Orania City
Seufzend ließ sich Palma auf einen großen Stein am Wegesrand nieder. „Ich bin echt froh, wenn wir in Orania City sind." „Machst du etwa schon schlapp?", zog Hanna ihre Freundin auf. Palma zeigte auf ihre Hosenbeine. „Fällt die etwas auf?" Kichernd antwortete die Rothaarige, dass Palma Dreck am Bein habe. „Ja! Am Bein! Dort sollte er aber nicht sein. Ich bin seit dem Beginn meiner Reise gewachsen und langsam werden auch meine Schuhe ein wenig eng." Ungeduldig lief Hanna auf und ab. „Da vorne ist bereits die Stadt zu sehen, komm jetzt!" Diesmal war Palma an der Reihe zu kichern. Verwundert schaute Hanna sie an. „Was ist?" „Du hast dich ganz schön verändert, seit wir uns kennengelernt haben.", stand Palma grinsend auf und ging weiter Richtung Süden.
Erleichtert ließ Palma sich auf das Bett im Pokémoncenter fallen. Glücklicherweise war noch genügend Platz für sie gewesen und sie hatten sogar ein Doppelzimmer zugewiesen bekommen. Hanna warf sich neben Palma aufs Bett und beschäftigte sich mit ihrem PokéNav. Neugierig drehte sich das blonde Mädchen um und Hanna rückte noch etwas näher an sie heran, sodass ihre Körper sich leicht berührten. Lächelnd studierte sie die Karte. „Am Stadtrand gibt es einen Laden für Trainerbedarf, lass uns dort morgen als allererstes vorbeischauen. Danach würde ich gerne das Restaurant ‚Meerblick' ausprobieren. Anschließend können wir ja außerhalb der Stadt ein wenig trainieren. Was meinst du?" Zustimmend nickte Palma, die keine Einwände hatte und froh darüber war, dass Hanna ihr die Entscheidungen inzwischen abnahm.
Gähnend betrat Palma dicht gefolgt von Hanna den Laden. Er war kleiner und unscheinbarer als das riesige Gebäude in Alabastia, aber doch imposant. Über drei Stockwerke hinweg gab es alles was das Trainerherz begehrte. An einem Servicetresen wurden sie von einem jungen Mitarbeiter willkommen geheißen, der nicht weniger müde aussah als Palma. Nach ein wenig Smalltalk bat er die Mädchen, ihm ihre PokéNavs zu reichen. Irritiert taten sie wie geheißen. Weniger Minuten später erhielten sie ihre Geräte zurück. „Ich habe euch eine neue App installiert – den Kampffahnder. Dieser wird in wenigen Wochen aktiviert und hilft dabei, Trainer zu finden, die kämpfen möchten. Wir hoffen, die App wird euch gefallen."
Um nicht der Langeweile zu verfallen, stöberte Hanna in dem Laden, während Palma neue Kleidung für sich suchte. Wieder wurde es eine schwarze Hose mit weißem Muster, diesmal war es jedoch ein schönes Schmetterlingsmuster. Bei den Schuhen griff sie nach dem gleichen Modell, das sie bisher getragen hatte; nur eine Größe größer. Hanna hatte sich eigentlich nichts kaufen wollen, dann aber doch zu blauen geblümten Haarklammern gegriffen. Palma zog sich gleich um und brachte ein zweites Paar Hosen auf ihr Zimmer im Pokémoncenter, bevor sie sich auf den Weg zum Restaurant machten, das Hanna ausgesucht hatte.
Vom Fenster aus hatten sie freie Sicht auf das Meer und konnten beobachten, wie gerade ein großes Schiff in den Hafen einfuhr. „Das ist die M.S. Aqua.", erklärte der Kellner, der gerade an ihren Tisch getreten war. „Sie verkehrt zwischen Kanto und Johto und ist das derzeit größte Schiff, das regelmäßig den Hafen von Orania ansteuert. In wenigen Monaten soll ein neues Schiff den Betrieb aufnehmen, das zwischen Kanto und Hoenn verkehrt." Nachdem die Freundinnen den Kellner ein wenig über den Hafen ausgequetscht hatten, bestellten sie eine Karpadorplatte für zwei.
Satt legte Palma ihr Besteck auf den Teller. So gut hatte sie schon lange nicht mehr gegessen. Eine Weile beobachteten sie noch den Hafen, an dem immer mal wieder kleine Fähren ablegten, die zu kleinen Inseln fuhren, wie sie vom Kellner erfahren hatten. Beim Bezahlen versprachen sie, dem Restaurant vor ihrer Abreise noch einmal einen Besuch abzustatten.
Östlich von Orania City befand sich Route 11, die aus einer endlos groß erscheinenden Grasfläche bestand, auf der es nicht nur vor Pokémon wimmelte. Die beiden Trainerinnen hatten viel Spaß daran, ihre Pokémon gegen wilde Pokémon und die Pokémon anderer Trainer ankämpfen zu lassen.
Die meisten Trainer waren bereits gegangen, als die beiden Trainerinnen sich Richtung Orania aufmachten. Inzwischen fühlten sie sich im Dunkeln nicht mehr so unsicher wie noch am Anfang ihrer Reise.
Obwohl sie schon seit einer Weile ein ungutes Gefühl hatte, drehte Hanna sich erst um, als sie hinter sich einen Befehlt hörte: „Schnapp sie dir!" Ihr wurde schlecht. Vor ihr stand ein Junge mit zurückgegeltem Haar, der widerlich grinste – Philipp. Bei ihm standen ein Junge und ein Mädchen, die stark aber nicht sonderlich intelligent wirkten. Bevor sie auch nur einen Laut von sich geben konnte, wurden ihre Arme von den Ranken eines Bisaknosp festgehalten und eine Faust landete in ihrem Magen. Just im gleichen Augenblick schrie Palma neben ihr auf, die von einem Rettan umwickelt wurde. Direkt stürzten sich die beiden Begleiter Philipps auf das blonde Mädchen.
Philipp wollte gerade Hannas Hab und Gut an sich reißen, als sich ein Rudel Fukano auf die Angreifer und deren Pokémon stürzte. Die Pokémon wurden zurück in ihre Pokébälle und die Angreifer zu Boden befördert.
Blass und mit blutverschmiertem Gesicht saß Palma auf einem Stuhl im Wartebereich des Polizeireviers. Neben ihr kniete eine junge Ärztin, die ihre Wunden versorgte, während Hanna sich bei Officer Rocky befand und ihre Aussage tätigte. Ein Augenzeuge hatte sofort die Polizei gerufen und ihre drei Peiniger befanden sich in einer Arrestzelle.
Nachdem Hanna mit ihrer Aussage fertig war, war Palma an der Reihe. Sie schilderte den Vorfall in der Trainerschule von Vertania und den Vorfall dieses Abends. Dabei zitterte sie am ganzen Leib und brach mehrmals in Tränen aus. „Was passiert nun mit denen?", fragte sie am Ende ängstlich. „Das kann ich die leider nicht sagen. Aber eines verspreche ich dir – du wirst die drei so schnell nicht mehr sehen."
Zurück im Wartebereich fielen sich Hanna und Palma weinend in die Arme und beschlossen, noch ein paar Minuten zu bleiben. Gerade als sie langsam aufbrechen wollten, führten zwei Polizisten eine schlanke dunkelhaarige Frau in die Wache. Die Frau hatte ein kurzärmliges Shirt an, das einen Blick auf ihre kräftigen Arme gewährte. Am linken Arm erkannte Palma ein Roselia-Tattoo. Officer Rocky schaute die Neuankömmlinge fragend an. „Sie hat versucht, sich ohne Ticket auf eine Fähre zu schleichen." Rocky seufzte. „Folgen Sie mir bitte. Ich nehme Ihre Personalien auf, dann können Sie wieder gehen."
Draußen erzählte Palma, dass die Frau auf der Wache Fatima war. Es dauerte eine Weile, bis die schlanke Frau wieder aus dem Gebäude kam und die beiden folgten ihr mit einigem Abstand.
Die Gegend, in die sie kamen, wurde immer unheimlicher. Enge Gassen und heruntergekommene Häuser prägten das Bild dieses Stadtteils. Ab und an konnten sie Menschen hören, die sich hinter verdunkelten Fenstern gegenseitig anschrien. Wilde Rattfratz vergriffen sich an Müll, der auf dem Boden lag.
Sie schritten um eine Ecke, hinter welcher Fatima verschwunden war und wurden dort direkt von dieser an eine Wand gedrückt. „Ihr verfolgt mich schon seit dem Polizeirevier. Was wollt ihr? Seid ihr Spione?" „Bist du Fatima?", fragte Palma eingeschüchtert. Die Angesprochene nickte. „So nennt man mich. Woher kennst du meinen Namen?" Die Mädchen erzählten ängstlich von dem Mann im Mondberg und dem Brief, den er ihnen mitgegeben hatten. Palma reichte Fatima den Brief. Deren Augen weiteten sich. Sie las den Brief mehrere Male, jedes Mal sah sie besorgter aus als zuvor. „Verdammt!", raunte die Frau mit dem Roselia-Tattoo und eilte davon. Dabei verlor sie den Brief. Hanna hob ihn auf, überlegte zunächst, Fatima nachzulaufen, war dann jedoch zu neugierig. Im Schein einer Straßenlaterne las sie Palma den Brief vor.
Hallo,
ich werde beobachtet, darum muss ich Dir diesen Brief leider über Umwege zukommen lassen.
Wie Du weißt, geht es bei den Grabungen im Mondberg nicht nur darum, Fossilien von Urzeitpokémon zu finden. Es gab schon lange die Vermutung, dass hier während eines großen Krieges Pokémon lebendig begraben wurden.
Nun haben wir auch einen Fund gemacht, den niemand von uns erwartet hat – hier lag ein uns unbekanntes Pokémon, das in einen künstlichen Schlaf versetzt wurde.
Dieses Pokémon wurde zu Forschungszwecken nach Fuchsania gebracht. Mittlerweile habe ich auch eine Vermutung, um welches Pokémon es sich dabei handelt:
Acroria!
Du kennst die Legenden besser als die meisten anderen. Dieses Pokémon darf nicht von Menschen kontrolliert werden. Unter keinen Umständen!
Zudem hege ich den Verdacht, dass Team Rocket von diesem Fund weiß. Es darf kein zweites Mewtu geben – oder in diesem Fall Acrortu.
Ich hoffe, Du findest einen Weg.
Wer die Wahrheit kontrolliert, der hat Macht.
- Veritas –
Schweigend betraten die Mädchen das Pokémoncenter. Joy war entsetzt, als sie deren Zustand sah. „Was ist euch denn widerfahren?" Palma erzählte zitternd, was am Abend geschehen war. Schwester Joy verschwand für ein paar Minuten und brachte den beiden zwei große volle Teller. „Esst erst einmal etwas.", setzte sie sich zu ihnen.
Hanna, die nicht über den Abend sprechen wollte, fragte Schwester Joy, ob es in Orania auch einen Trainerkurs gab. „Ja, den gibt es. Das hiesige Thema sind in der Kantoregion ansässige Elektropokémon. Das Thema passt super zu der hiesigen Pokémonarena, deren Leiterin Elektropokémon einsetzt."
Zielstrebig ging Hanna nach dem Essen noch einmal in den Eingangsbereich. Verwundert folgte Palma ihr, bis das rothaarige Mädchen an einem Terminal stehen blieb.
„Oh, schau mal! Übermorgen gibt es eine Stadtrallye. ‚Den Teilnehmern winkt ein Pokémon aus der Johto-Region als Belohnung, wenn sie die Rallye abschließen.' Da möchte ich teilnehmen! Im Hafenbecken gibt es eine Belohnung für jedes Tentacha, das man dort besiegt. Das klingt auch nach Spaß!" So nahmen sie diese beiden Aufgaben an und begaben sich auf ihr Zimmer.
„Morgen früh gehen wir zuerst in die Bibliothek.", erklärte Hanna, ohne von ihrem PokéNav aufzublicken. „Ich möchte wissen, was das für ein Pokémon im Mondberg war. Danach gehen wir zum Hafen, dort leiht man uns eine Angel und erklärt uns, wie man diese benutzt. Lass uns viele Tentacha besiegen!" Besorgt stellte sie fest, dass Palma schluchzte. Hanna legte sich zu ihrer Freundin und nahm sie in die Arme.
Immer wieder wachte das blonde Mädchen schreiend aus einem unruhigen Schlaf auf. Die körperlichen Wunden würden bald verblasst sein, doch Hanna machte sich Sorgen um die seelischen Wunden ihrer Freundin.
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