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1: Charleston

Deutschland, Berlin – 15. Juni 1927

Siegfried räusperte sich vielsagend.

Weder sah Raik von seiner Berliner Allgemeinen Zeitung auf, noch Lillian von ihrem Spiegel weg, mit dessen Hilfe sie sich gerade für ihren Auftritt schminkte.

Der junge Hexer ballte die Hand zur Faust. Diese andauernden Respektlosigkeiten der beiden wurmte ihn mehr, als er je zugeben würde. Und er würde das definitiv in seinem Bericht erwähnen. Seine Fingerspitzen zuckten schon, wenn er daran dachte, welche wohl gesetzten Worte er auf die Schreibmaschine tippen würde. Dann würden die beiden hoffentlich die entsprechenden Konsequenzen erfahren und endlich begreifen, dass sie hier die Sergeanten waren – und damit ihm und all seinen Befehlen unterstellt.

Um seine angespannten Nerven nicht vollends zu verlieren, ließ er seinen Blick durch den kleinen Künstler-Vorbereitungsraum wandern. Es war ernüchternd. Früher hatte er sich die Künstlerräume mit schillernden, bunten Tapeten, bequemen Sofas und von allen Seiten beleuchteten Spiegeln vorgestellt. Doch die Realität sah karger aus. Fensterlos war der Raum und nur von einer einzelnen Glühbirne erhellt. Es gab zwei Stühle, die Raik und Lillian besetzten. Dafür aber jede Menge Tische, auf denen sie ihre Sachen ausbreiteten.

Immerhin hatte der Inhaber für ein wenig Privatsphäre gesorgt und ein paar bunte Wandschirme und hölzern-gerahmte Spiegel aufgestellt, hinter denen sie ihre Auftrittskleidung anziehen und sich zurechtmachen konnten. Doch sein geliehener, weißer Anzug saß zwar gut, kratzte aber an Armen und Beinen.

Neidisch schielte er zu dem Werwolf hinüber. Wie konnte Raik darin nur so gelassen dasitzen, als wäre er in seiner Wohlfühl-Haushose und nicht kurz davor, auf einer Bühne zu stehen? Mehr noch – im Namen des Ordens einen Auftrag zu beginnen? Vielleicht sollte er ihn einmal daran erinnern.

Also räusperte er sich wieder. „Lasst uns die Strategie besprechen."

Endlich legte Lillian den Pinsel, mit dem sie ihre Augen bemalt hatte, sorgfältig in sein kleines Kästchen zurück, das sie dann in der schlichten, ledernen Umhängetasche verstaute, die sie immer dabei zu haben schien.

Erst dann drehte sie sich zu ihm um und musterte ihn aufmerksam. Einen Moment lang verfing sich Siegfried in ihren grünen Augen ihres für die kommende Aufführung so intensiv geschminkten Gesichts, was gekonnt darüber hinwegtäuschte, dass die Vampirin weder Herzschlag noch Blutfluss besaß.

Siegfried schluckte und wandte sich rasch ab, wobei er Raik resolut ignorierte, der ihn über seine Zeitung hinweg mit hochgezogenen Augenbrauen musterte. Aus einer nervösen Übersprunghandlung heraus strich sich der Hexer einige nicht vorhandene Krümel von seinem weißen Anzug. „Also. Die Strategie..." Er brauchte einen Moment, ehe er sich gedanklich wieder sortiert hatte. „Wie bereits besprochen-"

„Ungefähr einhundertfünfzig Mal besprochen", unterbrach ihn Raik mit einem genervten Murmeln und warf einen Blick an Lillian vorbei in den Spiegel, um sich den weißen Hut auf seine dunklen, kurz gehaltenen Haare noch einmal richtig zu positionieren. Augenblicklich fragte sich Siegfried, ob sein Hut auch so gut saß.

Lillian warf Raik einen vernichtenden Blick zu „Er macht das so oft, damit du dir das wirklich merkst und es nicht wegen ein paar großer ... Augen gleich wieder vergisst", zischte sie gereizt, wobei Siegfried sich sehr sicher war, dass sie etwas anderes als „Augen" hatte sagen wollen.

Doch wohl weißlich hielt er sich da raus – nicht einmal Raik antwortete darauf. Zumal Lillian eh über alles, was Raik sagte und tat oder nicht sagte und nicht tat, in Wut zu geraten schien. Innerlich schüttelte der Hexer frustriert den Kopf und setzte auch diese permanenten, unprofessionellen Sticheleien mit auf seine Beschwerdeliste. Langsam fragte er sich wirklich, wie der Orden schon seit knapp 800 Jahren bestehen konnte, wenn diese beiden zu den besten Sergeanten zählten, die die Organisation zu bieten hatte. Besser er ging die Auftragsdetails noch einmal mit ihnen durch. Vielleicht würde sie das an ein bisschen mehr Professionalität erinnern: „Jedenfalls bleiben wir bei unserem Plan", fuhr er fort, als wären sie nie unterbrochen worden. „Der Orden hat uns als Tänzer auf das Stiftungsfestes des „Geselligkeitsclub Immertreu 1919 e.V." gemeldet. Und wir werden hier 45 Minuten lang plus fünfzehn Minuten Pause bei Halbzeit das Programm vorspielen, das wir die letzten Wochen einstudiert haben."

Vielleicht hatte er das alles doch einmal zu oft wiederholt. Aber der Plan gab ihm Halt, wann immer seine Hände vor Nervosität zu zittern anfingen. Der Plan war vom Orden ausgearbeitet. Er würde funktionieren. „Danach-"

„Warum sind wir eigentlich nicht als Kellner hier?", unterbrach der Werwolf ihn wieder – schon wieder.

Lillian seufzte und wollte sich offenbar über die Stirn reiben. Dann erinnerte sie sich daran, wie sie geschminkt war und ließ die Hände wieder sinken. „Du bist wie immer nicht hilfreich, Raik", murmelte sie ungeduldig und drehte stattdessen einen goldenen Ring an ihrem Finger, der von einem kleinen, roten Stein geziert wurde.

Siegfried hatte bereits registriert, dass sie dieses Schmuckstück nie abzulegen schien. Mehr noch – es war definitiv mit Magie gefüllt. Das spürten seine Hexensinne. Doch er wusste nicht, was dieser magische Talisman bewirkte – und zu fragen hatte er sich bisher nicht getraut. Das war unhöflich. Es fragte ja auch keiner, was die Talismane an seinem Armband bewirkten.

„Ich wollte nur-", setzte Raik an.

Siegfried stöhnte genervt. „Es steht dir aber nicht zu, die Strategie des Ordens in Frage zu stellen, Sergeant."

Raiks Blick brannte sich regelrecht in den seinen. Doch der Hexer wandte sich nicht ab. Warum auch? Er stand in der Hierarchie über dem Sergeanten – alle standen in der Hierarchie über den Sergeanten. Der Werwolf war ihm für diesen Auftrag zugeteilt und hatte jedem seiner Befehle Folge zu leisten. Manchmal musste man die Jäger des Ordens an ihre Stellung erinnern – das hatten ihm fast alle seine Mentoren immer wieder eingebläut.

Also fuhr Siegfried fort: „Der Plan steht. Wir werden als Tänzer die Leute unterhalten. Und im Nachgang, wenn wir alle Freiheiten auf der Veranstaltung haben, die Brand-Talismane finden, die hier für diesen Zirkel deponiert werden. Einen dieser Talismane werden wir gegen ein Replikat austauschen", zur Verdeutlichung griff er in seine Tasche und zog die kleine goldene Münze heraus, die angeblich genauso aussahen wie die Münzen, auf denen die Feuerzauber geprägt wurden. „Das ist kein Brandzauber, sondern ein aktiver Ortungszauber, dem der Orden zu ihrem Versteck folgen kann." Siegfried packte die Münze wieder weg. „Hast du das alles verstanden, Sergeant?"

Raik schwieg und wollte noch immer nicht wegsehen, nicht seinen angemahnten Platz einnehmen. Doch Siegfried würde definitiv nicht klein beigeben. Er leitete diesen Auftrag. Und er hatte vor, ihn genauso erfolgreich abzuschließen, wie die davor. Und dazu würden Raik und Lillian seine Befehle folgen.

Schließlich stand Lillian auf, warf einen letzten Blick in den Spiegel, um ihre hergerichtete Erscheinung kritisch zu prüfen. Akribisch zupfte sie ihr knappes weißes Kleidchen mit den goldenen Schnürchen zurecht und setzte ihr glitzersteinbesetztes Haarnetz mit der großen Feder auf. Dann warf sie wieder einen Blick in den Spiegel, während ihre Hand nach ihrer ledernen Umhängetasche griff. Siegfried runzelte überrascht die Stirn. Aber ja – er hatte die Vampirin noch nie ohne dieses Ding irgendwo in ihrer Nähe gesehen. Doch als ihre Finger jetzt die Henkel streiften, fiel ihr offenbar ein, dass sie die Tasche ganz sicher nicht mit auf die Bühne nehmen konnte. Also drehte sie sich stattdessen zu Siegfried und Raik um und lächelte so überzeugend, dass Siegfried fast vergessen hätte, ihr zuzuhören. „Seid ihr fertig? Wollen wir dann rausgehen? Die Ansage wird gerade gemacht."


Siegfried hasste Charleston. Noch dazu bei dieser Juni-Wärme. Warum hatte diese Veranstaltung nicht am Abend sein können, sondern zur Mittagszeit?

Trotzdem zwang er sich dazu, sein übertriebenes Lächeln nicht zu verlieren, während seine Arme zum Takt der flotten Musik des Plattenspielers hin und her schwangen. Er hatte das geübt. Üben müssen. Vier Wochen lang, Stunden um Stunden, bis er die Choreografien perfekt beherrschte. Und trotzdem schaute er noch immer auf Raiks Bewegungen, der in seinem weißen Anzug schräg vor ihm tanzte. Damit er keinen seiner Einsätze verpasste.

In die Hocke, die Knie zusammen und auseinander, zusammen und auseinander. Seine Bewegungen waren perfekte Spiegel zu Raiks. Und trotzdem sah es bei diesem Kerl besser aus, fließender, lebensfreudiger. Siegfried sah es in den Spiegeln, die an der Decke über der Bühne hingen. Und es ärgerte ihn. Warum war dieser Köter so viel geschickter als er? Vielleicht war das so ein Werwolf-Ding. Zumindest redete sich Siegfried das ein.

Trotzdem verlor er sein Lächeln nicht, als er sich jetzt auf einem Bein auf der Stelle drehte, um sich Lillian zuzuwenden. Wie einstudiert kam sie lachend, hüft- und Armschwingen auf ihn zu, wobei die goldenen Fäden ihres Kleidchens im Takt hin und her schwangen und glitzernde Lichtreflexe über den ganzen Bühnenboden verteilten.

Siegfried hätte fast seinen Einsatz verpatzt.

Gerade noch rechtzeitig nahm er ihre kühlen Hände und hüpfte mit ihr breit lächelnd über die Tanzfläche. Und während er sie rockfliegend im Kreis drehte, erinnerte er sich daran, dass die Vampirin vermutlich vor seiner Ur-Ur-Großmutter geboren war. Und dass es wirklich absolut keine Rolle spielte, dass dieses dünne, weiß-gold-glitzerndes Kleidchen der Fantasie kaum Spielraum ließ. Daran änderten die kurzgeschnittenen Haare und der Federschmuck auf ihrem Haarnetz auch nichts.

Das Publikum im Saal war trotz des Sonnenlichts, das durch die offenen Fenster strömte, kaum zu sehen. Es verschwand regelrecht unter einer blau-grauen Dunstwolke aus Zigarettenqualm – doch es war deutlich zu hören, als es begeistert klatschte. Und es lachte, als Raik sich im Takt der fröhlichen Musik mit übertriebenen Bewegungen und akkuraten Tanzschritten an die beiden „heranpirschte", um ihm Lillian aus der Drehung heraus „wegzuschnappen". Alles geprobt. Alles einstudiert.

Ebenso wie Raiks Hände auf Lillians Hüften, als er sie wie nichts hochhob, im Kreis drehte und außertaktmäßig langsam wieder vor sich absetzte. Dicht, viel zu dicht und mit tiefen, hungrigen Blicken, während seine Finger provokativ höher wanderten, als angemessen wäre. Show. Alles Show.

Siegfried hatte sie das üben sehen und Lillian dabei jedes einzelne Mal fluchen hören wie ein Fischweib. Aber jetzt, in diesen Augenblick sah es so echt aus, dass es sich fast verboten anfühlte, die beiden anzusehen. Doch das Publikum quittierte diese Einlage mit anfeuernden Pfiffen. Lillian streckte Raik die Zunge heraus und tanzte mit ausladenden Bewegungen zu ihm zurück, was grölendes Gelächter zur Folge hatte.

Zwei weitere Minuten und der Spuk war vorbei. Endlich. Das erleichterte Lächeln, das sich nun über sein Gesicht zog, als Siegfried zwischen Raik und Lillian seinen verdienten Applaus entgegennahm, war das Erste, seit er diesen Raum betreten hatte.

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