~ 13 ~
Der kleine Nasenbär saß am Tisch und konnte sich einfach nicht überwinden, dieses glibberige, wabbelige, schmodderige Etwas auf seinem Teller genauer anzuschauen, geschweige denn anzufassen. Seine Nase krauste sich, die Nasenhaare zuckten, das Fell im Nacken stand ihm zu Berge.
Was zum Henker war das überhaupt? Vorsichtig streckte er seine Pfote aus und stupste mit einer Kralle sanft gegen den Teller. Igitt, der ganze grüne Blobb kam in Bewegung und schwappte leicht hin und her. Der kleine Nasenbär merkte, wie sich ihm der Magen zusammenzog beim Gedanken, das Ding vor ihm zu essen.
Und dieser Geruch erst! Widerlich. Wie eine Mischung aus altem Käse, nassem Fell und fauligem Schlamm.
„Probier es doch zumindest mal", versuchte Opa Nasenbär ihn zu überzeugen. „Vielleicht schmeckt es dir ja sogar!"
Der kleine Nasenbär presste seine Lippen fest aufeinander und schüttelte den Kopf.
„Ich weiß, es sieht ein bisschen ... ungewohnt aus, aber es schmeckt wirklich ziemlich gut. Und gesund ist es auch!" Sein Opa gab nicht auf, das Essen doch noch an den Mann beziehungsweise den kleinen Nasenbär zu bringen.
Das Kopfschütteln wurde entschiedener.
„Jetzt iss es endlich, ich hab mir viel Mühe beim Kochen gegeben!", so langsam war die Geduld des alten Nasenbären auch erschöpft.
„Ich mag aber nicht!" Die Augen des kleinen Nasenbären funkelten. Er wollte das Zeug nun mal nicht probieren, war das so schwer zu verstehen?
„Iss", knurrte der Opa, mittlerweile ungehalten. „Oder es gibt keinen Nachtisch!"
„Niemals!", verkündete der kleine Nasenbär. Erpressen ließ er sich schon mal gar nicht. Er würde das Zeug nicht essen, komme was da wolle. Nein, da blieb er lieber hungrig.
Mit einem letzten Schnauben und wütendem Blick Richtung Opa samt Schmoddergrütze stand der kleine Nasenbär auf und stapfte in sein Zimmer. Dort schmiss er die Tür einmal kräftig hinter sich zu. Sollte der Opa sein „Nein!" doch gleich noch einmal deutlich hören. Er würde standhaft bleiben.
~
Eine Stunde später knurrte der Magen des kleinen Nasenbären so laut, dass er kurz dachte, in seinem Zimmer sei ein Grizzly. Verflixt und zugenäht, er hatte vielleicht Hunger. Was würde er jetzt nicht alles für ein Stück Beerenkuchen geben.
Zum Opa konnte er schlecht gehen, um nach etwas zu essen zu fragen. „Niemals!", hallte noch seine Aussage von vorhin in seinem Kopf. Die Blöße konnte und wollte er sich einfach nicht geben. Eine andere Lösung musste her.
Schnell lief er aus dem Haus und Richtung Spielplatz. Vielleicht traf er dort ja jemanden, der ein Stück Beerenkuchen dabei hatte.
Schon von weitem sah er den kleinen Waschbären, der mal wieder in den Pfützen vom Morgen herumsprang und aussah, als hätte er dabei den Spaß seines Lebens.
„Hey!", freute sich der kleine Waschbär, als er seinen besten Freund sah. „Willst du mitmachen? Die Pfützen sind total warm, weil jetzt so lange die Sonne drauf geschienen hat. Einfach traumhaft!"
Der kleine Nasenbär schielte zwischen seinem strahlenden Freund und der Pfütze hin und her. Die sah ja nicht so appetitlich aus, so ganz braun und schlammig. Allein beim Gedanken, da auch nur eine einzelne Pfote reinzustrecken, wurde ihm schon ganz schwummrig im Magen.
„Niemals!", entfuhr es ihm auch prompt. Der kleine Waschbär schaute ganz bedröppelt, weil sein Freund ihn so rigoros abwies. „Nichts gegen dich", versicherte der kleine Nasenbär ihm daher schnell, „aber Wasser ist echt nicht so meins und diese Pfütze sieht irgendwie ganz speziell wässrig aus."
„Dann eben nicht", meinte der kleine Waschbär schulterzuckend. „Jedem das Seine."
„Hast du zufällig etwas zu essen für mich?", fragte der kleine Nasenbär. Leider konnte sein Freund da nur mit dem Kopf schütteln. Da musste er wohl weitersuchen. Vielleicht hatte ja die kleine Wühlmaus etwas Leckeres für ihn?
Doch auch die kleine Wühlmaus konnte ihm leider nichts anbieten. Dabei war er extra zu ihr nach Hause gelaufen. Doch Wühlmäuse aßen nunmal nur sehr, sehr kleine Häppchen, und die reichten für einen Nasenbären einfach nicht, selbst wenn es nur ein kleiner Nasenbär war.
Vielleicht konnte er ja selbst Nahrung suchen? Immerhin hatte er ja in der Schule Beerenlehre und Baumkunde gehabt, vielleicht war da ja was nützliches dabei?
Wie ging das nochmal? Der kleine Nasenbär legte seine Stirn in Falten und dachte angestrengt nach. Ach ja, immer der Nase nach. Frau Spitzmaus hatte erklärt, dass er mit seiner Nase in Löchern und Spalten erschnüffeln konnte, ob dort etwas Essbares für ihn lag. Na dann mal los.
Der kleine Nasenbär flitzte zum nächsten Baum und hielt dabei Ausschau nach einem Loch oder einer Spalte, in der er nach etwas Essbarem suchen konnte. Hmm, dieses Loch sah eigentlich sehr vielversprechend aus. Der kleine Nasenbär beäugte es kritisch. Wollte er da wirklich seine Nase reinstrecken? Er konnte ja gar nicht sehen, was da drin war. Am Ende war es was ekliges, wie der widerliche Blobb, den sein Großvater ihm aufgetischt hatte. Oder das Loch war nass. Oder roch eklig. Oder er blieb darin stecken!
Dem kleinen Nasenbären grauste es. „Niemals!", entschied er. Niemals würde er seine Nase in ein dunkles, enges Loch stecken. Nie. Im. Leben.
Weiter ging also die Suche. Vielleicht fand er ja auf dem Schulhof noch etwas? Tatsächlich sah er auf dem Boden unter dem Klettergerüst schon von weitem etwas liegen, was ihn stark an einen Beerenkuchen erinnerte. Konnte es wirklich sein? Was war er doch für ein Glücksbär!
Je näher er kam, desto mehr fiel ihm allerdings der eklige Geruch auf, der von dem Beerenkuchen ausging. Wie lang der wohl schon da lag? Er war schon ganz alt und vertrocknet, und auf einer Seite wuchsen blau-grüne Haare, die doch sehr nach Schimmel aussahen.
Sein Magen knurrte. Sollte er etwa doch ... „Niemals!", klang da auch schon in seinen Gedanken. „Lass das lieber, der Kuchen ist schon ewig alt und wird dir bestimmt den Magen verderben. Pfoten weg!"
~
Gefühlte Stunden später musste der kleine Nasenbär einsehen, dass er wirklich nirgendwo etwas zu essen finden konnte. Sein Magen grummelte, und ihm war schon ganz schwummrig. Mittlerweile war es schon dunkel geworden, und kalt war ihm auch. Da musste er wohl oder übel in den sauren Apfel beißen und nach Hause gehen.
Aber allein beim Gedanken daran, jetzt klein bei zu geben, stellten sich ihm die Nackenhaare auf. „Niemals!", klang es wieder in seinem Kopf.
Was war denn das eigentlich immer mit diesem Gedanken? Das lief ja fast in Dauerschleife in seinem Kopf ab.
War das etwa ...? Dem kleinen Nasenbär kam ein Verdacht. Schnell machte er Wackelpuddingarme und atmete mehrmals tief durch. Dann griff er sich ins Gesicht, und tatsächlich, da war eine Brille.
Mit seiner Clever-Brille auf der Nase schaute er sich die neue Brille genau an. „Niemals!", stand in dicken, fetten Buchstaben auf der Seite.
Hm, hatte er die schon lange auf? Wahrscheinlich spätestens seit dem verpatzten Essen.
Ach Menno, schon wieder so eine blöde Brille, die ihm nichts als Ärger brachte. Erst mit dem Opa, dann hatte er nicht mit dem Waschbären spielen wollen, und am Ende war er ewig umsonst durch den Wald gelaufen. Und Hunger hatte er auch.
Der kleine Nasenbär war schon drauf und dran, die Brille genervt in die Gegend zu pfeffern, als ihm noch etwas anderes einfiel. Die Brille hatte ihn auch davon angehalten, den verdorbenen Beerenkuchen zu essen. Und seine Nase in dieses fiese Loch zu stecken. Wahrscheinlich hatte ihn die Brille damit vor einer bösen Überraschung bewahrt. Mindestens vor einem verdorbenen Magen. Vielleicht war es manchmal auch sehr clever, etwas nicht machen zu wollen.
Eventuell war die „Niemals!"-Brille ja gar nicht so schlimm, solange er sie zusammen mit der Clever-Brille aufsetzte. Dann konnte die „Niemals!"-Brille aufpassen, dass er nichts machte, was ihm nicht guttat und worauf er keine Lust hatte, und die Clever-Brille konnte aufpassen, dass er es damit nicht übertrieb und sich Ärger einhandelte. Das schien ihm sowieso auch bei den anderen Brillen eine gute Idee zu sein. Immer zwei Brillen auf einmal, immer mit der Clever-Brille zusammen.
Nur, was machte er jetzt mit sich und seinem knurrenden Magen? Er konnte ja schlecht im Wald übernachten, und etwas zu essen brauchte er auch. Sollte er nicht doch lieber zum Opa zurück? Wahrscheinlich wartete der schon auf ihn. Vielleicht konnte er ihm anbieten, ein winzig, winzig kleines Stück von dem Blobb zu probieren, und dafür bekam er dann etwas anderes, wenn es ihm wirklich nicht schmeckte? Der kleine Nasenbär konnte sich gut vorstellen, dass sein Opa sich auf diesen Handel einlassen würde.
Zufrieden mit sich und seiner Entscheidung machte sich der kleine Nasenbär auf den Heimweg. Und auf seiner Nase saßen friedlich die „Niemals!"-Brille und die Clever-Brille und freuten sich, dass sie so gut zusammengearbeitet hatten.
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