Verändert
Langsam öffnete ich die Augen. Ein Wunder, dass ich überhaupt noch lebte. Ich hätte doch eigentlich verbluten müssen. Meine Sicht war immer noch unklar. Ich versuchte, mich um zu schauen. Ich erkannte die Silhouetten von Bäumen und Gewirr aus Farben. Anscheinend war ich noch nicht schwach genug, um alles sehen zu können.
"Na, endlich wach?", fragte eine mir unbekannte, helle Stimme, die links von mir zu sein schien.
Abrupt drehte ich meinen Kopf in Richtung der unbekannten Stimme. Doch außer den Farben des Waldes und einer Ansammlung von Schmutzpartikel in der Luft konnte ich niemanden erkennen.
"Wer ist da?", fragte ich. Meine Stimme klang schwach und war extrem leise.
Ich versuchte, mich aufzurichten, doch sobald ich meine Pfoten auch nur leicht versuchte zu bewegen, entbrannte ein heftiger Schmerz in mir. Es tat höllisch weh und zwang mich in meine Ausgangsposition zurück. Wenn mich jetzt jemand angreifen würde, würde ich defenitiv sterben, selbst, wenn ich im Typenvorteil sein könnte. Das funktioniert aber bei Normalpokémon wie mir nicht.
"Hey, mach langsam, deine Wunden müssen sich noch auskurieren", sagte die Stimme. Wem auch immer sie gehörte, derjenige schien mir wohlgesinnt zu sein.
Ich fragte erneut: "Wer bist du?"
Eine Weile herrschte Stille und bis auf den Wind der einige Blätter von den umstehenden Blättern fegte und die Schmutzpartikel auf der linken Seite die sich die ganze Zeit auf und ab bewegten...Moment. Das war auffällig. Langsam wurde meine Sicht besser. Ich konnte die Partikel zwar nicht sehr gut erkennen, doch ich sah etwas seltsames: Sie schienen sehr nah aneinander zu sein und ich konnte außerdem etwas Weißes erkennen. Bei genauerer Betrachtung sah ich zwei recht große Augen mit kleinen schwarzen Pupillen und einen breit grinsenden Mund mit zwei spitzen weißen Zähnen. Das, was ich eben als Schmutzpartikel wahrgenommen hatte, schien in Wirklichkeit ein Pokémon.
Es antwortete: "Ich bin ein Nebulak. Hast du denn keine Angst vor mir?"
Ich schüttelte leicht, fast unmerklich, den Kopf. "Wieso sollte ich? Du bist ganz offensichtlich ein Geistpokémon, was bedeutet, dass du mich nicht verletzen geschweige denn überhaupt angreifen kannst."
Es grinste noch ein Stück breiter. "Für so ein kleines junges Evoli bist du ganz schön clever. Mein Name ist Creepy. Den Namen hat man mir gegeben, weil die meisten Pokémon Angst vor mir haben. Und wie heißt du?"
Creepy also. Mir gefiel der Name gut. Er klang irgendwie schön, obwohl es "gruselig" bedeutet. Creepy schien harmlos und nett zu sein, denn dem Anschein nach zu urteilen hat er meine Wunden versorgt, sonst wäre ich schon längst verblutet oder von einem anderen Pokémon getötet worden.
"Ich heiße Darkness. Freut mich, dich kennenzulernen. Und danke, dass du dich um mich gekümmert hast. Ohne deine Hilfe wäre ich mit Sicherheit tot. Wie lange war ich nicht bei Bewusstsein?"
Er schwebte langsam vor mich, damit ich ihn besser sehen konnte.
"Als ich dich fand, waren deine Wunden noch recht frisch", erklärte das Nebulak, "und von da an bis jetzt sind zwei Tage vergangen. Du musst Hunger haben."
Ich nickte leicht. Erst jetzt merkte ich, dass ich dringend etwas zu Essen brauchte. Doch ich wusste, dass ich zu schwach zum Laufen war. Zwei Tage lang war ich bewusstlos gewesen. Das war lang.
Creepy schwebte zu einer Stelle hinter mir. Aus dem Augenwinkel sah ich etwas Farbiges. Er kam zurück. Von ihm aus ging ein Schatten, der allerdings fest zu sein schien. Er war wie ein Arm geformt und hielt etwas. Ich konnte es erst erkennen, als der Schatten es mir vor mein Gesicht hielt und Creepy mir freundlich sagte, dass ich es mir schmecken lassen sollte. Das Farbige was ich gesehen hatte waren Sinel- und Tsitrobeeren. So weit ich wusste heilten diese Beeren Wunden.
Ich schnappte mit dem Mund nach einer Beere und kaute. Ein wunderbarer Geschmack breitete sich in meinem Mund aus. Ich schluckte die Köstlichkeit hinunter und fühlte mich schon nach kurzer Zeit viel besser. Ich aß eine Beere nach der anderen und fühlte mich mit jeder Beere die ich verschlang besser.
Als keine Beere mehr übrig war, fragte Creepy: "Fühlst du dich stark genug, um allein zu laufen? Hier in der Nähe ist ein Bach, da kannst du etwas trinken."
Ich bestätigte die Frage mit einer viel stärkeren Stimme als vorhin, stand mit relativer Leichtigkeit auf und lief etwas wacklig auf den Beinen zu dem Bach in der Richtung, in die das Geistpokémon gezeigt hatte. Das Sonnenlicht durchflutete das Blätterdach. Es war früher Nachmittag. Schon nach kurzer Zeit meiner kleinen Wanderung hörte ich das Plätschern von Wasser und einige Sekunden später war ich bei dem Bach angelangt. Ich trank gierig das im Sonnenlicht glitzernde Wasser, welches sehr erfrischend und kühl schmeckte. Perfekt für meine trockene Kehle.
Als mein Durch gestillt war, kehrte ich auf gleichem Wege zu meinem Retter zurück. Ja, er war wahrlich mein Retter und ich würde ihm das, was er für mich getan hatte, wahrscheinlich niemals zurück zahlen können.
"Na, wie geht es dir jetzt?", fragte er. Ich mochte seine Stimme. Hell, aber nicht piepsig, sondern klar, laut und verständlich.
Ich beantwortete seine Frage. "Viel besser, dank dir. Wie kann ich dir das nur jemals zurück zahlen?"
Ich hätte nicht geglaubt, dass das möglich ist, aber sein Grinsen wurde noch breiter. Musste Dauergrinsen nicht nach einiger Zeit verdammt weh tun? Wie macht er das nur?
"Das musst du nicht. Wirklich. Darkness, darf ich fragen, weshalb du mit zahlreichen Wunden allein im Wald gelegen hast?"
Und da waren sie wieder. Die grausamen Erinnerungen an Vater und Mutter. Beziehungsweise ihre Imitate. Schmerz durchzuckte mich und eine Träne rollte meine Wange herunter.
"Ich...möchte nicht darüber reden...okay?"
"Ja, natürlich, kein Problem. Aber...kann es sein, dass du kein Zuhause hast?"
War das so offensichtlich oder war ich einfach nur sehr berechenbar? Oder beides? Ich nickte bloß mit dem Kopf.
"Hm, okay", meinte er, "ich weiß, das kommt jetzt sehr überstürzt, aber ich habe ebenfalls keines. Wollen wir...zusammen eines suchen?"
Meine Augen begannen zu leuchten.
"J-ja, gerne", stotterte ich.
Er nickte zustimmend.
"Gut, dann lass uns loslegen!"
Und dann kam eine Erkenntnis in mir hoch. Creepy wollte mit mir ein Zuhause suchen, einen Ort, wo wir akzeptiert werden. Ich glaube, da erkannte ich, dass ich einen Freund gefunden hatte.
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