Kapitel 37
Gedankenversunken schaute Zayn auf die Möchtegern Königin von Eletheria herab. Blut klebte in ihrem weißen Haar, doch die Wunde war genauso schnell wieder geheilt, wie er sie ihr zugefügt hatte. Zayn war sich nicht sicher, ob sie immer noch bewusstlos war oder nur so tat, um keinen weiteren Schlag gegen den Kopf zu kassieren.
Erst nachdem sie sie gefangen hatten, hatte der König ihm verraten, wer sie war, wer ihre Eltern gewesen waren. Die Wahrheit hatte Zayns Wut nur noch mehr befeuert und er war nicht nur einmal in der Nacht aufgestanden, um ihr einen Dolch an die Kehle zu halten.
Rache! Es war das Einzige, was er wollte, das Einzige, woran er denken konnte und doch hatte der König ihm verboten sie anzurühren. Also hatte er jedes Mal den Dolch wieder weggesteckt und hatte sich neben sie gesetzt, bis der Morgen graute und sie weiter ritten. Obwohl sie auf ihren Pferden schnell voran kamen, würde es noch mehrere Tage dauern, bis sie die Hauptstadt erreichten.
Plötzlich blinzelte die Gestaltwandlerin gegen das Licht des Feuers an, dann hustete sie, bevor sie sich umdrehte und sich vor seinen Füßen ins Gras erbrach. Angeekelt trat Zayn einen Schritt zurück und beobachtete, wie sie schwer atmete und mit einer verschmutzten Hand nach der Wunde an ihrem Kopf tastete.
„Ich kann sie gerne erneuern, wenn du willst" ,sagte er leise, sodass die anderen Soldaten, die etwas weiter entfernt saßen, ihn nicht hören konnten.
Sie schaute hasserfüllt zu ihm hinauf, doch statt etwas zu erwidern, fragte sie bloß mit rauer Stimme: „Wo sind wir?"
Zayn schaute sich demonstrativ um, während er feststellte: „In einem Wald."
Die Gestaltwandlerin verdrehte die Augen, bevor sie sich nach vorne beugte und sich erneut erbrach. Diesmal blieben seine Stiefel nicht verschont und er fluchte leise. Ein triumphierendes Grinsen lag auf ihren Lippen, als sie sich mit einer Hand über den Mund wischte.
„Wir befinden uns nördlich der Brücke, vier Tagesritte von Vasilias entfernt" ,hörte Zayn in diesem Moment die Stimme des Königs hinter sich. Das Grinsen auf dem Gesicht der Gestaltwandlerin verschwand, als sie den Blick des Königs auffing.
„Habt ihr euch gut unterhalten?" ,fragte er an Zayn gewandt.
„Mehr oder weniger" ,brummte er, während er dem Drang widerstand die Kotze von seinen Stiefeln zu wischen.
Die Gestaltwandlerin machte Anstalten aufzustehen, bevor sie das Seil bemerkte, mit dem einer der Soldaten sie an einen Baum gebunden hatte. Genervt schaute sie zum König und zu Zayn hinauf. „Ihr wisst schon, dass dieses Seil einen scheiß Dreck bringt, wenn ich vor habe zu fliehen?!" ,stellte sie mehr fest, als dass sie fragte.
Der König zuckte mit den Schultern. „Gut dass du nicht vor hast zu fliehen" ,sagte er süffisant, „Es wäre doch einfach zu schade um die kleine Gestaltwandlerin."
Zayn grinste, als er sah, wie das Gesicht der Gestaltwandlerin noch bleicher wurde und sie ihre Lippen zu einem dünnen Strich zusammen drückte. Auch von diesem Teil seines Plans, hatte der König ihm erzählt, denn ohne ein Druckmittel wäre es so gut wie aussichtslos das Monster vor ihnen in die Kerker zu bekommen, wo sie vermodern würde.
Zayns Grinsen wurde breiter, als er langsam in die Hocke ging und ihr eine blutige Strähne aus dem Gesicht strich. „Wie geht es eigentlich Kilian?" ,fragte er herausfordernd.
Er meinte einen Schatten zu erkennen, der über ihr Gesicht strich, als sie den Blick senkte und grinsend erwiderte: „Das interessiert mich genauso wenig, wie die Kotze auf deinen Stiefeln."
Sie log. Zayn wusste es, noch bevor sie ihren Satz beendet hatte. Wenn schon nicht mit Fäusten, konnte er sich wenigstens ein bisschen mit Worten vergnügen.
„Bist du dir da so sicher?" ,fragte er mit schief gelegtem Kopf.
Ihre Nasenflügel bebten vor unterdrückter Wut und er lächelte herausfordernd, bevor er gespielt nachdenklich fort fuhr: „Er hatte ja schon immer eine Schwäche für schöne Frauen, die eigentlich unter seiner Würde sind. Da gab es mal diese eine Dienerin..."
Sie spuckte ihm mit aller Kraft ins Gesicht und noch bevor Zayn wusste, was er tat, holte er aus und schlug ihr mit der Faust gegen die Schläfe. Sie war sofort bewusstlos. Silbernes Blut rann über ihr Gesicht und klebte an seiner zitternden Faust. Am liebsten hätte er nochmal zugeschlagen, doch der König packte ihm am Kragen und zog ihn hoch.
„Was habe ich dir befohlen, Zayn?!" ,fragte er laut. Die Soldaten am Feuer verstummten und schauten zu ihnen herüber.
Zayns Atmung zitterte, als er so leise sagte, dass nur der König es hören konnte: „Ich will meine Rache. Sie... ihr Vater... meine Familie..." Er konnte nicht weiter sprechen.
Der König ließ von ihm ab und antwortete genauso leise: „Du wirst deine Rache bekommen, doch als zukünftiger König musst du wissen, wann der richtige Zeitpunkt dafür ist. Hast du mich verstanden?"
Zayn nickte langsam, während er Stück für Stück die Wut in seinem inneren löschte, bis sie nur noch eine kleine Flamme war. Der König hatte Recht wie jedes Mal.
Er atmete zweimal ein und wieder aus, bevor er sich den Soldaten zuwandte und laut fragte: „Was guckt ihr so? Kümmert euch um euren eigenen Dreck!"
Sofort begannen die Soldaten wieder miteinander zu reden und ihren Beschäftigungen nachzugehen. Zayn wandte sich wieder dem König zu, während dieser einem Soldaten bedeutete auf die Gestaltwandlerin aufzupassen und sich am Feuer niederließ.
„Werdet ihr noch weiter nach dem Captain suchen lassen?" ,fragte er.
Der König nahm einen Schluck aus einer Feldflasche, die jemand mit Wein gefüllt hatte und reichte sie an Zayn weiter. „Ich brauche ihn nicht und außerdem glaube ich, dass er seine Bestrafung bereits erhalten hat" ,antwortete der König, während er über die Schulter zu der bewusstlosen Gestaltwandlerin sah. Zayn hatte eine grobe Ahnung, was er meinte.
Er trank ebenfalls einen Schluck aus der Flasche. Der Wein wärmte sein Inneres und spülte die restlichen Rachegedanken in die hinterste Ecke seiner Erinnerungen. Dann gab er die Flasche weiter und beobachtete die Männer auf der kleinen Waldlichtung, die sie als ihr Nachtlager auserkoren hatten.
Zwei versorgten die Pferde, fünf hielten am Rand des Lagers Wache und die Restlichen saßen um das Feuer herum, tranken aus der Feldflasche und lachten laut. Sie wussten, wer die Gestaltwandlerin war und obwohl sie sie fürchteten, feierten sie ihre Gefangennahme, als wäre es ihr verdienst. Hätte der König sie nicht kurz vor dem Schattenwald abgefangen, wären sie niemals nach Eletheria geritten.
Kopfschüttelnd ließ Zayn seinen Blick weiter durch das Lager wandern. Der Soldat, der in Amyr versagt hatte, lehnte an einem umgekippten Baumstumpf und versorgte seine heilende Wunde mit der restlichen Tinktur, die Zayn in dem Gasthaus an der Brücke einem Söldner abgekauft hatte. Sie stammte aus den kalten Dörfern und konnte wahre Wunder vollbringen.
Zayn hatte vor nicht all zu langer Zeit im Auftrag des Königs eine Bestellung von über tausend Stück aufgenommen. Da nur noch wenige Gestaltwandler lebten und der König zumindest jetzt noch nicht vor hatte sein Land zu expandieren, würde wohl kein weiterer Krieg entstehen, doch man konnte nie wissen und als Anführer der Armee des Königs musste Zayn jeder Zeit bereit sein. Bereit zu kämpfen, bereit zu töten, bereit zu siegen!
Nachdenklich musterte Zayn den König von der Seite. Er trug seinen üblichen silbernen Umhang, darunter die selbe Rüstung mit dem Wappen von Vasilias, wie die Wachen und er selber sie trugen. Er war zwar ihr König, doch er war gleichzeitig ein Soldat, der für eine höhere Bestimmung, eine Zukunft kämpfte. Zayn hatte ihn schon als kleiner Junge dafür bewundert.
Er war der Mentor, der ihn zu der tödlichen Waffe geschliffen hatte, die er heute war. Er war der Retter, der ihn vor den Klauen des Gestaltwandlerkönigs bewahrt hatte. Er war der Vater, den er nie gehabt hatte.
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