Kapitel 8a
„Der König möchte Sie sehen. Sie beide", sagt Jamie mit einem kleineren Lächeln als üblich. Wir haben gerade das Abendessen beendet und der Vorfall im Badezimmer liegt zwei Tage zurück. Seit dem ist es wieder angespannter zwischen uns geworden. Ich durchforsche weiterhin Beynons Aufzeichnungen, aber seine Blicke liegen schwerer auf mir und ich kann ihm ansehen, dass er ungeduldig wird. Die Angst vor dem König schiebt alles beiseite. Was will er dieses Mal? Hat er nicht alles, was er wollte? Auch Beynon spannt sich an und die übliche Angst setzt sich in seine Augen.
Gemeinsam folgen wir Jamie zum Arbeitszimmer des Königs. Mit langsamen Schritten. Zögerlichen Schritten, denn keiner von uns hatte es eilig. Bevor wir eintreten, greife ich nach Beynons Hand. Er mag nicht die Person sein, die ich mir an die Seite wünsche, aber trotzdem bin ich froh nicht alleine zu sein. Der König macht mir Angst, mehr als Angst; er ist furchteinflößend. Und jemand anderes bei mir zu wissen, gibt mir Stärke. Beynon drückt sie kurz und lächelt mir aufmunternd zu. Doch ich erkenne, dass er dieselbe Angst teilt.
„Da ist das glückliche Paar", begrüßt uns der dicke Mann glücklich und küsst unsere Wange, als seien wir alte Freunde. Verwundert blicke ich zu Beynon, der auch nicht versteht, was vor sich geht. Ich bin erleichtert, dass er weiterhin meine Hand hält. Zu meinem Erstaunen gibt es mir mehr Mut als zuvor gehofft. Viele seiner Handlungen zeigen, dass er mich tatsächlich beschützen will. Wenn auch auf eine verdrehte Weise. Doch ich weiß, dass das Verlangen nach Anerkennung seines Vaters größer ist. Das habe ich deutlich über die letzten zwei Wochen gesehen. Weshalb ich mich nicht ganz auf das Gefühl, der Sicherheit seinerseits, einlassen kann. Der König betrachtet uns mit einem für ihn untypischem Lächeln. Was geht hier vor? Das Lächeln ist beinah beängstigender, als die feuerspeienden Augen.
„Ich hatte noch keine Chance euch euer Hochzeitsgeschenk zu überreichen", sagt er weiterhin fröhlich und stellt sich vor uns. Die Hochzeit. Obwohl ich die Folgen des Tages täglich lebe, ist es bedrückend direkt darüber nachzudenken.
„Vater, das ist nicht nötig", höre ich Beynon sagen. Kurz erwarte ich, dass eine Hand auf ihn schellt, doch nichts passiert. Ganz kurz sehe ich Wut in den Augen des Königs aufblitzen, die sich schnell wieder legt. Was geht hier vor?
„Ach, mein Sohn. Aber natürlich. Ihr seid zwei Wochen verheiratet und hattet noch kaum einen Moment für euch alleine. Ich weiß, die Arbeit, die du die letzten Tage geleistet hast, ist wichtig. Da sie erledigt ist, hast du dir ein paar freie Tage verdient. Auch du Prinzessin könntest ein paar Tage außerhalb des Palastes brauchen. So blass um die Nase, siehst du beinah kränklich aus", sagt er während er mir über die Wange streicht. Wenn er wüsste, dass nur aus Angst vor ihm die Farbe aus meinem Gesicht gewichen ist, würde er sich daran erfreuen. Ich muss schwer schlucken bei einer Berührung und drücke Beynons Hand feste, der noch ein Stück näher zu mir rückt.
„Also dachte ich mir, dass es Zeit für ein paar Tage auf dem Land ist. Sozusagen verspätete Flitterwochen für das junge Paar", sagt er mit einem überhebenden Grinsen. Ein leises erschrockenes Schnaufen entweicht mir bei dem Gedanken alleine mit Beynon an einem verlassenen Ort zu sein. Ich verbringe zwar die letzte Zeit meistens alleine mit ihm, aber es ist etwas andere zu wissen das Kian, meine Mutter und unzählige Angestellten vor der Tür herumwuseln oder wir wirklich alleine sind.
„Aber Vater ...", legt Beynon ein und ich bin froh, dass es ein strenger Blick ist, der ihn zum Schweigen bringt. Niemand hat es verdient geschlagen zu werden, erst recht nicht von seinem Vater. Es ist egal, um wen es sich handelt. Ich sehe die Verwunderung über das veränderte Verhalten auch in Beynons Augen. Es ist traurig, dass das Ausbleiben von Schlägen seinen Sohn verwundert. Ich verdränge den Gedanken, weil er eine Trauer aufsteigen lässt, die ich in dem Moment nicht spüren möchte. Aus Angst der König könnte seinen neu gewonnen Pazifismus überdenken, lege auch ich keinen Einspruch ein. Obwohl, jede Faser in mir sich gegen das Geschenk wehren will. Mein Herz beginnt langsam etwas schneller zu schlagen und meine Hand beginnt zu schwitzen.
„Nichts zu danken, mein Sohn. Eure Kutsche wartet bereits auf euch. Das nötigste wurde für euch gepackt und den Rest findet ihr dort. Also los. Habt Spaß", sagt er und scheucht uns mit einer Handbewegung aus dem Raum. Keine Zeit für Einspruch, aber auch kein Mut. Bevor er die Tür hinter uns schließt, sagt er noch hinterhältige, „Ich würde mich über baldige Enkelkinder freuen."
Er knallt die Tür hinter uns, dessen Schlag meinen ganzen Körper durchzieht.
Ein Schauer lässt mich erstarren und gefriert mir die Knochen. Enkelkinder. Alleine mit Beynon. Sofortiger Aufbruch.
Mein Puls steigt ins unermessliche, mein Blick verengt zu einem schmalen Tunnel und meine Ohren verfallen einem Rauschen so laut, wie ein Wasserfall. Meine Atmung geht so schnell, dass mir schwindelig wird und Beynon mich halten muss. Alles um mich beginnt zu beben und ich verliere den Halt zu meiner Umgebung.
Ich weiß nicht wie lange ich in dem Zustand bin, doch plötzlich tauchen wunderschöne und beruhigende grüne Augen vor mir auf. Ich lächle. Langsam dringen Worte zu mir. Ich brauche einen Moment, um sie zu verstehen.
„Emmelin? Du musst dich beruhigen. Atme tief ein, halten und dann langsam die Luft herauslassen. Hörst du mich? Emmelin?", dringen die sanfte Stimme von Kian zu mir durch. Augenblicklich werde ich in eine Erinnerung gezogen. Genau wie jetzt steht Kian vor mir. Seine Hände auf meinen Schultern, seine Augen genauso besorgt wie jetzt. Und dieselbe Anweisung. Der Tag des jährlichen Balls in Merah. Ich mache die Übung, wie er mich anweist. Tiefe, langsame Atemzüge. Kurz darauf legt sich das laute Rauschen und meine Atmung wird flacher. Nur mein Herz scheint weiterhin zu rasen.
„Was ist passiert?", will Kian vorwurfsvoll von jemand wissen, der hinter mir steht. Nein, nicht steht, sondern mich im Arm hält. Erst jetzt bemerke ich, dass ich auf dem Boden sitze, jemand hinter mir und Kian vor mir kniet. Wie ist Kian so schnell hier hergekommen?
„Mein Vater", ist alles, was Beynon sagt und ich spüre, wie er mir beruhigend durchs Haar fährt. Ich blicke immer noch in Kians grüne Augen, doch sein Fokus liegt auf Beynon. Ärger ballt sich in ihnen auf.
„Was hat er getan?" Kian ist entsetzt und betrachtet mich erneut, um nach Verletzungen zu suchen. Sein Blick, obwohl er besorgt ist, wird härter als sonst und ich greife nach seiner Hand, um das normale Glänzen in seine Augen zu locken. Er drückt meine Hand kurz aufmunternd, schaut aber wieder zu Beynon. Ich befinde mich noch in einem halben Schockzustand und bekomme kein Wort über meine Lippen.
„Ich glaube, das Problem liegt bei seinen Worten", sagt Beynon traurig, hält aber in seiner Bewegung nicht inne. Seine Worte rufen mir das soeben Gehörte wieder ins Gedächtnis. Enkelkinder. Panik steigt wieder in mir auf und die Nähe zu Beynon ist plötzlich bedrückend.
„Was hat er ...?", beginnt Kian zu fragen, als es mir gelingt mich aus meiner Starre zu lösen.
„Ich schlafe nicht mit dir, Beynon. Das habe ich dir schon einmal gesagt und das tue ich wieder!", fahre ich Beynon wütend an und rutsche von ihm ab und zu Kian. Der schiebt sich augenblicklich vor mich und funkelt Beynon wütend an.
„Emmelin, das musst du nicht. Ich habe dir gesagt, ich zwinge dich zu nichts, das nicht sein muss. Mein Vater hat sich nur einen Scherz erlaubt. Seine Worte waren nicht ernst gemeint. Glaube ich zumindest", sagt er zuerst beruhigend und dann verwirrt. Er weiß auch nicht, was er mit den Worten anfangen soll. Was darauf schließen lässt, dass es sich nicht um einen Plan handelt, den die beiden gemeinsam geschmiedet haben, erkennt mein Verstand.
„Wenn du meine Schwester anrührst, dann schwöre ich dir, dass ...", droht Kian böse. Ich kann den Ärger in seiner Stimme hören, die Ernsthaftigkeit spüren und die Handlungsbereitschaft sehen.
„Beruhig dich, Kian. Ich tue ihr nichts. Sie ist meine Ehefrau und ich werde ihr nichts tun. Von Vergewaltigung halte ich so wenig, wie du mein Freund. Und ich nehme an, dass die Gerüchte über dich, genauso unwahr sind, wie die über mich", funkelt er Kian herausfordernd entgegen. „Was diesen Ausflug angeht, haben wir beide keine Wahl", beendet er bedrückt, aber auch etwas erleichtert. Ich kann mir gut vorstellen, dass er ein paar Tage mit mir alleine, das ist, was er will.
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