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Kapitel 6 - Heilung

Es war weder kalt noch warm im Spiegel, jener Zwischenwelt, die verschiedene Orte miteinander verband. Es wehte auch kein Wind, zumindest kein solcher, den ein gewöhnlicher Mensch hätte spüren können, denn er zog nicht an der Kleidung und zupfte nicht am Haar und dennoch toste hier ein unhörbarer Sturm, der mich tief unter der Haut berührte.

Meine Magie harmonisierte mit der des Spiegels und an den Grenzen meines Bewusstseins, dort, wo mein Schild aufhörte, da war ich Teil meiner Umgebung, Teil des Spiegels, und das fühlte sich an wie ein sonniger Frühlingsmorgen in der Küche mit Wolke oder ein Picknick mit Merle und Meggie unter blühenden Apfelbäumen.

Ich bog nach rechts ein. Der Spiegel, den ich anstrebte, war nur wenige Meter entfernt und darüber war ich sowohl erleichtert als auch enttäuscht. Mit hölzernen Bewegungen näherte ich mich ihm und als sich mein Blick darin verfing, da wurde mir gewahr, dass ich mit den schwarzen Adern, die mein Gesicht entstellten, weitaus weniger menschlich aussah, als ich es mir gewünscht hätte.

Die Silberkammer der Drasburg war in das müde Licht einer Fackel getaucht. Der Raum ähnelte dem im Palast sehr, mit Regalen, die ringsum standen, einem Tisch und einigen Truhen. Aber er war leerer.

Obwohl mich die wenigen Artefakte mit der gleichen Inbrunst zu sich riefen wie jene in Odir, verschwendete ich keine Zeit dort. Ich sah nur kurz nach der Büchsenuhr, um zu überprüfen, wie viele Minuten vergangen waren, bevor ich mich auch schon durch die Geheimgänge zwängte.

Auf dem Weg zum Studierzimmer der Baronin war mir ein leises Summen entgegengeweht und deshalb spähte ich zunächst durch das Guckloch ins Vorzimmer, um mich zu vergewissern, dass die Luft rein war. Die Distriktbaronin saß dort in einem der beiden Sessel und schien eingeschlafen zu sein, aber sie war nicht allein. Vor ihr hockte die burgeigene Heilerin Haven und hielt leise summend ihre Hand. Ein schwarzes Adergeflecht zog sich über ihre Fingerspitzen und floss über Maressas Arm.

Eine geraume Zeit lang musste ich mich in Geduld üben, bis Haven ihre Hand zurückzog und das Zimmer verließ. Erst dann krabbelte ich aus meinem Versteck. Für gewöhnlich kostete mich das nicht viel Zeit, doch an diesem Tag quälte ich mich mühsam voran und musste die Zähne zusammenbeißen, denn bei jeder unbedachten Bewegung machte sich der ziehende Schmerz in meinem Bauch bemerkbar. Ich war froh, als ich mich wieder aufrichten konnte.

»Maressa«, flüsterte ich.

Das weiße Haar der Baronin fiel ihr wellig über die Schultern und umrahmte ihr längliches, von feinen Falten durchzogenes Gesicht. Eigentlich sah sie noch genau so aus, wie vor einigen Monaten, als ich sie das letzte Mal gesehen hatte. Dennoch spürte ich nun etwas, das ich zuvor nicht wahrgenommen hatte, eine Art unsichtbaren Dunst, der sie umgab und der mich dazu brachte, mich mit äußerster Vorsicht vor ihr hinzuknien. Fast so, als wäre sie aus Glas. Ihre Brust hob und senkte sich, dennoch tastete ich nach ihrem Puls. Er war sehr schwach.

Ich entschied, sie ruhen zu lassen, und sah mich um. Die Fenster standen offen und gewährten einer warmen Mittagsbrise Eintritt. Verkohlte Holzscheite glühten im Kamin vor sich hin.

Wie früher lagen Papiere auf dem Schreibtisch aus. Doch das Tintenfass stand offen und als ich es zuschrauben wollte, fiel mir auf, dass die Tinte bereits ausgetrocknet war. Ein aufgeschlagenes Buch lenkte meine Aufmerksamkeit auf sich. Maressa hatte darin Steuerabgaben festgehalten. Der letzte Eintrag war eine Woche her und sie hatte ihn mitten im Satz abgebrochen...

Die Baronin gab ein leises Seufzen von sich und sofort hockte ich mich wieder vor ihr hin. »Maressa.«

Blinzelnd öffnete sie die Augen. Ihr Blick fiel umgehend auf mich, aber es dauerte ein paar Atemzüge, bevor sie mich wiedererkannte. »Ares? Was machst du denn hier?«

»Ich bin hergekommen, um Euch ein neues Artefakt zu überreichen.«

Maressa richtete sich auf. »Wie viel Uhr ist es?«

»Es müsste etwa zwölf Uhr mittags sein, glaube ich.«

»So spät schon!« Sie schlug die Wolldecke, die über ihrem Schoß gelegen hatte, beiseite und stemmte sich mit einiger Mühe hoch. »Wir sollten zusammen in die Küche gehen, damit der Koch dir eine Mahlzeit zubereiten kann.«

»Ich danke Euch«, sagte ich bedächtig. »Aber es würde für die Burgbewohner keinen Sinn ergeben, mich in der Küche anzutreffen, denn sie haben mich nicht durch das Tor reiten sehen. Ich denke, es ist besser, wenn nur Ihr wisst, dass ich hier bin.«

Meine Großmutter zog ein solch bestürztes Gesicht, dass ich mich schlecht fühlte, ihr widersprochen zu haben.

»Soll ich stattdessen jemanden beauftragen, dir eine heiße Schokolade zu bringen?«, fragte sie.

Eine heiße Schokolade? Das war nicht mein Lieblingsgetränk, sondern das meines Halbbruders Auriel.

»Nein, ehrlich. Ich habe weder Hunger noch Durst.« Das war eine Lüge. Nach einer Wanderung durch den Spiegel hatte ich stets beides. »Warum setzt Ihr Euch nicht wieder und ich zeige Euch, was für ein Artefakt ich Euch mitgebracht habe.«

»Natürlich.« Maressa strich sich über ihr Kleid und ließ sich zurück auf ihren Sessel sinken. »Aber vor der Arbeit, erst das Vergnügen. Erzähl mir von deinen Abenteuern in der Steppe«

Ich lächelte, denn das war eines unserer Rituale, das sie nie zu vergessen schien. Und so gab ich eine Geschichte zum Besten, die ich schon viele Nächte zuvor für sie gesponnen hatte. Sie mochte es besonders, wenn ich ihr von den Dakahnen erzählte und lauschte auch den diplomatischen Fortschritten, die ich angeblich mit ihnen errungen hatte, mit großem Interesse. Hin und wieder fragte sie mich zudem über die Ritter und Wolke aus. Nur Merle und Meggie blieben ein Tabuthema zwischen uns.

Erst nachdem ich ihre Neugier über mein Leben gestillt hatte, nahm ich das Artefakt aus dem Silberkasten hervor, um es ihr zu zeigen. Es war ein ovaler Kristall. Kaum spektakulärer als ein gewöhnlicher Stein.

»Oh, eine Lampe. Das ist sehr interessant, sehr nützlich«, sagte die Baronin, aber ihr Blick war verklärt, desinteressiert. Ich konnte es ihr nicht verübeln. Das Artefakt war primitiv, sein Flüstern kaum vernehmbar. Warum hatte Kjell mir kein Stärkeres mitgeben können? Ich verstand ja, dass sie schwach sein sollten, aber so schwach...

Ich legte die verglühende Lampe zurück in den Kasten und stellte ihn auf dem kleinen Tisch zwischen den beiden Sesseln ab, bevor ich mir ein Herz fasste und die Frage stellte, die mich schon das ganze Gespräch über beschäftigt hatte: »Wie geht es Euch?«

Ein Funke betrübter Belustigung blitzte in Maressas Augen auf. »Mir geht es gut, Ares. Wirklich. Ich fürchte nur, alle glauben, dass mir etwas fehlt, aber dem ist nicht so.«

»Wenn es Euch gut geht, warum hat Haven dann vorhin eine Heilung bei Euch vorgenommen?«

»Das hast du mitbekommen?« Sie seufzte. »Es geschieht auf Wunsch deines Vaters. Aber es ist keine Heilung im traditionellen Sinne.«

»Was tut Haven dann?«

Maressa sah eine Weile auf den Silberkasten hinab und schien einen Kampf mit sich zu fechten, doch schließlich sagte sie: »Meine Magie schwächelt durch das Alter, denn so wie unsere Körper mit den Jahren verwelken, tut es auch unsere Magie. Haven hat also etwas von ihrer Magie in meine fließen lassen, um es mir zu ermöglichen, die Schäden zu beheben, die mein Körper erlitten hat. In anderen Worten: Sie schenkt mir Zeit.«

»Könnte sie mir das auch beibringen?«, fragte ich ohne den Moment eines Zögerns.

»Derartige Heilungen sind sehr schwierig zu erlernen. Wenn du dich nicht gerade als einer der wenigen Auguren entpuppst, die sie sich selbst erschließen, müsstest du dafür schon in einem Heilerhaus in die Lehre gehen. Und um zugelassen zu werden, musst du die Gabe eines Heilers besitzen, nicht die eines Augurs. Ganz abgesehen davon, würde ich deine Magie auch gar nicht annehmen wollen.«

Sagte sie das, weil meine Magie nicht rein war wie Havens?

Sie streckte ihre Hand aus und ich zögerte nicht, sie zu ergreifen. Ihre Finger waren knorrig und trocken wie spröde Zweige. »Nun sieh mich nicht so an, als fürchtest du, ich könnte jeden Moment das Zeitliche segnen.«

»Gibt es denn nichts, das ich für Euch tun kann?«, fragte ich heiser.

Sie schien zuerst den Kopf schütteln zu wollen, bevor sich ein geradezu mädchenhaftes Lächeln auf ihr Gesicht schlich. Sie fischte einen kleinen Schlüssel aus der Tasche ihres Kleides hervor und sagte: »Du könntest mir mein rotes Notizbuch aus meinem Studierzimmer nebenan bringen, damit ich dein neuestes Mitbringsel darin notieren kann. Es befindet sich in der rechten oberen Schublade meines Schreibtisches dort.«

Diesen Gefallen tat ich ihr gerne.

Das Studierzimmer der Baronin hatte sich all die Jahre nicht verändert. Es herrschte noch immer dieselbe penible Ordnung wie an dem Tag, an dem ich das erste Mal einen Fuß hineingesetzt hatte. Kein Buchrücken lugte zu weit aus seinem Fach hervor und der Mahagonitisch glänzte, als hätte man ihn soeben erst poliert. Und aus einem unerfindlichen Grund beruhigte mich das.

Ich machte mich sogleich daran, die Schublade zu öffnen. Anstelle des Notizbuches fand ich darin allerdings nur einen Haufen Zeichnungen. Natürlich ging es mich nichts an, was die Baronin in ihren Schubladen verstaut hatte, und unter normalen Umständen hätte ich die Finger davon gelassen, doch sowohl die Skizze selbst als auch der Name Auriel, der mit verschnörkelter Handschrift unter der vordersten Zeichnung geschrieben stand, brachten mich stattdessen dazu, gleich den ganzen Stapel hervorzuholen und sie eine nach der anderen zu betrachten.

Es handelte sich dabei um mit Bleistift gezeichnete merkwürdige Gebäude, Brunnen voller Wasserspeier und ein Uhrwerk. Allesamt waren sie verblüffend detailliert.

Konnte mein Halbbruder sie wirklich gezeichnet haben? Das verdutzte mich, denn mir war nicht bewusst gewesen, dass Auriel künstlerisch begabt war, und ich wunderte mich auch, wo er all diese Dinge gesehen haben mochte, wo sie selbst mir unbekannt waren.

Die Zeichnungen hatten mich so beeindruckt, dass ich mich mit den sich nähernden Schritten im Flur draußen erst befasste, als sie unmittelbar vor der Tür des Studierzimmers zum Halt kamen.

»Mutter?«, hörte ich Valerius' tiefe Stimme durch das Holz dröhnen.

Hastig stopfte ich die Papiere wieder in die Schublade und bemerkte dabei das Notizbuch, das versteckt unter ihnen gelegen hatte. Ich zog es genau in dem Moment hervor, als Valerius hereinplatzte.

Der Erbbaron stockte kurz und schloss die Tür rasch hinter sich. Er trug eine schimmernde, grüne Tunika, die mit goldenen Mustern überzogen und vollkommen faltenfrei war. Sein Gesicht war rasiert und sein fingerlanges, weißes Haar hatte er sich streng nach hinten frisiert. Nicht eine störrische Haarsträhne stand ab oder fiel ihm vor die Augen. Mein Vater war tadellos wie eh und je und ich unterdrückte plötzlich das Bedürfnis, mir meine Kleidung glatt zu streichen.

»Ich wusste nicht, dass du hier bist«, sagte Valerius, bevor ihm gewahr wurde, dass ich über eine offene Schublade gebeugt stand. Seine Mundwinkel wurden hart. »Was wird das?«

»Ich befinde mich auf der Durchreise und bin nur hergekommen, um Eurer Mutter einen Besuch abzustatten.« Ich schloss die Schublade und hielt das Notizbuch hoch. »Sie hat mich gebeten, ihr das hier zu bringen.«

»Kann ich also davon ausgehen, dass du uns ein neues Artefakt mitgebracht hast?«

»Ich habe es Eurer Mutter bereits ausgehändigt.«

»Und wo ist meine Mutter?«

Mein Blick wanderte zu der Tür, die zum Nebenraum führte. Die Antwort genügte Valerius. Er ließ mich links liegen und durchquerte das Studierzimmer.

Kurz erwog ich, einfach zu gehen. Ich hätte aus der Studierstube marschieren, die öffentlichen Flure der Drasburg abschreiten und mir einen der vielen anderen Zugänge zu den Geheimgängen suchen können. Doch ich verbat es mir und folgte Valerius stattdessen in den Nebenraum.

Mein Vater hatte sich - genau wie ich zuvor - vor Maressa gekniet und wechselte leise Worte mit ihr. Als er mich bemerkte, klaubte er den Silberkasten auf und öffnete den Verschluss. Ich beobachtete ihn mit trockenem Mund dabei, wie er sich aufrichtete und dabei das Artefakt in seinen Händen wog. »Was soll das sein?«

Die Frage verdutzte mich, schließlich musste er das Wispern auch hören. »Eine Lampe.«

»Eine Lampe«, wiederholte er. Seine Augen waren wie Messer auf mich gerichtet. »Mutter, bitte entschuldigt uns. Ares und ich haben etwas zu besprechen.«

»Verzeiht, aber ich muss gehen«, sagte ich augenblicklich. »Ich bin wie gesagt nur auf der Durchreise.«

Er näherte sich mir. »Wir werden uns unterhalten.«

»Der König wartet aber bereits auf mich.« Ich hätte mich für das Beben in meiner Stimme ohrfeigen können.

»Lass ihn, Valerius«, sagte Maressa und stand auf. »Er ist augenscheinlich in Eile und sicher ist nichts so dringend, dass es nicht auch bis zum nächsten Mal warten kann.« Sie wankte.

Sowohl Valerius als auch ich standen sofort an ihrer Seite, um sie zu stützen.

»Setz dich, Mutter«, sagte Valerius. »Ruh dich etwas aus.«

Zusammen drückten wir sie auf ihren Stuhl und ich spürte, wie sehr ihre Muskeln dabei zitterten.

Während Valerius sicherging, dass sie bequem saß, klaubte ich die Wolldecke von der Lehne auf, um sie ihr wieder über den Schoß zu legen.

»Ares.« Maressa sah mich eindringlich an. »Wenn du nicht mit deinem Vater reden möchtest, hast du meine Erlaubnis, zu gehen.«

Doch wie hätte ich von ihr verlangen können, sich mit Valerius auseinanderzusetzen, wenn sie in solch schlechter Verfassung war?

»Macht Euch keine Sorgen«, flüsterte ich Maressa zu, bevor ich mich aufrichtete und Valerius anschaute, der einen Schritt zurückgetreten war. »Ich kann wirklich nicht lange bleiben.«

»Ich werde mich kurzfassen«, versprach er mir.

Der Erbbaron und ich gingen zurück in die Studierstube. Dort schloss Valerius die Tür hinter uns und lehnte sich mit dem Rücken dagegen, die Arme verschränkt.

»Ich möchte, dass du dich von meiner Mutter fernhältst«, sagte er in einem nüchternen Tonfall. »Sie braucht Ruhe, Pflege und Beständigkeit, keinen flatterhaften Schatten, der sie mit seinem Unsinn belästigt. Also wirst du sie in Frieden lassen und die Artefakte von nun an mir bringen. Ich werde sie mir ansehen und sie im Notizbuch vermerken. Haben wir uns verstanden?«

»Ja, Euer Hochwohlgeboren«, log ich. Natürlich dachte ich nicht daran, meine Besuche bei meiner Großmutter auf irgendeine Weise einzuschränken.

»Gut. Und nun dazu.« Er hielt die Lampe hoch. »Dieses Artefakt ist kaum zu vernehmen, so schwach ist es. Warum bringst du uns so einen Schund?«

Ich schluckte trocken. »Der König wird mich bald wieder in die Steppe schicken, dann kann ich nach stärkeren Artefakten suchen. Allerdings ist es nicht so leicht, wie es sich anhört. Die meisten Artefakte befinden sich im Besitz der Dakahne und die bewachen ihr Eigentum mit Argusaugen.«

»Dann musst du dich eben mehr anstrengen. Das ist das Mindeste, was du für uns tun kannst.«

Ich presste die Zähne aufeinander und neigte meinen Kopf in vermeintlicher Demut. »Ich werde mir mehr Mühe geben. Darf ich jetzt gehen?«

Valerius ließ mich noch einen Augenblick zappeln, eher er nickte und zur Seite trat. Ich hielt meine Hand auf, da ich annahm, er würde mir die Lampe zurückgeben wollen, doch er schüttelte den Kopf. »Die wird hierbleiben.«

Das gefiel mir nicht. »Es ist gefährlich, die Artefakte hier oben zu lassen«, erinnerte ich ihn. »Die Inquisition könnte jederzeit einen Abstecher in Eure Burg machen und ihre Magie durch Zufall erspüren, selbst dann, wenn sie sich in Silberkästen befinden.«

»Hast du nicht gesagt, du bist in Eile? Und doch hast du Zeit, Offenkundiges auszusprechen.«

»Seid Ihr Euch sicher, dass Ihr sie behalten wollt?«, hakte ich nach. »Ich werde vermutlich erst in ein paar Wochen zurückkehren können.«

Zur Antwort öffnete Valerius mir die Tür.

Ich gab mich geschlagen und schob mich an ihm vorbei in den Nebenraum. Der Baron folgte mir nicht und hielt mich auch nicht davon ab, die Tür hinter mir zu schließen.

Meine Großmutter war wieder eingenickt, deshalb richtete ich bloß ihre Decke, bevor ich mich zurück in den Geheimgang zwängte. Erst als ich die Holzverkleidung hinter mir zurück in ihre Position gerückt hatte und mich die Finsternis umschlang, fühlte ich mich sicher vor dem eisigen Blick meines Vaters und erlaubte es mir, meine Schultern zu lockern.

Eigentlich hatte ich nicht vorgehabt, mich länger als nötig in der Drasburg aufzuhalten, zumal mir Kjells Warnung noch frisch im Gedächtnis war. Auch wenn die Begegnung mit Valerius unschön gewesen war, es hätte schlimmer kommen können. Ich hätte Cassandra über den Weg laufen können. Jedoch hatte sich eine Idee in meinem Kopf geformt, die mir von Minute zu Minute besser gefiel, und deshalb beschloss ich, Haven einen Besuch abzustatten.

Die Heilerin war eine der wenigen Magierinnen, die außerhalb meiner Familie und den Ratsmitgliedern über mein Halbblut informiert war. Obgleich wir kaum ein Wort miteinander gewechselt hatten, seitdem sie es erfahren hatte, war ich mir relativ sicher, dass sie eine Heidenangst vor mir hatte. Diese Vermutung bestätigte sich, als ich das Krankenzimmer betrat und sie höflich begrüßte.

»Ares, du bist hier«, sagte sie mit schwacher Stimme.

Sie hatte am Medizinschrank herumhantiert, bevor ich mich bemerkbar gemacht hatte. Nun, da sie sich zu mir umgedreht hatte, ließ sich nicht übersehen, wie sehr die Phiolen in ihren Händen zitterten.

Daher setzte ich mein entwaffnendstes Lächeln auf und strebte eines der Betten an. »Es tut mir leid, falls ich Euch störe.«

Haven beobachtete jeden Schritt, den ich tat, als argwöhnte sie, dass ich sie jederzeit anspringen könnte.

»Ich möchte Euch bitten, mir die Heilungen beizubringen«, sagte ich und setzte mich auf die Matratze, die Hände für sie sichtbar auf den Schoß gelegt.

»Die Heilungen?«

Ich nickte eifrig. »Ich habe vor, Maressa zu heilen.« Allein das auszusprechen, fühlte sich gut und richtig an. Endlich würde ich mich nützlich für Maressa machen können, mich für all die Jahre, die ich unter ihrem Schutz gestanden hatte, bedanken können. Vielleicht würde dann selbst Valerius-

»Hast du Schmerzen?«, fragte Haven.

»Wie bitte?«

»Du hast eine Schonhaltung eingenommen. Stimmt etwas nicht mit deinem Bauch?« Sie stellte die Phiolen in den Schrank, ohne mich aus den Augen zu lassen.

»Äh...«

»Zieh deine Tunika aus«, sagte sie und kam geradewegs auf mich zugesteuert. Anscheinend hatte sie völlig vergessen, dass sie mich eigentlich fürchtete.

»Darum geht es jetzt aber nicht«, betonte ich. »Es geht darum, dass ich die Heilungen erlernen möchte.«

»Die Antwort ist: Nein. Ich werde dir nichts beibringen, was nur meinem Magiegrad zusteht. Das ist mir auch gar nicht erlaubt. Lässt du mich jetzt deinen Bauch sehen?«

»Ich könnte Euch bezahlen.«

»Charmant. Leider bin ich nicht halb so bestechlich wie du es dir erhoffst.« Kurzerhand drückte sie mich auf das Bett und griff selbst nach dem Saum meiner Tunika. Das Streifen des Stoffs über meine Haut war verwirrend schmerzhaft.

»Du meine Güte!«, stieß sie hervor. »Wie ist das passiert?«

»Wie hören sich hundert Taler und eine ehrliche Antwort auf diese Frage an?«

Ihr Blick haftete ernst auf meinem Bauch, während sie sich die Hände rieb und sie dann vorsichtig über meine Haut gleiten ließ. Ihre Magie zwickte leicht gegen meinen Schild, bis ich sie gewähren ließ.

»Die Blutungen waren alle innerlich und tief.« Sie trat einen Schritt zurück und fuhr sich mit dem Fingern durch das kurze Haar. »Liege ich richtig in der Annahme, dass ein Magier sie verursacht hat?«

»Warum seid Ihr eigentlich noch keine Heilermeisterin?«, wunderte ich mich.

»Ich sollte das dem König melden...«

»Er ist bereits darüber informiert«, improvisierte ich hastig. »Deswegen hat er mich ja hergeschickt.«

»Weiß dein Vater auch Bescheid?«

Ich richtete mich auf. »Machen wir uns nichts vor. Es wird ihn kaum interessieren... Wie wäre es damit: Ich erlaube Euch, mich zu heilen und im Gegensatz unterweist Ihr mich von nun an.«

»Ein verlockender Vorschlag. Was für ein Jammer, dass ich ihn ablehnen muss. Leg dich wieder hin.«

»Haven, ich brauche keine Heilung. Es reicht vollkommen aus, wenn Ihr den Raum kurz verlasst, damit ich Euren Medizinschrank bewundern kann.«

»Ich glaube nicht, dass du verstehst, wie gefährlich es ist, Mittel wie Nachtkreuz und Kreuzrinde zu mischen, ohne der Medizin kundig zu sein. Und die Entscheidung, ob eine Heilung notwendig ist oder nicht, überlasse ich sicher keinem ehemaligen Schüler Ulrichs. Ihr habt nämlich alle einen Knacks.«

»Das ist doch bloß ein Bluterguss!«

»Bloß ein Bluterguss? Magieverletzungen dieses Ausmaßes sind eine ernste Angelegenheit. Du kannst von Glück sagen, dass dein Schild so ausgeprägt ist, dass es dich davor bewahrt hat, Organschäden oder eine gerissene Arterie davonzutragen. Ich werde vermutlich zwei oder drei Stunden mit der Heilung beschäftigt sein.«

»So lange?«, ächzte ich. »So viel Zeit habe ich aber nicht!«

»Ich dachte, der König hätte dich aus diesem Grund zu mir geschickt?« Sie hob die Braue und ich lehnte mich zurück und nahm mir vor, sie nie wieder zu unterschätzen.

Havens Hände fanden zurück auf meinen Bauch und ich sah, wie sich ihre Finger dunkel färbten, genau wie vorhin bei Maressa. »Es wird sich um eine Tiefenheilung handeln, das heißt, ich werde mit meiner Magie arbeiten. Versuche, dich nicht dagegen zu wehren.« Etwas leiser sagte sie: »Ich weiß nicht, wer dich so zugerichtet hat, aber ich hoffe, du hast ihn nicht ungeschoren davonkommen lassen.«

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