19.September 2011
Tsukishima POV
„Kei, ist alles okay?", fragt Akaashi mich, nachdem wir beide fertig angezogen bei ihm im Hausflur stehen und gerade dabei sind unsere Jacken anzuziehen „Du warst gestern schon so schweigsam."
„Nein, es ist alles wie immer", entgegne ich, was nicht so ganz der Wahrheit entspricht, denn vor 9 Tagen habe ich die Nachricht bekommen, dass ich erneut an Leukämie erkrankt bin.
Noch immer fühlt sich das Ganze so surreal an, so als wäre alles wie immer, denn ich will es immer noch nicht wahrhaben, doch wer würde so was auch schon gerne hören wollen. Bestimmt verhalte ich mich auch ein kleines bisschen anders, auch wenn ich mir Mühe gebe es zu verstecken. Ich habe nicht vor es Akaashi heute zu sagen, genau wie den anderen nicht. Der Arzt hat mir versprochen, dass ich diese 14 Tage Aufschub bekomme. In 5 Tagen würde ich die Welt von einer Menge Menschen auf den Kopf stellen, jedoch habe ich noch den letzten Wunsch ein zweites Mal in meinem Leben eine Party zu feiern.
Bokuto ist bestimmt schon seit einem Monat nervös, weil er 18 Jahre alt wird und uns allen immer wieder erzählt hat, wie klasse dieser Geburtstag doch werden würde. Es fühlt sich falsch an, dass ich ihnen nichts davon erzählt habe, aber ich möchte eben nicht, dass sie sich unnötig Sorgen machen, weil ich eben befürchte, dass ich dann nicht hier sein dürfte.
Meine Mutter würde mich direkt wieder in Watte einpacken, um mich vor dem Leben fernzuhalten und den Umwelteinflüssen. Dabei fühle ich mich immer noch gut, habe keine wirklichen Schmerzen, selbst ich rede mir immer wieder ein: Alles ist gut, alles ist wie immer. Es ist alles nur ein Traum, du wirst noch aufwachen. Bisher bin ich allerdings nicht aufgewacht.
„Bist du dir sicher? Fühlst du dich nicht gut?", hakt erneut nach und zieht einer seiner Augenbrauen in die Höhe. Er schaut immer so, wenn er einen im Grunde ganz genau durchschaut hat, doch zwinge ich mich zu einem Lächeln.
Eine Party, eine letzte Party, mehr will ich doch gar nicht. Einmal möchte ich noch ein normaler Teenager sein dürfen, wer mit seinem besten Freund auf die Party eines Freundes geht. Ist es falsch diesen Gedanken zu haben? Quasi ein letzter Wunsch, bevor sich mein Leben auf den Kopf stellen würde?
Ein Augenblick kann vieles auf den Kopf stellen und auch vieles ändern. Du kannst glücklich sein und direkt eine Sekunde später bist du unzufrieden, weil du deine Hausarbeit wieder bekommen hast und doch eine schlechtere Note bekommst, als du erwartet hast. Machen wir uns nicht vor, denn hier geht es nicht um eine belanglose schlechte Note, nein das hier ist viel... tödlicher.
„Treffen wir uns eigentlich in der Bar? Oder holen wir Bokuto erst ab?", versuche ich das Thema einfach links liegenzulassen. Ich möchte einfach nicht weiter drüber nachdenken. Vorsichtshalber habe ich meine Tablette heute schon eine halbe Stunde eher genommen, weil ich es nicht riskieren möchte, dass es jemand später mitbekommt.
„Kuroo holt Bokuto ab. Wir beide fahren allerdings mit der Bahn dahin", sagt Akaashi und zieht seinen Reißverschluss hoch.
„Wollt ihr wirklich mit der Bahn fahren?", höre ich die Stimme von Keiji, seiner Mutter, welche gerade zu uns in den Flur kommt, „Ich kann euch beiden auch hinfahren. Meistens hat die doch sowieso immer Verspätung oder ist so voll, dass ihr nicht mal einen Sitzplatz bekommt", lächelt sie ihren Sohn an.
Seine Eltern sind ganz anders als meine, zwar sind sie auch sehr fürsorglich, jedoch lassen sie ihm auch seine Freiheiten. Dies ist eine Sache, welche ich noch nie so bewusst hatte, zu Hause.
„Was meinst du Kei?", schaut er zu mir rüber.
„Sie dürfen uns gerne fahren", meine ich höflich und binde meine Schuhe zu.
„Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du mich duzen darfst", meint sie tadelnd und legt ihre Hand auf meine Schulter „dann hole ich eben schnell die Autoschlüssel und werfe mir einen Parker über. Ich bin gleich wieder da, Jungs", mit diesen Worten dreht sie sich um und holt ihren Schlüssel aus der Küche.
„Ich verstehe immer noch nicht, warum du nicht du zu ihr sagst. Meine Mutter mag dich, Tsukki."
„Ja, ich weiß" und genau das macht die Sache hier nicht weniger schlimm für mich, denn je mehr Menschen mich mögen, desto mehr Menschen werde ich am Ende zurücklassen müssen.
Vor der Bar stehen schon eine Menge Teenager in einem kleinen Kreis um zwei Personen herum. Dann höre ich auch schon die genervte Stimme von Bokuto, welcher sich lautstark über sein Outfit beschwert.
Auch wenn ich das Gefühl habe es nicht sehen zu wollen, bin ich praktisch gezwungen diesen anzusehen. Sein Gesicht wird umschmeichelt von großen, glitzernden Eulen Ohrringen, welche mir nicht passen, aber als wäre das nicht schon nicht genug trägt er ein Kleid, mit Pailletten besetzt und großen Kulleraugen auf Brusthöhe. Sollte dieses furchtbare Kleid eine Eule darstellen? Gekrönt wurde das Ganze von Chiffon artigen Flügeln, die an seinem Mittelfinger befestigt wurden. Als mein Blick an seinen Füßen hängen bleibt, sehe ich seine altbekannten Adiletten wieder. Haben seine Tennissocken Löcher?
Mit verdrehenden Augen schließen Akaashi und ich uns den anderen an.
Nach unserem Begrüßungssake, blökte die Eule zu mir rüber „Tsukki du auch hier? Ich dachte nach der Party sehen wir dich nie wieder."
„Ich konnte es mir ja kaum entgehen lassen, dich, als Strippereule zu sehen."
„Ich dachte das schmeichelt seinem feminin Äußeren", grinste der Kater mich an und reichte mir den nächsten Sake. Dieses Mal werde ich nichts ablehnen, denn es würde wahrscheinlich das letzte Mal sein, dass ich das hier machen könnte.
Langsam folgten wir alle der glitzernden Strippereule in den Club, welcher das hier alles nichts auszumachen schien, denn er feierte einfach sein Leben. Er wirkte wie immer unbeschwert, eigentlich beneidenswert.
An der Bar winke ich die Kellnerin zu mir „Was ist der stärkste Cocktail, den du mir empfehlen kannst?"
„Das wäre definitiv der Long Island ICE Tea, aber meinst du das wäre etwas für dich?"
Auch den strafenden Blick von Akaashi merke ich deutlich, doch werde ich hier mein Ding durch ziehen „Definitiv!"
„Wenn das hier nichts für dich ist, können wir auch was Ruhiges machen und zu mir nach Hause fahren."
„Du bist nicht meine Mutter. Lass mich doch mal das machen, was ich will", entfährt es mir und direkt bereue ich mein hartes Wort. Denn das Letzte, was ich wollte, war Streit mit diesem zu haben. Etwas verlege schaue ich ihn an, doch werde ich jetzt nicht einknicken, greife mir das Glas mit dem Cocktail und trinke diesen mit einem Zug aus. Widerlich, einfach nur widerlich! „Noch einen, bitte!"
Währenddessen auf der Tanzfläche versuchte Kuroo Bokuto dazuzubekommen dumme Partyspiele zu machen. Torkeln kommt die Eule auf mich zu gelaufen „Tsukki du musst mit mir tanzen." Im Hintergrund höre ich den Schwarzhaarigen lachen „Das macht der sowieso nicht. Gib es auf Browl, bevor es peinlich wird!"
In meinen Gemütszustand lass ich mir das bestimmt nicht zweimal sagen, greife mir die Strippereule und lasse dessen Paillettenkleid über die Tanzfläche schweben. Die Discokugel glitzert über uns und für einen kurzen Moment frage ich mich, was ich hier eigentlich mache, doch habe ich Spaß, fühle mich frei und lebendig.
Die letzten zwei Stunden stand ich nur mit Bokuto und Kuroo an der Bar und trinke einen Shot nach dem nächsten. So schlimm wie ich immer dachte, sind die gar nicht. Im Grunde könnte man sagen sie sind ziemlich interessante Persönlichkeiten. Anfangs hatte ich das Gefühl, das der Alkohol mein Gehirn vernebelte, doch fühle ich mich allgemein entspannt und aufmuntert, alle meine Sorgen sind vergessen. Meine Wahrnehmung wird immer kleiner, ich sehe nur noch einen Bruchteil dessen, was ich sonst wahrnehme.
23:57 Uhr zeigt die Uhr und Westlife schallt über die Tanzfläche, mit einer Kopfbewegung deutet Kuroo auf das Podest mit der Stange, zieht mich und Bokuto von unseren Hockern und krabbelt grinsend mit uns hoch. Was wir dann tun nehme ich nur noch vage wahr, denn ich spüre ich mir unwahrscheinlich schwindelig wird. Einige Sekunden tanze ich noch mit den beiden an der Stange, bis mich ein Gefühl der Schwerelosigkeit überfällt, ich nach hinten kippe und denke, dass ich fliege, bis alles schwarz wird. Was danach passiert bekomme ich nicht mehr mit.
23:59 Uhr die Welt steht still für mich.
Ich lernte Sehnsucht, als du gingst und ich bleiben musste.
vorgeschlagen von Audrey
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