Der gefallene Stern
In einer kalten und stürmischen Dezember-Nacht fiel ein Stern vom Himmel. Ihr Name war Annabelle. Annabelle versuchte noch sich festzuhalten und nach einer Hand einer ihrer Schwestern zu greifen, doch vergebens. Sie fiel und purzelte durch den schwarzen Nachthimmel hinab und verlor den Blick auf ihre Schwestern als sie die Wolkendecke durchbrach. Mit voller Wucht traf sie der Sturm mit Wind und Schnee der auf ihrer reinen Porzellan-Haut stach und brannte wie eisige Metallsplitter, die auf sie einprasselten. Kein Atemzug später begrüsste sie die harte Realität des Erdbodens und auch das letzte Licht erlosch und ihr wurde schwarz vor Augen.
Vogelgesang, ein warmer Schein und eine kalte Nase weckte den wundersamen Stern aus seiner Ummacht. Sie schreckte hoch. Die Dunkelheit wich grellem Weiss. Schnee, dachte sie. Ja das war Schnee, sie sah Schnee schon oft von oben herab. Es schien ihr immer als würde er die ganze Welt in Wolken tauchen. Doch von hier unten schien er ihr gar nicht mehr so flauschig zu sein. Auch die Vögel waren neu für sie. Im Himmel, müsst ihr wissen, hört man sie nicht, denn sie sind viel zu weit entfernt. Der zierliche Stern erschrak abermals, als sie die kalte Nase sie an die Hand stupste. Annabelles Blick senkte sich auf ein kleines rotbraunes Wesen. Es hatte eine spitze Schnauze, braune intelligente Augen und einen langen buschigen Schwanz mit einer weissen Spitze. Als hätte man sie in ein Farbfässchen getunkt. «Hallo, wer bist den du?», sprach Annabelle das Tier an. Das Wesen setzte sich auf seinen pelzigen Hintern und musterte sie interessiert. «Ich bin ein Fuchs und was bist du?» Ja, ein Fuchs natürlich. Ab und zu sahen die Sterne Füchse und auch andere Kreaturen der Nacht. Zwar ganz klein aber immerhin. Die Sterne haben nämlich sehr gute Augen und können ein wenig das Geschehen auf der Erde verfolgen. Annabelle selbst sah zum ersten Mal überhaupt einen Fuchs und sie glaubte zum ersten Mal für einen Stern war sie den Wesen der Erde überhaupt so nah. «Ich bin ein Stern.» Er blinzelte. «Ein Stern also. Deswegen kannst du mich verstehen. Bist du nicht ein wenig weit weg von Zuhause?» Sie überlegte kurz. «Naja, es gab letzte Nacht ein Unwetter und da bin ich gestürzt.» sagte Annabelle wahrheitsgemäss. «Mein liebes Fräulein,» fing der Fuchs an. «Dieses Unwetter war schon vor drei Tagen.» Um Himmels Willen, dachte sie, Meine Schwestern werden mich sicher schon vermissen. «Entschuldige, weisst du vielleicht wie ich wieder zurück in den Himmel komme?» Das Tier schüttelte den Kopf. «Nein, weiss ich leider nicht. Aber ich kenne jemand der es vielleicht wissen könnte. Er heisst Riven und wohnt in einem alten Haus im Menschendorf hinter den Hügeln. Den Qualm ihrer Feuer kannst du gar nicht übersehen.» Sie strahlte bis über beide Ohren. «Oh danke, vielen Dank kleiner Fuchs.» Und schon stürmte sie davon in Richtung der Hügel. Der Fuchs rief ihr noch hinterher obwohl er bezweifelte das sie ihn noch hören konnte: «Sei vorsichtig und nimm dich in acht vor den Jägern!» Leiser brummelte er mehr zu sich, «Ich bin nicht klein.»
Annabelle rannte und rannte, schier unendlich wie es ihr schien. An zahlreichen Bäumen vorbei, über Steine hinweg und die Hügel hinab und hinauf so schnell sie ihre nackten Füsse auch trugen. Sie spürte die Kälte nicht die ihrer schneeweissen Haut eigentlich eine bläuliche Färbung geben sollte, auch hinterliessen ihre Füsse keine Tapsen in der Schneedecke wie es bei jedem Mensch oder Tier der Fall gewesen wäre. So leicht war dieses Sternenmädchen. Obwohl man Mädchen schon fast nicht mehr sagen konnte, da sie für ihre Milliarden von Jahren, mit dem Aussehen von etwa fünfundzwanzig keinen schlechten Handel gemacht hatte. Abrupt blieb sie stehen, sie war am Waldrand angekommen und vor ihr erstreckte sich kein Dorf... Es waren grosse steinerne Häuser, die sich in den verschiedensten Farben auftürmen, sie hatten überall glänzende Flächen. Es muss Glas sein, dachte sie, und das muss es sein, was die Menschen Stadt nennen. Ohje ohje, wie soll ich da nur Riven finden. Ich weiss ja nicht mal wie er aussieht und an diesem Ort lebten sicher hunderte Menschen. Und wie recht sie da hatte, nur konnte sie nicht ahnen, dass es an diesem Ort keineswegs nur hunderte, sondern weitaus mehr Menschen lebten. Annabelle Machte sich auf den Weg. Je tiefer sie in die Siedlung vorrückte, desto befremdlicher fühlte sie sich. Inzwischen war die Dunkelheit über sie gefallen und der warme Schein der Strassenlampen beleuchtete ihren Weg. In den Fenstern blitzten nach und nach Lichter auf, und man sah die Familien in den Häusern beisammensitzen. Die eiligen Leute die durch die Strassen gingen beachten sie nicht weiter, auch dann nicht, wenn Annabelle die Leute ansprach. «Ich dachte, die Menschen wären freundlicher» murmelte der gefallene Stern und lief weiter die Gassen entlang, ihren Blich stets auf den schmuddeligen matschigen Schnee zu ihren Füssen gerichtet. Als sie Aufblickte fand sie sich nahe der Stadtmitte wieder. Vor ihr herrschte reges Treiben und die Wohnhäuser und Geschäfte waren festlich mit Tannenzweigen, Schleifen und bunten Kugeln geschmückt. In ihr schien es zu explodieren und ein breites Lachen stahl sich auf ihr Gesicht. Die rannte der Musik entgegen, sah einen Chor der munter sang und Leute die vollbepackt aus den Läden liefen. Sie folgte den geschmückten Strassen, bis sich ein unwiderstehlicher Geruch in ihre Nase schlich. Es roch süß und erfüllt von Gewürzen; Zimt Nelken, Orangen und noch viel mehr. Darauf bedacht die Menschen nicht zu stören schlich sie dem Duft nach, bis ihre kleine Stupsnase an einem Ladenfenster einer Bäckerei ankam.
Viele Leute warendarin zusehen, und kleine Kinder drückten am Glas ihre Nasen platt. Sie konnteBrote, Konfekt, Torten und Kuchen, ja sogar kunstvoll verzierte Lebkuchenhäuserwaren zu sehen. Das erklärte dann auch diesen wundervollen Duft. Annabelle liefauf eine Gruppe zu, die bei einem gemütlichen Glas Glühwein an einem warmenFeuer standen. «Hallo, entschuldigen Sie? Wissen Sie wo ich einen gewissenRiven finde?» Keine Reaktion. «Ach bitte, ich möchte doch nur nach Hause.» ZumEnde hin wurde ihr Ton immer verzweifelter, doch die Leute beachteten siewieder nicht. Schüchtern wollte eine der Damen an die Schulter tippen. In jenemMoment jedoch, drehte sie sich um, Annabelles Herz hüpfte schon hoch zum Himmelherauf, fast zu ihren Schwestern, als die Frau einfach durch sie hindurch lief.Entsetzen spiegelte sich auf dem Gesicht des Sternenmädchens und ihr Blickflitzte immer wieder zwischen der Frau, welche einfach ungerührt weiter lief undihrem Körper mit dem langen Kleid aus Sternenlicht hin und her. Mit jederSekunde änderte sich auch ihr Gesichtsausdruck. Erst spiegelte sichÜberraschung, dann entsetzen und schließlich Furcht in ihren Zügen wieder. Wieein kleiner Vogel flitzte sie von Mensch zu Mensch und versuchte ihreAufmerksamkeit auf sich zu ziehen, doch nichts gelang ihr. Die Menschen warenblind für Sternenlicht geworden. Mit fortschreitender Zeit leerten sich dieGassen und zum Schluss erloschen sogar die Gaslampen der Strassen. Annabelleblieb in der Finsternis zurück und sah zum Himmel, an dem ihre Schwesternstrahlten. Trübe wandelte sie weiter durch die Gassen und sah hagere Katzensich bei den Mülltonnen herumtreiben und sich um die kleinsten Reste streiten.Die Dunkelheit ließ noch andere Streuner hervorkommen, nicht nur Tiere. DasHerz des Sternenmädchens drohte zu zerreißen als sie die Heimatlosen undVertriebenen sah, in zerlumpten Kleidern, wie sie sich verzweifelnd an ihremFeuer versuchen zu wärmen. Sie habennichts von diesem Weihnachtsfest und der besinnlichen Zeit, dachte sie. Und niemand kümmerte sich um sie. Niemandnahm an ihrem Leid in dieser Kälte Anteil und verbannte sie in die dunklenGassen und Hinterhöfe. Mit Einsetzen stellte sie fest wie verdorben dieMenschen doch geworden sein mussten, oder einfach nur blind und ignorant füralles was sie nicht persönlich betraf. Ein Schauder des Ekels lief über ihrenRücken. Da die Heimatlosen sie auch nicht sahen trugen ihre Füsse sie zumFriedhof und sie lies sich auf der Treppe der nieder, kauerte sich zusammen undvergrub das Gesicht in ihren Händen. Mit kaum Hörbarem Schluchzten kullerteneinige ihrer diamantenen Tränen zu Boden. «Wieso so betrübt mein hübschesFräulein?» fragte eine rauchige Stimme. «Die Menschen haben kein Licht mehr insich. Sie sind blind für Sternenlicht geworden.» Mit einem seufzen antwortetedie Stimme: «Ach mein Fräulein, nehmt es nicht so schwer. Für einige Menschengibt es immer noch Hoffnung.» Annabelle blickte auf, sie realisierte erstjetzt, dass ja jemand mit ihr redete. Erst hielt sie Ausschau nach einem Tier,wie der Fuchs eines war, und dieser konnte ja mit ihr reden. Ihr Blick bliebauf einem Bettler vor den Kirchtoren haften. War das Möglich? «D.. du.. kannst mich sehen?» stotterte sie mitschräg gelegtem Kopf vor sich hin und musterte den Mann. Seine Erscheinung warzerlumpt und er hatte lange schwarze Haare und einen ebenso schwarzen Bart indenen sich einige graue Strähnen schlichen, sein Gesicht war zerfurcht von Zeitund Wetter, doch seine Augen Leuchteten in einem unbeschreiblichen Grün. Seitsie auf der Erde war, sah sie zum ersten mal das Licht im Herzen einesMenschen. «Ich bin Riven und nehme an du hast mich gesucht?» Staunen, siekonnte einfach nur staunen. «Du, du bist der Riven? Du sollst mir helfen nachHause zu finden?» Annabelle wirkte leicht irritiert. Natürlich. So hatte siesich ihren Retter nun wirklich nicht vorgestellt. «Wen hast du den erwartet,kleiner Stern?» Sie lächelte ihn entschuldigenden an. Riven winkte ab und fuhrfort: «Es tut mir leid, Fräulein. Aber du kannst nicht so einfach zurück.» Erlächelte milde und versuchte sie auf zu muntern. «Bring die Menschen dazu andas Gute zu glauben.» - «Wie soll das denn bitte gehen?» fragte sie entsetzt.Das Mondlicht glitzerte in ihren blauen Augen und lies ihre Haut genau so weißleuchten wie der Schnee um sie herum. Und so zog sie von dannen, bedacht daraufbedacht die Menschen zum Guten zu bewegen.
Nur sie ist nicht alleine, es gibtviele Sterne da draußen die nach Hause möchten. Also wenn ihr in euer Herzseht dann denkt an das Sternenlicht und tut etwas Gutes. Nicht für euch,sondern für die Sterne und das Gute in der Welt und auch dafür, dass dieBlindheit jedes Einzelnen etwas schwindet. Also lasst das Licht in euer Herz.
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