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TEIL 1 - GLYPHEN

Die ersten Sonnenstrahlen färben den Horizont bereits rot, doch in der kalidurischen Zitadelle herrscht noch immer eine schläfrige Stille.

Die Mediziner und Heiler, die die Nachtschicht bestritten haben, warten in den ihnen zugeteilten Stationen erschöpft auf ihre Ablösung, während der Großteil ihrer Patienten friedvoll schlummert. Nur wenige Frühaufsteher wandern wie von Geistern getrieben durch ihre Zimmer oder liegen auf ihren Betten und starren mit aufgerissenen Augen hinüber zur Tür, als könnten sie dahinter den jungen König ausmachen, der sich durch die Gänge schleicht.

Dieser trägt weder eine Krone noch ein teures Gewand. Über seine einfache Stoffkleidung hat er sich bloß einen weißen Kittel gestreift. Sein zerzaustes, dunkles Haar und die Ringe unter seinen Augen zeugen von einer langen, schlaflosen Nacht. Dennoch haftet seinen Bewegungen eine Leichtigkeit an, während er durch die Treppen und Gänge eilt. Nur hin und wieder hält er inne, um zu horchen oder sich in einen anderen Gang zu drücken, wo er darauf wartet, dass die Mediziner und Heiler vorbeiziehen, bevor er weiterhuscht, flink und leise wie ein Dieb.

Wenige Meter vor einer Flügeltür bleibt er schließlich stehen. Sie steht einen Spalt breit offen und die murmelnde Stimme des Obersten Heilermeisters dringt vom Flur auf der anderen Seite an seine Ohren: »Ich bin mir sicher, ich habe es bereits erwähnt.«

»Was genau habt Ihr ihm denn gesagt?« Diese barsche Stimme kann der junge König ohne einen Moment des Zweifels seinem Kriegsherrn zuordnen:

Alastair.

Der junge König beschließt, sich der angelehnten Tür zu nähern, um die beiden besser belauschen zu können. Seine Bewegungen sind ebenso zügig wie vorsichtig, seine Schritte unhörbar.

»›Ungefährlich ist es nicht‹ oder so etwas in der Art...«, sagt der Heilermeister.

»Ist Euch denn nicht bewusst, dass Ihr sein Leben mit Eurer Nachlässigkeit aufs Spiel setzt, Hadrian? Vergesst nicht, Ihr seid nach wie vor ein Teil des Königsrats. Eure oberste Priorität ist es, die Krone zu beschützen!«

Die Antwort kommt gestochen scharf: »Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass es meine Patienten sind, die für mich Vorrang haben, selbst vor den Belangen des Rats. Wenn also die Chance besteht, dass er einen meiner Patienten rehabilitieren kann, werde ich mich ihm sicher nicht in den Weg stellen.«

»Dann stehen Eure und meine Pflichten in direktem Konflikt miteinander«, gibt Alastair knurrend zurück. »Verdammt nochmal! Ihr beide bringt mich in eine prekäre Lage mit eurer Unvorsichtigkeit!«

Der junge König steht nun unmittelbar vor der Tür und will gerade seine Hand ausstrecken, um sie vollends zu öffnen, als der Heilermeister das Wort erneut ergreift: »Geht es Euch denn wirklich ausschließlich um den Schutz der Krone? In dem Fall muss ich mich fragen, wieso Ihr alleine angereist seid. Weshalb habt Ihr dem Rat nicht mitgeteilt, wo er sich befindet?«

»Worauf spielt Ihr an? Etwa darauf, dass mich Euer Patient schert? Er könnte vor meinen Füßen krepieren und ich würde mich nicht zwei Mal nach ihm umsehen! Nein, ich bin bloß hier, weil ich gehofft habe, an Eure Vernunft appellieren zu können, ohne dass es gleich hässlich werden muss. Aber ich sehe nun, ich war ein Narr, dergleichen erwartet zu haben. Ich hätte den Rat schon längst einschalten sollen.«

Der junge König beschließt, ihr Gespräch zu unterbrechen, indem er die Tür aufstößt.

»Ares?«, entfährt es Alastair überrascht. »Du bist schon wach?«

»Mehr oder weniger«, brummt der junge König, während er den Gang betritt. Die Männer verbeugen sich kurz vor ihm und als sie wieder aufrecht stehen, sieht er von einem zum anderen. »Was macht ihr hier zu dieser frühen Stunde?«

Der Heilermeister - ein mageres, bebrilltes Kerlchen, dessen Verstand und Zunge jedoch schärfer sind als jedes Schwert - kann sich im Gegensatz zu Alastair seine schuldbewusste Miene nicht verkneifen. »Wir haben auf Euch gewartet, mein König.«

Ares zieht die Brauen zusammen. »Ich habe Euch doch klare Anweisungen gegeben, mich nicht so zu nennen.« Er hält auf den Heilermeister zu und bleibt einen Schritt vor ihm stehen. »Auch hatte ich Euch befohlen, meinen Aufenthalt hier geheim zu halten. Bis auf Eure engsten Vertrauten sollte niemand von mir wissen. Sicher könnt Ihr Euch meine Überraschung vorstellen, als ich gestern feststellen musste, dass jeder der Mediziner, die mir gestern begegnet sind, genauestens über mich Bescheid zu wissen schien.«

Hadrian neigt den Kopf reumütig. »Verzeihung, mein... Herr. Es ist gut möglich, dass mir etwas über die Lippen gekommen ist, das ich besser für mich behalten hätte. Ich werde die Mediziner und Heiler um mehr Diskretion bitten.« Er richtet seine Brille. »Allerdings möchte ich betonen, dass Ihr Euch keine Sorgen darum machen müsst, dass irgendetwas hiervon zum Rat gelangt. Was in Kalidur geschieht, bleibt auch hier. So ist es immer gewesen. Was Euren Kriegsherrn angeht, so kam sein Besuch bloß unerwartet, aber ich habe daraus gelernt und einige Maßnahmen getroffen. Für den Rat stecke ich nun bis zum Hals in Arbeit. Er wird nicht mit mir in Kontakt treten können und meine Vertretung ist bewandter im Lügen als ich.«

An diese Hoffnung klammert sich Ares. Er nickt. »Solange Ihr den Rat von mir fernhaltet, soll es mir egal sein, ob Eure gesamte Belegschaft über mich Bescheid weiß. Warum habt ihr beiden eigentlich auf mich gewartet?«

Hadrian räuspert sich. »Euer Kriegsherr hat mich gestern Abend an etwas erinnert, das ich Euch möglicherweise nicht mit dem nötigen Nachdruck beigebracht habe. Und zwar ist die Sache nicht ganz so ungefährlich, wie es den Anschein hat. Dieser Flügel ist nicht ohne Grund abgesperrt. Die meisten der ehemals Besessenen waren nur kurze Zeit von schwachen Dämonen befallen, weshalb wir in der Lage sind, sie wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Oftmals brauchen sie nicht einmal eine Person aus ihrer Vergangenheit, um ihre Menschlichkeit wiederzufinden. Aber bei diesem Patienten ist das nicht der Fall. Ihr wisst ja selbst, wer ihn besessen hat. Von so etwas erholt man sich nicht so leicht.« Er hüstelt verlegen.

»Ihr müsst nichts schönreden«, sagt Ares leise. »Nicht vor mir. Sagt mir geradeheraus, wie es um ihn steht.«

Der Heilermeister seufzt. »All diejenigen, die lange Zeit oder von starken Dämonen besessen waren, stehen unter strenger Beobachtung. Wir lassen sie nicht aus der Zitadelle, für gewöhnlich selbst dann nicht, wenn sie ihre Erinnerungen zurückerlangen. Nicht nur, weil sie ständig versuchen, sich umzubringen, sondern auch, weil die Dämonen etwas in ihnen zurückgelassen haben. Das Überbleibsel einer Wut, die Saat eines Hasses. Etwas Dunkles eben, das unter der Oberfläche treibt wie eine Seeschlange und jederzeit zuschnappen kann. Meinen Beobachtungen nach geschieht es oftmals dadurch, dass die falschen Erinnerungen angezapft werden. Erinnerungen, die die ehemals Besessenen verdrängen wollen, weil sie sich deswegen schämen oder sich sogar vor ihnen fürchten. Aber manchmal kommt dieses Etwas in ihnen auch grundlos zutage.«

»Wie geht es ihm denn? Habt Ihr heute schon mit ihm gesprochen? Kann er sich an etwas erinnern?«

»Hast du dem Heilermeister nicht zugehört?!«, braust Alastair auf. »Das, was dort hinter dieser Tür sitzt, ist nicht er!«

»Das habe ich damit nicht sagen wollen«, widerspricht ihm Hadrian bestimmt. »Das, was er war, ist noch immer in ihm drin. Doch Ihr müsst vorsichtig sein mit dem, was Ihr ihm erzählt, mein... Herr. Nicht alles wird er so einfach verkraften können. Wenn er sich bedroht fühlt oder wenn Ihr ihn an etwas erinnert, das ihm Angst, Scham, Wut oder Trauer bereitet, dann kann es sein, dass Ihr das Wesen in ihm weckt, das von Horkos geprägt worden ist.«

Ares sieht zu Alastair. »Und ich nehme an, das ist der Grund, aus dem du noch immer hier bist.«

Der Kriegsherr nickt grimmig. »Wenn er etwas tut, was dich in Gefahr bringt, werde ich ihn töten.«

»Das wirst du nicht!«

»Und ob ich das werde! Es ist nämlich meine Pflicht, aber selbst wenn es nicht so wäre-!«

»Ich habe heute Morgen tatsächlich schon mit dem Patienten sprechen können!«, platzt es aus dem Heilermeister hervor. Die zornesroten Köpfe der beiden Männer schnappen zu ihm. Hadrian ertappt sich selbst dabei, wie er die Hände hebt, und lässt sie hastig wieder sinken. »Es geht ihm den Umständen entsprechend gut. Er ist etwas aufgeregt.«

»Aufgeregt?«, hakt Ares nach.

»Eure Geschichte findet Anklang bei ihm. Ich denke, er beginnt sich an etwas zu erinnern. Es ist daher durchaus vernünftig, Euren Kriegsherr über die nächste Zeit an Eurer Seite verweilen zu lassen.« Er wirft Alastair einen frostigen Blick zu. »Sofern er sich zusammenreißen kann und niemanden tatsächlich umbringt.«

Alastair knirscht mit den Zähnen. »Das hängt ganz von ihm ab.«

»Ich danke euch beiden, dass ihr euch Gedanken um meine Sicherheit macht«, sagt Ares. Die Müdigkeit ist urplötzlich von ihm abgefallen. »Mir ist durchaus klar, dass etwas Dunkles in ihm steckt, das vorher nicht da war. Aber ich möchte euch beide daran erinnern, dass ich den Dunklen Prinzen und ihren Schergen gegenübergestanden habe. Mehr als ein Mal. Ich habe das Dunkle gesehen, es an meinem eigenen Körper und in meiner Seele gespürt. Tiefste, reinste Dunkelheit. Und ich habe sie überlebt.« Der junge König schreitet zielstrebig an den beiden Männern vorbei und legt die Hand auf den Knauf der Tür, hinter der der Patient auf ihn wartet. »Das hier ist nichts dagegen.«

»Bitte seid dennoch wachsam«, rät ihm der Heilermeister.

»Natürlich.« Ares wendet sich Alastair zu. »Du willst nicht mitkommen?«

»Nein«, lautet die klare Antwort. »Ich weiß nämlich nicht, was ich tun werde, wenn ich ihm das nächste Mal gegenüberstehe.« Er hält kurz inne und fügt hinzu: »Lass die Tür aber einen Spalt breit offen.«

~

Als Ares das Zimmer betritt, dreht der Patient bloß seinen Kopf in die Richtung. Er sitzt bereits mit grüblerischer Miene am Tisch. In der Nacht hat er von Ares' Geschichte geträumt und einige Szenen sind ihm dabei so echt vorgekommen, als wäre er mittendrin gewesen.

Gleich nach dem Aufstehen sind sie sogar so klar gewesen, dass er sie mit Pinsel und Farbe auf eine Leinwand hätte malen können. Doch das ist mittlerweile schon über eine Stunde her - eine lange Zeit für verblassende Träume - und nun sind ihm die Bilder entschlüpft wie glitschige Aale. Alles, was ihm geblieben ist, ist ein Pochen zwischen den Schläfen und ein verwirrendes Gemisch an widersprüchlichen Gefühlen.

»Guten Morgen«, sagt der Ankömmling, während er neben ihm Platz nimmt. »Wie geht es Euch, Teban?«

»So gut es einem Irren wie mir eben gehen kann«, grummelt der Patient. »Übrigens könnt Ihr mich heute Tobin nennen.«

»Tobin?« Ares ist verwirrt, bis ihm wieder einfällt, was der Patient ihm gestern erzählt hat. »Oh, ich verstehe. Ein neuer Name?«

»Ich habe ihn mir gestern Nacht ausgedacht, nachdem Ihr gegangen seid«, bestätigt Tobin. »Was meint Ihr? Passt er besser zu mir?«

»Die beiden Namen sind sich ziemlich ähnlich...«

Da schmunzelt der Patient. »Tja, ich habe nie behauptet, sonderlich kreativ zu sein, was meine Namen angeht.« Er blinzelt, als ihm gewahr wird, wie blass sein Gegenüber ist. »Ihr seht übernächtigt aus.«

»Das bin ich auch, denn ich habe lange darüber nachdenken müssen, wo ich meine Geschichte am besten wieder ansetze.«

»Warum fangt Ihr nicht einfach da an, wo Ihr gestern aufgehört habt?«

»Weil die drei Jahre nach der Geburt meiner Tochter Meggie und meine darauffolgende Rückkehr in die Steppe zwar wichtig für meine Etablierung bei den Clans waren, es mich aber zu viel Zeit kosten würde, im Detail auszuführen, wie uns das gelungen ist.« Ares sieht auf die beiden Tassen hinab, die vor ihm auf dem Tisch stehen und den intensiven Duft von Minze im Zimmer verströmen.

»Eine Medizinerin hat mir den Tee vor einer Weile gebracht«, erklärt Tobin achselzuckend. »Greift ruhig zu. Wärmer wird er wohl nicht.«

Also nimmt Ares eine Tasse in die Hand. Er schnuppert am Gebräu und nippt vorsichtig daran, bevor er einen ganzen Schluck davon wagt. Der Tee ist lauwarm. »Ich fürchte, ich werde um einen Zeitsprung nicht herumkommen. Das bedeutet leider auch, dass ich einige Geschehnisse werde zusammenfassen müssen und es könnte sich anfangs kompliziert für Euch anhören. Ihr müsst Euch jedoch nichts von dem merken, was ich Euch in den nächsten Minuten darlege, denn all das wird im Laufe der Zeit mehr Sinn für Euch ergeben. Betrachtet meine Zusammenfassung daher bloß als eine Art Vorgeschichte.«

»Nun gut«, sagt Tobin ungerührt. »Ich habe nichts dagegen einzuwenden. Aber bevor Ihr damit anfangt, sagt mir wenigstens, was Ihr damals empfunden habt, Euch nach so langer Zeit das erste Mal wieder in Eurer Heimat, der Steppe, zu befinden. Das habt Ihr gestern nämlich mit keinem Wort erwähnt.«

»Das liegt daran, dass sich bei mir nicht jene Freude eingestellt hat, die man vielleicht erwarten mag, wenn man an einen Ort zurückkehrt, den man einst sein Zuhause nannte. All meine Erinnerungen an die Steppe waren überschattet von Cades Tod, meinem Mord an meiner Mutter, dem Blutkönig und seinen Dämonen. Ich machte keinen Versuch, Nachforschungen über den Verbleib meines Stammes zu unternehmen. Zu viel Angst hatte ich davor, was ich herausfinden würde. Hatte Horkos seine Drohung wahr gemacht und meinen Stamm vernichtet?«

Ares umklammert die Teetasse mit beiden Händen, als wolle er sich daran aufwärmen. »In den ersten Monaten, die ich in der Steppe verbrachte, kehrten meine Albträume über den Dunklen Prinzen sogar zurück. Kjell, mein Meister, musste mir deswegen Beruhigungsmittel verabreichen - und das obwohl wir uns nicht einmal im Norden der Steppe aufhielten, wo wir den Blutkönig und den Dämonenprinzen vermuteten. Stattdessen blieben wir im zentralen Osten der Steppe, in der umkämpften Hauptstadt Al-Khurab.«

»Al-Khurab«, wiederholt Tobin. Der Name der Stadt kommt ihm seltsam vertraut vor.

Ares nickt. Sein Blick ruht auf Tobin. »Erinnert Ihr Euch noch an die Namen der großen Steppenclans?«

Der Patient schüttelt den Kopf und daraufhin sagt Ares: »Insgesamt herrschten vier Clans über den Großteil der Steppe. Die Herunen hatten den Norden besetzt und sich mit dem Blutkönig zusammengetan. Weit im Westen war der Clan der Bosek beheimatet, während die Zentralsteppe von den Rhenari und den Sanael besetzt wurde. Diese beiden Clans waren sich spinnefeind, seitdem die Sanael die Hauptstadt Al-Khurab in Besitz genommen und die Rhenari in die südwestlich gelegene Stadt Umbra verdrängt hatten.«

»Die Sanael waren also der vorherrschende Clan in der Steppe?«, vergewissert sich Tobin.

»Ganz genau. Und es war ebendieser Clan, in den Kjell mich einschleuste. Er selbst hatte sich schon einen Namen als Hauptspion ihres Clanführers Yarran gemacht, dem so genannten ›Dakahn‹. Er erzählte Dakahn Yarran, ich sei ein entlaufener Gladiator, den er an der Grenze aufgegabelt hätte. Die drei Monate bis kurz vor Meggies Geburt sorgte Kjell außerdem dafür, dass auch die Edlen von Al-Khurab mich oft zu Gesicht bekamen.«

»Die Edlen von Al-Khurab? Was soll das sein?«

»Die Edlen existieren sowohl in den Clans der Sanael, der Rhenari als auch der Bosek. Es handelt sich dabei um alte, einflussreiche Familien, die in etwa mit den Adelsfamilien der Distrikte gleichzusetzen sind. Sie waren es, die die Dakahne wählten. Hätten sie mich nicht akzeptiert, wäre ich schneller von der Bildfläche verschwunden, als ich hätte ›Dämmerding‹ sagen können. Doch glücklicherweise gewöhnten sie sich an mich.« Ares grinst. »Ich schreibe das ausschließlich meinem Charme zu.«

Tobin grinst ebenfalls. »Zweifellos.«

Etwas ernster fährt Ares fort: »Nachdem diese erste Hürde überwunden war, gelang es Kjell, Yarran davon zu überzeugen, mich zu einem Spion auszubilden. Dazu sei gesagt, dass mein Meister und ich nie selbst Spionage betreiben mussten. Kjell verfügte nämlich nicht nur über ein Netzwerk aus Schatten in den Distrikten, sondern auch über eines in der Steppe. Und diese Steppenschatten hatten neben den Sanael auch die Rhenari und die Bosek infiltriert. Wir erhielten alle Informationen von ihnen und so konnten wir ungestört nach Artefakten suchen und kehrten gelegentlich sogar in die Distrikte zurück, solange die Aufträge des Dakahns uns dies zeitlich ermöglichten.«

Tobin zieht die Stirn in Falten. Er bemüht sich, Ares zu folgen, aber es ist nicht einfach, denn die Steppe ist ihm fremd und sie ist gestern auch kaum zur Sprache gebracht worden. »Kjell hatte sich also bereits ein Schattennetzwerk in der Steppe aufgebaut?«

»Ja, damit hatte er schon begonnen, Jahre bevor er mich kennenlernte, sodass er dort bereits über drei Dutzend Schatten beschäftigte, als ich hinzustieß. Aber sein Netzwerk war selbst in den Distrikten um einiges umfangreicher, als mir zunächst nahegelegt worden war. Abgesehen von den Schatten der Barone standen nämlich auch im Palast tätige Schatten und ein paar Läufer, die er von Ort zu Ort schickte, unter seiner Befehlsgewalt.«

Tobin pfeift beeindruckt durch die Zähne und lehnt sich zurück, als ihm ein Gedanke kommt. »Was war eigentlich mit Krähe? Wurde aus ihm auch ein Schatten?«

»Er war damals noch mein Lehrling, auch wenn er bereits nach zwei Jahren Ausbildung ein Teil des Spionagewerkes der Rhenari geworden war.«

»Moment. Ist das nicht der Clan, der mit Eurem Clan, also den Sanael, verfeindet war?«

Ares bejaht und seine Augen blitzen stolz auf. »Krähe machte sich schnell einen Namen bei den Rhenari und wurde nach einem halben Jahr zu ihrem Hauptspion befördert.«

»So schnell?«, ächzt Tobin.

»Dabei war natürlich auch eine ordentliche Portion Glück im Spiel. Die Sanael und die Rhenari standen, wie gesagt, auf Kriegsfuß miteinander. Eine Gegebenheit, die die Bestrebungen des Rats erschwerte, diese beiden Clans zusammenzuführen, um sie gegen den Blutkönig und seine Dämonen zu wappnen. Es kam uns unwahrscheinlich vor, in absehbarer Zeit einen Frieden oder auch nur einen Waffenstillstand zwischen den Sanael und den Rhenari auszuhandeln, selbst unter Zuhilfenahme meiner Magie. Deshalb beschloss der Rat, den Konflikt stattdessen anzuheizen. Es gelang uns, die beiden Clans durch eine Reihe Missverständnisse und ungeschickt formulierter Berichte aus der Reserve zu locken, was in eine kriegerische Auseinandersetzung ausartete: Das Heer der Sanael und das Heer der Rhenari trafen in der Steppe aufeinander. Es war ein kurzer, beinahe schmerzloser Kampf zwischen den beiden Clans, denn wir hatten die Rhenari mit Falschinformationen gefüttert und sie fatale Fehlentscheidungen treffen lassen, die zu einer frühzeitigen Gefangennahme des rhenarischen Dakahnsohns führte. Eri lautete sein Name. Die Truppen, die von ihm angeführt worden waren, ergaben sich und so konnten wir die Anzahl der Toten geringhalten. Wir hatten gehofft, selbst Eri vor dem Tod bewahren zu können, aber sein Vater - Dakahn Thorak - weigerte sich, mit uns zu verhandeln.«

Ares presst kurz die Lippen zusammen. »Eri starb einen langen und entsetzlich öffentlichen Tod in der Gewalt der Sanael, ohne dass Kjell oder ich etwas dagegen hätten unternehmen können... Nach seiner Hinrichtung belagerten wir die Stadt, doch die Rhenari blieben stur, sie zeigten uns die kalte Schulter - bis Krähe sich einschaltete und es auf sich nahm, sie zur Vernunft zu bringen. Krähe konnte Dakahn Thorak sogar dazu überreden, die Verhandlungen mit den Sanael an seiner statt zu leiten und als sie unverhofft glimpflich für die Rhenari verliefen, entschied Thorak, Krähe zu seinem neuen Hauptspion zu machen. Thorak vertraute Krähe. So sehr sogar, dass er ihn in seinem Herrscherhaus wohnen ließ, was geradezu unerhört für einen Spion war. Kjell war begeistert, denn durch diese Entwicklung hatten wir einen Informanten an der Spitze der Rhenari und wussten immer ganz genau, was bei ihnen vor sich ging.«

Ares fährt sich durchs Haar und seufzt. »Das Problem war nur, dass Krähe eine tiefe Verbundenheit zu den Rhenari verspürte. Das las ich schon früh aus den Briefen meines Lehrlings heraus. Ich mahnte ihn mehrmals, seinen Abstand zu wahren, denn es kommt nie etwas Gutes für einen Schatten dabei heraus, seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Aber der Junge konnte nicht aus seiner Haut und im Gegensatz zu uns Schatten, die wir uns sogar voreinander verschlossen, boten ihm die Rhenari jenes Zugehörigkeitsgefühl, das er damals so verzweifelt suchte.«

»Das klingt ganz nach Krähe«, brummt Tobin und kneift die Augen zusammen. »Aber wie konnten die Verhandlungen überhaupt glimpflich für die Rhenari ausgehen? Dieser Thorak hatte doch den Krieg verloren. Was für eine Verhandlungsbasis hatte er da überhaupt?«

»Gar keine«, pflichtet Ares ihm bei. »Umso erstaunlicher war es deswegen ja für Thorak, dass alles, was die Sanael von ihm forderten, Geiseln und die Zusicherung von Waffenhilfe waren. Er konnte ja nicht ahnen, dass das schon seit Monaten so von uns geplant gewesen war. Indem wir die ältesten Söhne der rhenarischen Edlen als Geiseln in die Obhut der Sanael schickten, sicherten wir uns gegen Vergeltungsangriffe ab. Um einiges schwieriger war es jedoch gewesen, Yarran davon zu überzeugen, den Rhenari ihre Autonomität weitestgehend zu gewähren, ihnen sogar ihren Dakahn zu lassen. Erst nach langem Zureden glückte uns dies.«

Ares schmunzelt, als er Tobins besorgten Ausdruck bemerkt. »Ich weiß, das sind eine Menge Informationen auf einmal, aber ich kann Euch beruhigen: Fürs Erste reicht es vollkommen aus, wenn Ihr Euch merkt, dass ich dem Sanael-Clan in der Hauptstadt Al-Khurab zugeteilt war, und der Name des dortigen Oberhauptes Yarran lautete.«

Tobin nickt langsam. »Wie lange hat das alles eigentlich gedauert?«

»Die Vorbereitungen auf die Verhandlungen? Ein ganzes Jahr. Die Verhandlungen selbst nur zwei Wochen. Der Friede brach daher über die Mehrheit der Steppenbewohner ein wie eine Welle des Schocks. Niemand konnte es so recht glauben, bis die Edelsöhne der Rhenari unter strenger Bewachung der Sanael durch die Hauptstadt paradiert wurden. Da erst erwachte ihre Bevölkerung wie aus einem langen, grauen Traum und plötzlich wurde in ganz Al-Khurab gefeiert als gäbe es kein Morgen mehr. Auch Yarran veranstaltete ein Siegesfest in seinem Herrscherhaus, zu dem Kjell und ich geladen waren. Eine Ehre, auf die ich gut und gern verzichtet hätte, nachdem ich hatte miterleben müssen, wie er Eri hatte foltern lassen. Kjell beharrte jedoch darauf, dass ich daran teilnahm.« Ares macht eine Pause und bedenkt Tobin dabei mit einem nachdenklichen Blick. »Im Übrigen hoffe ich, dass Euch Eure Fantasie nicht abhandengekommen ist.«

»Meine Fantasie?«, fragt Tobin, verdattert über den unerwarteten Themenwechsel.

Ares nickt ernst. »Ihr werdet sie heute benötigen. Meine Geschichte handelt nämlich nicht bloß über die Länder dieser Welt. Sie umfasst nicht nur die Steppe und die Distrikte, die Inselvölker Alabatyrs und Cireaniens. Sie ist auch eine Erzählung über eine fremde, ganz und gar magische Welt. Dem Dämmerland.«

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