Kapitel 8
Restaurant Morels.
Volles Haus.
Ein wirklich volles Haus heut Nacht. Die Kronleuchter strahlten ein warmes, angenehmes Licht, spendeten eine gemütliche Atmosphäre und ließen es sowohl heimelig als auch edel aussehen. Schlichte Tische mit rot-weiß karierte Tischdecken gedeckt, edle Vasen, dunkle Möbeln, richtig italienische Gemälden hingen hier und dort an den Wänden und die vielen duzend Menschen amüsierten sich heute prächtig.
Obwohl das Morels noch nicht so lange existent und eröffnet war, so war es völlig ausgebucht für die gesamten nächsten zwei Monate, da es sich innerhalb kürzester Zeit so beliebt gemacht hatte.
Francesco sah zufrieden jeden einzelnen Kunden an, ging zwischendurch mal zu ihnen, fragte nach, ob es ihnen gut ging und wie es ihnen mundete und dann wandte er sich an seinen Arbeitskräften, die fantastisch arbeiteten, bevor er in den Weinkeller ging und dort nachschaute, ob sie noch genügend Vorrat hatten oder ob noch welchen nachbestellt werden sollte.
Als er sah, dass eine ganz bestimmte Sorte oft getrunken wurde, nahm seine Nase einen Duft war, von dem der dachte, diesen würde er nie wieder riechen nach langen Jahren.
„Francesco", erklang nur wenige Sekunden danach eine verführerische, weibliche Stimme, die er sehr gut kannte und wusste, zu wem sie gehörte.
Als er sich umdrehte, entdeckte er eine schlanke, wunderschöne Frau lässig am Türrahmen des Weinkellers lehnen. Ihre langen, schwarzen Locken umrahmten ihren kurvigen Körper, den er so oft erkundet hatte.
„Wie schön, dich wiederzusehen."
Erfreut war er aber keineswegs, sie wiederzusehen.
„Verona", fing er düster an. „Was führt dich hierher?"
Er betrachtete sie mal ausgiebig. In das kleine Schwarze sah sie einfach umwerfend aus, verführerisch für jeden Mann und das wusste sie. Ihre endlos langen Beine wurden noch zusätzlich von den mörderischen High Heels betont, die sie dazu trug und der komplette Schmuck schmückte alles Schlichte, was sie trug und machten es wertvoll; was aber mehr als unnötig war, da die meisten eh nur auf sie achten würden und nicht auf das, was sie trug.
Mit verschränkten Armen musterte sie Francesco und erschuf mit ihrem Kaugummi eine Blase, die sie platzen ließ. „Ich habe nach dir gesucht, mein Süßer", schnurrte sie lächelnd wie eine Raubkatze auf Beutefang. „Hat länger als sonst gebraucht, aber jetzt bin ich hier." Mit diesen Worten stieß sie sich vom Rahmen ab und stolzierte sicher und elegant auf den Restaurantbesitzer zu.
Vor ihm blieb sie stehen und schlang dann plötzlich ihre Arme um ihn. „Meine Sehnsucht hat mich hierher getrieben."
Steif stand er da, wusste zuerst nicht, was hier geschah und weshalb sie hier war, doch dann fing er sich wieder und löste sich fast schon brutal aus ihrer Umarmung, die ihm früher mal warm vorkam, aber ihn jetzt frösteln ließ.
„Verona, begreife doch endlich mal, dass nichts mehr ist zwischen uns. Es ist schon lange vorbei."
Lange, bevor das neunzehnte Jahrhundert eintraf.
Jahrzehnte lang führten sie eine Bettbeziehung, doch sie wollte irgendwann mehr. Nur er nicht, deshalb ging er, verwischte so gut es ging seine Spuren und wurde seitdem nie mehr von ihr gefunden; bis jetzt.
Verona verzog ihr wunderschönes Gesicht zu einer beleidigten Schnute. Es war klar, was sie wollte: Ihn. Konnte sie doch eigentlich jeden Mann an ihrem kleinen Finger haben, so hatte sie sich für Francesco entschieden. Was nicht hieß, dass sie sich mit anderen vergnügte, aber niemand war so wie er. Francesco hatte etwas Anziehendes an sich. Eine Ausstrahlung, die niemand widerstehen konnte. „Jetzt hab dich nicht so, Süßer", meinte sie seufzend. „Du scheinst ausgehungert und angespannt zu sein. Gönn dir mit mir Entspannung. Es jährt ewig gedauert, dich zu finden."
„Ich wollte nicht gefunden werden, Verona", sagte er und nahm weiter Abstand von seiner ehemaligen Geliebten. „Wir haben uns auseinander gelebt und das ist die Wahrheit. Und das weißt du sogar, denn du warst diejenige, die die Ursache dessen war."
Er hatte sie zuerst begehrt und schon ein wenig gemocht. Francesco glaubte vor langer Zeit, es würde ernst zwischen den beiden werden, bis sie den Fehler machte, ihn zu fragen, ob sie zusammen den Bund eingehen würden. Doch nicht der menschliche Bund der Ehe, sondern der der Verdammten, wo sie das Blut des jeweils anderen trinken, um somit in Ewigkeit zusammenzuleben. Das erschreckte ihn so sehr, dass er aus ihren Leben verschwinden musste.
Doch nun hatte sie ihn gefunden und er wusste nicht, wie er sie schnellstmöglich loswerden konnte.
Francesco seufzte. „Es wäre das beste, wenn du jetzt gehst."
Nachdenklich umwickelte Verona eine ihrer Haarsträhnen und schmollte. „Das heißt also, dass du mich immer noch nicht heiraten willst?", fragte sie seufzend und sichtlich enttäuscht. „Mensch, du weißt doch, was dir dabei entgeht, Cesco."
Diesen Kosenamen nutzte sie immer, wenn sie versuchte, ihren Kopf durchzusetzen oder sich einzuschmeicheln. „Was hält dich davon ab?"
„Dein Verhalten, dein Egoismus, deine Besessenheit und ...", seine Nasenflügeln nahmen den betörenden Duft von Wärme und gesüßtem Kaffee war.
Er erstarrte, als er diesen Duft wiedererkannte und ihm mulmig wurde, weil er spürte, wie schnell und laut sein Herz schlug.
Sie war hier.
Hier in seinem Restaurant.
Er schaute zurück zu Verona, die ihn abwartend ansah, weil er nicht zuende gesprochen hatte.
„Und was?", fragte sie auch sogleich, nahm aber seine plötzliche Anspannung wahr. „So schlimm bin ich gar nicht. Jeder muss sich in der Gesellschaft behaupten", meinte Verona ernst. Nur so konnte man sich durchschlagen und respektiert werden. Eine harte Erkenntnis, die sie damals hatte lernen müssen.
Zugehört hatte er ihr kaum noch, da seine Nase mit dem Duft erfüllt war und er eine kleine Panik bekam, weil Verona möglicherweise auch den Duft wahrnehmen könnte.
„Entschuldige mich, bitte, ich muss wieder an die Arbeit. Und du", betonte er und sah sie drohend an, „verschwindest."
Dann ging er an ihr vorbei.
„Es war nicht das letzte Mal, dass ich dich aufgesucht habe, Francesco", schwor sie ihm seufzend und setzte sich in Bewegung. Er sollte wissen, dass sie bekam, was sie wollte. Auf irgendeinem Weg war das immer so. „Ich werde dich schon noch davon überzeugen, dass ich die Richtige für dich bin", murmelte sie. In ihren Stöckelschuhen trippelte sie ihm hinterher und ließ den Blick schweifen. Kein Platz mehr frei, an dem sie sich niederlassen und Francesco beobachten konnte. Gut, dann musste eine Bar herhalten. Sie konnte ihn auch später wieder aufsuchen.
Als Francesco den Servierraum betrat, glitt sein Blick fast schon suchend umher. Ja, da saß sie. In einem hübschen, weißen Kleid mit schwarzen Punkten. Ihre offenen Haare bedeckten ihr Dekolleté, um nicht zu viel von sich zu zeigen.
Arianas Gesicht zeigte allerdings keine Begeisterung, sondern eher Trotz angesichts ihrer Begleitung. Gerade war Juler dabei, sie davon zu überzeugen, einen Wein zu nehmen. Vielleicht wollte er sie auch betrunken machen, dass sie eher nachgab.
Er würde nicht zulassen, dass dieser schmierige Kerl sich Ariana näherte. Brodelnde Wut kochte in ihm und er versuchte es hartnäckig niederzukämpfen, als er dem Tisch näher kam und Arianas Begleitung reden hörte.
„Ich kann dir nur sagen, Schätzchen, Rot wäre die geeignete Wahl."
Und da Francesco genau vernahm, über was dieser Juler redete, konnte er sich passend einmischen, wenn sie zuerst mal bestellen.
Direkt vor dem Tisch blieb er stehen.
„Ich wünsche Ihnen beiden einen guten Abend. Francesco Morel, der Besitzers dieses Ladens", stellte er sich höflich vor.
„Nenn mich nicht Schätzchen", fuhr Ariana Juler leise an, verstummte dann aber und blinzelte, als sie Francesco erkannte. „Das darf nicht wahr sein!", stöhnte sie und verdrehte die Augen. Ihre gute Laune, die sie dank der ominösen Überraschung gehabt hatte, war verschwunden. Jeden Abend hatte sie auf der Staffelei mehrere Bilder auf der Leinwand zu Stande gebracht und war dadurch viel ruhiger geworden.
Jetzt wurde sie allerdings wieder in die Wirklichkeit katapultiert. Ausgerechnet hier. In Francescos Restaurant. Etwas Besseres hatte sich Juler nicht einfallen lassen können, oder? Jetzt musste sie auch noch ungewollt mit zwei Männern einen Abend verbringen. Wenn auch in verschiedener Weise. Hatte sie Drogen geschluckt oder warum verfolgte sie das Pech?
„Oh", spielte Francesco den überraschten. „Wie schön, Sie wiederzusehen, Mademoiselle Ariana."
„Moment mal", unterbrach Juler ihn, „kennt ihr euch?" Der Ex sah sie misstrauisch an.
Die Freude war nicht ihrerseits, doch das behielt Ariana im Moment lieber für sich. Schlimm genug, dass ausgerechnet er bedienen würde. „Mehr oder weniger", murmelte die Blonde und seufzte. „Und selbst wenn: Es geht dich nichts an, Juler. Es ist mein Leben, nicht deines. Akzeptiere es endlich", sagte sie ernst, bevor sie Francesco einen Blick zuwarf und ihn bat, ihr eine ganze Flasche von irgendeinem Wein zu bringen. Im Moment war ihr die Marke egal, Hauptsache, sie konnte sich antrinken, um den Abend zu überstehen, da sie wusste, dass Juler sie nicht so einfach gehen ließ.
Irgendein Wein, dachte Francesco und fragte die beiden nochmal nach, ob sie schon bestellt hatten.
Juler hob die Hand und deutete Ariana, dass sie anfangen konnte. Zumindest ein bisschen Benehmen besaß er, um eine Frau zuerst bestellen zu lassen.
Ausgiebig betrachtete er sie. Von Nahen und in dem Kleid sah so bezaubernd aus, so unschuldig und zugleich hatte sie was verruchtes, was Francesco schlucken ließ.
Das würde schwer werden heut Nacht, das spürte er.
„Irgendeinen Wein und ...", begann sie und überflog eilig die Speisekarte. Der Hunger war ihr völlig vergangen, denn in ihrem Magen staute sich geballte Wut. Dieser Abend war die reinste Katastrophe.
Es dauerte einige Sekunden, bis ihr verschwommener Blick wieder scharf wurde und sie die Buchstaben erkennen konnte. Eins musste sie zugeben: Francesco hatte eine gute, elegante Auswahl an italienischen Gerichten. Also musste er Italiener sein. „Tagliatelle mit Pancetta, Lauch und Tomaten", entschied sie sich schließlich.
Sein Lächeln war professionell und doch warm. „Eine vorzügliche Wahl, dazu passt nur unser ganz besonderer Wein." Er sah dann zu Juler, der auch seine Bestellung gab. Der Kerl nahm die hausgemachte Lasagne.
„Ich werde es weitergeben. Habt einen schönen Abend."
Dann entfernte er sich und bemerkte die Blicke hinter sich, doch konnte er nicht sagen, ob die von Ariana, Juler oder Verona kam.
Aber egal, von wem es war, der war feurig und sprühten vor unterdrückter Wut.
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