Also erzählen Sie mir nichts von suspekt und dass mich ja niemand mag! Im Gegensatz zu Ihnen habe ich mehr Freunde in dieser Stadt, zu denen auch Dario gehört hat. Wie oft soll ich denn noch sagen, dass wir uns gut verstanden, trotz dieser ganzen Spielemeister Affä- trotz seiner falschen Vermutung."
„Ihre Aussage wird zur Kenntnis genommen, Herr Bergmann, doch ich bitte Sie erneut die Aussagen anderer nicht zu unterbrechen. Sie verlieren damit nur kostbare Zeit."
Ich sah wieder zu Takaishii. Er genoss seine, wenn auch nur bedingte, Bestätigung und Verteidigung und warf mir einen hinterlistigen, wenn auch kurzen, Blick zu.
„Mieses Drecksschwein...", grummelte ich in meine Handfläche rein, während ich mich leicht gelangweilt weiter in meinen Stuhl anlehnte. Er machte mich so fertig. Wie kann ein einziger Mensch nur so anstrengend, nervig, sturköpfig und eine reine Plage sein?
Takaishii beklagte sich noch darüber, was für einen psychischen Schaden er denn davongetragen hätte, wie dankbar er doch sei, dass ich ihn ja nicht auch noch umgebracht hätte und dass er Dario ja so gerne mochte und diese Tat nur unverzeihlich sei. Ich kaufte ihm auch ab, dass er Darios Tod traurig empfand, denn zum einen agierte er eine Zeit lang gegen mich, was Takaishii hocherfreute, und zum anderen gab es einfach kaum etwas, was man gegen ihn haben kann.
Ich schau Dario definitiv nicht mit neutralen Augen an, aber es stimmte doch, oder nicht? Man kann kaum etwas finden, was gegen ihn spricht.
Und dass diese Tat einfach nur unverzeihlich ist, fand ich logischerweise auch so. Irgendwann musste es mir doch gelingen Second den Garaus zu machen.
Nachdem Takaishii mit seiner Darbietung fertig war, bedankten sich der Staatsanwalt und der Richter bei ihm.
Dann sah er mich wieder an. Ich lächelte mit ebenso falscher Miene wie er und ließ meinen Blick seufzend durch den Saal gleiten. Dieser Kindergarten ist echt nicht zu fassen.
„Können wir nun bitte zum Urteil übergehen...", murmelte ich genervt, während ich angespannt mit meinen Beinen wackelte.
Kedos bemerkte dies. „Sie werden erstmal die Aussagen von Paluten und Zombey an die Maudazei geben müssen", erklärte er mir wispernd und sah dabei den Richter an.
Ich nickte, setzte mich wieder aufrecht hin und stoppte mit meinen Beinen zu wippen.
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Hej und willkommen ZU der Neuauflage der 2019-er Adventsgeschichte!
Ich bin sehr, sehr zuversichtlich, was dieses Jahr angeht, denn mir fehlen nur noch wenige Seiten zum korrigieren. Bedeutet, dass dieses Jahr der Weihnachtsteil mal ausnahmsweise sogar an Weihnachten rauskommen wird! xD
Jokes asside: Ich hab mir unfassbar viel Mühe gegeben und verdammt viel Energie und Kraft in die Überarbeitung dieses Monstrums an Geschichte gesteckt. Hoffentlich bemerkt man auch eine Verbesserung... :'D
Wie ihr vielleicht bemerkt habt, ist das Kapitel echt lang (6.350 Wörter, um genau zu sein). Alle Kapitel werden ungefähr so lang sein, also stellt euch schon mal darauf ein. ;]
Ansonsten hoffe ich, dass es euch gefällt und wünsche euch noch einen schönen ersten Advent! :3
LG LMS
P.S.: Gedemütigt, Nee_chan_ffs, embarrass, remember? xD
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