Route 22
Am nächsten Tag – Hanna und Palma hatten beide im Pokémoncenter übernachtet – trafen sich die beiden Mädchen beim Frühstück. Hanna war etwas schüchterner als Palma und ziemlich anhänglich. Das blonde Mädchen beobachtete seine neue Freundin beim Essen. Am Vortag hatte sie gar nicht richtig wahrgenommen, wie das Mädchen aussah. Es war etwas beleibter als sie selbst, aber nicht dick. Ihre Haut war blass, ihr Haar rot und ihre Augen grün. Im Gesicht hatte sie viele Sommersprossen. „Du?", fragte die Rothaarige. „Ja?" „Wo kommst du eigentlich her?" „Aus der Nähe von Blütenburg City, das liegt in der Hoenn-Region." Palma schaute etwas traurig drein. „Ich war aber schon sehr lange nicht mehr dort. Und du?" Hannas Augen leuchteten auf. „Was? Du kommst auch aus Hoenn? Ich bin in Rosalstadt aufgewachsen, das ist ganz in der Nähe von Blütenburg!" Daraufhin unterhielten sie sich eine Weile über ihre Heimat. Bevor sie in die Trainercamps kamen waren sie wohl sogar in der gleichen Schule – nur in unterschiedlichen Klassen.
Nachdem sie ihre Taschen gepackt und genügend Proviant eingepackt hatten, gingen sie erst einmal zum Pokémonmarkt. Es war der gleiche Verkäufer wie vor drei Tagen da. Palma bedankte sich erst einmal für den Tipp mit der Trainerschule und löste gleich ihren Gutschein für die Handschuhe ein. Sie holte sich dafür schicke rot-weiße Handschuhe mit offenen Fingern. Daraufhin stöberte sie mit Hanna zusammen ein wenig durch die Regale. Die Rothaarige schaute etwas deprimiert drein. „Was ist denn los?", fragte Palma. „Ach, ich würde so gern ein Pokémon fangen. Aber... ich habe keine Bälle mehr. Ich habe sie alle verbraucht als ich ein Taubsi fangen wollte. Und jetzt kann ich mir nur zwei neue Bälle leisten." Das blonde Mädchen wagte einen Blick auf seinen Pokédex. Durch den Kampf mit Philipp hatte sie sehr viele Pokédollar gewonnen. „Komm mit!", befahl sie und zog Hanna mit zum Verkäufer. „Ich würde gerne 10 Pokébälle für meine Freundin kaufen." Diese schaute sie entgeistert an. „Das... das kann ich doch nicht annehmen! Du kannst doch nicht einfach so viel Geld für mich ausgeben!" „Ach, keine Sorge. Das habe ich gestern durch den Sieg gegen Philipp gewonnen. Sieh es als kleine Entschädigung von ihm für dich an." Das andere Mädchen wirkte etwas niedergeschlagen, aber auch froh und nahm das Geschenk nach ein wenig Hin und Her doch noch an. Als der Kauf abgeschlossen war, reichte der Verkäufer Palma noch einen weißen Pokéball. „Hier, als kleines Geschenk. Du scheinst dich echt toll um deine Freundin zu kümmern!" Etwas irritiert steckte Palma den Ball in ihre Tasche, so wie sie es vom Verkäufer beim letzten Besuch gelernt hatte.
Um auf Route 22 zu gelangen mussten sie durch ein kleines Haus hindurch. Drinnen saß eine kleine Frau in Uniform und las Zeitung. Die beiden Mädchen musterten die junge Frau etwas schüchtern. Diese schaute von ihrer Zeitung hoch. „Guten Morgen, ihr beiden seid wahrscheinlich das erste Mal in einem Wachhaus, kann das sein? Meine Aufgabe ist es, aufzupassen, dass keine wilden Pokémon in die Stadt kommen. Zudem stehe ich Trainern bei Fragen zur Verfügung. Kann ich euch denn helfen? „W-was für Pokémon gibt es denn auf Route 22 und wohin führt sie denn?", fragte Hanna schüchtern und stellte sich dabei halb hinter Palma. „Route 22 führt zur Siegesstraße. Diese dürft ihr allerdings erst betreten, wenn ihr mindestens acht Orden gesammelt habt. Dabei muss einer der Orden der schwerste Orden aus einer Region sein – zum Beispiel der Erdorden aus Vertania City. Auf der findet man vor allem Nidoran, Rattfratz, Habitak und Menki. In der Nähe des Sees findet man auch ab und an ein Quapsel. Zudem kommen manchmal Pokémon von den umschließenden Bergen auf die Route runter, dies ist aber nur selten der Fall." Hanna und Palma bedankten sich für die Auskunft und betraten Route 22. Vor ihnen befand sich eine lange Sackgasse, auf deren linken Seite sich ein Berghang erstreckte. Die rechte Seite wurde von einer etwa zwei Meter hohen Mauer gesäumt, die in der Nähe des Routeneingangs jedoch eine Öffnung hatte. Dort ging ein dicht bewachsener Hang nach rechts ab. Der Hang wurde rechts und links von einem kleinen Wald gesäumt. Als sie sich gerade dem Hang näherten, kam ein kleines lila Pokémon aus dem Gras gehoppelt. Es hatte einen kleinen Dorn auf der Stirn. „Schau mal, ist das nicht süß!?", kreischte Hanna etwas zu laut und verscheuchte das Pokémon damit. Palma musste kichern. „Na, ich weiß nicht. Das war ein Nidoran – die sind vom Typ Gift. Ich mag keine Giftpokémon." „Aber es gibt doch auch süße Giftpokémon!" „Mh. Mal sehen. Vielleicht fang ich irgendwann mal eines."
Plötzlich ein lautes Kreischen über ihnen. Erschrocken blickten sie beide nach oben und erblickten zwei Vögel mit gefährlich aussehenden Schnäbeln, die über ihnen kreisten und sich langsam näherten. Instinktiv griffen die beiden jungen Trainerinnen zu ihren Pokébällen und riefen ihre Pokémon hervor. Als sie ihre Pokémon sahen – Palma hatte ihr Evoli hervorgeholt, Hanna ihr Schiggy – seufzten sie beide synchron „Ist das süüüüß!" und mussten kurz darüber kichern. Zudem zückte Palma ihren Pokédex. „Habitak, das Kleinvogel-Pokémon. Wenn es um die Verteidigung seines Reviers geht, schreckt das draufgängerische Habitak selbst vor großen Pokémon nicht zurück." Zudem erfuhr sie, dass sich beide Exemplare auf Level 6 befanden und für ihre Pokémon keine große Gefahr darstellen sollten. Die beiden Vogelpokémon stürzten auf sie herab und die beiden jungen Mädchen erteilten ihren Pokémon Befehle. „Evoli! Synchrolärm!" „Schiggy! Blubber!" Beide Attacken trafen jeweils beide Habitak, die beide schwer getroffen in den Boden krachten und sich in rotes Licht auflösten. Die Mädchen klatschten sich ab und Palma nahm ihr Evoli auf den Arm. „Das hast du super gemacht!", streichelte sie es. Ihr Evoli kuschelte sich schnurrend an sie. Und so gingen sie weiter – Evoli in ihrem Arm und Schiggy neben ihnen.
Auf dem Weg den Hang hinauf scheuchten sie noch das ein oder andere Habitak auf. Hier schien es gerade so von den kleinen Vögeln zu wimmeln – immerhin ein gutes Training für ihre Pokémon. Als sie das hohe Gras hinter sich gelassen hatten, ließen sie sich erst einmal nieder. Palma ließ auch noch ihr Dartiri aus seinem Pokéball und die beiden schauten sich um. Zu zwei Seiten befanden sich Berghänge, die für sie definitiv nicht für sie begehbar waren. Südlich von ihnen lag der Hang, den sie gerade hinaufgestiegen waren. Westlich von ihnen lag ein befestigter Weg, der in ein paar hundert Metern in einer Mauer endete. Hinter der Mauer war das Dach eines Hauses zu sehen. Die beiden Mädchen mutmaßten, dass es sich dabei um den Eingang zur Siegesstraße handelte. Nördlich des Weges befand sich ein Berghang, südlich des Weges ein kleiner Wald. Hinter dem Wald erblickten sie einen großen See. Sie entschieden, dass dies ihr nächstes Ziel sein sollte.
Ausgeruht und frisch gestärkt machten sie sich wieder auf den Weg. Ihren Pokémon gönnten sie erst einmal wieder eine Pause in ihren Pokébällen. Der Wald zu ihrer Linken war dicht und finster. Er sah gefährlich und wenig einladend aus. „Was da wohl so alles lauert?", fragte das rothaarige Mädchen. „Lass uns das lieber erst rausfinden, wenn unsere Pokémon stärker sind. Der Wald sieht ziemlich unheimlich aus." „Was? Du würdest da wirklich reingehen?", fragte sie erstaunt und etwas ängstlich. „Klar doch, Angsthase." „Hey, ich bin kein Angsthase!" Sie schaute traurig und etwas sauer weg. „Das war nicht...", versuchte die Blondine, sich zu entschuldigen. „Lass mich doch einfach in Ruhe! Immer sagen mir alle, ich sei viel zu ängstlich. Immer machen sich alle nur über mich lustig. Und ich dachte, wir seien Freunde!" Mit Tränen in den Augen rannte Hanna davon. Palma blieb wie angewurzelt stehen. Sie wusste nicht, wie sie reagieren sollte; sie wollte Hanna doch nur necken und nicht verletzen. Als sie sah, dass die Rothaarige in den Wald abbog, rannte sie ihr sofort hinterher. Sie fand auch schnell die Stelle, an der das Mädchen in den Wald gerannt war – die Pflanzen dort waren frisch niedergetrampelt. Der Spur folgend hielt sie die Augen nach ihrer Freundin offen. Der Untergrund änderte sich und Spuren waren keine mehr zu sehen; Palma wollte gerade nach Hanna rufen als sie einen Schrei hörte. Sofort rannte sie in die Richtung los, aus der der Schrei kam. Das rothaarige Mädchen lag weinend am Boden, auf ihr hüpften ein paar affenähnliche Pokémon herum, die ihr an Haaren, Kleidung und Tasche zogen. Die Blondine griff nach den beiden Pokébällen an ihrem Gürtel. „Evoli, Dartiri, helft ihr!" Neugierig holte sie ihren Pokédex hervor, während ihre Pokémon die Affenpokémon angriffen. „Menki, das Affenpokémon. Dieses sehr agile Pokémon ist leicht reizbar. Es zögert nicht, alles und jeden anzugreifen." Zum Glück waren die Exemplare, die Hanna angriffen auf keinem allzu hohen Level, sonst hätten sie ihrem Evoli durch den Typenvorteil ziemliche Probleme bereiten können. Nachdem zwei der Menki besiegt worden waren, floh der Rest der Gruppe. Palma rief ihre Pokémon zurück, sprang zu Hanna, half ihr auf und zog sie aus dem Wald raus. Draußen angekommen fiel ihr Hanna direkt in die Arme. „Es tut mir so leid. Ich wollte dir zeigen, dass ich kein Angsthase bin. Und jetzt musstest du mich schon wieder retten.", schluchzte sie. Das blonde Mädchen nahm Hanna in den Arm. „Du hattest übrigens recht. Wir sind Freunde. Ich hätte mich nicht so über dich lustig machen sollen. Das war gemein von mir." So standen sie noch eine Weile da und schluchzten.
Als sie sich voneinander lösten, nahmen sie das Geräusch fallender Steine wahr. Erschrocken blickten sie zum Berg hinauf. Dort stand ein wunderschönes Pokémon. Es sah aus wie ein kleines Pony und auf seinem Rücken und seinen Beinen loderten schöne, blaue Flammen. Diesmal war Hanna damit dran, ihren Pokédex zu zücken. „Ponita, das Feuerpferd-Pokémon. Bereits eine Stunde nach seiner Geburt wachsen seine feurige Mähne und sein feuriger Schwanz.", las sie vor. „Es ist so... schön und anmutig.", schwärmte sie. Wieder das Geräusch fallender Steine. „Poniiiiiiiiiiiii!" Noch mehr Steine lösten sich und das Feuerpokémon stürzte in die Tiefe und schlug dabei mehrfach auf Felsen auf. Erschrocken riss Hanna Palma zurück und Ponita krachte genau da auf den Boden, wo Palma gerade noch gestanden hatte. Das Ponita lag nun verletzt vor ihnen, an mehreren Stellen seines Körpers quoll eine silberne Flüssigkeit – vermutlich sein Blut – aus seinem Körperinneren hervor. Seine Läufe waren verdreht, ein Bein hatte sogar einen offenen Bruch. Es wimmerte gequält. Palma konnte sich das nicht ansehen, ihr wurde schwindelig, sie musste weg. Entsetzt sprang sie zum Waldrand und übergab sich. Als sie sich umdrehte, sah sie Hanna, die entschlossen vor dem Ponita stand und einen Pokéball in der Hand hielt. Komm bitte mit uns mit, wir werden uns um dich kümmern. Du musst nicht mehr leiden. Das Mädchen kniete sich neben Ponita, streichelte ihm sanft über die silbrige, blutverschmierte Seite und stupste es mit dem Pokéball an. Ponita schien zu lächeln. Es verschwand in einem roten Licht, das in den Pokéball eindrang. Der Ball wackelte kein einziges Mal – Ponita war direkt gefangen.
Am See angekommen holte Hanna ihr neues Pokémon aus einem Ball. Die Zeit im Pokéball hatte seine Wunden geheilt, doch war es weiterhin sehr schwach. Palma näherte sich ihm vorsichtig mit einem Trank. Ponita zuckte zunächst ängstlich zurück. „Kein Angst, Ponita. Das ist Palma, meine Freundin, sie tut dir nichts.", beruhigte die andere Trainerin ihr Pokémon. Das Feuerpokémon ließ es nun zu, dass sich das Mädchen ihm näherte und ihm einen Schluck vom Trank verabreichte. Der Trank zeigte sofort seine Wirkung und Ponita wirkte wieder fast wie neu. Palma spürte unerwartet eine Hand an ihrer Schulter und drehte sich etwas erschrocken um. „Schau mal...", flüsterte Hanna und reichte Palma ihren Pokédex. „Ponita, Typ Feuer, Level 15", stand dort. Und weiter: „Attacken: Risikotackle, Doppelkick, Nitroladung, Heuler" Palma pfiff. „Level 15. Es hat ein höheres Level als meine Pokémon."
Sie saßen noch am See als Palma ein süßes, kleines Pokémon entdeckte, das auf wackligen Beinen aus dem Wasser gestiegen kam. Es war blau, hatte einen weißen Bauch mit schwarzem Muster und keine Arme. Es ging ihr bis zu den Knien. Sofort fragte sie ihren Pokédex. „Quapsel, das Kaulquappen-Pokémon. Der Kreisel auf seinem Bauch sind seine Innereien, die durchscheinen. Hat es gefressen, sind sie klarer. Dieses Exemplar befindet sich auf Level 7. Wahrscheinliche Attacken: Nassmacher, Blubber." Auch wenn sie es etwas eklig fand, dass seine Innereien zu sehen waren, fand sie es trotzdem süß und wollte es fangen. „Los, Evoli, Ruckzuckhieb von der Seite! Es soll ja nicht ins Wasser fallen." Überrascht blickte Quapsel auf als es getroffen wurde und landete unsanft auf dem Boden. Als es sich wieder aufgerappelt hatte, setzte es Blubber ein – viele kleine Wasserblasen trafen Evoli. Quapsel war so unsicher auf den Beinen, dass es vom Einsatz seiner eigenen Attacke wieder hinfiel. Palma sah ihre Chance und warf einen Premierball auf das kleine Wasserpokémon. Und... es blieb tatsächlich drin. Sie hatte nun drei Pokémon.
Sie liefen langsam am See entlang und trainierten ihre Pokémon. Hanna vor allem ihr Schiggy, Palma ihr Dartiri und Quapsel. Am Ende des Sees befand sich eine kleine Mauer. Palma wagte einen Blick darüber – sie war etwa drei Meter hoch und darunter befand sich der Weg, auf dem sie ganz am Anfang gewesen waren. Am oberen Teil der Mauer waren Griffe befestigt, die senkrecht nach unten wiesen, und kleine Stufen erleichterten den Aufstieg. „Ich glaube, das heißt, man kann hier runterspringen.", sagte Palma. „Aber ist das nicht gefährlich?", fragte Hanna. „Ach was. Ich zuerst und dann du. Ich pass unten auf, dass du dich nicht verletzt!" Hanna sah nicht wirklich begeistert aus, gab es jedoch nach. Palma trat auf eine der Stufen, dann auf noch eine und setzte sich auf die Mauer. An der anderen Seite der Mauer waren kleine Mulden eingelassen. Palma hielt sich an einem der Griffe fest, drehte sich, kletterte so weit runter wie es ging und ließ sich dann fallen. Sie fiel nicht lang und landete sicher. „Jetzt du!", rief sie nach oben. Hanna tat es ihr unsicher nach, schaffte es jedoch, sich zu überwinden. Ihre Landung gab nicht ganz so viele Haltungspunkte, doch Palma hielt sie fest, damit sie nicht hinfiel. „Jetzt lass uns zurück in die Stadt gehen, es wird bald dunkel!"
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