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Prim - Die erste Stunde

Die Nonnen im Kloster Heinebrück waren wirklich sehr konservativ und desinteressiert an der Zukunft. Das fiel Lila zwar immer wieder auf, aber an jenem dritten Montag, den sie im Kloster verbrachte wurde es besonders deutlich:

Zur Prim, dem ersten Stundengebet im Kloster nach Sonnenaufgang, wurden wie zu jedem Stundengebet vor allem Bibeltexte zitiert und besungen, doch wie jedes Mal gab es am Ende auch eine kleine Oratio, also ein Gebet, das eine der ältesten Nonnen vortrug, bevor es endlich wirklich zum Frühstück ging.

Lila hatte sich inzwischen nicht nur an die Uhrzeiten, sondern auch ein wenig an die Nonnen gewöhnt. Sie hasste zwar die meisten und konnte die anderen auch nur schwer ausstehen, aber sie wusste, wie sie dachten und versuchte, sich nicht von dem ein oder anderen Kommentar zu Sexualität oder Geschlecht aus der Reserve locken zu lassen.

Doch sich nicht provozieren zu lassen war heute besonders schwer, als Schwester Erika vorbetete:

»Lasst uns beten!

Allmächtiger Gott, der du zu uns gekommen bist in Menschengestalt als Licht der Welt:

Wir bitten dich, gebiete dem Wahnsinn Einhalt und der Vernunft Einzug. Wir bitten dich, lass unsere Jugend wieder auf den rechten Pfaden wandeln. Wir bitten dich, Schöpfer aller Dinge, dass du uns helfen mögest, den Menschen begreiflich zu machen, dass Homosexualität nicht zu deiner Schöpfung gehört, sondern des Teufels ist. Wir bitten dich, dass du uns helfen mögest, den jungen Menschen zu vermitteln, dass sie ein Geschlecht haben, das du ihnen gabst und das sie nicht wechseln können, wie es ihnen so passt.

Wir bitten dich, Gott, hilf uns dabei, damit unsere Kinder in einer Welt der christlichen Ordnung leben können und nicht in dem Chaos Satans, das immer mehr um sich greift.

Wir bitten dich dies durch Jesus Christus, deinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn und Gott, der in Einklang mit dem heiligen Geiste herrsche, von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Amen.«

Am Ende hatte Lila die Beherrschung verloren und war aufgesprungen. Der Satz und das sie nicht wechseln können, wie es ihnen so passt, hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. Wutschnaubend hatte sie das nächstbeste Gesangbuch gegriffen und es beim Hinausstürmen vor Erikas Füße geknallt.

Schon mit der Befürchtung, dass ihr dafür das Frühstück gestrichen werden könnte, stürmte Lila in die Küche, klaute sich, was sie in zwei Händen tragen konnte und versteckte sich hinter einem alten Ofen.

Niemand war hier. Natürlich! Es waren ja alle beim Gebet.

Doch nur kurz nachdem sie sich versteckt hatte, ging die Küchentür erneut auf.

»Das kann einfach nicht sein!«, wetterte eine der Nonnen. »Sie kann sich nicht einfach so ein ungebührliches Betragen herausnehmen!«
»Sie sollte mit dem Rohrstock gezüchtigt werden!«, stimmte ihr eine etwas rauere Stimme zu. »Dieses Mädchen ist ebenso vom Teufel besessen, wie ihre Freundin. Und wir haben die Aufgabe, ihr diesen Teufel auszutreiben! Das ist unsere Pflicht vor Gott!«
»Aber die Äbtissin sagte: keine Züchtigungen. Wir dürfen ihr nichts tun.«

»Das ist mir doch egal. Wenn ich sie finde und sie immer noch so aufmüpfig ist, dann werde ich sie züchtigen. Da kannst du Gift drauf nehmen! Und wer soll es schon mitbekommen? Wir gehen einfach in den Keller und dort lernt sie dann Gehorsam!«
»Meinst du, damit kämen wir durch?«, fragte die erste Stimme unruhig.
»Wenn du dichthältst und mitkommst, ja«, hauchte die unangenehme zweite Stimme. »Ich meine, wer würde uns denn schon verpfeifen. Hier wollen ja eigentlich alle, dass der Kleinen etwas Benimm eingeimpft wird.«

Lila machte sich in ihrem Versteck immer kleiner und hielt den Atem an. Die beiden Frauen unterhielten sich noch ein wenig darüber, wie sie Lila bestrafen wollten, bevor sie unverrichteter Dinge die Küche wieder verließen. Erst jetzt atmete Lila wieder auf. Schnell schlang sie das Brötchen, das sie noch in der Hand hielt hinunter, kletterte aus ihrem Versteck, schnappte sich noch etwas mehr zu essen und begab sich dann auf direktem Weg in den Kohlenkeller, wo sie sich hoffentlich besser verstecken konnte als in der Küche.

Die Prim war das erste Gebet des Tages. Zumindest, wenn man nach der antiken Zeit rechnete. Nach modernem Zeitmaß war es das dritte Gebet. Aber Prim hieß nunmal Prim, weil prim der lateinische Wortstamm des Wortes Erster oder Erste war. Also bezeichnete es das erste Gebet des Tages.

In der Antike hatte man nämlich noch keine Ahnung, wie man Uhren mit Uhrwerk, Zahnrädern, Batterie und dem ganzen Zeug baute. Damals nutzte man Sonnenuhren. Das führte man auch in den Klöstern bis ins Mittelalter fort. Und Sonnenuhren funktionieren offensichtlich nur dann, wenn die Sonne am Himmel steht. Dementsprechend hatte man Sonnenuhren gebaut, die immer den ganzen aktuellen Tag in genau zwölf Stunden gleich lange Stunden unterteilen konnten. Egal ob Sommer oder Winter war.

In Rom nannte man also die Stunden nach der Nummer, die man ihnen zuwies. Man sagte nicht: ein Uhr, zwei Uhr, drei Uhr, sondern: erste Stunde, zweite Stunde, dritte Stunde. Auf Latein entsprechend: hora prima, hora secunda, hora tertia und in Klöstern hatte man keine Lust auf das ständige hora-Sagen und verkürzte es daher zu: prim, secund, terz.

Wie dem auch sei, die Prim war also das erste Gebet des Tages, da sie zur ersten Stunde gebetet wurde. Sie läutete den Tag ein und brachte den Rhythmus, denn während Nachtgebet und morgendliche Lobgesänge ihrem eigenen Raster folgten, hatten alle Stundengebete des Tages den gleichen Ablauf. Eine Reihe von vorher festgelegten Gebeten und vorzulesenden Bibelstellen, die abgeschlossen wurden durch die Oratio - das Gebet, das Schwester Erika vorhin vorbeten durfte.

Prim bedeutete aber auch, dass es das erste Stundengebet des Tages war, auf das sich die anderen Stundengebete bezogen. Die Bibelstellen hingen zusammen und auch die anderen Oratien des Tages würden das gleiche Thema haben, wie das erste. Und das war ausschlaggebend für Lila, sich trotz der Angst, was die Nonnen wohl mit ihr anstellen würden, wenn sie wieder herauskam, den ganzen Tag verstecken zu wollen. Es ging einfach nicht, dass sie diesen Frauen hier zuhörte, wie sie Julian und alle anderen aus der LSBTQIA+-Community diffamierten. Und wenn sie die Frauen dafür schon nicht verprügeln durfte - denn es würde Gott sicher nicht gefallen, wenn sie Nonnen verhaute - dann wollte Lila wenigstens nicht zuhören müssen.

Mit ihrem schwarzen Nonnengewand in den Kohlen hockend, kaute Lila ihr spärliches Frühstück zu Ende. Sie aß ohnehin viel mehr als andere, doch hier im Kloster bei all der körperlichen Arbeit brauchte sie noch mehr als sonst - das meldete auch ihr Magen.

Ein leicht schlechtes Gewissen erwachte außerdem in Lila, als sie darüber nachdachte, dass die Küchenschwester nun alles alleine tragen musste. Die Frau war ihr beileibe nicht sympathisch, aber sie war alt und hatte schon viel in ihrem Leben getragen. Sie war krumm und ging schon leicht gebückt und wenn sie heute die Kohlen ganz alleine tragen musste, und sich dabei verhob, das würde sich Lila nicht verzeihen.

Also schichtete Lila einige Kohlen unter dem Kellerfenster auf, um zu sehen, wann der Lieferant mit seinem Transporter vorfahren würde. Wie genau sie es anstellen wollte, die Kohlen hineinzutragen, ohne gesehen zu werden, wusste sie selbst noch nicht, aber für ihr eigenes Gewissen musste sie es tun.

Doch bevor es überhaupt so weit kam, wurde die Kellertür plötzlich ruckartig aufgerissen und die Küchenschwester stand oben auf der Kellertreppe. Wie ein Dämon ganz in Schwarz und nur von hinten von schwachem Tageslicht erleuchtet stand sie drohend über Lila, die vor Schreck von den Kohlen gerutscht war und nun auf dem feuchten Kellerboden saß.

»Du wirst die Kohlen hereintragen, wie jeden Tag. Du wirst mir die Kartoffeln bringen wie jeden Tag. Du wirst mir das Fleisch für heute hereintragen und dann wirst du einen Tisch aus dem Speisesaal holen. Diesen Tisch wirst du hier unten aufstellen und einen Stuhl dazu. Und wenn du das vor dem Mittagessen geschafft hast, dann darfst du hier unten alleine essen. Wenn du es nicht schaffst, wirst du bei den Gänsen von Bauer Mayer essen.«

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