Kapitel 4a
Den gestrigen Tag verbrachten Kian, unsere Mutter und ich gemeinsam. Wir berichteten von unserem Leben. Was passiert war seit wir getrennt worden. Gespannt lauschte sie zuerst Kian und dann mir. Ich genoss die Zeit, denn für den ganzen Tag schien alles um uns herum vergessen. Bis das Gespräch auf Leander fiel und meine Mutter außer sich war. Sie konnte nicht verstehen, weshalb ich nicht Beynon heiratete. Ihr Missfallen auf den illegitimen Thronerben wurde wieder deutlich, doch sie nannte den Grund dafür nicht. Der Tag endete mit mir wütend auf meine Mutter und an die Hochzeit erinnert.
Es ist der Tag vor der Hochzeit, was mir jede Minute unter die Nase gerieben wird. Schon am Morgen dreht sich alles um die letzten Vorbereitungen. Minerva, die fröhlich berichtet, was sie sich für meine Frisur überlegt hat, strahlt mir im Spiegel entgegen. Gefolgt vom Schneider, der erneut meine Maße nimmt und mich in das Kleid zwingt. Mit verbundenen Augen, da ich das Kleid noch nicht sehen darf. Gefolgt von einer Auflistung meines heutigen Tagesplans. Und das alles noch vor dem Frühstück.
Beim Frühstück kann Leander seinen Blick nicht von mir ablassen und sein siegreiches Grinsen drückt mir den Magen zusammen. Während meine Mutter ihn verärgert mustert. Ich bekomme kaum einen Bissen hinunter und meine Gedanken drehen sich wieder um die Wahl. Ich bereue nicht ihn gewählt zu haben. Er ist die rationale Wahl. Ich habe mir versprochen meine Familie zu schützen und dazu gehört mich so weit es mir möglich ist dem Willen des Königs zu beugen. So auch dieser Hochzeit. Was wäre die Alternative? Einen anderen Weg als den Tod gibt es im Moment nicht und das ist keine Lösung. Ich muss, wie Alistair es gesagt hat, das Beste daraus machen. Weshalb ich eine glückliche Miene aufsetzte und versuche, die gequälten Blicke meiner Mutter und Kian zu ignorieren.
„Was hältst du davon? Willst du es sehen?" Ich starre immer noch gedankenverloren auf meinen Teller. Erst als mich Kian mich vorsichtig tritt, wird mir bewusst, dass Leander mit mir gesprochen hat.
„Ja, klingt gut", sage ich unwissend, wozu ich gerade zugestimmt habe. Meine Antwort scheint ihm zu gefallen. Als Willy kurz Leanders Aufmerksamkeit beansprucht, drehe ich mich fragend zu Kian.
„Er will die Hochzeitsvorbereitung mit dir anschauen und deine Meinung zur Dekoration hören", flüstert er. Die Wut in seiner Stimme ist deutlich hörbar. Ich lege beruhigend meinen Arm auf seinen. Es gelingt mir langsam damit eine Art Frieden zu schließen. Zwar sehe ich dem ganzen nicht freudig entgegen, aber ich weiß, wofür ich es tue. Wenn es uns irgendwann gelingt zu flüchten und meine Familie in Sicherheit zu wissen, wäre es das wert. Aufmunternd lächle ich Kian entgegen, doch sein Lächeln ist so ehrlich, wie meine Ruhe.
Nach dem Essen führt mich Leander zum Garten, in dem der Zeremonielle-Teil stattfindet und mir raubt es tatsächlich den Verstand. Wenn ich es nicht besser wüsste, wäre das meine Traumhochzeit, von der ich erst jetzt bemerke, dass ich sie mir wünsche. Etliche Stühle stehen in einer Reihe mit einem breiten Durchgang, der mit einem nachtblauen Teppich ausgelegt ist. Die Stühle mit weißem Samt bezogen. Eine große dunkelblaue Schleife, die im Licht funkeln und eine weiße Rose und Efeu hält, schmückt jeden Stuhl. Dicke Baumstämme mit noch leeren Vasen stehen zur rechten und linken vom Spalier.
Leander führt mich über den Teppich und auf den Hochzeitsbogen zu. Ein großes verschnörkeltes holz Konstrukt, geschmückt mit dunkelblauem samt Stoff und einem zarten weißen Tüll. Auch hier schmückt bereits Efeu und anderen Grünpflanzen. Erst jetzt erkenne ich die unzähligen Kerzen, die in wunderschönen Gläsern über den ganzen Boden verteilt sind. Ich kann mir bildlich vorstellen, wie sie bei Nacht funkeln und dadurch ein Sternenmeer formen.
„Gefällt es dir?", höre ich Leander flüstern. Ich nicke mit einem breiten Grinsen. Es ist wahrlich bezaubernd und nimmt mir ein wenig die Sorge vom morgigen Tag. Auch wenn es paradox ist, zu wissen, dass alles meinetwegen geschmückt ist, macht mich fröhlicher.
Als Nächstes führt er mich in einen riesigen Saal. Etliche runde Tische mit weinroten Tischdecken stehen eine Tanzfläche umrunden in ihm. Die Stühle sind geschmückt wie außen, nur mit einer roten statt blauen Schleife. Die Tische schmücken große goldene Laternen, in denen dunkelrote Kerzen stehen. Auch hier liegen bereits Efeu und andere grüne Pflanzen kunstvoll auf den Tischen. Nur einzelne leere Stellen, die morgen mit Blumen geschmückt werden, kläffen auf den sonst perfekt angerichteten Tischen.
An den Wänden hängen große Kunstwerke aus Naturmaterialien und kunstvoll platzierte Stoffbahnen. Als mein Blick nach oben gleitet, stockt mir der Atem. Dutzende Gläser mit Kerzen hängen von der Decke und darüber schweben dunkelblaue Stoffbahnen.
„Wenn sie erst einmal brennen, wird es aussehen, wie der Nachthimmel", erklärt mir Leander und erneut kann ich es mir gut vorstellen. Alles ist so durchdacht und an mich angepasst. Hat Leander das alles geplant?
Dann trifft mein Blick auf die Tafel am Kopf des Saales. Von dem der ganze Raum offen liegt und jedem den Blick darauf freigibt. Der Platz für das Ehepaar. Etwas meiner Bewunderung fällt ab, bei der Erkenntnis, dass ich morgen dort sitzen werde. Verheiratet. Ich muss kurz schlucken und nehme einen tiefen Atemzug, um die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken.
Auch dort überragt die Dekoration meine wildesten Vorstellungen. Hinter dem Tisch ragt ein riesiger grün bepflanzter Reifen, von dem ein großes Schild hängt. Mr. und Mrs. steht in goldenen Buchstaben darauf. Den Tisch selbst schmückt eine noch leere große Vase. Laternen in den verschiedensten Größen und dasselbe Pflanzengesteck, wie die anderen Tische. Eine dunkelrote samt Couch steht davor. Die Stühle daneben sind ebenfalls mit rotem Samt bezogen und pompöser als die anderen Stühle.
In einer der Ecken entdecke ich einen großen schwarzen Flügel. Auch auf ihm steht eine ähnliche Dekoration wie auf den Tischen. Im Kontrast zu dem schwarz kommt das Gold noch mehr zur Geltung. Gedanken abwesend streiche ich über die weißen Tasten. Noch nie in meinem Leben habe ich das getan. Als sie Töne geben, macht sich ein Grinsen in mir breit.
„Kannst du spielen?", fragt Leander, nachdem ich noch ein paar der Tasten drücke. Ich schüttele den Kopf und halte meinen Blick auf dem Flügel. Wie kann jemand damit Musik machen? Leander setzt sich auf den Hocker vor das Klavier und legt seinen Finger gekonnt darauf. Im nächsten Moment fliegen sie über die Tasten und eine himmlische Melodie erklingt. Ich erkenne das Lied nicht, aber es hat etwas Harmonisches. Aufmerksam beobachte ich, wie seine Finger melodisch fließen und lass mich neben ihm auf den Hocker nieder. Nachdem er die letzte Note spielt, schaut er mich gespannt an.
„Das war wunderschön", sage ich bewundernd und versuche das Unwohl, dass ich so nahe neben ihm verspüre zu ignorieren. Seit der Reaktion meiner Mutter ist das Gefühl in meiner Brust noch drückender. Ich versuche mir die schönen Momente mit dem Thronerben vorzustellen, um es zu besänftigen.
„Hier. Leg deine Hand auf diese Tasten. Genauso. Und jetzt drückt diese, dann diese und dann diese. Und wiederhole das Ganze." Wie angewiesen folge ich seiner Erklärung und etwas, das einer Melodie im einfachsten Sinne zukommt, entsteht. Er stimmt mit ein und gemeinsam spielen wir eine Melodie, die wunderschön klingt.
„Ist nicht so schwer, oder?" Mir ist durchaus bewusst, dass Leander das meiste zur Melodie beiträgt. Es erfüllt mich mit einem gewissen Stolz, zum ersten Mal ein Instrument zu spielen und nicht völlig versagt zu haben.
„Nicht, wenn du die ganze Arbeit machst", sage ich belustigt und blicke zu ihm auf. Als meine Augen auf seine treffen, verliere ich mich seit langem wieder darin. Vielleicht wird diese Hochzeit nicht so schlimm? Vielleicht kann ich mit ihm glücklich werden? Ich sehe ihm an, dass er gegen den Drang kämpft, die letzte Distanz zwischen uns nicht zu überwinden. Das innere Verlangen in mir wächst, dass er es einfach tut.
Eine Bewegung in meinem Augenwinkel löst mich aus dem intensiven Blick und lässt mich herumfahren. Ich kann beobachten, wie eine Gestalt im Gang verschwindet, doch aus irgendeinem Grund weiß ich, dass es Beynon war. Schlechtes Gewissen übernimmt wieder die Kontrolle und ich stehe auf.
„Ich glaube Minerva erwartet mich." Ich sehe Leander den Schmerz, des vergangenen Momentes an. Ein Blick auf die Uhr bestätigt meine Vermutung.
Minerva lässt mich ein Wellenessprogramm durchlaufen, wie sie es nennt. Ein Peeling folgt dem nächsten, gefolgt von Mineralöl-Bädern, Massagen und Ölen, die meiner Haut helfen morgen zu erstrahlen. Cremes die jedes Körperhaar entfernen und Lotionen die mein Kopfhaar wunderschön glänzen lässt. Ich fühle mich, als sei jede Körperzelle regeneriert und aufgebessert worden. Jede Pore gereinigt und wunderschön.
Nachdem ich endlich zurück auf mein Zimmer gebracht werde, fühle ich mich, als wäre ich zweimal durch die Waschmaschine gelaufen. Wer hätte gedacht, dass Wellness so anstrengend sein kann? Müde lass ich mich aufs Bett fallen und mein Blick geht zu Kian. Misstrauisch betrachtet er mich.
„Alle gut bei dir?" Ich brumme und strecke meinen Daumen in die Höhe. All die Eindrücke, das Gefühlschaos und das Wellenessprogramm fordern ihren Tribut.
„Emm ... wir müssen zum Abendessen. Muss ich dich tragen?" Ich spüre, dass er erneut Humor verwendet, um seine Angst zu verstecken. Was mich hochfahren lässt.
„Was ist los?", will ich besorgt wissen und erkenne den Hauch von Angst auch in seinen Augen. Er versucht es zu verstecken, aber erfolglos.
„Nichts. Alles Bestens. Ich habe Sorge zu verhungern." Er tut es erneut. Ich hebe meine rechte Augenbraue und verzieh meinen Mund. Er lügt und er weiß, dass ich es weiß.
„Kian?", frage ich streng.
„Es tut mir leid, dass ich dir nicht helfen kann. Dich aus der Situation nicht befreien kann. Ich bin dein großer Bruder, noch nicht lange, aber ich sollte dich beschützen", sagt er beschämt und leise. Ich trete zu ihm mit einem Lächeln und nehme ihn in den Arm.
„Ich weiß. Ich tue es aus demselben Grund. Mach dir keine Sorgen. Wir stehen das gemeinsam durch. Wie schlimm kann es schon werden? Es ist nicht so, dass es auf ewig ist", spaße ich und sehe wie der Selbstzweifel etwas von ihm abfällt. Es ist auf ewig, erinnert mich mein Verstand leise, doch ich schenke ihm keine Beachtung.
Gemeinsam gehen wir zum Abendessen. Wieder dicht gefolgt von den Wachmännern. Die, wie ich gestern Abend erkennen musste, die ganzen Nacht vor unserer Türe standen. Überrascht stelle ich fest, dass Leander nicht am Abendessen teilnimmt und es nur unsere Familie ist. Was mir erneut hilft meine Nervosität zu zügeln. Auch ist der Argwohn aus den Augen meiner Mutter verschwunden und sie wirkt den Umständen entsprechend glücklich, was auch mein Gemüt erhöht.
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