Kapitel 27a
Das Zusammentreffen mit Beynon wühlt mich immer noch auf. Inzwischen sind wir zurück in Amrox. Ich bin froh, dass Jayden mich zu dem kleinen Teich bringt, den er mir an meinem ersten Tag gezeigt hat. Es beruhigt mich. Erinnert mich an Rim, an meinen Vater und legt die Ruhe in mich, die er im Moment nicht auslösen kann.
Auf dem Rückweg hat Jayden nichts gesagt und auch jetzt hat er noch kein Wort gesprochen. Weshalb ich zu ihm blicke, nachdem wir uns in das Gras fallen lassen. Es sind noch ein paar Stunden bis zum Ball und ich muss mein Vertrauen in Kian legen. Der Wind rauscht durch die Baumkronen und das Wasser plätschert leise. Die Sonnenstrahlen kämpfen ihren Weg durch das Blätterdach und wärmen meine Haut.
„Stimmt es?", fragt Jayden, nachdem seine Augen zu meinen finden. Seine Stimme ist sanft, aber eine Spur von Enttäuschung schwebt darin. Ich verstehe seine Frage. Weiß, wovon er spricht und ich nicke traurig. „Liebst du ihn?", fragt er mit einem Schmerz in der Stimme, der auch mir einen Stich verleitet.
Erschrocken schüttele ich den Kopf und sehe, wie sich Erleichterung in seine Augen legt. Ich kann mir vorstellen, welche Frage er sich in seinem Kopf stellt. Wieso hast du ihn dann geheiratet? Schon im nächsten Moment legt sich eine Erkenntnis über ihn.
„Er hat dich gezwungen?" Ich nicke wieder und spüre, wie sich eine Träne über mein Gesicht bahnt. Nicht wegen der Erinnerung an den Umstand mit Beynon. Aber wie dieser zwischen Jayden und mir steht. Und, dass Jayden nun davon weiß.
Er zieht mich in eine Umarmung und drück mich so feste, dass ich kurz glaube keine Luft zu bekommen. Doch gleichzeitig fühlt es sich befreiend an. Wütend zieht Jayden die Luft ein und ich spüre, wie er sich anspannt.
„Ich bring ihn um", murmelt er wütend und lässt mich erschrocken hochfahren. Der Kloß in meinem Hals löst sich und ich blicke erschrocken zu ihm. Die Vorstellung Beynon tot zu sehen, lässt mich schaudern. Das verdient er nicht.
„Jayden, er ist kein schlechter Mensch. Er musste viel durchmachen. Und es war nicht er, der auf die Hochzeit drängte, sondern sein Vater." Es ist wahr, Beynon trifft keine Schuld. Das einzige, wessen er schuldig ist, ist sich in ein Mädchen verliebt zu haben, dass ihn nicht zurück liebt. Sonst wäre es nie so weit gekommen. Ich wäre wahrscheinlich Leanders Ehefrau und Beynon könnte jemanden lieben, der auch ihn liebt.
„Wie kannst du ihn in Schutz nehmen? Er ist ein Monster, auch wenn er nur mitgemacht hat", protestiert Jayden und schau mich unverständlich an. Der Drang, ihm alles zu erklären. All die Umstände, der Fluch und meine wahre Identität. Ich bin kurz davor, ihm alles zu beichten, als ein Geräusch mich herumfahren lässt. Ein leises Knacken der Äste und das Rascheln von Schritten durch das Laub.
„Ich bin erleichtert, dass du am Leben bist", sagt die Gestalt im Schatten. Aber nicht so erfreut, wie ich erwartet habe. Erleichtert auf eine weiße, dass er doch nicht versagt hat. Und enttäuscht, mich in Merah wiederzufinden. Ein erneuter Schauer legt sich über mich. Würde er mich holen und nach Evrem bringen?
Noch bevor der Fluch gebrochen ist. Noch bevor ich mich von Kian verabschieden kann. Noch bevor ich meinen Vater kennenlernen. Noch bevor ich Jayden alles erklären kann?
Wieso ist Beynon nicht derjenige, der mich holt? Ich spüre, wie Jayden sich anspannt und etwas von mir rutscht, um eine bessere Sicht auf den jungen Mann zu bekommen.
„Dasselbe könnte ich auch sagen, Leander." Ich weiß, dass ich voraussichtlich zurück nach Evrem muss. Ich habe einen Ehevertrag unterschrieben. Es sei denn Merah wollte Krieg mit Evrem, so konnte auch mein leiblicher Vater nichts dagegen tun. Das war wohl der Plan des Königs von Evrem. Unsere zwei Länder zu vereinen.
Leander kommt ein Stück näher. Seine Gesichtszüge sind neutral und stehen im genauen Kontrast zu den Emotionen, die Beynon hatte. Habe ich mich in Leanders Gefühlen getäuscht oder ist ihm bewusst geworden, dass ich nie die Seine werde.
„Dein Tod hat ganz schön für Wirbel gesorgt. Das muss ich dir lassen. Mit dir wird es nie langweilig. Aber wir sollten jetzt Merah verlassen", sagt er trocken und kommt auf mich zu. Er wirkt angespannter, drängender und zielstrebiger. Der Spontane, Regelbrecher scheint, wie eine andere Person. Er muss geglaubt haben an meinem Tod Schuld zu tragen, erklärt mein Verstand und ich stimme zu.
„Noch nicht, Leander. Ich weiß, ich habe keine Wahl, das hat auch Beynon bestätigt. Aber noch nicht", sage ich feste und überzeugend. Wenn einer über die Regeln hinweg sieht, dann er. Bevor Leander etwas erwidern kann, springt Jayden auf. Er hat die Hände zu Fäusten geformt und mit zusammen gekniffenen Augen schaut er zu Leander.
„Und wer ist das? Noch ein Ehemann?", keift er wütend und ohne Vorwurf. Ich höre ihm an, dass seine Wut der Tatsache entspringt, dass Leander mich aus Merah bringen will und nichts mit der Ehe zu tun hat.
„Wenn es nach Emmelin gegangen wäre, dann ja. Dann wäre wohl ich ihr Ehemann und nicht Beynon. Aber einmal im Leben war er es, der einen Schritt voraus war und nicht ich", antwortet er provokativ an Jayden. Hat er das gerade wirklich gesagt? Das muss sich schrecklich für Jayden anhören.
Jayden dreht sich ruckartig zu mir. Gerade eben habe ich ihm gesagt, dass es eine erzwungene Ehe ist. Und jetzt steht Leander vor ihm und sagt, dass ich gewählt habe. Ich hoffe, Jayden lässt mich alles erklären.
„Du weißt, dass es keine wirkliche Wahl war. Dein Vater hat mich gezwungen, zu wählen. Ich wollte das alles nicht", erkläre ich mehr für Jayden, als an Leander. Eine Wut in mir, die ich zuvor erfolgreich unterdrückt habe, beginnt aufzusprudeln. „Du bist es der an dem Schuld ist. Immerhin bist du es, der mich am Altar stehe ließ. Also trifft wohl dich die Schuld!"
Zwar schreckt mich Beynon nicht mehr ab. Aber der Umstand, dass ich mich eigentlich gegen ihn entschieden hatte, nagte in meinem Unterbewusstsein. Warum ist Leander damals weggelaufen? Die Frage plagt mich, seit ich ihn wieder im Palast gesehen habe. Vielleicht ist gerade nicht der richtige Zeitpunkt. Aber er steht nun mal vor mir.
Leander Augen verengen sich wütend und er Blitz mich gefährlich an. So hat er mich noch nie angesehen und mir stockt der Atem.
„Nur weil Beynon und deine Mutter mir zuvor gekommen sind. Sediert und auf ein Schiff nach Anahtum hat er mich geschickt. Um diplomatisch etwas für Evrem zu erledigen, nur um mich loszuwerden. Genauso wie er es mit Kian getan hat. Ich hätte ihm nicht zugetraut, dass er das tun würde. Das muss ich Beynon lassen." Er ist nicht freiwillig verschwunden? Meine Gedanken beginnen wieder zu drehen. Ich habe Beynon falsch eingeschätzt, schon wieder. Oder tat er es aus Liebe?
Etwas anderes macht mich stutzig. Woher wusste er, dass Kian in Anahtum war? Bei unserem letzten Gespräch, sagte er, wenn wir ihn nicht am Hafen auffinden, wäre er für immer verloren. Wenn er von vornherein wusste, dass er nach Anahtum gebracht wird, wäre das kein Problem gewesen.
Ich kann den Gedanken nicht weiter verfolgen, da ich sehe wie er auf mich zukommt. Genervt will er nach meinem Arm greifen, doch Jayden ist schneller und zieht mich hinter sich. Er baut sich vor mir auf und versperrt mir die Sicht auf Leander, der laut aufschnaubt.
„Mir ist egal, wer du bist. Selbst, wenn du der König höchstpersönlich wärst. Emmelin geht nicht mit dir", sagt Jayden bedrohlich. Sein Beschützerinstinkt lässt mich lächeln. Aber auch die Sorge aufquellen lassen, was er tun würde, wenn ich nach Evrem zurückmuss. Ich könnte nicht damit leben, wenn ich weiß, dass ihm etwas passiert oder angetan wird bei dem Versuch mich zu retten. Ich habe mir nach der misslungenen Flucht versprochen, dass niemand meinetwegen mehr verletzt würde.
„Und wer will mich aufhalten? Du etwa?", sagt Leander selbstsicher und provokative. So habe ich ihn nur mit seinem Bruder sprechen hören und dachte es hat etwas mit der Rivalität zwischen ihnen zu tun. Aber diesen Ton gegenüber meinem Freund zu hören, jagt mir eine Gänsehaut über den Körper.
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