Kapitel 1b
(Bitte hasst mich nicht. Viel spass beim lesen.)
Mein Brief. Den ich vor wenigen Stunden durch die Türe geschoben habe, liegt noch ungeöffnet auf dem Boden. Kurz bleibt mein Blick an ihm hängen und die Gedanken überschlagene sich erneut.
Sie wusste nichts von der Flucht!
Sie konnte uns nicht verraten!
Sie wusste es nicht!
Es war nicht sie, die uns verriet! Jubele ich innerlich. Als ein Schreckensschrei mich aufblicken lässt, werden meine Gedanken wieder leer.
„Emmelin!", ruft meine Mutter entsetzt und ich höre zum ersten Mal ehrliche Besorgnis in ihr.
Ich sehe wie meine Mutter auf mich zu gestürzt kommt, doch im nächsten Moment abrupt anhält. Ich höre wie die Männer auch Kian in den Raum schleppen. Die Wachmänner treten aus dem Raum, lediglich Leander und Beynon bleiben zurück. Als mein Blick wieder zu meiner Mutter geht, bemerke ich, wie sie Kian fokussiert. Beinah ungläubig und erstarrt schaut sie zu ihm. Auch Kian blickt ihr überrascht und misstrauisch entgegen. Eine gewisse Anspannung übernimmt den Raum. Meine Mutter löst sich aus ihrer Starre und tritt auf Kian zu.
„Riven!", platzt es erschrocken aus ihr. Mit großen Augen mustert sie Kian. Eine Hand vor dem geöffneten Mund und die andere etwas zögerlich zu Kian gestreckt. Er starrt ihr, wie eingefroren und ungläubig entgegen. Kennt meine Mutter Kian? Natürlich kennt sie den Prinzen von Merah, jeder kennt ihn doch, entgegnet mein Verstand genervt.
„Riven?", wiederhole ich ihre Worte und starre ebenfalls zu Kian. Der schenkt mir keine Beachtung, sondern starrt mit großen Augen weiterhin meine Mutter an. Wenn sein Gesicht zuvor eine leere Leinwand war, so tummeln sich jetzt jegliche Gefühlsregungen gleichzeitig. Von Angst, Freude bis zu Unglauben und Fassungslosigkeit ist jede Fassette vorhanden.
„Riven", wiederholt meine Mutter ehrfürchtig und ich sehe wie eine Träne sich löst. Als meine Mutter seine Wange berührt, fährt Kian erschrocken zusammen und nimmt einen Schritt zurück. Die Anspannung im Raum wird beinah fühlbar und ich verstehe nicht, was vor sich geht. Bis Kian einen Namen haucht, „Amara."
Ich habe ihn schon einmal gehört. Amara. Sofort gehen meine Gedanken zurück an den Abend des Balles in Merah. Der König hatte mich damals so genannt. Auch davor habe ich den Namen schon einmal gehört. Amara. Ich beginne in meinen Erinnerungen zu graben.
Tiefer und tiefer bis ich sie finden und sie aufs Neue erlebe:
*** Ein lauter Schrei weckt mich aus meinem Schlaf. Es ist stockdunkel und ich liege in einem mir unbekannten Zimmer. Die Türe ist angelehnt und seichtes Licht fällt durch den Spalt. Müde reibe ich mir die Augen und versuche zu verstehen, was mich aus dem Schlaf gerissen hat. Als ein erneuter unterdrückter Aufschrei mir die Antwort gibt. Vorsichtig springe ich aus dem Bett und tapse zur Türe. Kurz sehe ich im Spiegel, ein ungefähr dreijähriges Ich, bevor ich die Türe weiter öffne und in den Flur gehe. Auf der Suche nach den gequälten Lauten, die ich meiner Mutter zuordnen kann.
Ich spähe durch eine weitere geöffnete Türe. Ich erkenne meine Mutter, die am Essenstisch sitzt, mit ihrem Arm auf dem Tisch ausgestreckt. Mein Vater hält ein Stück Metall über offenen Flammen und schaut gequält zu ihr.
„Amara, wir müssen das nicht tun. Wir finden eine andere Möglichkeit."
„Du weißt, Willem, die gibt es nicht." Meine Mutter klingt traurig und der Schmerz in ihrer Stimme jagt meinem Vater Tränen in die Augen.
„Also gut. Noch einer", sagt mein Vater so gequält, dass es schmerzt. Ich beobachte wie er meiner Mutter, das heiße Eisen auf den Arm drückt. Sie verzieht das Gesicht und beizt feste auf einen Ledergürtel. Tränen steigen in ihre Augen. Ich sehe wie ihr leicht schwindelig wird und mein Vater lässt das Eisen zu Boden fallen. Mit einem lauten Geräusch stürzt das Metall auf den Küchenboden und ich lege meine Hände über die Ohren. Im letzten Moment hält er ihren Kopf vor einem Zusammenstoß mit dem Tisch auf.
„Amara! Amara? Hey, hörst du mich. Amara?", fleht mein Vater verzweifle und atmet auf, als sie ihn wieder entgegen blinzelt.
„Wir machen morgen weiter. Das reicht für heute. Hörst du mich, Amara?" Mein Vater tätschelt ihre die Wange. Ich trete in die Küche, besorgt, dass es meiner Mutter nicht gut geht.
„Mama?", höher ich meine Kinderstimme sagen und meine Eltern blicken überrascht zu mir.
„Sitara!", sagt mein Vater erschrocken und kommt auf mich zu geeilt. „Du solltest doch schlafen, Kleine", sagt er liebevoll, nimmt mich in den Arm und trägt mich zu meiner Mutter. Von hier, kann ich die roten Male auf der Haut meiner Mutter sehen. Drei Linien, die ein Dreieck bilden.
„Willem!", mahnt meine Mutter. Ich sehe meinem Vater an, dass er nicht versteht. „Wir dürfen nicht mehr die alten Namen nutzen. Auch nicht zu Hause!"
„Emmelin, was machst du den noch wach?" Ich schaue verwundert zu meiner Mutter.***
„Emmelin", höher ich es in meinen eigenen Gedanken widerhallen. Und werde aus meinen Gedanken gerissen.
Meine Mutter und Kian starren sich immer noch ungläubig in die Augen. Meine Mutter hatte nicht schon immer das Aris Zeichen auf ihrem Arm. Aber jeder Ari bekommt es zum sechsten Lebensjahr. Dafür sorgt der König. Es gibt absolut keinen Weg darum. Keinen! Wie kann es sein das meine Mutter keines hatte? Diese Frage muss für ein weiteres Mal verschoben werden.
„Amara", sage ich laut und die beiden drehen sich erschrocken zu mir um. „Was geht hier vor?" Beynon hat mir Antworten versprochen, doch alles was ich bekomme sind mehr Fragen.
„Das sage ich dir, Milady", ertönt Beynons Stimme, dessen Anwesenheit ich vergessen habe. „Darf ich vorstellen, Amara Ramona Kingston - Ehemalige Königin von Merah. Auch bekannt als Jasmin Arion." Er deutet theatralisch auf meine Mutter.
„Und hier haben wir Riven Kian Kingston. Prinz von Merah, Sohn von Julius Kingston, König von Merah und Amara." Er deutet auf Kian.
„Und du meine liebe, Sitara Leylah Kingston. Prinzessin von Merah." Er blickt mir herausfordernd entgegen.
Zuerst glaube ich seinen Worten nicht, doch ein Blick zu meiner Mutter bestätigt, dass gesagt von Beynon. Er sagt die Wahrheit. Wie kann meine Mutter Königin Merahs gewesen sein?
„Darf ich vorstellen, dein Bruder, Emmelin", sagt er erneut und deutet auf Kian.
Mein Bruder? Kian ist mein Bruder? Aber wie? Meine Mutter Königin?
Mir wird wieder schwindelig und ich wackele auf das Bett zu meiner rechten zu und setzte mich. Kian starrt immer noch meine Mutter an, die mich anstarrt und dann wieder Kian. Meine Mutter, ist Kians Mutter!? Kians tot geglaubte Mutter. Kian ist mein Halbbruder!? Meine Gedanken beginnen sich etwas zu ordnen, das gesagte Sinn zu ergeben und mein Verstand kreise zu drehen.
„Kian ist mein Halbbruder?", wiederhole ich meinen letzten Gedanken laut und höre wie Beynon amüsiert lacht. Meine Mutter schaut bedrückt zu mir und Kian beginnt leicht zu hyperventilieren. Seine Hände formen sich zu Fäusten und seine Lippe wird weiß von dem Druck, den er aufbaut. Was auch immer in seinem Kopf los ist, muss dem Chaos in meinem gleichen.
„Nicht ganz, Milady. Du siehst Willem Jael Arion ist nicht dein Vater. Julius Kingston ist", sagt er streng, aber eine Spur von Mitleid ist zu hören. Ich brauche einen weiteren Moment, um alles zu verstehen.
Nicht nur ist meine Mutter Kians Mutter, aber Kians Vater mein Vater? Wieder tauchen die Bilder des Königs von Merah vor mir auf, wie sein Wut erfülltes Gesicht auf mich herab blickt und seine Hand auf mich zu schellt. Nein, das kann nicht sein. Beynon lügt. Willem war mein Vater! Jetzt habe ich sein Spiel durchschaut.
„Du lügst! Willem war mein Vater! Mein Name ist Emmelin Jael Arion!", schreie ich ihm entgegen. Beynon schaut mich mit hochgezogenen Augenbrauen an und dann zu meiner Mutter. Ich folge seinem Blick. Sie löst sich langsam aus der Trance und eine einzelne Träne rollt über ihre Wange.
„Emmelin, er sagt die Wahrheit", ist alles, was sie mit zittriger Stimme sagt und sich wieder zu Kian wendet.
„Riven, du bist so groß geworden", sagt sie mit demselben Zittern, aber einem fröhlicheren Unterton und nimmt einen Schritt auf ihn zu. Ich sehe etwas in ihren Augen aufflammen, dass ich zuvor noch nie gesehen habe. Seit ich mich erinnern kann, gab es etwas in ihren Augen, dass nicht einmal mein Vater vertreiben konnte. Eine Trauer so tief und so groß, dass ich immer spürte wie es zwischen uns steht. Seit ich hier im Palast bin, dachte ich es sei die Geheimnisse, die sie vor mir hat. Zum ersten Mal wird mir bewusst, dass die Geheimnisse tiefer reichen, als ich es gedacht habe. Zum ersten Mal in meinem Leben sehe ich, wie dieser Teil der Trauer kleiner wird.
„Kian! Ich heiße Kian! Du bist tot! In den Flammen verbrannt! Ich habe sie selbst gesehen! Vor vierzehn Jahren stand ich vor dem Zimmer, das in Flammen stand. Du bist tot!", schreit dieser panisch und verärgert. Er nimmt einen Schritt zurück.
Meine Gedanken überschlagen sich mit Erinnerungen. Die alle gleichzeitig einschlagen. Von denen ich nicht wusste, dass ich sie habe. Alte Bilder blitzen vor meinen Augen auf. Bilder von meinem großen Bruder, dem Palast, dem König und Flammen. Ich spüre, dass ich zu hyperventilieren beginne und sich alles wieder dreht. Meine Sicht wird langsam von einer Dunkelheit eingenommen und meine dröhnenden Gedanken immer lauter.
„Emmelin, ganz ruhig atmen", höre ich Beynons Stimme neben mir und meine Atmung wird noch schneller. Mein Pulse noch rasender. Ich spüre mein Herz feste gegen meine Brust schlagen. Eine Kälte legt sich über mich und kurz darauf die komplette Dunkelheit. Dann wird alles ganz still.
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