Kapitel 6a
Das leise Klacken einer Tür holt mich aus einem tiefen Schlaf und ich blinzle der herein brechenden Sonne entgegen. Ich brauche einen Moment, um mich an das grelle Licht zu gewöhnen und die Müdigkeit aus meinen Augen zu vertreiben. Langsam strecke ich meine Glieder und setze mich auf. Automatisch geht mein Blick auf die Suche nach Kian, als ich erschreckend feststelle nicht in unserem Zimmer zu sein. Wo bin ich?
Ein paar Augenblicke vergehen, um die Ereignisse des gestrigen Tages wieder in Erinnerung zu rufen und die Panik über Kians Abwesenheit legt sich. Erleichtert bemerke ich, dass Beynons Schlafstätte ordentlich zusammengefaltet ist und seine Schlafsachen auf dem Bett liegen. Von ihm ist keine Spur, was mich durchatmen lässt. Mein Puls beruhigt sich und meine Atmung wird wieder gleichmäßig.
Auf dem kleinen Nachttisch zu meiner linken, entdecke ich ein Tablet mit Brötchen, Marmelade und einer Tasse Kaffee. Eine rote Rose steckt in einer Kristallvase. Ich kann mir denken, wer diese darauf gestellt hat. Noch bevor ich mir das Essen schmecken lasse, entscheide ich mich für eine Dusche. Ich muss nicht nur das Make-up, aber auch all den Angstschweiß und Nervosität von gestern abspülen. Nach der Dusche ziehe ich mir das Kleid über, das bereitgelegt wurde. Ein nachtblaues Samtkleid mit einem goldenen Gürtel. Meine Haare binde ich in einen unordentlichen Knoten und trete zurück ins Zimmer.
Mein Blick fällt auf den goldenen Ring den ich am Finger trage. Kurz will ich ihn vom Finger reißen und durch den Raum werfe, aber werde mir den Worten des Königs bewusst. Seiner Drohung. Und entscheide den Ring zu ignorieren. Ich schmiere mir zwei Brote und schlinge sie hinunter. Der gestrige Tag war so stressig, dass ich kaum etwas hinunterbekommen habe.
Während ich mir das Frühstück schmecken lasse, schaue ich mich in dem riesigen Zimmer um. Um einiges größer als Alistairs Zimmer, aber mit einer ähnlichen Ausstattung, erstreckt sich der Raum vor mir. Es liegen oder hängen keine persönlichen Habseligkeiten herum und auch die Bücherregale beherbergen nur wenige Bücher. Es wirkt unbewohnt. Ob es nur für uns hergerichtet wurde?
Schnell verdränge ich den Gedanken, dass das meines und Beynons Zimmer ist und gehe auf die Tür zu. Ob ich das Zimmer verlassen darf? Schüchtern öffne ich die Tür und trete auf den Gang.
„Guten Morgen, Milady", erschreckt mich die freundliche Stimme eines Wachmanns.
„Emm ... guten Morgen." Verwirrt blicke ich zu dem jungen Mann, der mir entgegen Lächelt. „Darf ich zu meinem Bruder gehen?", frage ich verwirrt. Auch ihn scheint meine Frage zu verwirren.
„Aber natürlich, Milady. Brauchen Sie Hilfe, um das Zimmer zu finden?", will er weiterhin mit einem Lächeln wissen. Das Grinsen in seinem Gesicht verwirrt mich. Die Wachmänner schauen normalerweise grimmig und sprechen nicht außerordentlich viel.
„Nein, Danke. Ich denke ich finde es." Ich beginne in die Richtung zu laufen, in der ich das Zimmer vermute. Zu meiner Überraschung folgt mir der junge Mann nicht, sondern bleibt brav auf seinem Posten stehen. Nach einer Weile gelingt es mir mein altes Zimmer zu entdecken. Wie erwartet stehen auch hier Wachmänner, doch diese haben die übliche kalte Miene im Gesicht. Als ich die Tür öffnen will, bemerke ich, dass sie verschlossen ist. Augenblicklich öffnet einer der Männer die Tür und lässt mich eintreten.
„Emmelin", ruft Kian erleichtert und fällt mir um den Hals. Er trägt immer noch dieselben Kleider von gestern und seine Augenringe lassen darauf schließen, dass er nicht geschlafen hat.
„Als Beynon dich weggeführt hat, habe ich mir solche Sorgen gemacht. Ich wollte dir nachgehen, aber die zwei Gorillas da draußen haben mich hier eingesperrt. Geht es dir gut? Was hat er dir getan? Geht es dir?", fragt er panisch und tätschelt mein Gesicht.
„Kian, beruhig dich. Ich bin jetzt hier. Mir geht es den Umständen entsprechend gut. Ich wusste erst, was vor sich geht, als ich dich schon aus den Augen verloren habe. Es tut mir leid." Ich versuche ihn zu beruhigen, aber er schaut mich weiterhin panisch an.
„Hat er ... also musstest du ...?", stammelt er immer noch ängstlich und wendet seinen Blick von mir ab.
„Nein! Oh nein! Mach dir keine Sorgen. Ich muss im selben Zimmer bleiben, aber er hat auf dem Sofa geschlafen", beruhige ich ihn, nachdem mir bewusst wird, woher die Angst stammt. Erneut zieht er mich in eine Umarmung.
„Oh, da bin ich erleichtern." Er drückt mich noch enger. Erst jetzt bemerke ich, wie sehr ich die Umarmung brauche. Leise beginnen Tränen über meine Wangen zu fliesen und die angestaute Anspannung von gestern, löst sich langsam aus jeder Zelle meines Körpers.
„Was jetzt?", fragt er, nachdem er sich wieder aus der Umarmung löst. Ich wische mir die letzten Tränen beiseite und sehe, dass eine einzelne Träne auch über sein Gesicht gelaufen ist.
„Was meinst du?"
„Was passiert jetzt? Der König hat, was er wollte. Aber was machen wir jetzt? Sollen wir weiterleben wie zuvor?" Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Was genau ist es, dass wir hier tun sollen?
„Ich weiß nicht. Aber als ich heute früh aufgewacht bin, war Beynon schon weg. Oh und der Wachmann vor unsere Tür hat mich nicht einmal hierher begleitet. Er hat mich einfach alleine durch den Palast gehen lassen", verkünde ich meine neue Erkenntnis. Ich sehe wie Kian zusammen zuckt bei der Erwähnung unseres Zimmers und ihm bewusst wird, dass ich von Beynon und meinem sprach.
„Es ist gleich Zeit fürs Mittagessen. Ich denke wir werden es dort erfahren." Ein Blick auf die Uhr verrät, dass es bereits kurz vor zwölf ist. Ich habe länger geschlafen, als zuerst gedacht. Kurze Zeit später gehen wir zum Mittagessen, dieses Mal begleitet von den grimmig schauenden Wachmännern. Näher als sonst setzt sich Beynon neben mich und grinst mir freudig entgegen, während Kian ihn mit bösen Blicken straft.
„Was genau sollen wir jetzt machen?", fragte ich, nachdem mir der Blick von Beynon zu unangenehm wird.
„Was meinst du?" Innerlich muss ich lachen, weil Beynon dieselbe Frage stellt, wie ich. Behalte aber eine neutrale Miene.
„Sollen wir weiterhin im Zimmer sitzen wie Gef..." Als mir einfällt, dass Willy am Tisch sitzt, stoppe ich prompt. „...wie Gäste", beende ich den Satz.
„Du darfst machen was du möchtest. Jeder Raum steht dir zur Verfügung. Wenn du willst, kannst du Klavier spielen lernen oder ein anderes Instrument. Neue Tänze. Handarbeit. Oder in die Bücherei. Malen oder einfach in den Garten. Was immer du möchtest", verkündet er fröhlich. Machen mich die Fesseln, der Ehe wirklich frei?
„Und Kian?", will ich misstrauisch wissen. Da mir nicht entgangen ist, dass er alles auf mich bezog.
„Er ist weiterhin ... Gast ... solange er sich benimmt, kann er dich mit seinen zwei Freunden begleiten." Ich sehe Beynon an, dass es ihm missfällt, dass ich Zeit mit Kian verbringen will. Erwartet er, dass wir so leben?
Die restliche Zeit verbringen wir still, nur Willy erzählt gespannt von einem Piratenbuch, das er gerade liest. Da Beynon gestattet hat, dass Kian das Zimmer auch außerhalb der Mahlzeiten verlassen darf, gehen wir gemeinsam in den Garten. Unsere Mutter muss Willy beim Unterricht helfen und kann uns nicht begleiten. Die Wachmänner folgen uns, jedoch mit genügend Abstand, um ungehört zu reden. Ich sehe Kian an, dass er den kleinen Sieg über etwas Freiheit, mit vollen Zügen genießt. Zu lange ist es her, dass er sich so frei bewegen konnte.
„Was denkst, du ist mit Leander?", fragt er nach einer Weile. Meine Gedanken waren wieder bei Kalea und Rosalee, weshalb ich einen Moment brauche, um seine Frage zu verstehen.
„Ich weiß es nicht. Ich denke nicht, dass er einfach weggelaufen ist. Wahrscheinlich war das schon die ganze Zeit der Plan. Dass ich Beynon heirate und der König hat nur so getan, als hätte ich eine Wahl", spreche ich das erstbeste aus. Eine Weile werfen wir mit den wildesten Vermutungen um uns und ich bemerke, wie die Anspannung, der letzten Tage von mir abfällt. Ich mag gefangen sein, aber ich bin nicht alleine. Als Kians Blick auf den Ring an meinem Finger trifft, wird er wieder traurig.
„Lass uns nicht darüber sprechen", bitte ich ihn, bevor er etwas sagen kann. Er kommt meiner Bitte nach und so spazieren wir durch den Garten, krampfhaft an jedem schönen Moment klammernd, um unsere wahre Situation zu vergessen.
Als wir gerade zum Abendessen gehen, kommt der nette Wachmann vom Morgen auf uns zu.
„Guten Abend, Milady. Ich komme sie für das Abendessen abholen", sagt er höflich, mit einem Lächeln.
„Esse ich nicht mit meiner Familie?" Mein Blick geht ängstlich zu Kian, der den Mann ebenso verwirrt Anblick.
„Nein, Milady. Abendessen werden im Kreise der ehelichen Familien verspeist. Somit nur sie und ihr Gatte", erklärt er mir ruhig. Ich muss schwer schlucken und spüre wie Kians Griff um mich fester wird. Gatte. So sehr ich mir auch wünsche, dass gestern nichts weiter als ein Albtraum war, musste ich der Wahrheit ins Auge sehen. Beynon ist mein Ehemann und ich seine Ehefrau. Erneut muss ich schwer schlucken. Der Wachmann blickt mir auffordernd entgegen. Beynon hätte etwas beim Mittagessen sagen können, ärger ich mich innerlich. Für meine Familie spreche ich mir Mut zu. Ich will mich aus Kians Griff lösen, um dem Mann zu folgen, aber er lässt nicht locker.
„Kian, ist schon in Ordnung. Ich wusste, dass nicht alles schön wird. Wir sehen uns beim Frühstück wieder", versuche ich möglichst mutig zu klingen und drücke ihn schnell. Widerwillig lässt er mich gehen. Die Gewissheit, dass er bei unserer Mutter und Willy isst, lässt mich etwas ruhen. Er ist nicht alleine. Meine Familie ist sicher. Das ist der Grund, weshalb ich das alles tue. Für sie.
„Wieso hast du mir nichts von der Regelung beim Mittagessen berichtet?", will ich verärgert wissen, als ich in den Raum gebracht werde, in dem Beynon bereits wartet. Ich hätte mich darauf einstellen können und nicht ins kalte Wasser geworfen werden.
„Es tut mir leid. Ich wusste nicht, dass du die Regelung nicht kennst. In Zukunft werde ich so etwas vermeiden", sagt er höflich, dass mir beinah schlecht wird. Wie kann er mich so herzlich anstrahlen und so fröhlich sein, wenn er weiß, wozu er mich zwingt. Gezwungen hat. Das Essen verbringen wir größtenteils schweigend. Ich bin überrascht, als er zurück mit ins Zimmer kommt, denn ich habe meine neue Wohnsituation vergessen.
Unbeholfen bleibe ich in der Mitte des Raumes stehen und er stellt sich mir gegenüber, immer noch mit dem unheimlich fröhlichen Lächeln. Als er seine Hand hebt, schrecke ich automatisch zurück und reiße die Augen auf. Zum ersten Mal an diesem Tag weicht das Lächeln aus seinem Gesicht.
„Du hast Angst vor mir?",sagt er erschrocken und blickt mir bedrückt entgegen. Endlich gelingt es mirmeiner Wut freien Lauf zu lassen. Hier ist niemand der dem König Berichterstatten könnte außer Beynon. Etwas verrät mir, dass er mich tatsächlich vorseinem Vater schützen will.
„Natürlich! Du hast mich geschlagen. Nicht nur einmal. In Merah hast du mich fast erwürgt. Du hast mich entführt; hältst mich gefangen und zwingst mich dich zu heiraten. Natürlich habe ich Angst vor dir!" Böse blitze ich ihm entgegen und bin froh, dass ich nicht gegen Tränen ankämpfen muss. Meine Worte treffen ihn hart. Härter als ich für möglich gehalten haben. So hart, dass ich kurz bereue sie ausgesprochen zu haben. Er blickt mir entgegen, als habe ich sein Herz aus der Brust gerissen und es vor seinen Augen zerquetscht. Hat er all die Umstände, die uns hierher bringen, vergessen?
„Es tut mir leid, Emmelin." Ich beobachte, wie sein Blick an die Stelle geht, die noch leicht an die Schläge erinnert. Seine Augen beginnen zu glänzen und ich sehe ihm an, dass er mit den Tränen kämpft. Waren meine Worte zu hart? Es ist die Wahrheit, kommentiert mein Verstand. „Ich wollte das nicht. Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist. Du musst mir glauben. Ich verspreche dir, dass so etwas nie wieder passiert." Er klingt so flehend, dass ich kurz gewillt bin meine Wut zu legen. Aber dann rufe ich mir all die Umstände ins Gewissen. Wie kann er das Versprechen, wenn er nicht weiß, ob er es halten kann? Ich möchte mich nicht streiten. Nicht länger Kämpfe austragen, dessen Siege mich nicht weiter bringen. Dafür habe ich nicht die Kraft.
„Ich bin müde. Ich würde gerne schlafen gehen", sage ich kalt und wende mich zum Badezimmer. Ohne Einspruch lässt er mich gehen. Wieder streife ich mir eine Hose und einen Pullover über und kuschele mich in das befremdliche Bett. Nach mir geht auch Beynon ins Badezimmer, aber beginnt keine neue Konversation. Zu meiner Erleichterung macht er es sich wieder auf dem Sofa bequem. Eine Weile starre ich gedankenverloren an die Decke bis ich Beynons, leises regelmäßiges Schnarchen höre.
„Beynon?", flüstere ich leise, um zu überprüfen, dass er wirklich schläft. Keine Reaktion. Erleichtert atme ich auf. Ohne Schuhe schleiche ich leise aus der Tür. Zu meiner Erleichterung steht der lächelnde Wachmann vor der Tür.
„Guten Abend. Ist alles in Ordnung, Milady?", will er besorgt wissen und ich bin froh, dass er flüstert.
„Alles gut. Emm... Wie heißen Sie denn?" Es kann nicht schaden sich mit dem Wachmann anzufreunden. Wer weiß, vielleicht brauche ich seine Hilfe einmal noch.
„Jamie, Milady", stellt er sich vor.
„Schön Sie kennenzulernen Jamie. Nennen Sie mich, Emmelin. Ich kann nicht schlafen und möchte etwas herumlaufen", beantworte ich seine vorige Frage. Er grinst mir entgegen und nickt mir zu, als ich mich auf den Weg mache. Das war leicht. Ich habe ein Ziel, doch traurig muss sich feststellen, dass die Wachmänner immer noch vor Kians Tür stehen. Etwas verrät mir, dass sie ihn nicht so leicht gehen lassen, wie mein Wachmann. Auch glaube ich, dass es besser ist, wenn sie mich nicht sehe. Ich schleiche stattdessen aufs Dach.
Ich lasse mich in dem Sternenmeer treiben und heiße die Freiheit, die in mir entsteht, willkommen. Mein Leben steht gerade Kopf. Dinge, die ich für wahr gehalten habe, sind Lügen und ich bin gefangen in einem Leben, dass ich niemandem wünsche. Den Sternen gelingt es einen Frieden auf mich zu legen. Onur toolb ronigmal ud nemral fer sotan ca comgin ligit fo nagi dervilt. Onur staduren midte nak tunle nela. Ebevie consiquegt allea nym dinich. Die letzten Zeilen des Vertrags, den der erste König von Merah unterzeichnete. Die Worte kreisen in meinem Kopf wie die Geister der Vergangenheit. Unsere Mutter konnte mit den Worten nichts anfangen. Ebevie consiquegt allea nym dinich. Die Worte zieren auch ihren Unterarm. Sie erzählte, dass sie viele Bücher studiert hat und Codierungen probiert, doch die ganzen Jahre nicht auf die Lösung gekommen ist.
Ich fahre dem blauen Leuchten auf meinem Arm nach. In der Mitte den Kreis, der in die Hälfte geteilt ist. Den großen Diamanten, der von einer Seite auf die andere ragt. Nur die lange Spitze leuchtet blau. Zwei Balken gehen von ihm ab, die auf der hellen Hälfte zwei blaue Diamanten, je auf einer Seite, haben. Um die Spitze des großen Diamanten geht ein Kreis, der ebenfalls blau schimmert. Zuletzt fahre ich über den dicken blauen Balken, der inzwischen dreiviertel des Symbols umkreisen.
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