Kapitel 18b
Nach einer Weile wünscht sie mir eine gute Nacht und legt sich schlafen. Ich bin innerlich so aufgewühlt, dass an Schlaf nicht zu denken ist. Kurz starre ich in das Wasserglas in meiner Hand. Ob es Leander gut geht? Ob er noch am Leben ist? Wo ist Kian gerade? Alles Fragen, die unbeantwortet in die Tiefe verdrängt werden.
In eine Decke gewickelt, trete ich auf die Veranda, die in den Garten führt. Wenn ich keinen Schlaf finde, will ich mich zumindest in den Sternen verlieren. Sie haben die Kraft eine innere Ruhe in mich zu legen. Ich stoppe in der Tür als ich Zac dort sitzt, sehe. Sie dreht sich um und ich lächle ihr entgegen. Ihre Augen haben noch den ausdruckslosen Schimmer, der mich beunruhigt, aber sie haben nicht mehr die Röte wie zuvor.
„Es tut mir leid. Ich wusste nicht, dass du hier bist. Ich geh wieder herein." Ich möchte sie nicht stören und ihr ihren Freiraum geben.
„Kannst du auch nicht schlafen?", fragt sie müde. Ich schüttele den Kopf und sie winkt mich zu sich. Kurz zögere ich. Aber als sie neben sich klopft, setze ich mich zu ihr. Sie möchte nicht alleine sein und ich habe auch nichts gegen Gesellschaft. Vielleicht sogar Ablenkung. Wahrscheinlich auch das, was sie sich erhofft.
„Zac, es tut mir leid, mit ..."
„Ich möchte nicht darüber sprechen", unterbricht sie mich. Ihr Blick ist wieder starr nach vorne gerichtet. Ich kann die Trauer in ihrer Stimme hören und spüre wie sie versucht dagegen anzukämpfen. Es kann nicht gut sein, alles in sich hineinzudrängen. Trotzdem weiß ich, dass ich vermutlich genau dasselbe tun würde. Dasselbe getan habe und vielleicht immer noch tue.
„Du bist also ein Mädchen?" Sie nickt leicht, hält ihren Blick aber in die Ferne. Eine Stille macht sich breit. Sie ist nicht unangenehm und ich bin froh, dass ich nicht alleine hier sitzen muss. Ich lege hin und schaue zu meinen Sternen hinauf. Sie funkeln mir entgegen und zaubern ein Lächeln auf meine Lippen. Egal wo ich bin, eines kann ich mir sicher sein: meine Sterne begleiten mich. Nach einer Weile legt sich Zac neben mich und starrt ebenfalls in die Sterne.
„Zac? Wieso willst du, dass die Menschen dich für einen Jungen halten?"
„Zaara", sagt sie und ich drehe mich verwirrt zu ihr. „Mein Name. Zaara. Zac bin ich nur an Bord und wenn ich es sein muss", erklärt sie und wendet ihren Blick zu mir. „Hast du schon einmal einen weiblichen Matrosen gesehen?" Ich schüttele den Kopf. „Das Meer hat mich schon immer gerufen. Als Mädchen geht es nicht. Also wurde ich Zac", beantwortet sie meine Frage und dreht sich wieder den Sternen zu.
Nach einer Weile beginnt sie mir zu erzählen, wie sie auf das Schiff von Leander gefunden hat. Seit über zwei Jahren segelte sie mit seiner Crew und ihr war es gelungen zu verschleiern, wer sie wirklich ist. Je mehr sie spricht, umso mehr beginnt ihre innere Trauer abzufallen. Ich muss ihr versprechen, niemandem von der Crew davon zu erzählen.
„Hat Pete es gewusst?" Ich sehe, wie sie schluckt und zusammenzuckt. Kurz verfluche ich mich, sie wieder an ihn erinnert zu haben. Die Frage hat sich herausgeschlichen.
Sie schüttelt den Kopf und ich sehe wie sich eine einzelne Träne löst. Danach übernimmt wieder die Stille. Das Wetter in Leedah ist nachts um einige angenehmer als in Evrem. Irgendwann fallen meine Augen zu.
Langsam sinke ich in einen mir bekannten Traum.
„Du musst die Musik spüren, Emmelin", höre ich Jayden belustigt kommentieren. Mein Herz macht einen Sprung bei seiner Stimme und mein Lächeln wird größer.
„Das tue ich doch. Siehst du nicht. Sie ist es, die meine Schritte lenkt." Jayden lacht laut auf und erneut springt mein Herz. Der Duft von frischen Rosen steigt mir in die Nase und umhüllt mich. Langsam zieht mich seine Gegenwart wieder in einen Bann. Das Gefühl von Sicherheit, Geborgenheit und Akzeptanz, dass nur mein Vater mir geben konnte.
„Ich glaube, wir hören verschiedene Melodien", bemerkt er belustigt und zieht mich ein Stück näher an sich. Ich heiße die Nähe willkommen und schmieg mich an ihn. „Jetzt spielt dieselbe Musik." Der Klang seiner Stimme lässt mein Herz noch höher schlagen. Ich lege meinen Kopf gegen seine Brust und lausche seinem Herzschlag, der wie meiner schneller zu schlagen beginnt.
„Jayden?" Mein Ohr an ihn gepresst. Nah an seinem Herzen. Das noch einen Takt schneller schlägt.
„Ja?" Eine Welle des berauschenden Kribbelns zieht durch meinen Körper. Kurz lasse ich mich in das Gefühl fallen. Gebe mich ganz hin.
„Liebst du mich?" Er hält in seiner Bewegung inne und drückt mich sanft ein Stück von sich ab. Erneut sehe ich das wilde Brausen in seinen Augen aufwühlen. Die Entschlossenheit glänzen und die Liebe tanzt.
Bevor er mir antworten kann, tippt jemand an meine Schulter. Widerwillig lasse ich von Jayden ab und löse mich von seinen himmelblauen Augen, die vor Liebe übersprühen. Langsam geht mein Blick zu dem jungen Mann hinter mir. Zu den eisblauen Augen, die ich kenne. Beynon.
„Darf ich um den nächsten Tanz bitten, Milady?" Er hat dasselbe warme Lächeln, wie Jayden. Kurz geht mein Blick zu Jayden, aber er ist verschwunden. Im Nächten Moment ruht meine Hand in Beynons und er lächelt mir entgegen. Langsam bewegen wir uns zur Musik.
„Ob ich dich liebe?", wiederholt er die Worte, die Jayden normalerweise sagte. Seine Lippen finden zu meinen. Ein warmes Kribbeln löst sich durch meinen Körper. Doch nicht dasselbe wie bei Jayden. Trotzdem angenehm, aber nicht mit demselben Effekt. Ein Grinsen legt sich trotzdem auf meinen Lippen. Beynon will sich lösen, doch ich lege einer Hand hinter seinen Nacken, um ihn zu hindern.
Langsam lasse ich von ihm ab. Meine Augen geschlossen, um den Moment in Erinnerung zu behalten. Vielleicht könnte ich lernen ihn zu lieben? Zu ihm zurückgehen.
„Mehr als alles andere", höre ich plötzlich Leander sagen und reiße meine Augen auf. Vorsichtig streicht er mir eine wirre Strähne aus dem Gesicht. Mit seinem Daumen fährt er von meiner Stirn, über den Wangenknochen und zu meinen Lippen. Sanft streicht er über sie. Seine Augen ziehen mich in ihren üblichen Bann und meine Verwirrung weicht dem inneren Verlangen. Alles in mir schreit nach einem weiteren Kuss, nach einer weiteren Berührung und nach mehr Nähe. Nach dem Gefühl geliebt zu werden. Doch auch Leander gelingt es nicht mein Inneres so zu berühren, wie Jayden.
„Emmelin?" Leander sieht mir mein Verlangen an, er spielt mit mir und ich genieße es. Ich spüre wie seine Hände sich wieder auf mein Gesicht legen. Und ich schließe meine Augen.
„Liebst du mich?", ertönen die Worte von Leander, Beynon und Jayden gleichzeitig. Überrascht öffne ich meine Augen. Mit erwartenden Blicken schauen sie mir entgegen. Das Himmelblau von Jayden, das Eisblau von Beynon und die Mischung von Leander. Ich kenne die Antwort. Bin mir ihr so sicher, wie noch nie. Zumindest eine der Antworten. Ich trete auf Jayden zu und blicke ihm in die Augen.
„Jayden, ich liebe dich", sage ich entschlossen. Ich sehe wie Beynon und Leander sich auflösen. Wieder geht mein Blick zu den himmelblauen Augen von Jayden.
„Du bist tot", sage ich traurig und nehme einen tiefen Atemzug.
„Wie kann ich dich lieben, wenn, nachdem ich aufwache, die Trauer von mir Besitz ergreift?"
„Es ist nie leicht jemanden zu verlieren. Die Zeit lehrt einen an die Erinnerung zu klammern und nicht die Trauer", wiederholt er die Worte, die Mathilde zu mir gesagt hat. „Aber klammer nicht zu sehr an was war. Sei offen für neues." Er presst erneut seine Lippen auf meine und das Gefühl durchflutet meinen ganzen Körper.
Was meint er? Will er, dass ich ihn loslasse?
„Oh Kinder, was macht ihr denn hier draußen auf der Veranda?", weckt mich Mathildes Stimme. Die Sonne färbt den Himmel in einem orangen Farbenspiel und Vögel zwitschern fröhlich. Mein Blick geht zu Zaara. Sie sitzt neben mir und scheint nicht geschlafen zu haben. Tiefe Augenringe und ein müder Blick schauen in die Ferne.
„Jetzt kommt erstmal herein und dann gibt es etwas Warmes zu essen", sagt die alte Dame liebevoll und ich folge ihr zurück in das kleine Haus. Auch Zaara folgt uns leise. Nachdem ich meinen Haferbrei verschlinge, gehe ich Willy wecken. Der etwas widerwillig in die Küche kommt. Er verschlingt seine Schüssel eilig und isst auch noch eine zweite Portion.
Nachdem uns Mathilde erklärt, wie wir zum Hafen kommen, der noch mindestens zwei Tagesmärsche entfernt ist, machen wir uns auf den Weg. Sie hat uns eine Decke, etwas zuessen und warme Kleidung, die ihrem Mann gehört hat, mitgegeben. Welche ich in meinen Rucksack packe.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro