Ich lese ein Buch, auf dem 'nicht lesen' steht.
Ich rannte, ohne wirklich zu wissen, wohin, während langsam die Tränen aus meinen Augen schossen. Ich hätte länger bleiben sollen! Ich hätte besser aufpassen sollen!
Wer war denn so krank und macht so etwas?!
Komplett außer Atem merkte ich, dass ich vor dem Jagdhaus meines Vaters angekommen war. Es stand mitten im Wald, aber mein Vater hatte es schon lange nicht mehr für die Jagd benutzt. Meistens war er nur hier, um alles sauber zu machen, oder er traf sich mit Freunden, und sie redeten und tranken.
Bei dem Gedanken an meinen Vater wurde mir schwindelig, und ich schloss die alte Haustür auf.
Der Raum war dunkel, doch Stück für Stück erhellte sich der Raum, als ich die rumstehenden Kerzen mit einem Feuerzeug anzündete und auch die Kaminstelle entfachte.
Niedergeschlagen verkroch ich mich in eine Ecke, die ausnahmsweise nicht voller Spinnenweben war, und holte zitternd Luft.
Ich konnte es einfach nicht glauben.
Wer war denn so krank, dass er einen im Koma liegenden Mann entführte?!
Und warum hatte er auch Moldawien?!
Ich hatte Angst. Wer aus unserer Familie würde wohl der oder die Nächste sein? Was, wenn sich der Entführer meines älteren Bruders und meines Vaters gerade zu der Jagdhütte schlich und mich mitnehmen würde?
Was, wenn mein Vater gar nicht mehr am Leben war? Moldawien war schon länger weg. Was ist mit ihm passiert?!
Ich stieß ein klägliches Wimmern aus, als ich meine Knie an meinen Körper zog und mein Kinn auf sie abstützte.
Das Buch
Fiel mir plötzlich ein.
Meine Hände zitterten, als ich das Buch aus meiner Jackentasche holte – es hatte gerade so da rein gepasst.
Das Leder war braun und rau. Die Ecken des Buches sahen schon abgegriffen aus, und dennoch konnte ich mich kaum dazu aufbringen, es zu öffnen.
Komm schon, Russland, es ist nur ein dummes Buch
Ermutigte ich mich und schlug die erste Seite auf.
Dieses Tagebuch gehört
Sowjetunion
Ich stockte.
Ein Tagebuch? Ich wusste nicht, dass mein Vater ein Tagebuch hatte, aber gut, vielleicht war es auch nicht üblich, seinen Kindern von seinem supergeheimen Geheimtagebuch zu erzählen.
Ich blätterte weiter. Die ersten Seiten waren leer, als hätte man sie ausradiert.
Ein paar Blätter waren auch aus dem Buch gerissen, doch dann stieß ich endlich wieder auf die Schrift meines Vaters, die mit schwarzer Tinte auf ein Blatt geschrieben war.
Liebes Tagebuch,
Langsam fühle ich mich dumm, mit einem Buch zu kommunizieren, aber ich wüsste auch nicht, wem ich sonst vertrauen könnte.
Ich bin hier in etwas eingestiegen, von dem ich niemals ein Teil sein wollte, und das Schlimmste ist, dass ich nicht mehr weiß, wie ich aus dieser Gruppe austreten kann. Ihr Anführer
Ich verbrachte gute zehn Minuten damit, den Namen des „Anführers" zu entziffern, doch es war vergeblich. Der Name war wohl von einem Wassertropfen getroffen worden, sodass ich nichts lesen konnte. Also beschloss ich, einfach weiterzulesen.
Ihr Anführer ___ scheint mich zu mögen. Zumindest wollte er mich nicht umbringen, doch ich mache mir Sorgen, dass er seine Meinung ändern könnte, wenn ich ihm von meinem Plan, aus diesem Wahnsinn auszusteigen, erzähle.
Seine rechte Hand mag mich nicht besonders. Sie versucht die ganze Zeit, andere gegen mich aufzubringen. Ich mache mir Sorgen um mein eigenes Wohlergehen!
Was meinte er damit?
Ich kam nicht wirklich mit. Wo ist er beigetreten? Warum sollte man etwas beitreten, das einen potenziell töten könnte? Wer war der Anführer und wer war seine rechte Hand?
Vielleicht sagt mir das die nächste Seite,
Sagte der kleine Restanteil meines Gehirns, der noch funktionierte.
Also blätterte ich weiter.
Wieder waren viele Seiten ausgerissen und andere komplett blank.
Als ich schon fast die Hoffnung verloren hatte, eine beschriebene Seite zu finden, tauchte endlich noch eine auf.
Liebes Tagebuch,
Ich habe es geschafft. Ich konnte den Boss davon überzeugen, seinen Handlangern zu misstrauen. Er hat mich zu seiner rechten Hand gemacht, was dafür sorgt, dass ich überall hin Zutritt habe, damit auch die Fluchtwege. Zusammen mit meinem Freund Alexej Kusnezow werde ich fliehen.
Er ist ein Russe, der sehr weit im Westen gelebt hat, bevor er hierher verschleppt wurde. Er ist vielleicht nicht mehr der Jüngste, aber er ist treu, und ich weiß, dass ich ihm vertrauen kann. Vielleicht schaffen wir es wirklich. Vielleicht schaffen wir es auch, diesen schrecklichen Ort zu vergessen, komplett unterzutauchen und nie gefunden zu werden, denn ich weiß, für den Fall, dass sie mich wiederfinden, bin ich so gut wie tot und alle, die ich liebe, auch.
Ich verstand nicht, was ich dort las. Das kann einfach nichts wahr sein. War es also wirklich ein Mordanschlag gegen meinen Vater, wurden er und Moldawien von diesem Boss entführt?
Das durfte einfach nicht sein. Wenn Otets wirklich meint, dass er sterben würde, wenn sie ihn wiederfinden, gab es dann überhaupt noch irgendeine Hoffnung für ihn?
Meine Augen füllten sich erneut mit Tränen, und ich begann zu zittern.
Unkontrolliert schluchzte ich und begann nach einer Weile anzuschreien. Es waren zu viele Emotionen. Ich konnte sie nicht stoppen.
Schnell sprang ich auf und riss den Tisch um, auf dem glücklicherweise keine Kerzen standen. Ich kippte auch das Sofa wie den Schrankstuhl um und fing an, gegen die Wand zu boxen, während ich weiter schrie.
Sie müssen einfach noch leben! Sie müssen!
Komplett fertig mit allem schlurfte ich zurück in die Ecke und weinte bitterlich. Ich konnte nicht aufhören. Selbst dann, als schon gar keine Tränen mehr aus meinen Augen quollen, schluchzte ich weiter.
„Ich muss sie finden", beschloss ich und wischte mir die Nase mit meinem dunkelblauen Pulli ab. Als ich auch meine Hand sah, war sie rot. Einerseits von dem Blut, das von den Wänden einschlug, andererseits, weil ich mich wieder in meine Countryhuman-Form zurückverwandelt hatte, ohne es zu merken.
Aber ich kann das nicht allein.
Also wählte ich die Nummer der einzigen Person, von der ich wusste, dass sie mir helfen würde, ausgenommen meine Familie. Die wollte ich nicht noch mehr in Gefahr bringen, als sie ohnehin schon waren, wenn ich mit meiner Vermutung recht hatte.
„Anian", wimmerte ich in den Hörer, als er endlich annahm.
„Bitte komm. Ich brauch dich."
Bettelte ich und hielt mein Handy fast so fest, dass es Risse bekam. „Wo bist du denn?" hörte ich ihn besorgt fragen, doch ich war zu betäubt, um richtige Sätze zu bilden. Das einzige, was ich sagen konnte, war „Jagdhütte", aber es schien auszureichen, damit Anian verstand.
„Ich komme sofort, halt noch ein wenig durch."
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wow, was für ein Zufall. Nicht nur an Weihnachten, sondern auch an Silvesta ein Kapitel hochladen zu können, dass hatte ich nicht erwartet. Natürlich wünsche ich euch einen gute Rutsch ins Neue Jahr, und bin auch froh, dass die Geschichte, und die Story-line langsam an Fahrt aufnimmt.
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