Die himmelblaue Stadt
Die letzten Kilometer nach Azuria City hatten sie zwischen einem Wald und einem Fluss zurückgelegt. Und das war es auch, was sie in der Stadt erwartete – nördlich floss ein ruhiger Fluss, in den anderen Himmelsrichtungen war sie von Bäumen umschlossen. Sowohl im Osten als auch im Westen konnte man in der Ferne Gebirgszüge erkennen und nordwestlich der Stadt befand sich ein kleiner Berg. Die Dächer der Häuser waren größtenteils himmelblau und fast alle Fassaden enthielten Elemente ebendieser Farbe. Auf dem Weg zum Pokémoncenter kamen sie an mehreren Blumenläden und einem großen, wunderschönen Springbrunnen vorbei. Der Brunnen bestand aus himmelblauen Speiern in Form diverser Wasserpokémon. Als sie vorbeigingen, konnten sie einen kleinen Jungen dabei beobachten, wie er eine Münze in den Brunnen warf. Sie gingen näher und sagen, dass der ganze Brunnen voller Münzen war – scheinbar war dies ein Wunschbrunnen. In die Ränder der Hauptstraßen waren kleine Kanäle eingelassen, die Wasser führten.
Es dämmerte bereits, als die Mädchen das Pokémoncenter erreichten. Auch das Pokémoncenter dieser Stadt wurde von einer Schwester Joy geleitet, die genauso aussah wie alle anderen Schwester Joy, die sie bisher gesehen hatten. Langsam wurde es gruselig. Das Pokémoncenter hatte nur noch wenige Betten frei und so hatten sie wenigstens für eine Nacht einen Schlafplatz. Allerdings wurden sie darum gebeten, sich am nächsten Tag wenn möglich ein Hotelzimmer zu suchen, falls sie beabsichtigten, länger zu bleiben. Nach den formellen Angelegenheiten berichteten die drei Trainerinnen Schwester Joy davon, dass sie alle vier Kämpfe im Mondberg gewonnen hatten. Nach Vorlage ihres Trainerpasses machte sich ihr Pokédex bemerkbar. Palma schaute neugierig auf sein Display. „Gutschein erhalten." Und weiter: „Südlich von Azuria City befindet sich eine Pokémonpension. Gegen Vorlage dieses Gutscheins erhältst du ein Ei von der Pensionsleitung." Palma wusste zwar, dass Pokémon aus Eiern schlüpften, hatte jedoch noch nie eines gesehen. Sie war schon gespannt. Die jungen Trainerinnen plauderten noch eine Weile mit Schwester Joy und erfuhren, dass es in der Stadt einen Pokémonfanclub gab. Hanna und Palma beschlossen, diesen aufzusuchen, da sie nicht wussten, wie sie sich einen solchen Fanclub vorstellen sollten.
Am nächsten Morgen verabschiedete sich Julia, die an diesem Tag neongrüne statt gelber Kleidung trug, von den beiden anderen Mädchen. Nach dem Frühstück machten sich die beiden alsdann auf die Suche nach einem Hotel, in dem sie ein paar Tage bleiben konnten. Dieses Unterfangen erwies sich jedoch als äußerst schwierig und sie hatten beinahe aufgegeben, da die Hotels alle voll belegt oder viel zu teuer für sie waren. Hoffnungslos betraten sie das letzte Hotel, das sie finden konnten und hatten sich innerlich bereits darauf eingestellt, die nächsten Nächte im Freien zu verbringen. Das Gebäude stand am nördlichen Stadtrand ganz in der Nähe des Eingangs zu Route 24. Es hatte eine himmelblaue Fassade, die bereits an vielen Stellen abgebröckelt war. Von außen sah es insgesamt unwirtlich und fast schon verlassen aus. Innen wirkte es deutlich weniger heruntergekommen. Alles war sauber und ordentlich. Der Empfang war gerade nicht besetzt und sie überlegten gerade, ob sie wieder umkehren sollten, als aus dem Nebenzimmer eine alte Stimme erklang – „Ich bin gleich da!" Eine alte, leicht gebeugt gehende, Dame mit lockigem grauem Haar kam herein. „Herzlich willkommen im ‚Hotel zum Kap'. Wie kann ich euch behilflich sein?", hieß sie die Mädchen willkommen und lächelte dabei freundlich. „Wir sind auf der Suche nach einer Unterkunft für ein paar Tage.", antwortete Palma. „Wir haben aber leider nicht viel Geld.", fügte sie etwas zögerlich hinzu. Die Dame überlegte kurz und machte ihnen ein Angebot, das die Mädchen sofort eingingen. Sie durften günstig übernachten, wenn sie der Besitzerin ein wenig zur Hand gingen. Im Keller hatten sich ein paar Rattfratz eingenistet. Zudem wollte Wäschen gewaschen und aufgehangen werden. Den Rest des Tages verbrachten sie dann damit, im Keller nach Rattfratz zu suchen und sie zu besiegen, bis keines der Pokémon mehr auffindbar war. Die Besitzerin war so begeistert, dass sie den Mädchen gestattete, die ersten Nächte völlig umsonst im Haus zu verbringen.
Die folgenden Tage sahen alle ähnlich aus. Vormittags halfen sie im Hotel aus und mittags besichtigten sie die Stadt. Es war echt erstaunlich, wie viele Blumenläden in eine Stadt passten. Für das Wochenende hatten sie etwas mehr Pläne. Wie sie erfahren hatten, war der Pokémonfanclub samstags für alle Trainer offen, also statteten sie ihm an diesem Tag einen Besuch ab. Von außen sah das Gebäude aus wie jedes andere Gebäude in der Stadt, doch innen war es unverkennbar ein Fanclub. Überall befanden sich diverse Pokémonartikel. Teppiche mit Pokéballmuster, Poster aller möglicher Pokémon, Pokémonpuppen und vieles mehr. Ein junger Mann mit einem kleinen Eneco auf der Schulter begrüßte sie. „Ihr beiden seht aus wie frischgebackene Trainerinnen. Habt ich schon die Arenaleiterin von Azuria City herausgefordert?", fragte er freundlich, während sein Eneco mit dem Schwanz wedelte. Die Mädchen gaben zu, dass sie noch keine Pokémon hatten, die stark gegen Wasserpokémon waren. Daraufhin bekamen sie die Empfehlung, sich auf Route 24 oder 25 ein Pflanzenpokémon zu fangen. Die beiden Trainerinnen wurden im Gebäude herumgeführt und allen möglichen Leuten vorgestellt. Als sie mit anderen Trainern auf einer Sitzinsel saßen, wurden sie von einer jungen Frau nach ihrem ersten Pokémon gefragt. Sie war hin und weg von Palmas Evoli. Da Palma ihr nicht sagen konnte, in was sie Evoli später entwickeln wollte, empfahl die junge Frau ihr, einen Mann namens Liam aufzusuchen. Er wohnte in einem Haus am Ende von Route 25 und war in der Stadt – und darüber hinaus – als Evoliexperte bekannt. Den Rest des Tages bekamen sie unheimlich viele Tipps zur Pokémonaufzucht und zu Pokémonkämpfen. Sie erfuhren, dass es in der Stadt einen Laden gab, in dem man mit seinen Pokémon zusammen Pokémonnahrung herstellen konnte. Des Weiteren erfuhren sie, dass man im Pokémoncenter Aufgaben erhalten konnte, deren Erfüllung kleine Belohnungen in Form von Geld und Items bereithielt.
Am Sonntag mussten sie nicht im Hotel aushelfen und machten sich direkt nach dem Frühstück auf den Weg zur Trainerschule. Von den anderen Trainern dort kannten sie noch niemanden. Mit ein paar unterhielten sie sich; allerdings nur oberflächlich. Die Lehreinheit war sehr interessant. Sie lernten viel über die Kantoregion. Jede Stadt und jede Route wurde kurz vorgestellt. Zudem lernten sie viel über die Geschichte Kantos. „Können Sie uns etwas über Team Rocket erzählen?", fragte Palma gegen Ende des Unterrichts. Die Lehrerin schaute etwas betrübt rein und schwieg eine Weile, bevor sie anfing zu erzählen. „Es ist wohl besser, Team Rocket nicht zu verschweigen, schließlich sind sie ein Teil der jüngeren Geschichte unserer Region. Team Rocket war eine Verbrecherorganisation, die Pokémon gestohlen, versklavt, verkauft und mit ihnen widerwärtige Experimente durchgeführt hat. Team Rocket hat sich irgendwann plötzlich aufgelöst, es gibt allerdings Gerüchte, dass ehemalige ranghohe Mitglieder an einem Comeback arbeiten." Sie erzählte noch ein wenig mehr von den Taten Team Rockets. Am Ende des Kurses erhielten sie alle drei Foepasbeeren als Belohnung für ihre Anwesenheit. Diese Beeren konnten während eines Kampfes von einem Pokémon verwendet werden, um Wasserattacken besser wegstecken zu können und könnten sich in der hiesigen Arena als sehr nützlich erweisen.
Palma setzte sich neben ihre Freundin und bewunderte das Innere der Arena. Die Kampffläche glich einem riesigen Aquarium, in dem gerade Kunstschwimmer ihr Können zeigten. Das Dach der Arena wurde von elfenbeinfarbenen, golden verzierten Säulen getragen. Am Dach befanden sich Deckenmalereien verschiedenster Wasserpokémon. Sie beobachteten eine Weile die Schwimmer, bis schließlich alle aus dem Wasser stiegen. Alle bis auf eine besonders junge und hübsche Schwimmerin. Unter lautem Jubel beendete sie ihre Darbietung, stieg aus dem Wasser und stellte sich ans Ende des Kampffeldes. Während sich zwei Glasscheiben über das Wasser legten, trocknete sie sich rasch ab und setzte sich ein Headset auf. „Herzlich willkommen in der Arena von Azuria City! Ich bin eure Arenaleiterin Mizu. Heute haben wir drei Herausforderer. Zwei kämpfen um ihren zweiten Orden. Wir haben allerdings auch einen Herausforderer, der heute seinen insgesamt zehnten Orden gewinnen möchte. Wir dürfen also gespannt sein!"
Die ersten beiden Kämpfe absolvierte Mizu mit einem Goldini und einem Starmie. Sie gewann beide Kämpfe knapp und den Mädchen wurde bewusst, dass dies keine leichte Aufgabe für sie sein würde. Sie nahmen sich vor, die Arenaleiterin nicht so sehr zu unterschätzen, wie die beiden Herausforderer dies getan hatten. Für den dritten und letzten Kampf wechselte sie ihre Pokémon. Und auch dieser Herausforderer hatte sie unterschätzt. Die ganze Arena bebte, als das riesige Garados der Arenaleiterin das sechste und damit letzte Pokémon des Herausforderers besiegte. Die Mädchen waren beeindruckt vor dem Kampf und fragten sich, ob sie jemals so stark würden wie die Arenaleiterin.
Gegen Abend besuchten Hanna und Palma noch einmal das Pokémoncenter, um nach den Aufgaben zu fragen, von denen ihnen im Fanclub erzählt worden war. Schwester Joy zeigte ihnen ein Terminal und fragte, ob sie so eines schon einmal bedient hatten. Als sie dies verneinten, zeigte die Frau mit den pinken Haaren ihnen, wie sie mit dem Terminal Items und Pokémon einlagern konnten. An dieser Stelle sei erwähnt, dass ein Pokémontrainer maximal sechs Pokémon mit sich führen durfte. Zudem lernten sie, wie man auf Aufgaben zugreifen konnte. Auf Route 24 mussten sie für einige Pokédollar bestimmte Trainer besiegen. Außerdem winkte ein Donnerstein als Belohnung, wenn man dem Beerenriegelladen ein paar Beeren von Route 25 mitbrachte. Da die Mädchen sowieso Route 25 als Ziel hatten, nahmen sie die beiden Aufgaben an. Sie wollten gerade das Gebäude verlassen, als sich plötzlich ein großer Bildschirm einschaltete. „Eine Sondermeldung! Heute gab es einen Brand in der Pokéballfabrik nahe Saffronia City. Noch ist die Brandursache unklar, doch berichten mehrere Augenzeugen unabhängig voneinander, sie hätten Mitglieder von Team Rocket im und am Gebäude gesehen. Der verursachte Schaden ist groß und die Fabrik wird erst in mehreren Wochen wieder voll funktionsfähig sein. Es ist mit einem Anstieg der Preise für Pokébälle zu rechnen." Alle im Center anwesenden Personen starrten den Bildschirm gespannt, aber auch erschrocken an. „Falls es sich wirklich um einen Anschlag von Team Rocket handelt, dann ist es der Erste seit vielen Jahren. Experten halten es für möglich, dass Team Rocket zurückkehrt. In den letzten Wochen gab es immer wieder Berichte über Sichtungen von Personen mit Uniformen von Team Rocket." Die Sprecherin legte eine kurze Pause ein. „Wir haben soeben die offizielle Bestätigung bekommen, dass alle Rettungsmaßnahmen abgeschlossen sind. Bei dem Brand kamen drei Mitarbeiter ums Leben, fünf weitere wurden mit teils schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Zudem kamen bei dem Brand mehrere dutzend Voltobal ums Leben."
Ein Mädchen fragte Schwester Joy nach einer Weile, wie Pokémon ums Leben kommen konnten, wenn sie sich doch in Licht auflösten, wenn sie besiegt wurden. Schwester Joy erklärte in ruhigem Ton, dass es Materialien gab, die das Auflösen der Pokémon verhindern konnten. Da diese in Pokébällen Verwendung fanden, war das ganze Firmengelände insofern gefährlich für Pokémon, als dass sie dort wirklich sterben konnten. Und Voltobal hatten ein Faible dafür, sich in Pokéballfabriken einzunisten. Wieso dies so war, wusste allerdings niemand.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro