Kapitel 2 - Das Hexenwerk - Teil 1
hatte nicht den Hauch eines Zweifels, dass Cade ihnen entkommen würde. Er war mit allen Wassern gewaschen. Ein Überlebenskünstler. Ganz egal, wie verzwickt die Lage aussehen mochte, er fand immer einen Weg hinaus, denn er war schnell und stark und gesund. Das Problem war ich. Das Problem war immer ich.
Mit tanzenden Punkten vor den Augen richtete ich mich auf und hielt mir japsend die Seite, als sich ein scharfer Schmerz durch meine Rippen biss. Dennoch konnte ich nicht länger hierbleiben. Wenn ich nicht aufstand und fortlief, würden sie mich kriegen. Ich musste zu meinem Onkel...
Nein, das darf ich nicht. Ich kann nicht zu ihm, denn wenn die Blassen mir folgen, dann bringe ich dadurch auch den Rest des Trupps in Schwierigkeiten!
Ich würde mich fürs Erste verstecken müssen und mich später auf die Suche nach Cade machen. Er wüsste sicher, was zu tun war. Wahrscheinlich hatte er sich schon zig Pläne ausgedacht, wie wir aus dem Schlamassel wieder herauskamen. Ich durfte mich eben nur nicht von den Blassen erwischen lassen.
Also humpelte ich los.
Jede Bewegung war eine Höllenqual, aber ich biss die Zähne zusammen und zwang mich einen Schritt vor den anderen zu setzen.
Gerade wollte ich in eine der Gassen abtauchen, da stieß ich mit einem Mann zusammen. Er trug die rote Uniform der Stadtwache. Hinter ihm standen noch zwei Männer in der gleichen Kleidung. Sie hatten sogar den gleichen Schnurrbart und die gleiche argwöhnische Miene wie der Erste.
Dann nahmen die schwarzen Punkte zu, bis sie mein Sichtfeld fast vollständig ausfüllten und als die Wache nach mir greifen wollte, torkelte ich bei dem Versuch, ihm auszuweichen, zur Seite und knallte dabei mit dem Oberkörper gegen eine Mauer. Die Luft wurde mir aus den Lungen gepresst und ich ließ mich mit einem leisen Stöhnen auf den Boden sinken.
Meine Lider flatterten zu.
»Wieder so ein Schleicherbastard.« Jemand rüttelte mich an der Schulter. »He, Ratte. Vor wem bist du weggerannt?«
»Danke, Hauptmann«, hörte ich eine leicht außer Atem klingende Stimme rufen. »Der Bastard ist bei uns eingebrochen. Er hatte einen Komplizen, aber der ist uns entwischt.«
In weiter Ferne ertönte das Horn der Stadtwache.
»Meine Männer werden ihn sicher finden«, sagte der Hauptmann zuversichtlich und begann, mich abzutasten. Ich riss die Augen auf und schrie. Seine Berührungen waren so grob, dass mir kalter Schweiß auf dem Rücken klebte, als er endlich von mir abließ. »Was den hier angeht, so hat er nur das hier.«
Er hielt mein Filztäschchen hoch und öffnete es, um den beiden Inquisitorenjungen die Karten darin zu zeigen. Meine Augen hafteten darauf und ich versuchte, meinen Körper dazu zu überreden, aufzustehen, um es ihm aus der Hand zu reißen, doch das musste ich glücklicherweise nicht. Als die Inquisitoren kein Interesse an meinem Kartendeck kundtaten, warf er es achtlos neben mich. Mit letzter Kraft griff ich danach und steckte es zurück in meine Manteltasche.
»Der macht eh nicht mehr lange mit«, sagte der Hauptmann. »Lasst ihn einfach liegen, wenn ihr ihn nicht in ein Heilerhaus bringen wollt. Meine Männer und ich haben nichts gesehen.«
Er marschierte mit seinem Gefolge von dannen und die Inquisitoren blieben ratlos stehen.
»Und jetzt?«
»Keine Ahnung.«
»Sollen wir ihn zu den Heilern bringen?«
»Zu teuer.«
»Willst du ihn etwa hier liegen lassen?«
Der Dicke sah mich abwägend an und zuckte dann die Schultern »Fragen wir Lysann, was sie mit ihm tun will. Sie hat's uns immerhin eingebrockt.«
Die beiden ließen mich allein in der Gasse zurück.
Ich konnte mich nicht mehr bewegen. Ein metallischer Geschmack füllte meinen Mund und bei jedem Atemzug, den ich tat, fühlte es sich an, als ob etwas in mir zu zerplatzen drohte. Bibbernd gab ich mich schließlich der Erschöpfung hin und schloss die Augen. Mir war so entsetzlich kalt.
Schritte.
Von irgendwoher näherten sich Schritte. Konnte das etwa Cade sein?
Langsam öffnete ich meine verklebten Augen und hob den Kopf. Verwirrt stellte ich fest, dass es bereits zu dämmern begonnen hatte.
Die Schritte wurden lauter und ein wachsendes Fackellicht vertrieb die Schatten um mich herum.
»Cade?«, krächzte ich.
Doch es war nicht Cade, der sich mir näherte, sondern ein Blasser. Seine Augen bohrten sich hart und kalt wie Eiszapfen in meine, als er vor mir in die Hocke ging. Das weiße Haar fiel ihm glatt bis über die Schultern und sein klebrig süßes Parfüm brannte sich mir ätzend in die Atemwege. Um seine linke Schläfe zog sich eine feuerrote Brandnarbe und ein großer Teil seines Ohres fehlte.
Ohne Vorwarnung ergriff er mich am Kiefer und drückte meinen Schädel gegen die Wand.
»Du und dein Komplize, ihr habt mich und meine Schüler bestohlen«, säuselte er mit einem breiten Lächeln, das seine Augen jedoch nicht erreichte. »Glaub bloß nicht, dass ich dich sterben lasse, bevor wir alles zurückhaben, was uns gehört.« Er drehte sich um und rief zu irgendwem: »Bringt den Bastard in ein Heilerhaus.«
Nein! Keine Magie! Alles, nur das nicht!
Ich öffnete den Mund, doch statt Lauten gurgelte nur eine warme Flüssigkeit aus meinem Mund, die langsam mein Kinn hinabtropfte.
An diesem Punkt verschwammen meine Sinne für eine Weile. Wie im Nebel nahm ich wahr, wie jemand mich hochhob. Etwas später schleiften meine Füße über den Boden und ich grunzte vor Schmerzen, bis man mich endlich auf einer weichen Unterlage ablegte. Dann wurde es warm um mich und jemand wischte mir Blut und Schweiß vom Gesicht. Eine hitzige Diskussion brach aus, aber ich war zu erschöpft, um ihr zu folgen. Als ich meine Augen das nächste Mal öffnete, lag ich auf der Seite. Vor mir wölbte sich der scharlachrote Stoff eines Vorhanges. Ein Stück weiter hinten brannte ein kleines Kaminfeuer. Es roch angenehm nach Thymian.
Ich war kurz davor, wieder in einen Halbschlaf abzudriften, als ich unvermittelt auf den Rücken gedreht wurde und etwas Warmes auf der Stirn fühlte.
Eine Hand?
Doch die Wärme nahm zu, bis sie einer sengenden Hitze wich, die von meinem Kopf bis hinab in meine Beine strömte. Ich wollte mich wehren, allerdings war ich so geschwächt, dass mir nicht einmal mehr meine Stimme gehorchte. Ich lag bloß hilflos da, während dieser Feuersturm durch mich toste und gerade, als ich glaubte, den Verstand verlieren zu müssen, erbebte etwas in mir. Für den Bruchteil einer Sekunde war mir, als dröhnte ein gepeinigtes Brüllen durch meinen Geist.
Die Hand wurde jäh zurückgezogen und mit ihr schwand die Hitze. Süße Erleichterung.
»Bei den Göttern!«, stieß eine schrille Stimme hervor.
»Was ist los?«, fragte ein zweite, tiefe Stimme alarmiert.
»Er hat es gespürt!«
»Was?! Wie kann das sein?«
»Er besitzt sie, Lucard! Um Himmels willen, er besitzt sie!«
»Du willst sagen er ist ein...?«
»Nein. Sie schlummert noch, doch sie ist eindeutig da.«
»Aber er ist ein Schleicher. Wer würde denn...?«
Die Antwort kam leise, fast wie ein Hauch. »Quintes.«
»Nein. Nein, das kann unmöglich sein. Du musst dich irren.«
Abermals legte sich etwas auf meine Stirn und mich erfasste nochmals der gleiche entsetzliche Schmerz, bis der Druck allmählich verschwand.
»Die Götter seien uns gnädig.«
~
Mein Kopf brummte. Nur langsam kehrten meine Erinnerungen zurück und als ich die Blassen neben mir bemerkte, fuhr ich zusammen und strampelte mich von der Decke frei. Keuchend drückte ich mich von ihnen weg, wobei ich mich mit dem Rücken gegen das Kopfende des Himmelbettes presste. Dabei nahm ich überrascht zur Kenntnis, dass mir nichts mehr wehtat. Rein gar nichts. Und noch etwas war anders. Mein Brustkorb fühlte sich seltsam leicht an.
»Ruhig«, sagte die Blasse und hob beschwichtigend die Hände, während eine Furcht in ihren Augen flackerte, die ich nicht verstand. »Wir sind nur Heiler. Bitte bleibe ganz ruhig.«
Mein Blick glitt an den Blassen vorbei, den Raum nach einer Fluchtmöglichkeit absuchend. Hinter ihnen entdeckte ich eine geschlossene Tür, außerdem befand sich gegenüber des Bettes ein kleines, quadratisches Fenster, das einen Spalt breit offen stand. Warmes Sonnenlicht fiel von dort auf den Dielenboden.
Der Blasse hatte mein Spähen offensichtlich bemerkt, denn er stellte sich nun so hin, dass mir auch der Weg zum Fenster abgeschnitten war.
»Mein Name ist Elodie«, sagte die Blasse. »Das ist mein Mann Lucard. Wie heißt du?«
Ich antwortete ihr nicht, sondern schwang meine Beine über die Bettkante und stand auf. Mir wurde gerade noch bewusst, dass ich anstatt meiner Kleidung eine einfache weiße Tunika und eine Leinenhose trug, ehe ein jäher Schwindel mich zurück auf das Bett zwang.
»Du wirst noch eine Weile erschöpft sein«, erklärte Elodie. »Wir haben eine Tiefenheilung bei dir vornehmen müssen. Die wird deinem Körper viel Energie abgerungen haben.«
»Ihr habt mich mit Magie geheilt?«, krächzte ich.
Lucard atmete tief ein. »Elodie, wir haben dafür jetzt keine Zeit. Der Tribut des Gesetzsteines könnte jederzeit gefordert werden.«
Elodie nickte. »Du hast recht. Bitte setze im Namen unserer gesamten Belegschaft ein Eilschreiben an den König auf und händige es einem Boten aus. Vergiss nicht, den Namen des Baronenhauses zu notieren. Erst wenn du das getan hast, darfst du Senge über seinen Zustand informieren.«
Lucard eilte aus dem Raum. Nun sah die Heilerin mich wieder an. Sie lächelte, aber es war ein nervöses, unsicheres Lächeln. »Also, wie heißt du?«
Als ich schwieg, sagte sie: »Ja, wir haben dich mit Magie geheilt. Es war die einzige Möglichkeit, die uns blieb, um dich schnell genug gesunden zu lassen, bevor du deinen inneren Verletzungen erlegen wärest. Du hast Glück, großes Glück, dass du auf der anderen Seite der Grenze geboren wurdest, sonst hättest du die Nacht vermutlich nicht überlebt. Auch dein Herz haben wir bei der Gelegenheit heilen können.«
Beim Blute der Götter, sie haben es wirklich getan!
Ich schlug mir die Hände vors Gesicht. Zwar hatte ich mir immer gewünscht, gesund zu sein wie Cade, doch nun, da ich es war, war ich voller Sorge. Immerhin war ich mittellos und so ein Unterfangen war sicher ein Vermögen wert. Außerdem würde Zuhause die Hölle los sein, wenn Großvater erfuhr, dass man mich mit Magie berührt hatte. »Ich habe kein Geld. Ich kann Euch nicht bezahlen.«
»Mach dir darüber keine Gedanken. Leg dich hin und versuche, dich zu entspannen.«
»Wo sind meine Sachen?«, murmelte ich, während ich zurück aufs Laken sank. Ich war so müde, ich konnte meine Augen kaum offenhalten.
»In der Truhe am Fußende deines Bettes«, sagte die Heilerin. »Schlafe etwas. Lucard kommt nachher zurück, um dir einen Tee zu bringen.«
Ich döste tatsächlich ein und wachte erst wieder auf, als Lucard mich antippte. Seine Haare waren ganz zerzaust und als er mir den Tee reichte, zitterten seine Hände. Ich hatte schrecklichen Durst und nahm die Tasse gierig entgegen. Das Gebräu schmeckte widerlich bitter und erinnerte mich an den Geruch von Nachtkreuz, den ich nur deshalb kannte, weil ich Cade ein paar Mal dabei erwischt hatte, wie er die Droge heimlich geraucht hatte. Die Wärme des Tees aber tat gut. Nachdem ich ihn ausgetrunken hatte, nahm Lucard mir die Tasse ab und stellte sie auf den Nachttisch. Er wirkte ruhiger, verspannte sich aber gleich wieder, als vom Flur her zwei Stimmen an unsere Ohren drangen.
»Ja, Inquisitorenmeister Senge«, sagte Elodie. »Was mein Mann Euch erzählte, ist wahr.«
»Und er ist wirklich in der Steppe geboren worden?«
»Sonst hätten wir ihn nicht so schnell und gründlich heilen können.«
»Wundervoll.«
Die Tür schwang auf und der Inquisitor mit der Brandnarbe betrat das Zimmer, gefolgt von einer unglücklich dreinblickenden Elodie.
Er verzog sein Gesicht zu einem Lächeln und kam auf mich zu, doch Elodie hielt ihn zurück. »Ich möchte noch einmal betonen, dass er, solange er sich in unserer Obhut befindet, keiner Inquisition ausgesetzt wird.«
Senge blickte sie unterkühlt an. »Er hat mich bestohlen. Ich habe ihn nur deshalb hergebracht, damit ich in Erfahrung bringen kann, wo wir seinen Komplizen finden.«
»Gewöhnliche Befragungen sind Euch erlaubt«, sagte Elodie. »Allerdings nur in Anwesenheit einer unserer Heiler.«
Senges Wangen färbten sich rot. »Er ist ein Halbblut. Damit fällt er in meinen Aufgabenbereich. Ihr habt kein Recht, ihn mir vorzuenthalten.«
Hatte er gerade Halbblut gesagt?
»Wir haben bereits den König informiert«, sagte Elodie ruhig. »Und bis wir etwas Anderweitiges von ihm hören, werden wir den Jungen wie jeden anderen Patienten behandeln.«
»Wie jeden anderen Patienten?«, zischte Senge. »Seine Magie könnte erwachen! Er könnte ein Halbblut-Ungeheuer sein und wenn dem so ist, dann sind Eure echten Patienten hier in Gefahr! Wir sollten ihn ins Verlies bringen, wo wir ihn besser überwachen und verhören können.«
Magie? Halbblut-Ungeheuer? Was ging hier vor sich?
»Was ich meinen Patienten zumuten kann und was nicht, ist meine Entscheidung. Und was Eure Sorge davor angeht, dass er ein Ungeheuer ist, so möchte ich Euch ins Gedächtnis rufen, dass Inquisitionen an Minderjährigen genau aus diesem Grund verboten sind. Den Schaden, den ihr Inquisitoren mit Eurer Magie an Reinblütern anrichten könnt, ist bereits unvertretbar, aber wenn ihr ein Halbblut quält, könntet ihr es dadurch erst zu einem Ungeheuer machen. Das kann ich nicht erlauben.«
»Wir müssen herausfinden, welcher Magier ihn gezeugt hat und ihn zur Rechenschaft ziehen«, knurrte Senge. »Das ist unsere Pflicht!«
Elodie zögerte kurz. »Ich weiß, wer sein Vater ist, denn ich habe einst für seine Familie gearbeitet, bis meine Nichte Haven mich abgelöst hat, damit ich dieses Heilerhaus leiten kann. Die Magie des Jungen besitzt dieselbe Schwingung wie die seines Vaters. Auch diese Information haben wir im Schreiben an den König beigefügt.«
»Wer?«, fragte Senge.
»Valerius Quintes. Der Baron des fünften Distrikts.«
Der Inquisitor starrte sie an. »Ihr lügt.«
Ich konnte diesem Gespräch kaum folgen und das lag nicht nur an der Schläfrigkeit, die mich noch immer fest in ihren Klauen hatte. Nichts von dem, was ich hörte, ergab viel Sinn.
»Warum sollte ich das tun?«, fragte Elodie.
Bevor ich reagieren konnte, war Senge an Elodie und Lucard vorbeigetreten und schlug seine Hand auf meine Stirn.
Das Weiß seiner Augen färbte sich mit einem Mal schwarz wie Pech, während das Blau seiner Iriden heller zu leuchten schien. Ich hatte bisher nur davon gehört, dass sich die Augen der Blassen veränderten, wenn sie ihre Magie wirkten, es jedoch nie selbst aus nächster Nähe gesehen und deshalb lag ich einfach nur atemlos da, wie eine Maus hypnotisiert von einer Schlange.
Ein Blitz durchzuckte mich, fraß sich wild und unbändig durch meine Haut, ätzte sich Schicht um Schicht, Faser um Faser durch mich hindurch.
Ich wurde mir erst bewusst, dass ich schrie, als sich meine Kehle bereits ganz wund anfühlte und der Inquisitor seine Hand zurückzog. Entsetzt rutschte ich von ihm weg und tastete gleichzeitig nach meiner verbrannten Stirn.
Doch die Haut war glatt und kühl, unversehrt. Und auch der Schmerz klang langsam aus.
»Dunkles Haar, bräunliche Haut und natürlich die stechend grauen Augen. Er sieht aus wie jede andere Gossenratte, vielleicht sogar eher noch etwas kläglicher«, sagte Senge, der nachdenklich von mir wegtrat und sich mit dem Finger über seine Narbe fuhr. »Also gut. Ich werde Eurer Bitte nachgeben, Heilermeisterin. Wir werden das Halbblut hier festhalten, bis wir Kunde vom König erhalten. Im Gegenzug jedoch werdet Ihr den Flur räumen lassen, damit ich mit einigen meiner Schüler in die Nachbarräume einziehen kann.« Elodie wollte auffahren, doch Senge fuhr fort: »Zu seinem Schutz. Wir müssen nämlich sicherstellen, dass kein Wort über ihn nach draußen gelangt, sonst wird man das Halbblut lynchen. Nicht einmal der König würde ihn davor bewahren können.«
Ich keuchte auf. »Wovon redet Ihr da?!«
»Sorgt dafür, dass er nicht entkommen kann«, sagte der Inquisitor.
Lucard nickte. »Ich habe ihm Nachtkreuz verabreicht, um seine Magie zu betäuben, falls sie erwachen sollte, sowie ein Mittel, das seine Muskulatur schwächt.«
Ich starrte den Heiler an, doch er wich meinem Blick aus. Voller Unglauben stand ich auf. Ich kam zwei Schritte weit, ehe meine Knie nachgaben und Lucard mich auffing, um mich zurück aufs Bett zu drücken.
Nein, nein, nein... sie konnten mich doch nicht einfach gegen meinen Willen hier festhalten!
Ich schlug um mich. Zwecklos. Ich konnte meine Arme kaum heben.
Senge beobachtete mich amüsiert. »Fesselt ihn besser noch, denn wenn er Euch doch entwischen sollte, werde ich Euch und Euren Gatten für eure Fahrlässigkeit vor ein Tribunal beordern, Heilermeisterin.«
Elodie schluckte sichtlich und nickte Lucard zu. Sie fesselten meine Hände, aber ich bekam davon nicht mehr viel mit. Wegen der Drogen, die mir Lucard gegeben hatte, verbrachte ich die folgenden Stunden bis zum Morgengrauen in einem Dämmerzustand. Ich war weder wach noch schlief ich. Ich erinnere mich daran, dass Senge mit drei seiner Schüler zurückkehrte. Es waren die Inquisitorenjungen Eder und Percival sowie die junge Inquisitorin, die das Seil durchgeschnitten hatte. Sie warfen einen kurzen Blick auf mich, verschwanden dann aber wieder aus meinem Sichtfeld und hinterließen in mir bloß das mulmige Gefühl, beobachtet zu werden.
Als der Morgen den Himmel blutrot färbte und der Singsang einzelner Betrunkener dem Stimmengewirr einer ganzen Stadt wich, klärte sich mein Kopf allmählich und ich war wieder Herr meiner Sinne. Am Tisch ein paar Meter links vom Fußende meines Bettes saßen zwei der Inquisitoren und unterhielten sich leise. Die Inquisitorin und der Dicke. Mir war noch etwas schwindelig, als ich mich aufsetzte, den Rücken zu ihnen gedreht, und zum Fenster schielte.
Ich hatte keine Ahnung, in welchem Stock ich mich befand, doch vielleicht würde ich in der Lage sein, hinunterzuklettern. Oder zu springen. Allerdings musste ich die Fesseln loswerden, mit denen sie meine Hände verbunden hatten, sonst würde ich nicht weit kommen, bevor die Wachen mich wieder einfingen. Ich biss in das Leder und zerrte daran.
»He, Grauauge, lass das«, gebot die Frau. Ich hörte nicht auf sie, woraufhin sie seufzte. »Percival, mach du mal.«
»Aber gerne doch.« Der Dicke stampfte grinsend zu mir hinüber und baute sich vor mir auf. »Hör auf damit und leg dich wieder hin.«
»Verpiss dich, Fettsack«, spie ich, meine Zähne noch immer in das Leder vergraben.
Sein Grinsen erlosch. Er hob die Hand und bevor ich begriff, was er vorhatte, hatte er mich auch schon geohrfeigt. Es war weniger das Brennen und mehr das ohrenbetäubende Klatschen seiner Hand auf meiner Wange, das mich aufkeuchen ließ. Ohne mir Zeit zu geben, mich von seinem Schlag zu erholen, schubste er mich zurück aufs Bett. Ich starrte zu ihm hinauf, die Hände reflexartig an meine Wange gehoben. Kein Fremder hatte je Hand an mich gelegt!
Wutentbrannt zog ich meine Knie an und trat nach ihm, doch er sprang zurück und packte meine Knöchel. Während ich mich wand, um mich aus seinem Griff zu befreien, rief er der Frau zu: »Lysann, ich denke, wir können Inquisitorenmeister Senge holen. Der Bastard ist wach genug für eine Befragung.«
Percival ließ mich erst wieder los, als ich mich vollkommen verausgabt hatte. Seine Finger gruben sich in meinen Ellenbogen und er zog mich auf die Beine, um mich in Richtung des Tisches zu bugsieren. Ich wehrte mich kaum noch, denn Schwindel und Müdigkeit hatten mir eine bittere Übelkeit in den Mund getrieben. Alle meine Anstrengungen waren darauf fokussiert, mich nicht zu erbrechen. Percival drückte mich auf einen der Stühle, seine Hände auf meine Schultern gepresst. Wir mussten nicht lange warten, bis Senge den Raum betrat und sich in den Stuhl neben mir setzte, die Beine überschlagen.
»Wo ist Elodie?«, nuschelte ich.
»Beschäftigt«, sagte der Inquisitor. »Lysann, geh vor die Tür und klopf drei Mal, wenn ein Heiler kommt.«
Die Inquisitorin warf mir noch einen letzten abfälligen Blick zu, bevor sie aus dem Raum verschwand. Senge hatte unterdessen etwas aus seiner Hosentasche hervorgekramt und knallte es nun vor mir auf den Tisch. Es war ein roter, klobiger Edelstein. Ein mir unbekanntes Zeichen war in ihn hineingeritzt.
»Weißt du, was das ist?«, fragte der Inquisitor und schob es näher zu mir. »Das ist ein Talisman.«
Mit großen Augen sah ich ihn an und presste mich gegen die Stuhllehne. Hexenwerk!
Senge lächelte. »Schließ deine Finger schön fest darum, während ich dir ein paar Fragen stelle.«
Ich schüttelte den Kopf. »So etwas fasse ich nicht an.«
»Bist du dir sicher? Vergiss nicht, dein Komplize hat mich bestohlen, also könnte ich ihn dafür auspeitschen lassen, sobald wir ihn haben. Und fangen werden wir ihn so oder so, mach dir da mal keine falschen Hoffnungen.«
Auspeitschen?! Sie wollten Cade auspeitschen? Erschrocken schlug ich die Augen nieder, machte aber trotzdem keine Anstalten, nach dem Talisman zu greifen.
Senge beugte sich vor. »Ich könnte ihm aber genauso gut eine Hand abschneiden. Oder einen ganzen Arm. Die Wachen wird das nicht interessieren, weil er bloß ein Bastard ist. Es liegt also ganz bei dir.«
***
Und bei euch was das Voten angeht 😂🤩
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