Kapitel 5b
„Na los", sagt der Pfarrer etwas nervös. Ich schließe meine Augen und lehne mich zu Beynon. Für Kian und Mutter, sage ich mir. Kurz darauf spüre ich, wie seine Lippen kurz auf meine drücken und die Menschen in tobenden Applaus fallen. Schnell löst er sich wieder. Erleichtert atme ich auf. Das war nicht so schlimm, gebe ich zu und schaue wieder in Beynons Augen. Ich erkenne, dass er sich meinetwegen zurückgehalten hat. Denn die Flammen, des Verlangens lodern gefährlich in seinen Augen.
Danach tauschen wir die Ringe aus und doch des Zitterns, gelingt es mir den Ring auf Beynons Finger zu schieben. Ein dezenter goldener Feinschliff Ring mit einem Diamanten steckt mir Beynon behutsam an. Edel, elegant und schön. Zugleich fühlt er sich kalt und schwer an meinem Finger an. Wieder mit dem aufgesetzten breiten Grinsen, lasse ich mich von Beynon durch das Spalier, vorbei an den jubelnden Menschen, führen.
Beynon führt mich an einen Platz im Garten abseits von den Blicken, der Menschen und außerhalb ihrer Hörweite. Leicht dringt das Murmeln und die Musik zu uns heran.
„Emmelin, es tut mir leid. Das alles hier. Ich weiß du tust es für deine Familie. Aber ich verspreche dir, dass du von nun an, nichts mehr machen musst, was du nicht willst. Sobald der Tag vorüber ist, werde ich dich zu nichts zwingen, was nicht unbedingt notwendig ist." Er hebt mein Kinn, um mir in die Augen zu sehen.
„Lässt du mich und meine Familie nach Hause gehen?" Ich kenne die Antwort bereits. Aber ich möchte ihm vor Augen führen, dass seine Worte vielleicht ehrlich sind, aber keine Bedeutung haben.
„Alles außer das, das weißt du. Es liegt nicht in meiner Entscheidungskraft", versucht er zu erklären. In seinen Augen sehe ich ihm an, dass die Tatsache auch schwer auf ihm liegt.
„Lass uns zurückgehen. Um deinen Vater davon zu überzeugen, dass er Kian und meine Mutter aus dem Kerker lassen kann", sage ich traurig und müde.
„Sie sind im Kerker?" Ich sehe ihm an, dass er nichts davon weiß. Er winkt zwei Wachmänner herbei, die ich erst jetzt bemerke. Er befiehlt ihnen meine Mutter und meinen Bruder aus dem Kerker zu holen, angemessene Kleidung bringen zu lassen und hierher zu geleiten. Erleichtert gelingt es mir wieder ein Lächeln aufzusetzen.
„Wir sollten trotzdem zurück", sagt er und atmet tief durch. Er reicht mir seinen Arm und zieht mich in den Saal, in dem die tausend Kerzen brennen und die Decke wie den Nachthimmel glitzern lassen. „Habe ich extra für dich machen lassen. Ich dachte mir, dass dir das gefällt", flüstert mir Beynon zu. Beynon war es? Nicht Leander?
Viele Menschen beglückwünschen uns und ziehen mich aus meinen Gedanken. Niemand fällt auf, dass nur einer von uns diese Hochzeit guthieß. Ich bin froh, dass meine Fassade sie alle überzeugt. Nachdem ich gefühlt hunderte Menschen umarmt und tausende Hände geschüttelt habe, treten wir an unseren Platz. Inzwischen schmerzen meine Füße von den hohen Absätzen und ich bin erleichtert, dass niemand sehen kann, wie ich sie mir von den Füßen streife.
Ich atme erleichtert auf, als Kian und meine Mutter in den Saal gebracht werden und sie neben mir Platz nehmen. Bei dem Anblick von Beynon an meiner Seite wirkt meine Mutter nicht überrascht, die sich neben mich setzt. Kian hingegen reißt die Augen weit auf. Nach einer Ansprache des Königs wird das Essen serviert. Von dem ich kaum einen Bissen herunterbekomme. Die ganze Veranstaltung dreht mir den Magen um und lässt keinen Platz für etwas zu Essen.
Als es Zeit ist für den ersten Tanz, schlüpfe ich in die Schuhe und Beynon bittet mich auf die Tanzfläche. Mit einem Lächeln, das, dank der Anwesenheit meiner Familie, glaubwürdiger ist, lasse ich mich sanft zu einem klassischen Walzer über den Boden wehen. Kurz darauf folgt uns der König und auch Willy kommt mit Roya auf die Tanzfläche. Ein paar der anderen Gäste gesellen sich einer nach dem anderen zu uns. Nach einer Weile will Kian, Beynon ablösen und ich bin froh, dass er einwilligt.
„Wo ist Leander?" Mir wird wieder bewusst, dass Kian nichts von der kleinen Änderung mitbekommen hat. Kurz berichte ich ihm, was mir der König erzählt hat, aber auch ihm kommt es merkwürdig vor. Zu meiner Enttäuschung löst der König, Kian schon nach einem Tanz ab und packt mich grob. Wieder bemerke ich, wie ungeschickt er auf der Tanzfläche ist.
„Bravo, Prinzessin. Du hast deine Rolle wahrlich gut gemeistert. Wenn du dich in Zukunft weiter von deiner guten Seite zeigst, hat deine Familie nicht zu befürchten", sagt er giftig. Trotzdem erleichtern mich seine Worte. Als die Musik abklingt, entschuldige ich mich und setzte mich zurück an mein Platz. Kian tanzt gerade mit unserer Mutter, deren Miene erleichtert, aber auch traurig ist. Willy tanzt noch mit Roya und scheint sich zu amüsieren. Ohne, dass ich es bemerke, setzt sich Maisie neben mich auf den Platz von Beynon.
„Weißt du, ich habe gedacht, du würdest Leander wählen?", sagt sie abwesend und hält ihren Blick auf Beynon gerichtet. Ich weiß ihre Menschenkenntnis nicht zu unterschätzen, weshalb mich diese Feststellung nicht überrascht. Sie ist so aufmerksam wie Alistair und ich will sie nicht in das Chaos mit hereinziehen. Weshalb ich mir eine möglichst unauffällige Antwort überlege.
„Das Herz folgt nicht immer der Logik." Ihre Augenbrauen huschen kurz nach oben.
„Wohl war. Besonders wenn die Liebe zur Familie größer ist, als das eigene Glück", sagt sie mit ihrem Blick starr auf ihren Bruder. Was weiß sie? Weiß sie doch mehr als gedacht? Die Aussage ist mehr als eindeutig. Oder nicht?
„Maisie du solltest nicht ...", beginne ich, aber werde von ihr unterbrochen. Sie wendet sich zu mir und schaut mir streng und mitleidig in die Augen.
„Ich weiß schon Emmelin oder Sitara oder wie auch immer. Alles zu meinem Schutz. Glaub nicht, dass das Lächeln mich täuscht. Es tut mir leid, was immer hier vor sich geht", sagt sie kurz. Sie begibt sich auf die Tanzfläche und lässt mich verwirrt zurück. Was weißt du Maisie?
„Dürfte ich ebenfalls um einen Tanz bitten?", höre ich eine mir bekannt tiefe Männerstimme fragen.
„Alistair?" Ich drehe mich zu dem alten Mann, der wacklig auf seinen Beinen steht. Mit einem kleinen ehrlichen Lächeln lasse ich mich von ihm auf die Tanzfläche führen. Etwas langsamer als üblich, aber nicht weniger elegant, schweben wir über den Tanzboden.
„Du weißt, was du tust, ist ehrenvoll. Aber lass dir dein Lächeln nicht rauben, tapfere Schildträgerin." Weiß Maisie was vor sich geht von Alistair? Kommt es mir.
„Ich werde es versuchen, Alistair der Beschützer", entgegne ich ihm und begleite ihn zurück zu seinem Platz.
Danach folgen ein paar Darbietungen, musikalischer und künstlerischer Art, denen ich kaum Beachtung schenke. Auch als die siebenstöckige Torte hineingefahren wird, lasse ich mir kaum etwas anmerken. Die ersten Gäste gehen und auch an mir nagt die Müdigkeit, da es weit nach zwei Uhr Nachts ist.
„Ich würde gerne schlafen gehen", flüstere ich zögerlich Beynon zu. Ich bin mir unsicher, ob ich die Festigkeiten bereits verlassen darf. Auch ihm sehe an, dass er kaum die Augen aufhalten kann. Meine Mutter hat Willy bereits vor einigen Stunden ins Bett gebracht und nur noch Kian sitzt neben mir. Beynon nickt mir zu.
Ich steh auf und stelle überrascht fest, dass auch er sich verabschiedet. Er hält mir seinen Arm entgegen und um den Schein zu wahren, hake ich mich unter und lasse mich von ihm hinausführen. Erst nachdem wir einen langen Gang entlang gehen, fällt mir auf, dass Kian uns nicht länger folgt. Mir wird bewusst, dass wir nicht zurück zu meinem Zimmer gehen. Ich bin zu müde, um zu hinterfragen, weshalb wir einen Umweg gehen. Als wir vor einer mir unbekannten Tür stehen bleiben, blicke ich verwundert zu Beynon. Wo sind wir? Er öffnet sie für mich und bittet mich herein. Doch ich komme seiner Anweisung nicht nach.
„Was soll das Beynon? Ich bin müde und möchte wirklich gerne schlafen gehen", sage ich völlig erschöpft und reibe mir die Augen.
„Ich weiß. Deshalb bringe ich dich auf unser Zimmer", sagt er, als sei es das selbstverständlichste. Unser Zimmer? Was fällt ihm ein? Ich werde nicht mit ihm in einem Zimmer schlafen!? Meine komplette Fassade fällt von mir ab und ich schaue ihm aufgebracht entgegen.
„Unser Zimmer? Ich will zurück in mein und Kians Zimmer, und zwar jetzt!" Ich sehe wie Beynon sich panisch umsieht. Völlig unerwartet drückt er mich in den Raum und verschließt die Tür, bevor ich mich wehren kann. Was in meinen müden Zustand wahrscheinlich, sowieso nichts gebracht hätte.
„Du musst leise sein. Mein Vater hat seine Leute überall." Die Angst in seiner Stimme ist echt, doch so auch mein Wut über die Situation.
„Ich werde nicht in einem Zimmer mit dir schlafen", schreie ich wütend und lasse meinen Blick durch das riesige Zimmer gleiten. Es ist ausladend und beinah gemütlich, aber mein Blick bleibt an dem Bett hängen. Dem großen Bett, auf dem Rosenblüten liegen und um das, brennende Kerzen stehen. Als mich die Erkenntnis trifft, legt sich eine Angst über mich. Etwas worüber ich zuvor nicht nachgedacht habe, ergießt sich mir.
„Ich werde nicht mit dir schlafen!" Meine Stimme ist panisch und ich gehe ein paar Schritte von ihm weg. „Eine Zwangsehe ist eine Sache, aber Vergewaltigung was anderes. Ich werde das nicht tun!" Die Angst in meiner Stimme ist spürbar und meine Worte treffen Beynon härter, als ich es für möglich gehalten habe. Inzwischen zittert mein ganzer Körper und ich spüre wie das Blut aus meinem Gesicht weicht.
„Emmelin, beruhig dich. Ich habe meine Worte ehrlich gemeint. Ich werde dich zu nichts zwingen, dass du nicht möchtest, solange es nicht notwendig ist. Mein Vater darf davon nichts erfahren und das geht nur, wenn du hier schläfst. Und mach dir keine Sorgen das ganze da ..." Er deutet auf das Bett und die Dekoration. „Das war nicht meine Idee, okay? Das muss mein Vater oder jemand anderes organisiert haben. Ich werde auf dem Sofa schlafen und du kannst das Bett haben. Aber wir müssen wirklich hier zusammen bleiben."
Kurz starre ich ihm entgegen, sehe aber keine Unaufrichtigkeit in seinem Gesicht. Ich bin zu müde, um mich zu streiten und zu erschöpft, um mich gegen ihn zu wehren. Weshalb ich nach Überlegen einwillige. Vielleicht ist es dumm, aber letzten Endes habe ich keine Wahl. Für Kian, Willy und unsere Mutter, wiederhole ich in meinem Kopf. Ich bete, dass er wirklich sein Wort hält. Als ich ins Badezimmer gehe, stelle ich überrascht fest, dass mir ein paar Schalfgewänder bereitgelegt wurden. Alle zu aufreizend.
„Beynon?", frage ich schüchtern aus dem Badezimmer. „Könnte ich vielleicht eine Stoffhose und einen Pullover von dir zum Schlafen bekommen?"
Ich springe lieber über meine Schatten und frage ihn nach Hilfe, als eines der mir bereit gelegten Kleidchen anzuziehen.
Ohne einen Kommentar reicht er mir die Sachen. Als er das nächste Problem erkennt, hilft er mir, die Schnürung und Knöpfe am Rücken zu öffnen. Schnell öffnet er sie und lässt mich wieder alleine im Badezimmer zurück. Überrascht über seine Kavalier Bereitschaft und Zuvorkommenheit brauche ich einen Moment, bevor ich die Tür wieder hinter mir versperre. Er ist heute sehr zurückhaltend und zuvorkommend. Vielleicht habe ich ihn falsch eingeschätzt.
Nachdem ich mich aus dem Kleid zwinge und die Kleidung, die mir Beynon gebracht hat, überziehe, trete ich zurück ins Zimmer. Er hat sich seinen Schlafplatz auf der Couch gemacht und liegt bereits darauf. Mit einem breiten Grinsen blickt er mir entgegen.
„Gute Nacht, Emmelin", sagt er kurz und dreht sich von mir ab. Schnell schlüpfe ich unter die Decke und lösche das Licht. Als auch schon der Schlaf über mich fällt, wie ein hungriges Tier, gegen das ich nicht ankomme.
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