Die Prüfung - Teil 2
Jackson lag am Rande des Platzes auf dem Boden. Er schaute in den Himmel.
Totenstille.
Alle Blicke ruhten gespannt auf ihm.
Nichts geschah.
Zwei Heiler teilten sich aus der Menge und halfen Xiahr auf die Beine. Er wirkte durch seinen Blutverlust sehr geschwächt. Sie stützen ihn und er verschwand zwischen den Zuschauern. Sarah legte nachdenklich den Kopf zur Seite. Ob Xiahr geplant hatte so weit zu gehen?
Die Zuschauer, die Jackson am nächsten standen, begannen plötzlich leise zu murmeln. Jetzt erkannte Sarah auch warum. Die Edelsteine im Boden begannen um Jackson herum zu leuchten. Sie schimmerten kaum sichtbar zwischen den Gräsern hindurch. Der Himmel verdunkelte sich schlagartig und der Wind zog wieder auf. Physakris hatte den Zweikampf zwischen Jackson und Xiahr beendet als er Jackson durch die Luft segeln ließ. Nun hatte er einen neuen angefangen, so zumindest Sarahs Vermutung, sollte Jackson wieder zu sich kommen. Physakris blieb auf Abstand im vorderen Drittel des Platzes. Es würde etwas passieren. Sarah fühlte es bis in die Knochen. Nur was war die Frage. Sie hatte den Eindruck, dass keiner so richtig darauf vorbereitet war und das bereitete ihr Unbehagen.
Auf einmal ging eine Druckwelle kreisförmig von Jacksons Körper aus und lief bis zum Rand des Platzes. Sie färbte jeden Grashalm grau. Jacksons magisches Potenzial war erwacht. Er stand auf als wäre nichts passiert. Doch er hatte nur Augen für Physakris.
»Ich bin deine luftigen Tricks so Leid«,sprach er mit kalter Stimme.
Physakris tänzelte vom linken Bein aufs rechte. Er ließ sich äußerlich nicht verunsichern. Die schwarzen Kapuzen bildeten eine solide Wand hinter ihm.
»Du kannst dir gern mehr davon abholen«, erwiderte er. »Für dich sind sie gratis!«, er wirbelte eine kräftige Windhose in Jacksons Richtung. Dieser wich blitzschnell aus und der Luftstrom knallte gegen den Schutzwall.
Jackson hatte die Hände zu Fäusten geballt und entspannte sie nun. Plötzlich fing der Boden an zu brennen. Jedes Grashalm sah aus wie eine Flamme von einem Teelicht. Nur zu Jacksons Füßen legte sich der Rasen aschgrau nieder. Die Menge schrie auf. Aber durch die Schutzmauer konnten sie keine Wärme verspüren. Physakris schwebte über der Rasenfläche, um nicht zu verbrennen.
Hitzeschwaden stiegen um mich herum auf, doch ich spürte sie nicht. Ich spürte gar nichts mehr. Nur den rasenden Zorn, der sich durch meine Adern fraß. Physakris hatte mich von meinem Triumph über Xiahr abgehalten. Er hatte mich wieder wie eine Spielzeugpuppe durch die Luft geschleudert und er hielt meine Messer unter Verschluss. Das er es wagte mir jetzt noch blöde Sprüche an den Kopf zu werfen. Meine Hände formten von ganz allein die Feuerkugel, die ich mit aller Wucht auf ihn zu schleuderte. Sie zerbarst in tausend Funken als sie hinter ihm am Schutzwall explodierte.
Laute Ah und Oh Schreie hallten durch die Menge. Dann setzten meine Gedanken aus.
Ich sprintete zu dem Käfig voller Waffen. Kurz bevor ich ihn erreichte drohte mich eine von Physakris windigen Böen zu erhaschen. Mit einem Aufschrei überbrückte ich die letzten Meter im Halbsprung zum Käfig und umklammerte die Gitterstäbe mit beiden Händen. Dann hoben der Käfig mit mir ab. Der kleine Tornado trug uns immer höher. Ich löste eine Stichflamme aus und wirbelte mit dem Käfig durch ein Flammenmeer. Mit dem Fuß trat ich mehrmals gegen das Scharnier, aber es sprang nicht auf. Ich legte meine Hand darauf und es schmolz dahin wie Eis, doch es öffnete sich immer noch nicht. Wutentbrannt schrie ich in den Tornado aus Flammen: »Gib mir meine Messer zurück!«
Dann krachte ich mit dem Käfig wieder auf den Boden. Ich rappelte mich auf. Feuer floss aus meinen Fingern. Mit einer Explosion sprengte ich den Käfig endlich auseinander. Physakris wollte die Waffen bereits mit seiner Luftmagie in seine Gewalt bringen. Doch mit einer Handbewegung schnitt ich seinen Luftstrom mit einer leckenden Feuerzunge ab.
»Dieses Mal hast du verloren«, wogte meine Stimme mit einigen Flammen über den Platz. Ich stieg in der Hitze des Feuers auf und landete mit beiden Beinen auf dem Käfig. Ich erzeugte für jedes Messer ein Seil aus Flammen, welches es lenken sollte. Tentakel förmig erwachten die Klingen zum Leben. Dann ließ ich alle mit einem Aufschrei auf Physakris nieder regnen. Die meisten schlugen vor ihm ins Erdreich ein. Ich warf mit allen Waffen die ich oder eher gesagt meine Flammen greifen konnten. Nur der Bogen blieb in dem kaputten Käfig zurück. Doch irgendwann endete mein feuriger Waffenregen.
Physakris löste die Kuppel um sich herum auf, die ihn vor den Messern geschützt hatte.
»Feigling.« Ich wandte mich ab. Die Flammen um mich herum bargen eine faszinierende Schönheit. Rot, orange, gelb und selbst blau tanzten sie als mein eigenes Volk zu meinen Füßen. Ich rollte kleine Feuerbälle über die Wiese und musste lachen. Es fühlte sich so einfach an, als ob ich mein ganzes Leben lang nichts anderes getan hätte.
Jackson wirkte plötzlich wie ein kleines Kind auf einem Spielplatz aus Flammen. Er testete seine Magie mit fedrigen Handbewegungen. Sein Blick folgte den verschiedensten Feuerfiguren, die er erschuf und sogleich wieder in etwas Neues umwandelte. Er lächelte.
Sarah konnte nur tatenlos dabei zusehen, wie Akon Physakris einen silbernen Dolch durch den Schutzwall reichte. Physakris drehte ihn zwei Mal in der Luft und schoss ihn dann ohne zu zögern auf Jackson zu. Der schien seine Außenwelt vergessen zu haben und drehte sich nicht einmal um. Eikesha griff Sarah bei der Hand: »Tu es nicht«, raunte er ihr zu. Sie unterdrückte einen Aufschrei als der Dolch in Jacksons Rücken eindrang, genau zwischen Schulterblatt und Wirbelsäule. Nicht tödlich, aber problematisch würde man in der Heiler Ausbildung sagen. Jackson sackte auf die Knie. Die farbenfrohen Feuerbälle mit denen er zuvor gespielt hatte, erloschen zu Rauchwolken. Was er dann tat, ließ Sarah das Blut in den Adern gefrieren.
Ich hatte so schön gespielt, doch irgendwer hatte es unterbrochen. Ich griff mir instinktiv über die Schulter und zog langsam einen Dolch aus meinem Rücken. Ich schaute ihn anteilnahmslos an. Rot tropfte Blut von dessen Spitze, die im Schein des Feuers anmutig leuchtete. Dann drehte ich mich um. Unweit entfernt stand eine schwarze Silhouette. Ich nahm den Dolch zwischen beide Zeigefinger. Das Metall zerfloss und ich formte einen silbernen Pfeil daraus. Ich strecke die Hand aus und der Bogen aus dem Käfig schmiegte sich kühl in meine Handfläche. Die Sehne war verbrannt und hing lose an beiden Enden. Ich spannte eine neue aus Flammen in den Rahmen des Bogens, legte den Pfeil ein, spannte die Sehne, verbrannte mir drei Finger und entließ den Pfeil auf seine Zielgeraden. Ausdruckslos verfolge ich seine Flugbahn. Physakris versuchte diese vergebens zu verändern. Doch der Pfeil zitterte nicht mal als er seine Luftpolster durchschnitt. Im letzten Moment sprang Physakris zur Seite und der Pfeil schlug in die Schutzwand ein. Seine Spitze glühte noch und war nur wenige Zentimeter von Akons Gesicht entfernt. Die Menge hielt die Luft an. Einige Meister blickten schockiert zu ihrem Anführer. Doch ein Lächeln umspielte Akons Mundwinkel.
Physakris drehte sich zu mir um: »Schwerer Fehler.« Dann verschwand er rückwärts hinter der Schutzmauer. Das Gras hörte auf zu brennen während ich die Flammen in alle Richtungen schickte. Doch mit einem Mal wollten sie mir nicht mehr so richtig gehorchen. Es formten sich zwei riesige Schlangen, die sich gegenseitig jagten. Ich versuchte sie zu beruhigen, doch damit lenkte ich ihre Aufmerksamkeit nur auf mich. Haushoch bäumten sich diese fremdartigen Ungeheuer vor mir auf. Ich fiel auf die Knie und schrie sie an, doch es half nichts. Ich fuchtelte hilflos mit den Händen aus denen auch nur nutzlose Flammen zuckten. Das Feuer um mich herum zischte und Funken prasselten auf mich nieder. Die Schlangen schauten gehässig auf mich herab. Als sie zu mir hinunter stießen, hob ich schützend beide Arme über meinen Kopf und schrie.
»Es reicht«, donnerte es über mich hinweg.
Ich gab vorsichtig meine Schutzhaltung auf. Akon stand fast neben mir. Die Schlangen waren verschwunden und die restlichen Flammen zogen sich in den Himmel zurück. Gleißend hell brannte eine schwebende Feuerdecke über dem Schlachtfeld. Ich konnte die Hitze spüren und setzte mich auf die Versen. Eine fremde Stimme schlich sich in meinen Geist. Akon.
»Ergib dich Jackson.«
Ich schüttelte stumm den Kopf und starrte auf den verkohlten Boden. Meine Fäuste ruhten auf meinen Oberschenkeln.
»Ergib dich oder du hast dich in fünf Minuten selbst umgebracht, das kann ich dir versichern«, sagte er weiter in meinem Kopf.
Ich löste meine Fäuste und wischte mir die Handflächen an der Hose ab. Dabei wurde meine linke Hand nur noch dreckiger, weil ich sie über die blutige Stelle auf meinem Bein zog. Es tat nicht mal weh.
Ein Gedanke formte sich in mir: »Ein wahrer Meister gibt nie auf.« Akon lachte in meinem Kopf.
»Du bist auch kein Meister.«
Ich atmete einmal tief ein und wieder aus.
»Ich kann dir helfen einer zu werden«, sprach Akon weiter. Ich legte den Kopf in den Nacken und betrachtete wieder all die feurigen Farben, die sich über mir ineinander verschlungen, fast wie kleine Schlangen.
»Ergib dich und werde ein Farbmagier«, sagte er nun wieder für alle Beteiligten hörbar.
Ich senkte den Kopf und starrte erneut das verkohlte Gras an. So langsam dämmerte es mir. Das war ich gewesen. Ich hatte alles zerstört. Zittrig holte ich Luft und meine Hände erhoben sich wie von selbst an meinen Hinterkopf als Zeichen meiner Kapitulation. Mir war als kostete das meine letzte Energie.
Akon senkte den Feuerhimmel ab, eine Druckwelle durchfuhr meinen Körper, dann wurde das Gras in meinem Sichtfeld saftig grün. Die Hitze war verschwunden. Die Sonne kam zwischen den Wolken hervor und als ich aufstand, sah ich, dass meine zerrissen Kleidung ebenfalls farbig geworden war. Die schützende Kuppel löste sich auf und die meisten Menschen schlenderten langsam zurück in Richtung Wald, wahrten aber einen Abstand zu mir. Akon war bereits wieder auf dem Weg zu seinen Meistern und ich ließ mich nutzlos auf die Überreste des Käfigs sinken. Ein Junge hüpfte an der Hand seines Vaters an mir vorbei: »Papa, Papa«, wollte er wissen. »Hat Jackson jetzt verloren, weil er sich am Ende ergeben hat?« Der Vater zog seinen Sohn schnell weiter und beteuerte ihm, dass es nicht ums Gewinnen bei solchen Prüfungen ging.
Ich schaute auf meine Hände. Sie waren schwarz vom Ruß und blutig vom Kampf.
Endlich gab Akon ihr das Zeichen. Sie hielt es kaum noch aus. Dann flog sie fast zu Jackson. Als sie bei ihm ankam, starrte er mit leeren Augen vor sich hin. Sie musste ihn an der Schulter rütteln, damit er ihre Gegenwart bemerkte. Als er aufblickte und sie ansah kehrte kein Stückchen Wärme in seine Augen zurück. Sein Gesicht blieb ausdruckslos.
»Sarah?«, fragte er mit brüchiger Stimme.
»Was hab ich getan?«
Sie schenkte ihm ein mildes Lächeln.
»Du hast dein magisches Potenzial fließen lassen.« Sie kniete sich vor ihn und ergriff seine Hände. Er wusste überhaupt nicht was er mit sich anfangen sollte. Russ und Asche bedeckten seine Gesicht und seine Haare.
»Ich kann nichts spüren«, sagte er langsam.
»Das kann schon mal vorkommen, wenn man im Farbrausch war«, erklärte sie.
»Lass mich dir helfen«, fuhr sie fort.
Sarah konnte mit mir machen was sie wollte, mir war es gleich. Ob sie mich heilte oder noch einen weitern Dolch in meinen Rücken schob, was spielte es für eine Rolle? Mit einem Mal war mir mein Leben so egal geworden. Sarah begann mit meinem Oberarm, danach war mein Bein dran und zu guter Letzt der Rücken. Sie beugte sich über mich und es sah aus als ob sie mich umarmen wollte. Ich legte einen Arm um sie herum, während ein warmes Kribbeln in meinem Schulterblatt einsetzte. Eine einzelne Träne löste sich und rollte mir die Wange hinab. Ich wischte sie schnell weg bevor Sarah sie sehen konnte. Als sie fertig war, erwiderte sie kurz meine versuchte Umarmung. Sie scannte meinen Körper nochmal und wollte dann meine verbrannten Fingerkuppen heilen, die ich mir beim spannen des Feuerbogens zugezogen hatte. Doch ich zog meine Hand weg. »Nein, lass das als Erinnerung.«
Sie stutzte: »Wie du willst, aber geh später im Zelt der Heiler vorbei und hol dir eine Brandsalbe. Nicht, dass es sich entzündet.«
Ich nickte mechanisch. Dann fuhr ich mir mit der Hand durchs Gesicht. Nach einer kurzen Pause sagte ich ruhig:
»Ich bin ein Monster.«
»Nein, fang gar nicht erst so an Jackson.«
»Doch, du weißt es vielleicht nur noch nicht.«
Sarah schaute mich lange an. Irgendwann sagte sie: »Du hast gut gekämpft. Ich muss zurück zu den anderen.« Sie drückte noch einmal meine Hand. Dann war sie fort.
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