Darf ich das Haus verlassen?
Vom Klappern der Tür geweckt blinzelte ich und drehte meine Ohren, um herauszufinden, woher das Geräusch kam. Das Rascheln von Stoff klang in meinen Ohren und ich musste gähnen. Müde und dösig drehte ich mich zur Geräuschquelle um. Eine Frau stand vor meinem Schrank und füllte ihm auf. Er war schon fast voll und ich wunderte mich, wozu ich so viel Kleidung brauchte. Still schaute ich ihr zu, wie sie Kleider an Kleiderbügel hängte.
„Ob ich mich bemerkbar machen soll?", fragte ich mich. Ich beschloss, mich aufzusetzen. „Wie sollte ich sie ansprechen? Im Haus meiner Herrin durfte ich mit den Dienstboten überhaupt nicht sprechen. Widerwillig erhob ich mich aus dem Bett, ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Laut der Uhr an meiner Zimmerwand war es schon nach vier. Ich lief auf die Frau zu immer noch unschlüssig, was ich tun sollte. Diese hatte mich inzwischen bemerkt und drehte sich zu mir um. Ihr Gesicht sah streng aus aber ihre Augen freundlich. Sie spiegelten den Blick nicht wieder. Ich neigte den Kopf zum Gruß.
Dafür erntete ich einen verwunderten Blick. Mir wurde die Hand hingehalten. „Ich bin Tatjana. Ich kümmere mich mit Farbian um die Wäsche im Haus", stellte sie sich vor. Zögerlich griff ich ihre Hand. „Ich bin Shiro", da ich keine Aufgaben hier im Haus hatte, bis jetzt, nannte ich ihr einfach nur meinen Namen. Meine Ohren machten offensichtlich, was ich war.
„Der Herzog hat dir neue Kleidung gekauft. Ich soll dir ausrichten, dass du dich so Kleiden darfst wie du möchtest", erklärte sie und ihr Blick wurde weicher. Tatjana machte mir Platz und ich sah auf die verschieden Sachen und wunderte mich. „Hosen?", fragte ich nach und zog eine aus dem Stapel. „Ja natürlich warum nicht?", fragte sie mich. „Ich durfte nie Hosen tragen", erklärte ich und strich über den blauen Stoff. Fest und etwas rau war er. Ich blickte Tatjana an und Erkenntnis zeichnete ihren Blick. „Ja natürlich", murmelte sie und blickte auf die Kleider. Ihr war wohl bewusst geworden, was mein Platz in dieser Welt war. „Ich lass dich jetzt allein", meinte sie betroffen. Etwas in mir wollte sie aufhalten, als sie das Zimmer durchquerten doch dazu hatte ich kein Recht. Die Tür fiel ins Schloss und ich war wieder allein.
Unschlüssig stand ich nun vor den Berg an Anziehsachen. Wie er wohl reagieren würde, wenn ich wirklich eine Hose trug? Ich zog sie an und das Gefühl war wirklich ungewohnt. Es brauchte eine Weile, bis ich meinen Schwanz durch die Öffnung bekam, er war einfach zu buschig. Ich schloss den Knopf und zog mir das Hemd über den Kopf. Zögerlich trat ich vor den Spiegel. Sie saß gut und engte mich nicht ein. Ich lief im Zimmer herum, um mich um mich an das Gefühl zu gewöhnen. So ganz anders als Strumpfhosen. Ich zog den BH wieder an und grübelte: „Was soll ich noch anziehen?" Ich hatte keinerlei Ahnung, so zog ich einfach den ersten Pullover vom Stapel. Der hellblaue Stoff war dünn und weich. Als ich ihn über den Kopf zog nahm ich wieder diesen feinen Rosenduft war. „Ob er die Wäsche mit Rosen waschen ließ?", fragte ich mich.
Ich blickte mich ratlos im Zimmer. „Darf ich einfach so mein Zimmer verlassen?", fragte ich mich und blickte zur Tür. Kurzerhand öffnete ich die Tür ganz weit und blickte in den Flur. Im Haus herrschte ein Grundbrummen, immer wieder konnte ich Gesprächsfetzen auffangen. Von unten aus der Küche drangen Kochanweisungen. In einem Gästezimmer plauderten zwei Mädchen über belangloses.
Ich drehte meine Ohren zu den Zimmern des Herrn. „Ja ich habe sie aufgefunden, sie war in einer schrecklichen Verfassung. Es ist mir egal, ob sie sich selbst in diese Lage gebracht hat. Shiro bleibt hier!", er war laut geworden. Leise schlich ich mich zur Zimmertür, aus dem die Geräusche kamen. „Sie als der Erbe der Dame hätten sie auffangen müssen da Sie das nicht getan haben und auch keine Suchanzeige aufgegeben haben ist ihr Anspruch auf sie verwirkt", ein böswilliges Lachen. „Sie drohen mir mit einem Anwalt nah dann tun Sie das. Denken Sie wirklich Erfolg damit zu haben? Ich werde Shiro nicht wieder rausgeben zumal die Besitztbertragung schon eingereicht wurde, gestern als ich sie fand. Da noch Widerspruch einzulegen ist schier unmöglich", seine Stimme hatte einen bedrohlichen Ton angenommen. Ich wollte grade klopfen, da sprach er weiter ohne einen Funken Freundlichkeit. „Sollten sie auch nur einen Fuß auf mein Grundstück setzten werden Sie es bitter bereuen", dann war es still. Ich hob die Hand zum Klopfen, doch stieß ich gegen etwas Weiches. Ich machte einen Satz zurück vor Schreck.
„Entschuldigen Sie ich wollte gerade klopfen", sprach ich und senkte den Blick auch, um sein zorniges Gesicht nicht ansehen zu müssen. Michael legte eine Hand zwischen meine Ohren und streichelte mich. „Einer der Verwandten deiner Herrin hat sich gemeldeten. Eine sehr unangenehme Person aber ich habe keinerlei Befürchtungen, dass er Erfolg hat mit seiner Klage", erklärte er mir und ließ mich los. Für einen kurzen Moment wünschte ich, er hätte nicht aufgehört, mir über den Kopf zu streicheln. „Ich sehe du hast deine neuen Sachen erhalten. Fühle dich frei zu tragen was dir beliebt. Mir steht es fern dir irgendetwas vorzuschreiben", murmelte er und trat aus dem Zimmer. „Mir nichts vorschreiben? Aber ich bin doch sein Eigentum. Er hatte das recht dazu", grübelte ich. Fragend legte ich den Kopf schief und runzelte die Stirn. „Betrachte dich einfach als normaler Bewohner dieses Hauses. Nur das du mit mir esst", erklärte er mir und wieder verwunderten mich seine Worte. „Was meinte er mit normaler Bewohner?", fragte ich mich. „Ich versteh nicht Herr. Was meint Ihr mit „normal"? Normal für mich, normal für ein Dienstmädchen?", fragte ich nach und blickte meinem neuen Herrn ins Gesicht. Dieser zog die Stirn in Falten und drehte seine Uhr am Handgelenk. „Als wärst du ein Mensch und mein Gast", sagte er schließlich und lächelte.
„Ich wollte spazieren gehen, möchtest du mich begleiten?", bat er mich und wechselte damit das Thema. Gern nahm ich sein Angebot an. Blickte dann aber auf meine nackten Füße. Die Schuhe, die ich gestern noch getragen hatte, waren durchgelaufen und kaputt. „Unten neben der Tür stehen Schuhe für dich", beantworte er mir meine aufkommende Frage. Gemeinsam liefen wir die große Treppe hinunter und durch die Eingangshalle. Tatsächlich standen auf einem kleinen Regal mehrere Damenschuhe.
Ich schlüpfte einfach in ein paar Schuhe hinein. Herr Hertzen trug noch immer seine Lederschuhe. „Du darfst dich auf dem ganzen Gelände hier frei bewegen, nur verlassen darfst du es nur in Begleitung", wies er mich an. Diese Regel war mir nicht neu. „Verstanden Sir", bestätigte ich und trat mit ihm raus in den Garten. Er schritt einfach drauf los anscheinend wirklich ohne Ziel. Die Wege waren mit weißen Steinen, angelegt worden. Sie knirschten unter unseren Schuhen. Der Rasen war gleichmäßig gestutzt und ohne Lücken, auch die großen Formschnitten an denen wir vorbeiliefen, waren makellos. Wir liefen um das Haus und ein Summen ertönte und wurde immer lauter. In der Ferne waren bunte Farbkleckse zu erkennen. Inter dem großen Herrenhaus erstreckte sich ein Blumengarten. Meine Augen weiteten sich und ich atmete tief den Geruch der Blumen ein. Ein großer Rosenbogen bildete den Eingang, die großen gelben Blüten harmonierten wundervoll mit dem Lavendel, der um den Bogen wuchs. Hummeln schwirren emsig um mit den Bienen um die Wette um Nektar und und Pollen zusammen. Ich trat näher und schnupperte an den Rosen , sie rochen fruchtig ein wenig nach Apfel. Michael beachtete die Rosen nicht und lief durch den Bogen. Ich blickte auf und stellte mich neben ihm, um ihn zu betrachten. Sein Blick schien abwesend. „Meine Mutter hatte dieses Garten angelegt", sprach er plötzlich. Er nahm meine Hand und führte mich durch die Beete. Jedes der herzförmigen Beete zeigte ein anders Bild. „Sie liebte es Farben zu mischen. Du wirst nicht ein einfarbiges Feld finden", erzählte er und blieb vor einem blaugelben Herz stehen. „Wer kümmert sich um die vielen Blumen?", fragte ich und sah mich um.
„Ein Gärtnerpaar pflegt die Beete. Sie haben schon hier gearbeitet als ich klein war inzwischen helfen ihre Söhne mit", erzählte er. Irgendwie wirkte er bedrückt. „In der Mitte gibt es einen Pavillon wenn du magst können wir dort Tee trinken", bot er an und wechselte wieder das Thema. Michael deutete auf ein weißes Gebilde am anderen Ende, des Gartens. „Sir euch erfreuen die Blumen gar nicht, ihr wirkt so betrübt", stellte ich fest und ließ seine Hand los. Der Weg führte weiter zu orangenen und lila blühenden Pflanzen. Die Köpfe der Ringelblumen wuchsen zwischen dem Klee und die großen Anemonen wogen im Wind. Alles wirkte so friedlich. Ein Zitronenfalter landete auf dem Sommerflieder, der den größten Platz einnahm. „Alles erinnert mich an sie. Der Garten war ihr Lebensinhalt. Ein Geschenk meines Vaters. Hier war vorher eine Koppel für die Pferde. Er hat die Pferde wo anders untergebracht und sie hat dann hier den Garten angelegt. Als sie von uns ging, hat Vater den Anblick nicht mehr ertragen und überließ mir das Haus und den Garten", erklärte er mir und blickte in den blauen Himmel. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte also schwiegen wir beide. Ich hatte meine Eltern das letzte Mal mit 5 Jahren gesehen. Das Gebilde nahm inzwischen Gestalt an. „Wundervoll", hauchte ich und trat an den Pavillon vier Rosen, wuchsen die Ecken hoch und trafen sich auf dem spitzen Dach in der Mitte. Michael strich über den Kopf einer lilanen Rose. „Ich war ewig nicht hier, aber mir schien es falsch dir den Garten vorzuenthalten", sagte er, schaute jedoch immer noch die Blüte an. „Danke das Ihr mir erlaubt hier zu sein Sir", ich meinte es auch so, ich war wirklich dankbar hier zu sein. „Im Haus meiner Herrin war der Garten tabu für mich", erklärte ich und schritt unter das Dach.
Ein Tisch und Stühle, die aus metallenen Ranken bestanden. Ich blieb unbeholfen neben dem Stuhl stehen. „Wieso durftest du nicht in den Garten?", fragte er und nahm Platz. „Sie befürchtete einen Diebstahl. Der Garten hatte nur einen kleinen Zaun", erklärte ich. „Du meinst sie hatte Angst das du entführt wirst?", harkte er nach. „Dinge werden gestohlen, Menschen werden entführt", antwortete ich. „Für mich bist du kein Ding", seine Stimme klang ernst. „Danke Euch das ist sehr nett", meinte ich. „Auch wenn jeder andere das anders sieht, als Ihr", fügte ich hinzu. Jemand brachte uns Tee und Kuchen. „Magst du mir ein bisschen was von dir erzählen?", fragte er mich und schenkte uns Tee ein. „Ich komme aus einem Zuchthaus. Mit sechs Jahre kam ich dann in die Dienstmädchenausbildung. Mit 16 kaufte mich meine Herrin als Dienstmädchen und zur Gesellschaft. Wie Ihr wisst, war ich dann 6 Jahre bei ihr. Ich habe ihr oft vorgelesen, musiziert und den anderen Dienstboten geholfen", gab ich ihm meinem Lebenslauf wieder. „Welche Instrumente spielst du?", fragte er. „Klavier und Geige Sir", erzählte ich und war stolz darauf. Michael nickte beeindruckt. „Ich spiele selbst Klavier", erzählte er mir. Ich nahm einen Schluck Tee und stellte mir vor, wie wir beide Klavier spielen. Herr Hertzen nahm sich einen der Kekse und meinte: „Und kein anderer der Verwandten wollte dich haben?" „Ihre Söhne brauchen kein Dienstmädchen, sie sind verheiratet und hatten na ja, ich glaube die Ehefrauen hätten etwas dagegen gehabt. Die Enkel sind zu jung für die war ich wohl ebenfalls uninteressant", erklärte ich ihm und nahm noch einen Schluck Früchtetee. „Ich versteh schon", meinte er und nahm sich ein Stück Kuchen. „Bedien dich", meinte er und fing an zu essen.
Zunächst aßen wir schweigend. Er wirkte nachdenklich und stocherte länger als nötig im Kuchen herum. „Sir was beschäftigt Sie?", mir wurde zwar beigebrach nie ohne Erlaubnis zu sprechen, aber Marcel schien darauf keinen Wert zulegen. „Ich denke darüber nach, wieso man sich erst nicht für dich interessiert und mir jetzt mit Anwälten droht", antwortete er und schob seinen leeren Teller von sich. „Vielleicht wollen sie mich weiterverkaufen", überlegte ich laut und stellte meinen leeren Teller auf seinen.
„Oder vermieten", meinte er bitter und stand auf. „Wenn du bei mir bleiben willst werde ich alles dafür tun, dass du das darfst", meinte er ernst und trat durch den Bogen. „Möchte ich hier bleiben?", fragte ich mich selbst und trat zu ihm. Wir liefen weiter durch den Blumengarten und ließen das Thema fallen. „Morgen werde ich im Büro sein. Man wird sich um dich kümmern mach dir also keine Gedanken", sagte er schließlich, als wir an einem weißgelben Beete standen. „Was soll ich morgen tun?", fragte ich ihn und kniete mich hin und steckte meine Nase in eine der Blüten. „Sollen gar nichts. Wie gesagt du bist mein Gast. Bis das alles geklärt ist mit deinem Aufenthalt", meinte er und schob seine Hände halb in die Taschen seiner Jeans. „Gast bis ich zu Ihrem Besitz werde", fasste ich zusammen und stand auf.
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